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ZEITSCHRIFT
FÜR
ETHNOLOGIE
Organ der Berliner Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Unter Mitwirknsg dea zeitit^eu Vorsitzeaden deraelben, '
S, Tircho w,
A» Bastian und R* Hartnianii*
Elfter Jahrgang. (K^ a l 1879. — Supplement.
Dis Nigritiev von Ifobert Murtmann.
Erster Theil.
BERLIN.
Verlag von Wiegandt, Hempel & Parey.
(Paul Parey.)
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DIE
N I GRIT IE R.
EINE
ANTHROPOLOGISCH-KIHNOLOGTSCHE MONOGRAPHIE
VON
DR- ROBERT HARTMANN,
PROFESSOR AK DER UNIVERSITÄT ZU BERLIN.
¥
ERSTER THEIL.
MIT 68 LITHO0BAPHI8GHEV TAFELI ÜHD D&BI DI DEI TEXT aEDBUCKTEI
H0LZ80HHITTEI.
BERLIN.
VERLAG VON WIEGANDT, HEMPEL & PAREY.
1876.
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GEWIDMET
DEM ANDENKEN AN DIE DEUTSCHEN:
ADALBEET FREIHERR VON BARNIM
HEINRICH BARTH
MORITZ VON BEURMANN
CARL CLAUS FREDIERR VON DER DECKEN
WILHELM VON HARNIER
HERMANN LINCK
EDUARD TRENN
WELCHE FÜR DIE ERFORSCHUNG AFRIKAS WIRKTEN
UND LITTEN.
BERLIN, IM MOVEMBEH 1875.
DER VERFASSER.
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Vorrede zum ersten Bande.
Mach meiner Rückkehr aus Sudan veröffentlichte ich eine Reihe kleinerer,
mehr skizzenhaft entworfener Arbeiten über die Eingebornen Afrikas.
Es lag mir nun der Wunsch nahe, meine Ansichten über diese interessanten
Völker in ausgiebiger und geordneter Weise unseren wissenschaftlichen
Kreisen zu überliefern. Ich biete dieselben hiermit in einer Reihe von Studien
dar. welche, wie man im Verlaufe derselben erkennen wird, sich zu einem
oiptnischen Ganzen aneinanderschliessen.
Der erste Band behandelt wichtige Vorfragen.
Derzweite wird ein physisch-anthropologisches und eth-
nologisches Gemälde, — wenn man will, den Versuch zu einer
Naturgeschichte — der afrikanischen Stämme bringen.
Das Hauptthema bilden die dunkelhäutigen Völker des unserer
Wissenschaft; so theueren Festlandes. Ich wählte für sie schon vor Jahren
den Namen »Nigritier« als einen solchen, welcher weniger praeoccupirend
klingt als der so unsäglich missbrauchte Ausdruck »Neger«. Natürlicher-
weise durften dabei auch die helleren Afrikaner nicht übergangen
werden.
Eine freie Anwendung von Standard-Lettern hielt ich zur Umschrei-
bung der unseren gebräuchlichen europäischen oft absolut wider-
sprechenden afrikanischen und asiatischen etc. Laute für unvermeidlich.
Fast aber habe ich die Inangriffnahme dieses unendlich schwierigen Unter-
nehmens zu bereuen gehabt. In dem sprachlichen Abschnitte werde ich kurz
die Hindemisse aufzählen, mit denen ich bei Anwendung der Standard-Lettern
kämpfen gemusst. Dennoch liess ich nicht nach. Trotz vieler augenschein-
licher Fehlgriffe glaube ich aber annehmen zu dürfen, im Grossen und Ganzen
das Richtige getroffen zu haben.
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VIII Vorrede zum ersten Bande.
Das Erscheinen dieses Werkes wurde durch den leidigen Setzerstrike, durch
die lange schwere Krankheit und den Tod eines überaus theuren Familien-
gliedes und durch sonstige theils trttbe, theils erfreuliche Lebensereignisse
verzögert. Den zweiten Band hoffe ich sicher bis December 1876 beendet
zu haben.
Ich habe dies Buch dem Andenken an einige befreundete Deutsche
Helden gewidmet, mit denen ich in stiller Wttste beim traulichen Nacht-
feuer gesessen und an deren Seite ich so manche anregende Unterhaltung
im Beduinengezelt, im Felläh - Hause , im europäischen Salon und im
heimischen Studierzimmer gepflegt. Sie Alle sind derzeit heimgegangen.
Die Einen aus klaflfender Wunde ihr Blut vergiessend, oder vom Hufe der
wilden Bestie des Waldes zertreten, die Anderen dem tückisch heranschlei-
chenden Fieber erliegend oder daheim auf weichem Pfühle vorzeitig die
Wonne büssend, einmal unter den Palmen — Afrikas — gewandelt zu sein.
Der Verlagshandlung und Allen, die mir bei diesem
Unternehmen hülfreich gewesen, meinen herzlichsten Dank.
Berlin im December 1875.
Robert Hartmann»
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InhaltsverzeichnisB des ersten Bandes.
Titel, Widmung, Vorrede.
I. Abschnitt.
I. KapiteU
Kurze Betrachtung der physischen Beschaffenheit unserer hauptsächlichsten
Beobachtungsgebiete. S. 1 — 2.
U. KiipiteU
Vorltufige Rundschau über die VöMterstämme Ost- und Inner- Afrika' s. S. 2—5.
lU. KapilBi.
Baudenkmäler als Zeugen der Vergangeaheit, als Ueberreste früherer Kultuarsuftände.
S- 5 — 43. — Ruinen in Nubien. S. 6. — In Sennär. 8. 11. — In Abyssinien. S« 13. —
Alte Koltuistätten in Setmdr etc. S. 19. — Angebliche Pyramiden im OnlrSüdän. & 22. —
Gräber in Setmär. S. 23. ~ Zimbdod des De Barros u. s. w. S. 26. -^ Botelbo und
Sa da Bandeira über alte Minen und Trümmerst&tten in Osta£rika. S. 2d. — Walnsley ,
Koined cities of thc Zulu-Land. S. 2ä— 36. — Erster Bericht über C. Manch 's Zim-
habye. 8. 37. — Steinerne Umwallungen bei den A-Bäntit. S. 39. — ThterdaüstaUiiDgea
und sonstige Abbildungen auf Felsen in Afrika. S. 4U— 47.
IV. Kapitel.
(Jeher mancherlei Nachnohten, welche uns die Alten von Afrika's VMkersehaften' hin-
terlaesen haben. S. 43 — 83. — Kus. S. 43. — Alt-Nubien. S. 4,^. — Eroberungen der
Aegypter im Süden. S. 46-^52. — Einfälle der Libyer. S. 52. — Aethiopisohe Dynastie in
Aegypteo. S. 53. — Auswanderung der Krieger nach Süden. S. M. -- Seeeehifffahrt der
AegTpter. S. 55. — Thierivanaporte u. » w. S. 57. — Meroi*. Ursprang des Namens. S.
5» ff. — Naelunchten der Alten über die Aethk^n im Allgemeinen, über die Troglodyten,
übar die alt&tliiopisclie Fauna u. s. w. S. 64. — Periplus Hannonis. S. 65. — Ptolemaeus
Geographie der südlichen Lande. S. 66. — Part Key und Sobiern über das die Nil-
quellen behandelnde Bruchstück. S. 68. — Der Niger der Alten. S. 79. — - Ptolemaeus,
Kooetel, Barth u. A. über die allen Nachriehten von Inner-Afirika. S. 7^. — Plinius
desgl. S. 75. — Petronius, Nero's Uauptleute und die Nasomonen. S. 76. - Ruinen
von Akmm. & 71, — Ruinen von Aduiu. S. 81. — Bleraroyer. S. 82. —
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Inhaltsverzeichniss des ersten Bandes.
y. Kapitel.
Ueber die Nachrichten mancher neuerer Autoren von ost-, inner- und westafrikani-
schen Stämmen.
Mittelalter, Anbruch der Neuzeit. S. 83. — Browne, Bruce, Burckhardt. S.
84. — Cailliaud und seine Eintheilung der Völker Osi-Südän's. S. 85. — Rueppell,
Pallme, Zen-el-^Abidin. S. 87. — Russegger, Werne, Tr^maux etc. S. 88. —
Pruyssenaere, Marno u. A. S.91. — Peney, Miani u. s.'w. S.91. — Die sogenann-
ten Pioniere. S. 92. — Beke, Heuglin, Harris, Hunzinger, Schweinfurth,
Burton, Speke, Grant, Baker u. v. A. S. 92. -- Bereiser der Westküste und des
Innern wie östl. Afrika. 8. 93. — Die Ethnologen. S. 94. — Philologie und Somatologie.
S. 95. —
TL Kapitel,
Ueber bildliche Darstellungen von Afrikanern und insbesondere von Nigritiern. Die
Völkerdarstellungen der alten Aegypter. S. 96—100. — Nigritier- Abbildungen im Mittel-
alter. — Horace Vernet. -S. 101. — Schopin. S. 102. — Die Modelle der Maler des
Mittelalters u. s. w. Das. — G. Pouchet über den Vorzug der Oelmalerei für ethnolo-
gische Bilder. S. 103. — Die Photographie. S. 104. — Neuere Darsteller, namentlich S.
Daniell. S. 105. — Dann Harris, Bernatz, Tremaux u. A. S. 107. — Lejean,
R. Kretschmer, R6pin u. s. w. R. Burton' s Carricaturen von Nigritiern. Das. —
Harnier, Godard, C. v. d. Decken, Baines, G. Fritsch. S. 109. — Ansichten
des Verfassers. S. HO— 1J3. — Freundliche Helfer. Das —
YU. Kapitel.
Ueber Kulturpflanzen, Ackerbau und Kulturthiere der Afrikaner.
Allgemeines. S. 114. — Musaceen. S. 115. — ^Palmen. S. 117. — Anpflanzung wilder
Fruchtbäume. 8. 118. — Eigentliche Kulturpflanzen und deren Produkte. S. 119 — 127. —
Landbau. 8. 127—129. — Hausthiere und deren hohe Bedeutung für die Ethnologie. S.
130—139.
ym. Kapitel.
Aeltere und neuere Industrien, älterer und neuerer Handel der Afrikaner, besonders
der Nigritier.
Steinalter in Afrika. 8. 141. — Bronzeperiode in Aegypten. S. 142. — Eisenindustrie
der Afrikaner. 8. 143. — Kupfer, Blei, Gold u. s. w. 8. 145. — Thon, Töpferei, 8teinge-
räth, thierische Produkte und deren Bearbeitung. 8. 147—149. — Pflanzengewebe. 8. 149.
— Rindenzeuge, Flechtwerk, Holzschnitzerei, Färberei. 8. 150. — Schiffbau. 8. 152. —
Handelsbewegungen seit Alters. 8. 153 — 156.
IX. Kapitel.
Allgemeine Skizze der Völkerbewegungen, der Stammes- und der Kastenbildung unter
den Afrikanern, vorzüglich den Nigritiern. 8. 156 — 522. — Reiselust der Afrikaner. 8. 157.
— Auswanderer, Miethlinge. 8. 160. — Der Hägg. 8. 161. — Jagdzüge. 8. 163. — Um-
herziehende Sänger. 8. 164. — Karavanenhandel. 8. 165. — Sklavenhandel 8. 166—169.
— Anschauungen der Neuzeit gewinnen selbst unter Moslifmn Boden. 8. 170. — Tekärine.
8. 172. — Kriege. Das. — Deren Ursachen. 8. 173 — 175. — Einwanderungen und Wür-
digung ihrer wirklichen sowie ihrer scheinbaren Bedeutung. 8. 175. — Parallde mit ame-
rikanischen Völkern. 8. 176 — 180. — Eetu und angebliche Einflüsse der Syroaraber auf
dieselben. S. 181 ff. — Aegypter und Ueberlieferungen in Bezug auf deren Abstammung
8. 185. — Semiten, Arier. Das. — Ändu-Theorie. 8. 187—190. — Die Äe<ii-Aegypter
sind echte Afrikaner, JBeräbrUf überhaupt Berbern, Itnöitty im weiteren Sinne.
8. 192 ff. — Die Syroaraber. 8. 194 ff. — Die Neuaegypter sind nicht völlig die Metu.
8. 196. — Mo V er 8 über die Herstammung der Aegyptr. 8. 197. — Ansichten des Ver-
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Inhaltsverzeichniss des ersten Bandes. XI
t ' ... =
fassen über diesen Punkt. S. 198. — Sntstehuog Aegyptens. S. 199. — Depfessioosgebiet
der SaKarä. S. 201. — Naturdienst der Aegypter. S. 203. — Alte Pharaoo^ndynastien. S.
204. — Nubische Kleinstaaten. S. 205. — Einfall der ä^qsos. S. 206. *- Deren Vertrei-
bung aus Aegypten. S. 208. — Beziehungen der InneraMkaner «u den Altägyptern. S.
257 ff. — Syroarabisch und BerberUch. S. 260. — Die blondhaarigen Berbern. S. 262. —
Megalithische Denkmäler und deren Verbreitung. S. 265. — Alte Beziehungen zwischen
Europa und Nordafrika. S. 266. — Höhlenschriften, Runen und Tefinay. S. 268. — O.
Heer über Sonst und Jetzt in Europa's und! Nordafrika's Natur. S. 269. — Botanische,
zoologische Verwandtschaft. S. 270. — E.hnische Verwandtschaften. S. 271. ^- Berbern in
Europa. S. 21'S. — Atlantiker. S. 274. — Sagen von der zertrümmerten Atlantis. S. 274
bis 278. — Guanehea. S 278. — Nigritier in Nordafrika. S. 279. —
Einwanderung von Arabern in Afrika. S. 281. — Quriän und Schwert. S. 282. —
Eingebome afrikanische Schriften. S. 283. — Einfluss der arabischen Literatur. S. 284. —
Klugheit der islamitischen Olaubensverkünder. S. 285. — Ismailiten. S. 286. — Physische
Beschaffenheit der arabischen Beduinen. S. 287. — Vermischung derselben mit den Aegyp-
tem. S. 288. — Maqrizi über die in Aegypten eingewanderten syroarabischen Stämme.
S. 290 — 297. — Aegyptische Beduinenstämme zu Anfang dieses Jahrhunderts. S. 297 — 300.
— Prokesch v. Osten über denselben Gegenstand. S. 301. — Pris^e und Horeau.
S. 302. — Kremer. S. 303. — Wilkinson. S. 304. — Prokesch über das frühere
Verhalten dieser Nomaden und ihre Bändigung durch MoKammed-^Ati. S. 305. — Zahme
Beduinen. S. 306—308, — JAbäbdeh. S. 309. - Araber im Mayreb. S. 310—319. — Mau-
ren. S. 321. — Priesterverbindungen. S. 322. — Veyüäd. S. 324. — i^eji«Ä. S. 325—330.
— Öa^attn. S. 330. — Bejah 'Völker. S. 331—353. — Noch einmal die Syroaraber. S. 355.
— Merot- und die Meroiten. S. 357—361. — ^Alöah. S. 362—366. — Herkunft des W^or-
tes Beduinen. S. 366. — Wie enUtehen Beduinen? S. 367—371. — Abyssinische Stämme.
S. 371—392. — Südaraber. S. 392—395. — Danäqxl. S. 396. — Oälä oder Örma. S. 397
bis 401. — Spdäma. S. 401. — Süd-Oälä, S. 403. — Orlaiqob. S. 403. — Öaqqa. S. 404
bis 409. — Züge der A-Bäntu im Allgemeinen. S. 409—411. — Amazulu. S. 412. — Ma-
tabeU. S. 413. — Amafenqü. S. 415. — JBe-tsuäna. S. 415—419. — San'kelä oder l§anqälä,
Schangala. S. 419—421. — Bäriä, Ma>aria u. s. w. S. 422-424. — Fung. S. 424—434. —
Beräbra. S. 435. — Tebu oder Tedä. S. 437. — Nöbah. S. 441. — Bewohner von Dar-
Für. S. 442. — Völker des weissen Nil. S. 445. — Die Bonqö ziehen nach Bayirml und
gründen hier ein £eich. S. 445. — Episoden aus der Geschichte BayirmVa. S. 449 ff. —
Musqü u. s. w. S. 451. — Kanüri. S. 452. — Känem. S. 453. — Wädäy. S. 454. —
Xamnam. S. 456. — Äaö««-Stämme S. 459. — Sonyäy, S. 460. — MeUe und MandMca.
S. 463. — Bämbarä oder Bctmänä. S. 464. — Y'olof, S. 465. — Fulän oder Fülbe. S.
466—476. — Mombütu. S. 472. — Asänü S. 477. — DaKome. S. 478. — Yorüba. S. 480.
— Tra^öit-Stämme. S. 481. — Cow^o-Bewohner. S. 481. — Angola. S. 482. — Moröpue
oder M\lwä. S. 485. — Motwmotapa. S. 486. — Damara oder Herero. S. 488. — Hotten-
totten. S. 4S9. — Buschmänner. S. 490. — Sogenannte Pygmäen des Westens und des
Innern. S. 492—501. —
Kasten der Indier. S. 502—504. — Der Aegypter. S. 505. — Sümägalie und Tigrie.
S. 505. — Kasten der Sömäl. S. 506. — Die Beldu. S. 507. — Einfluss des Mäm. S. 508.
— Wie sich z. Th. die »Araber« in Afrika bildeten. S. 508. — IKoqären und Imyäd.
S. 509. — Handwerker- und Jägerkasten. S. 510. — Condottieri. Das.
Einige Berichtigungen und Zusätze.
Merensky über die Zimbuoe. S. 51). — Bastian über den Fetischfelsen am Biver
Congo. S. 515. —
Elephantenkoptbilder der allamerikanischen Skulpturen. S. 515 ff. — Aegyptische
Deltaseen. S. 517.
Zustand der Kolonien von Mopambique, S. 518.
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Xn Inholteverzetc^tss des ersten Bandes.
Hanoteaa und Letourneux über cfie Berbern. S. 51S ff.
Attantis^Sng». S. 510.
Trüamerstätte an der Sömdl^Kütlbe S. 521.
Wakelield über die GTätö. 8. 521.
Dr. B^renger Ftvau.d über die Wohf Mtid Fuiän. 8. 528.
Notizen. S. 524.
Verzeichniss der TafMn des ewten^ Bandes.
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Verzeiclmiss der Tafeln des erste» Bandes.
Taf. 1.
tS«/-Grab in Sennär, nach der Natiir gezeichnet von W. ▼. Harn i er.
Taf. U.
Fig. I. Ditcän zu Zertbah, Sennär.
Fig. 2. äanm daselbst.
Fig. 3. Orandriss des Diwan das.
a Verfallene Eingangstreppe.
a' Empfangshalle.
h Seitengemach derselben, durch Pfeiler von ihr getrennt. Im Hintergrunde zur
Linken (5) eine Lehm-Estrade zum Daraufsitzen.
Cy d, e, /, g Hintergemächer, /in c bedeutet eine Lehmestrade wie in h. yy etc.
Fensteröffnungen .
Fig. 4. Parthie der Zimmerdecke der Empfangshalle im Diwan zu Zertbah.
a Tragbalken.
b Darübergelegte Palmblattstiele.
e Matten aus den Blattfiedem der Z)Ö7/i- Palme, mit einzelnen schadhaften Stellen.
9ät. HL
Fig. 1. Regierung^ebäude und ^
Fig. 2. Moschee zu Setmär.
Fig. 3. Lehmhäu«er zu KamUn, Semnär.
Fig. 4. Dorfhäuser in Sennär.
a Baumwollenballen in Omab oder steifhaUnigeni Sorpksm*Staioh verpackt.
b Lehmpostament mit Burmah, Wassertopf, c Grosse Kürbtsflasche. ^ Dach-
rinnen, d Luftlöcher im Hauptgebäude, e Bttoh-Toqüle.
Taf. IT.
Fig. 1. Durchschnitt durch einen Stroh- To^ dilur I\in^ in Sennär.
A. Dach. B Seitenwände. C Fussboden von mit Lehm gestampfft«r Erde. D Se-
rir oder Lagesstätte mit umgebender innerer Meki^dh. Am Bach der letzte-
ren hängen Schaalen zur Aufbewahrung kleinen Httusrathes. £ ThOröffnung,
welche in die äussere Rekubdk oder luftige Vovltfube H führt. F Wand.
O Stelle, an welcher die (hier weggelassene) eine Wmid befindlich ist. K Ein-
gangsöffnung zum Ganzen.
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XIV Verzeichniss der Tafeln des ersten Bandes.
Fig. 2. Zaribah oder Wohnräume des Melik Ret/ib-Adlän Wolled-Urls-Adiän der
F^oti} tu Hellet -Idtns am Öehel-htle, Sennär (1860).
n Fülah oder Kegenteich. A Gartenzaun, b Oartenpflanzung. JB Zaun aus
Soi'yhufn-HaXmen. C Eingangsöffnung desselben. Der zur Zm^ah führende,
leidlich gebahnte Weg. c, ß Innerer Hofraum. D Herren- To^w/ mit Rekü-
bah. E Kselstall. F Dienergebäude. O Hartm, aus Lehmziegeln gebaut
und mit Siroh-liekübah IT versehen. K, K Stroh- Jo^m/p für Diener u. s. w.
N Eine der benachbarten Idovi-Zei^bah.
Fig. 3. Lehmhäuser und Stroh- To^m/c zu Mesulänneh, Settnär.
Fig. 4. Theil eines 2V>^i7M)orfes, Sennär.
a Toqül mit Strohdach und Lehm-Unterbau, b Abtrittbau aus So/v/^/m-Halmen.
c l^oqüh, %. Th. mit Umzäunungen.
Taf. II— IV nach Original -Federzeichnungen von R. Hartmann.
Taf. V.
Völkertypen Nord-Oat-Afrikas, nach Original-Aquarellen von R. Hartmann.
Fig. 1. Bemri.
Fig. 2. iAbbädi.
Fig. 3. rf/«Wi.
Fig. 4 und 5. Baqänt.
Fig. 6. Bewohner von Seinh.
Fig. 7. Mischling von 'Abbädi und Taklnwieh.
Fig. 8. Pnllo.
Taf. VI.
Völkertypen Nord- Ost- Afrika*«, nach Originalaquarellen von R. Hart mann.
Fig. 1. Edler Fun^fi.
Fig. 2. Soldat, von 6ehel-Tähy gebürtig.
Fig. 3. Ken ff »1.
Fig. 4. Qqngän.
Fig. 5. Berdätn.
Fig. 6. DenqäuH vom Tribus der Atoläd-Htraftim.
Fig. 7. Kännny.
Fig. 8. ^iltkäw't.
Trf. TU.
Völkertyp^n Syriens, Palästinas, Aegyptens, Nubiens und der Berberei. Nach Pho-
tographien.
Fig. J. Aegyptischer Oberst, nach einer Photographie von W. Hammerschmidt.
Fig. 2. FelläK, von Demselben.
Fig. 3. i'*43//a^Mädchen aus Cairo, Von Demselben.
J'ig. 4. Desgl.
Fig. 5. Kopte aus Oberägypten, nach einer Photographie von P. Langerhan».
Fig. 6. Beduine aus Qast'-Badrän, Bezirk öizeh, unfern Cairo, nach einer Photo-
graphie von W. Hammerschmidt.
Fig. 7. Berber-Beduine aus Mayrebf nach Demselben.
Fig. 8. pesgl.
Fig. 9. Beduine, aus der MiUgah, Algerien, nach einer Photographie von Dubos.
Fig. lU. Seq~i (Diener des Dr. Schwein furth, I865/H6), nach einer Photographie
von D6sir6 u. Comp., Cairo.
Fig. 11. Besäri, desgl.
Fig. 12. Der Turco Qozür'Ben-Al/fäir, und
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Verzeichniss der Tafeln des ersten Bandes. XV
Fig. 13. ein Tureo , dessen Namen mir nicht bekannt ist , beide aus Mo^yäniit},
nach Photographien von Fr. Solch in Ingolstadt.
Fig. 14, 15. Beduinen Tom Sinai, nach einer Photographie von Hammerschmidt.
Fig. 16. Beduine von Jericho, von Demselben.
Fig. 17. Heyüzi, nach einer Photographie.
Fig. 18. Beduine vom Stamme der BefiA-^Adtcän , Jordanthal, nach einer Photographie
von P. Langerhans.
Taf. Yin.
Altägypter u. s. w.
Fig. 1. König Safra [Chcphren) nfich der im Museum von Buläq befindlichen Statue.
Gipsabguss zu Berlin. (Gez. von A. Me'ynj.
Fig. 2. König H'amses der II. nach ein«m der Kolosse zu Ahü-Simhil (Photographie
von W. Hammerschmidt..
Fig. 3, 4. König R^amses der III. (Statue im Museum zu Berlin, gez. von Meyn.)
Fig. 5. Frau aus der P'amilie des Xuenaten. (Lepsius, Denkmäler, Abth. III,
Blatt 103, Fig. c.)
Fig. 6, 7. Angebliche Jiyg«o«-Portraits, nach Mariette-Bey in der Revue d'Ar-
cheologie l. s. c.
Fig. 8. Kriegsgefangener Syroaraber, nach einem Relief im Reichstempel zu Karnuq
rrheben), nach einem selbstgenommenen Papierabdruck gez. v. R. Hart mann.
Fig. 9. Portrait eines Altägypters, und
Fig. 10—12. steinerne Figuren von Altägyptern aus dem Museum zu Bnläq. (Pho-
tographien von A. Varady u. Comp.j.
1VC IX«
Fig. I. Portrait des Königs IVamses II. Kuloss von Memphis. (Aus Lepsius,
Denkmäler etc Abtheilung II, Blatt 172, Fig. e.^
Fig. 2. FelläH aus ^\xdi-KelJüblehy nach dem Leben gez. von R. Hartmann.
Taf. X.
Völkertypen aus Aegypten, Syrien und der Berberei.
Fig. 1. Syroarabischer Beduine, nach einer Photographie von O. Schöfft in Cairo.
Fig. 2. Ein Turco mir nicht bekannten Namens, und
Fig. 3. der Turco Besir-Ben-MoKammed (wie auch 2j aus Mosdayänim^ nach einer
Photographie von Fr. Solch.
Fig. 4, 5. Kabylische Schnitter, nach einer Photographie von Mongin in Selif.
Fig. 6. Der Turco Bü-Sa*al{b. x
Fig. 7. Der Turco Masalüd-Ben^ Bailas. / '^^^^ ^^^^«"^ ^^" ^^^^^
Fig. 8. Xöyah zu Seüf, nach einer Photographie von Mongin.
Fig. 9. Ein TurcOt dessen Name nicht bekannt ist, und
Fig. 10. der Turco Ferrägi Ben-el-Mrab , Mosdayänim^ nach Photographien von
Fr. Solch.
Fig. II. rütnir, Grenze von Tunesien, nach einer Photographie von Prodh'om
zu Bönah.
Fig. 12. Junges Kabylenmädchen, nach einer Photographie.
Fig. 13. Dame aus Tuqqurd, nach einer Photographie von Mongin.
Fig. 14. Beduinenfrau aus der Gegend von La Calle,\ nach einer Photographie von
Prodh'om.
Fig. 15. ' Maurin aus Algier, nach einer Photographie von W. Burger.
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XVI Vefaeichniss der Tafeln des ersten Bamles.
Fig. 16. Aegypt^rin, nach einer ^Photographie von O. Sc hofft.
Fig. 17, 18. Ostnüotische Beduinen, luu^h einer Phategraphie von Dens.
Fig. 19. i^4e>^<i^-Mäclchen, naoh eiuer Photographie von Jamea.
Fig. 20. Alter Felläh, nach einer Photographie von Dema.
Taf. XI.
Beräbra, nach Photographien von Jame/t u. A. (Aus Oründen der Gruppenverthei-
lung konnte die richtige Perspective def« Mitt^raumes nicht eingehalten werden.}
TaL XU.
^Ornrah von Sindhi nehst ihren Angehörigen , nach den Federzeichnungen eipes in-
dischen Künstlers.
Fig. 1. Jkflr Hasan- Ulli-Xün von Tälpür, 21 Jahr alt.
Fig. 2. ^Amlr Mir MoHumvied-Nasr-Xän ^ Wäly von Aaidrträhäd, 45 Jahr alt.
Fig. 3. Mir ^Ahbäs-Ulti-Xän von Talpür, 14 Jahr alt.
Fig. 4. Mir SaH MoKammed-Xän von Mirpür, 22 Jahr alt.
Fig. 5. ^Amir Mir MoKammed-Xän von Haidaräbäd, 51 Jahr alt
Fig. 6. Mir Masan-UUl-Xän, 19 Jahr alt. (4 und 6 Söhne von 5.j
Fig. 7. Mir MoKammed-UUl-Xän und
Fig. 9. Söhne \on Futti-ÜÜl-Xän, Sölme von
Fig. 8. *Amlr Mir Sbxhader-Xän von Haiditrabäd.
Fig. 10. Mir Tär-Mo)uimmed-Xän.
Fig. 1 1 . Mir MoKammed- Xän .
TAt xm.
Afrikanische Völkertypen.
Fig. 1. Atyssinierin {AmMrah), nach einer Original-Aquarelle von K. Hartman n.
Fig. 2. Hellhaariger ^ennär-Beduine, desgl.
Fig. S. Sömätif nach einer Photographie von Capit. Elton
Fig. 4. Mbänba, nach einer Bleistiftzeichnung von G. Schweinfurth.
Fig. 5. Namnamy 17 Jahr alt, nach einer Bleistiftzeichnung von G. Schweinfurth
und nach Photographie von O. Schöfft»).
Fig. ü. Kanüri^ nach einer Photographie von E. Salingre.
Fig. 7. Der Tebu MoHammed-el'Qädrbnly desgl.
Fig. 8. Junger Mann {MulequCf d. h. Diener) aus Chinxoxn an der Xoan^o-Küste,
nach einer Photographie von Dr. Falkenstein.
Fig. 9. Koräna (Äora-Hottentott) .
Fig. 10. Kolonial-Hottentott.
Fig. 1 1 . Bnflflhmann [ykann] .
Fig. 12. Herero {okadüyij.
Fig. 1 3. Buschmann (, ,kdbha \ hin) .
Fig. 14. Deagl. {hdnJ^kassb),
Fig. 15. Ders. von der Seite.
Fig. 16. Buschmann Hdrissho},
(Fig. 9—16 ebenfalls nach Photographien).
Fig. 17. Akkä, nach einer Photographie von Schier in Alexandrien.
Fig. 1 8 —20. Babonqo, nach Photographien von Dr. Falken stein.
Fig. 21. Junger l»oqqo, nach einer Photographie von W. Champes.
1) Auf S. 457 fälschlich unter Taf XII sUtt XIII) Fig. 5 citirt.
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Verzeichniss der Tafeln des ersten Bandes. XVII
Taf. XIY.
Abyssinier, nach Photographien von P. Langerhans.
Fig. 1, 2. Mann au» (iwundar.
Fig. 3, J. Desgl.
Fig. 5, 6. Mann aus Sötoä.
Taf. XV.
Weiber, in den Hamäm von Bisijarä badend, nach einer Photographie.
Taf. XVI.
Junge Leute aus Mensäy nach einer Aquarelle von Rob. Kretschmer.
Taf. XVII.
Fig. I. Puilo aus Sanfarahy nach einer Photographie von E. Salingre.
Fig. 2. Hamä-YxfiM, und
Fig. '^. Mischlinge, nach einer Photographie.
Taf. XVin.
Araber, nach Photographien von Capit. Elton.
Fig. 1. Südaraber. \
Fig. 2. Desgl. | Öeheh.
Fig. 3. l)e.^l. '
Fig. 4. Desgl. Stadtbewohner.
Fig. 5. Desgl.
Fig. 6. Araber von Masqat.
Fig. 7. Öebeli.
Taf. XIX.
Südaraber zu Aden ^ nach Photographien von G. F ritsch, H. Vogel und Capit.
Elton.
Taf. XX.
Pe)aA -Nomaden, nach einer Photographie von James.
Taf. XXI.
Desgl.
Taf. XXU.
Maurinnen im Harun, dabei ein Eunuch, nach Photographien von W. Burger und
Anderen.
Taf. XXm.
Füny und Beriä, nach Original- Aquarellen von R. Hartmann.
Fig. 1. Junger Mann von Dull-Xeti.
Fig. 2. MAdchen aus Hellet- Berün am Öebel-Füle.
Fig. 3. Knabe aus Aellet-Idris das.
Fig. 4. ^«/ aus Hellet- Idrts.
Fig. 5. Äertö-Mädchen.
Taf. XXIV.
Sillük, nach Original- Aquarellen von W. v, Harnier.
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XVI II Verzcichniss der Tafeln des er.slen Bandes.
Taf. XXT.
yamhain, Sande, 17 Jahr alt (vergl. Taf. XIII, Fig. 5).
Fig. 1. Derselbe in ganzer Figur. Photogr. von Sc hofft j
Fig. 2. Baarthaar.
Fig. 2a. Haupthaarflechte >) .
Fig. 2*». Haupthaarbüschel, von Ä///f/<^-Männern.
Fig. 3. llautkülorit zu Fig. 1, letzteres nach einer auf Veranlassung des Dr. Sachs
zu Cairü nach dem Leben gemalten Üelskizze^j.
Taf. XXVI.
Nigritische Sklaven zu XariJüiHj nach einer Photographie von Ja nies.
Taf. XXVII.
Kinder gemischter Nationalität aus Sennär, nach Photogr. \on James.
Tiif. xxvm.
Fig. 1. Donqoläivl, nach einer Photogr. von W. llanimersc hmidt.
Fig. 2. Sof/iält von Aden, nach einer Photogr. von H Vojjel.
Fig. 3. Süaftelty nach einer Photogr. von Lamprey.
Fig. -I. Junger Kabyle, nach einer auf Veranlassung des Grafen Adam Siera-
kowsky im Mai IböO zu SetiJ aufgenommenen Photogr.
Taf. XXIX.
Ostafrikaner, zur Besatzung einer zanzibarischeii Fregatte gehörig, nach Original-Pho-
tographien von W. Dammann.
Fig. !• Amättt.
Fig. 2. VarMn
Taf, XXX.
Nigritier.
Fig. 1. Frau aus Fczzän.
Fig. 2. In Algier geborner Nigritierknabe, nach 1 hotugr.
Fig. 3. Wähameziy nach einer Photogr. von O. Karsten.
Taf. XXXI.
ymver, nach Üriginalzeichnungen von W. v. Harn i er.
Taf. XXXU.
Nigriüerfrauen.
Fig. 1. Frau vom weissen Nil \AlJab1), nach einer Photogr. von James.
Fig. 2. Frau zu Qelmah, nach riner Photogr. von Prodh'om.
Fig. 3. Desgl.
Fig. 4, 5. Suiilteli-Ymucn, nach Photogr. von O. Karsten.
Taf. XXXIII.
Süafiett, nach einer Photogr. von Lamprey.
1) Auf S. 457 fälschlich unter Taf. XLIII. Fig. 3, citirt.
2) Auf S. 157 fälschlich unter Taf. LIII, Fig. 3, citirt.
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Verzeichniss der Tafeln des ersten Bandes. XIX
Taf. XXXIV.
Ostafrikaner.
Taf. XXXV.
Desgl .
Fig. I. Viyetin.
Fig. 2. Uledi.
Taf. XXXVI.
Desgl.
Fig. 1. Mabruk, Malbruk, M arlborongh,
Fig. 2, 3. Aifiäni.
Taf. XXXVU.
Desgl.
Fig. ). rtroz.
Fig. 2. Varhän,
Taf. XXXIV — XXXVII ausschliesslich nach Photographien von C. Damm an n.
Taf. XXXVllI.
Ost- und Innerafrikaner.
Fig. 1. Monsüd, nach einer Photogr. von C. Dam mann,
Fig. 2. Soldat aus 7\ikluh, nach einer Photogr. von \V. Hammerschmidt.
Fig. 3. Sahd-Ben-Hammädi, nach einer Photogr. von C. Dam mann.
Fig. -I. j\'o6«Ä-Mädchen, nach einer Photogr. von W. Hammer schmi dt.
Taf. XXXIX.
Fig. 1. Süahen-Yr&u (vergl. Taf. XXXII, Fig.4,5j, n. einer Photogr. v. O. Kersten.
Fig. 2. fV' egbe -FrtiU, nvLch einer Photogr.
Taf. XL.
Westafrikaner, nach Photogr. von F. W. Joaque zu Sta. Isabel, Fernando Po.
In der Mitte eine Gruppe ^PPonyice und Kamma, Begleiter (Head-Slavcs) der Herren
E. Schnitze und Rusmann, Faktorei-Directoren des Hauses C. Wo r mann in Ham-
burg» auf deren Heise nach dem Ogöwe. *)
Im Vordergrunde zur Rechten befindet sich eine Gruppe von drei zur Bemannung
des Wörmann' sehen Dampfers »M'Pongwe« gehörigen Schwarzen.
Im Mittelgrunde zur Linken sieht man zwei Ortin^u- Frauen von «Bonawire«, Cap
Lopez. 2)
Im Mittelgründe links ein Kaufmann von Kinsembo nebst Familie.
Links hinten mit aufgenommenem Gewehre ein Kamwa-Mtinn.
Ich glaube für die Richtigkeit meiner Bezeichnungen auf dieser Tafel einstehen zu
können.) '
Taf. XLL
Bewohner von Där-Für^ nach Photogr. von P. Langerhans.
Taf. XLU.
Fig. 1. Mann aus Där-Biha.
Fig. 2. Donqo.
Fig. 3. Süaketi. (Photogr. von Demselben.)
1) In Marquis de Compiegne, Gabonais, Paris 1875, p. J56 figurirt diese in einem
Holzschnitte wiedergegebene Gruppe unter der Bezeichnung : »Chasseurs pahouins venus au
Gabon pour vendre de l'ivoire«.
2; Figuriren in Compiegne, ükanda, pag. 252 als »Femmes gabonaises de Giass«.
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XX Verzeichniss der Tafeln der* ersten Bandes.
Taf. XLIU.
Fig. J. Sultjän Na^r von Takiah, n. einer Photogr. von Desire, Cäiro.
Fig. 2. Dessen Wekil, desgl.
Fig. 3. Mädchen aus Takiah, n. einer Original-Sepiazeichnung von K. Hartmann.
Fig. 4. Öebeiäuneh (Wäscherin Marjam zu Cairo), n. einer Photogr. von W. Ham-
merschmidt.
Fig. 5. Soldat im Qa^r-el-NU zu Cairo, aus Takiah gebürtig, n. einer Photogr. von
W. Hammerschmidt.
Fig. 6. Takläwi, ägyptischer Infanterielieutenant, n. einer Original - Sepiazeichnung
von K. Hartmann.
Taf. XLIT.
Dunkles iS(m' A^/ä-Mädchen, n. einer Photogr. von F. Jagor.
Taf. XLT.
Fig. J, 2. TFV^Äe-Häuptlinge.
Fig. 3. Wegbe-Gesinde. Nach Photographien.
Taf. XLVI.
HäüHäuä, in Btsqarä durch Vermittlung des Grafen A. Sierakowsky von Herrn
Th. Murdie photographisch für mich aufgenomtnen.
Taf. XL VII.
Fig. 1. Mischling aus El-iObed, Kordüfän, n. einer Photogr.
Fig. 2. Mergän, dör-Knabe, n. einer Photogr.
Fig. 3. Mischling aus Murzüq, n. einer Photogr.
Fig. 4. W egbe-YtKaQVL, webend, n. einer Photogr.
Taf. XLVm.
Fig. 1. Öimba Cf) ~ Gälä, Dienerin der Alex. Tinne, nach einer Originalseichnung
von W. Gentz.
Fig. 2. Jüngeres,
Fig. 3. älteres ^aim/ie;^- Mädchen aus Fäzoqlo, nach Originalzeichnungen von K.
Hartmann.
Fig. 4. Abyssinierin, n. einer Photogr. von W. Hammerschmidt.
Fig. 5. Ötlo- Würe-FaifornäkOf Imömäia-Gälä, 13 Jahr alt, n. einer Photogr.
Taf. XLIX.
Bari, n. Photogr. von James. Die zwei Figuren vorn rechts nach Zeichnungen von
W. V. Harnier.
Taf. L.
Amazulu, n. einer Photogr. von Kisch.
Taf. a.
Männliche Torsi, nach Photographien.
Fig. 1. Jason nach Thorwal dsen.
Fig. 2, 3. Amor, nach Praxiteles.
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Verzeichniss der Tafeln des ersten Bandes. XXI
Fig. 4. Apollo von Belvedere.
Fig. 5. Mann aus Maraja, Photogr. von Dr. Falkenstein.
Fig. 6. Mann aus Chinxoxo, desgl.
Fig. 7. Zfi/i7-HäuptIing. n. einer Photogr. von Kisch.
Fig. S. Mann von Chiiutoxo^ n. einer Photogr. von Dr. Falkenstein.
Flg. 9. Kolonialhottentott, n. einer Photogr.
Fig. 10. Koräna, n. einer Riotogr.
Fig. 11. Headfnan des Zülü-KQnig» Ketchwäio, n. einer Photogr. von Kisch.
Fig. 12. -^t//M-Häuptb'ng, desgl.
Fig. 13. Buschmann i\dri9slä))^ n. einer Photogr.
Fig. 14. Ders. von vom.
Fig. 15. Mann aus Öhinxoxo, n. einer Photogr. von Dr. Falkenstein.
Taf. b.
Weibliche Torsi und Figuren n. Photogr.
Fig. 1. Nach der Venus von Thorwaldsen.
Fig. 2. Venus von Milo.
Fig. 3. Mädchen aus Vista, n. Photogr. von Dr. Falkenstein.
Fig. 4. Desgl. aus Vista, von Dems.
Fig. 5. M&dchen aus Sunde, desgl.
Fig. 6. Chinxoxo, desgl.
Fig. 7. Mädchen von Chinxoxo, desgl. ^ '
Fig. S. Mädchen aus Visia, desgl.
Fig. 9. Mädchen aus Maraja, desgl.
Fig. 10. aus Loango^ desgl.
Fig. 11. Coyi^o- Mädchen, desgl.
Fig. 12, 13, 14. Zö/w-Mädchen, n. Photogr. von Ki5ch.
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I. KAPITEL
Kurze Betraohtang der physischen Beschaffenheit unserer haupt-
sächlichsten Beobaohtungsgebiete.
Die Gebiete^ mit deren menschlichen Bewohnern ich mich in diesem
Buche befassen will, dehnen sich über einen grossen Theil Afrika's aus.
Zwar sind es hauptsächlich die Nordost- Afrikaner, sowie ihre
nächsten südlichen und westlichen Nachbarn, deren Schilderung
mich hier beschäftigen soll. Allein bei der Untrennbarkeit der afrikanischen
Nationen überhaupt erscheint es mir unthunlich, auch weiter nach Westen
und noch weiter nach Süden sich erstreckende Gebiete gänzlich ausser Acht
zu lassen. Wir treffen hier auf diesem in sich so fest geschlossenen Kon-
tinente Gebirge aller Formationen, Berg-, Hügelländer, Ebenen, grosse
Ströme, Binnenseen, Küstenseen und Küstensümpfe. Das dürre, pflanzen-
anne Nordafrika ist zum grossen Theile Wüste. Ein sehr beträchtlicher
Abschnitt seines Gebietes gehört der Sahara an. An den Mittelmeerküsten
fruchtbarerer Boden mit civilisirteren Einwohnern, und solche Verhältnisse
auch in dem die Wüste in der Hauptrichtung von Süd nach Nord durch-
gehenden Nilthale, in anderen grossen Wadän oder Thalem, in Wahät
oder Oasen.
Südlich vom 18 — 21** N. Br. dehnt sich ein breiter von Steppen- oder
Savannenland, arabisch El-Xälah, gebildeter Gürtel quer durch Afrika von
Weltmeer zu Weltmeer aus. In den gras- oder buschreichen Districten des-
selben zeigen sich aber auch zuweilen wüste, unfruchtbare Strecken, arabisch
je nach steinigerer oder sandigerer Natur El-Atmür, El->Aqabah, El-^Arg
genannt, femer urwaldartige Striche, Südlich vom 15 — 18<*N. Br. erstreckt
sich ein Gürtel von Urwald, arabisch Fäbah, [O Mato-mrgem, La Montaüa,
bi ForH üierge im eigentlichen Sinne) , von Ozean zu Ozean. Noch weit
üppigeren Wuchses begleitet dieser Urwald den Lauf grosser Ströme, der
Nilquellflüsse^ des Senegal^ Oambta, Gäliba, Oahun, Congo, Coanza^ Kunene,
Häwai, Oüba, Odi, Dana, Zambeze, Limpopo u. a. ni. Urwald findet sich
HsTimsma, NigriiMr. 1
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I. Abschnitt. II. Kapitel.
aber auch weit ab von den Flüssen zu mächtigen l^eständen vereinigt. Es
ist hier ein fast ähnliches Verhältniss wie in den Seriöes Nordbrasiliens, wo
der dichteste Urwald längs den Strömen vorherrscht, wo Hinnenland, offene
Savannen und ßuschwälder [Campos rober los , Pasfos , Taholeiros cobertos,
Ca^a-tingas, CapoeSy Serrados, Oarrascos) mit höherem, .dichterem Urwald
[Mato virgetn) abwechseln. Aehnliche Naturverhältnisse sollen selbst die
Wälder, Gebüsche, Grasdickichte und Rohrbrüche Südasiens [Gungl^ Allang-
Dickichte, fiami«/«- Strecken u. s. w.) darbieten. Aehnliche die Catie-hrakeSy
die Miegia - Brüche südlicher Unionsstaaten. Das Hochland Innerafrikas
mit seinen zum Theil schneebedeckten Gebirgsriesen , seinen gewaltigen
Seen, ist grösseren Theiles Steppen- luid Wald-, kleineren Theiles wahres
Wüstenland. Es ist doch meist fruchtbares Gebiet und eine r>Hammädahv.
wird man hier nur höchst vereinzelt wahrnehmen. Im Süden dieses cen-
tralen Hochlandes wiederholen sich ähnliche Bildungen wie im Norden des-
selben, wenn auch mit zum Theil anderen Vegetationsformen. Das Küstenland
südlich vom 18** Br., arab. TeKämah, Sohil, ist theils Wüste, theils Xälah,
theils bewaldet und dann zwar mit trockener ruhah oder mit modrigen
Sör^a - [Avicennia) y Af angle - [Rhizophora) Bäumen bestanden . in
diesen Gebieten finden sich alle Contraste zwischen hohen, schroffen, kalten
Alpenjochen und tief eingeschnittenen , heissen Thälern , zwischen sehr zer-
rissenen, zerklüfteten Bergländem und welligen Hügelländern, von Abhängen
und Flächen mit ihren mannichfachen Abwechslungen der Temperatur, Con-
traste mit ungeheueren trocken - heissen Ebenen, sowie selbst vereinzelten
Bodenerhebungen und dampfenden Moraststreckcu (namentlich der Deltas) *).
IL KAPITEL.
Vorläufige Bundschau über die Yölkerstämme Ost- und Inner -Afrikas.
(Vgl. die Doppel -Tafeln VI und VII).
Einer leichteren Uebersichtlichkeit wegen werde ich versuchen, schon
hier einen wenn auch nur kurzen Ueb erblick über diejenigen Völker-
Btämme zu gewähren, mit deren (zunächst natui^eschichtlicher) Darstellung
ich mich noch im Weiteren zu beschäftigen gedenke.
In Afrika treten uns nördlich vom Aequator zunächst drei grössere
Völkerabth eilungen entgegen, welche gewisse typische Merkmale für
I ) Näheres in meiner Naturgeschichtlich - medicinischen Skizze der Nil-Länder.
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Voriäufige Rundschau über die Völkerstämme Ost- und Inner- Afrikas.
sich haben, obwohl sie durch zahlreiche Uebergangsbildungen wieder
mit einander verknüpft erscheinen.
Die eine dieser Abtheilungen occupirt Nordafrika vom rothen Meere
bis sum Wädi'-Nun, von der Mittelmeerküste bis zum Südrande der Sahara.
Ich nannte die zur eben erwähnten Abtheilung gehörenden Völker ohne
Rücksicht auf ihre sehr zahlreichen, abermals variirenden Unterabtheilungen,
die Berbern oder itfärty, /möjfay^). Diese bilden einen Theil der beller
gefirbten AfHkaner« Sie sind im Allgemeinen bräunlich gefärbt, vom
mattgelblich-braunen Incamat des Südeuropäers bis zum dunklen 2) Schwarz-
braun (des südlicheren Berberi), sie haben schlichtes oder gekräuseltes Haar.
Zu ihnen rechne ich die Eetu oder alten Aegypter, die Neuägypter
{Etllähm und Kopten), die eigentlichen Imö&ay oder das AM-Tüärik^ die
sogenannten Mauren und K a b y 1 e n ^j , die Beräbra oder N u b i e r. Letztere
rermitteln durch die Tedä und Nohah den Uebergang zu den eigentlichen
Sehwarzen.
Eine andere Abtheilung Afrikaner bewohnt die Küsten und das
Hochland von Abyssinien, ferner gewisse Ebenen im Süden und im Westen
dieses Landes. Es finden sich ihrer zerstreut durch O^t- Sudan, Diese
früher häufig Aethiopen^j genannten Leute belege ich mit dem Sammel-
namen der J?c;aA -Völker. Zu ihnen gehören die eigentlichen Abyssinier,
die Sbho oder Säho ^ die DanüqU (Sing. Danqäti) y Bejah d.h. ?Abäbdeh,
Beiäriny und die verschiedenen von oberflächlichen Reisenden gewöhnlich
echte reine Heffäz- Arahei genannten, im Yolksmunde als »Arab^ iUrbün
oder Bedüän bezeichneten N^omaden in Nubien, Sennär und in einem
Theile von Centralafrika, nämlich die Bagära, Hamar und Süah.
Alle diese lehnen sich in manchen Beziehungen auch an die Bem-Qahdän
Arabiens näher an.
EKe Vertreter dieser eben erwähnten Abtheilung haben eine braune,
bald in Schwärzlich, bald in Gelb- und häufig in Köthlich übergehende
Hautfarbe und meist schlichteres, nur wenig gekräuseltes Haar.
Eine dritte Abtheilung bewohnt den ganzen Sudan und alle
sonstigen Gebiete des Kontinentes bis über den Aequator und über die
grossen Seen hinaus, vom Sqhil der zanzibari scheu Besitzungen bis zu den
Mündungen des Niger und Zaire, Ich nenne die Angehörigen dieser
1) Vergl. Barth Rei«en u. s. w. I, S. 243 — 247. Hartmann Nil-Länder, S. 248,
ders. im Arcbiv für Anatomie u. s. w. von Reichert und Du Bois-Keymond 1868, S. 94.
2) Die von manchen Ethnologen angewandte Bezeichnung >*Caf6 au lait« ist meiner
Meinung nach schlecht gewählt und passt selbst kaum für »Rail-way-hooks«.
3) Bekanntlich eine nichtssagende allgemeine Bezeichnung, ungefähr dem vagen Worte
'Kaffen für gewisse dunkle Südafirikaner entsprechend. Kahyle kommt vom afrikanischen
■QuitZcA, eiB Stamm«.
4) Ueber das Unsichere in dieser Bezeichnung »Aethiopen« vergl. Hartmann in
Zeitachr. f. Ethnologie, Jahrgang 1869, S. 299.
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I. Abschnitt. II. Kapitel.
Abtheilung Schwarze oder Nigritier*). Ich rechne zu ihnen alle die
zahlreichen durch das Innere von Afrika sich erstreckenden Völker mit
dunkelpigmentirter, von Schwarzbraun bis Grau- und Blauschwarz gefärbter
Haut und mit sowohl an Länge wie an Beschaffenheit zwar verschieden
sich verhaltendem, im Durchschnitt jedoch w oll artig beschaffenem Haare.
Während die Züge der Berbern und der B^cth sich noch vielfach denjenigen
unserer Europäer nähern, sind diejenigen der Nigritier platt- stumpf, sie
sind, wie man sich gewöhnlicher auszudrücken pflegt, negerartig.
Ich habe hier jene extremen Gruppen anzudeuten gesucht, deren Unter-
scheidung von einander bei allgemeiner Betrachtung nicht schwer fallt. Es
giebt nun aber zahlreiche Stämme, welche, wie z. B. die (schon erwähnten)
Tebu oder Tedäy die Mombüiu, Fän^ Futäny die SbmäU, Oälä oder Önna,
eine Mittel-, eine Uebergangsstellung zwischen Berbern, B^ah und
Nigritiem innehalten.
Bei einigen Völkern beherrscht eine heller gefärbte, den Berbern oder
selbst den B^ah sich mehr nähernde Klasse, die dunkleren Nigritier, so bei
den Namüam , Fung^ den jPe/r-Leuten u. s. w. Es ist dies eine Art Adel,
über dessen Entstehung später noch Näheres einzusehen sein wird.
Neben oben genannten Kindern des afrikanischen Bodens v^etiren nun
syro- arabische (und qaK^nische] Einwanderer 2) , welche wie diejenigen aus
der Berbprei oder dem sogenannten Mäyreb (Nordwestafrika) und der Küste
von Zanzibar, häufig nur noch in wenigen Resten vorhanden, zum grossesten
Theile jedoch in der Masse der Berber, Nigritier, Sdmäli, Örma u. s. w.
aufgegangen sind.
Femer lehnen sich an unsere oben bezeichneten afrikanischen Stämme
und zwar zunächst an die Nigritier die sogenannten Kaffem Südafrikas
an, welche ich mit Bleek, Fritsch und Anderen die A-Bäntu nenne und
zu welchen die Ama- Xosa, Ama-Ztdu, Be-tmana und das Cha-Hererö
[Damara) gehören^). G. Fritsch hat, auf nicht widerlegbare Angaben
sich stützend, dargethan, dass die Kaffem sich in physischer Beziehung von
den Europäern wesentlich unterscheiden, sich dagegen jenen Nigritiem
näher stellen'*).
1) In der Zeitschr. f. Ethnologie, Jahrgang 1869, S. 300 habe ich darauf aufmerksam
gemacht, ein wie häufiger und grosser Missbrauch mit der Bezeichnung »Negern getrieben
werde. Deshalb schlug ich schon damals den leichter zu präcisirenden Ausdruck Nigritier
für die hier oben angeführten Völkerschaften vor. Vgl. hierüber auch G. Fritsch im
Sitzungsber. der Qesellsch. naturforschender Freunde zu Berlin, Dezbr. 1867.
2) Sonstige asiatische Eingewanderte, wie ^Odmänltmh , Armenier, Kaukasus-
bewohner, Perser, Hindus, Malayen, endlich Europäer können hier nicht weiter berück-
sichtigt werden.
3) Vergl. G. Fritsch a. a. O. S. 12.
4) A. a. O. S. 15 ff. Manche Schriftsteller hatten früher eine nicht nigritische,
sondern vielmehr eine angeblich ganz europäische Körperbildung der A-BfitUtt ins
Licht zu stellen versucht.
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Vorläufige Rundschau über die Völkerstämme Ost- und Inner- Afrikas.
Im Folgenden werde ich mich mit den Schwarzen oder Nigritiern
beschäftigen. Gelegentliche Stceifzüge zu den Berbern, Bejah, A-BantUy
den Ekoi-Khoi-n (Hottentotten) und den San (Buschmännern) dürfen hier
natürlich nicht ausbleiben. Denn die Afrikanerstämme lassen sich einmal
nicht willkürlich trennen in gänzlich zusammenhangslose Gruppen, wie dies
«owohl von vorurtheilsvoUen Doctrinärs, als auch von reisenden Dilettanten
?o häufig schon versucht worden ist.
UL ICAPITEL.
BaadenkmäleT als Zeugen der Vergangenheit, als Ueberreste früherer
Eulturzustände.
Von den mit grossartigen Tempelruinen und mit Grabdenkmälern
bekränzten Ufern des segenspendenden Nil, dieses Stromes der Ströme
im dankbaren Munde der Ostafrikaner, wandte sich Verfasser weiter nach
Süden, bis zu den Felsenzinnen Fäzoqkfsy wo Fieber und feindseliges Be-
nehmen der freien Berta wie der freien Gumüz, weiterem Vordringen Ein-
kalt geboten.
In den Tempelruinen und in den Grabdenkmälern Aegyptens und
Xubiens mit ihren von Gemälden, von Statuen, von Reliefs strotzenden
Decken und Wänden glaubte aber der Ethnolog die Frage stellen zu dürfen
nach ältesten durch das erhabene Betu -Yolk eingeleiteten Beziehungen des
pharaonischen Nil-Landes zu den höheren Gegenden Nubiens und SüdätCs.
Zur Stellung solcher Frage forderten die massenhaft auftretenden Konterfeie
farbiger Leute aus dem südlichen Innern, sowie die Inschriften dringend auf.
Nun gilt es Schreiber Dieses zunächst, uns mit solchen in Afrika
zerstreuten Resten älterer Bauwerke bekannt zu machen, welche
gerade als Zeugen eines schon frühe begründeten und später
fortgesetzten oder auch wieder unterbrochenen Verkehres mit
den von Nigritiern bewohnten Regionen dienen könnten. Es
gilt femer die Spuren früherer Kultur in den zurückgebliebenen Bauten-
Resten durch die Gebiete der Nigritier zu verfolgen, um Klarheit da-
rüber zu gewinnen, in welchem Grade etwaige Spuren früherer Geistesarbeit
die Nacht unserer Kenntnisse von jenen Völkern aufzuhellen vermöchten.
Es scheint uns wichtig zu erfahren, in welchem Style diese oder jene Bau-
werke gehalten sind, ob an ihnen die Einflüsse der das ganze Alterthum
befruchtenden ägyptischen Kultur wahrzunehmen seien, ob sie anderen
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6 I. Abschnitt. III. Kapitel.
z. B. griechischen, phönizischen, persischen u. s. w. Arbeiten
ihre Existenz verdankten, ob sie endlich wieder als Erzeugnisse eigen-
artiger, urthümlich afrikanischer Kulturheerde zu betrachten
wären. Eine solche Erkenntniss wird uns im Voraus manchen Blick in die
äusseren Verhältnisse und in das geistige Leben der afrikanischen Mensch-
heit ermöglichen. Eine solche wird uns femer mit denjenigen in den
Bauwerken enthaltenen Erzeugnissen der Kunst, mit Gemälden, mit
Bildwerken, Inschriften bekannt machen, welche als weitere Belege für
stattgehabte Beziehungen durch Erkundigungen, Reisen, Eroberungen,
Hfindelsuntemehmungen zwischen den alten Rulturstaaten Europas, auch
Aegypten, den phönizischen und griechischen Kolonien mit afrikanischen,
z. B. den südlichen Berber-, den Bejah- und Nigritier- Gebieten stattge-
funden haben. Mancher später ausführlicher zu erörternde,
ursprünglich sehr dunkel gewesene Punkt in Afrikas früherer
Geschichte dürfte wohl in diesem einleitenden Kapitel über
alte Baudenkmäler seine erste Beleuchtung finden.
An eine Schilderung, selbst nur nähere Erwähnung der Baudenk-
mäler Altägyptens kann hier nicht gedacht werden. Hinsichtlich dieser
üebenreste einer grossen afrikanischen Vergangenheit, deren Schöpfung aus-
gegangen von ein^n autochthonen Berbervolke, muss ich auf die so zahl-
reich vorhandenen diese Ueberbleibsel behandelnden Schriften verweisen *).
Bekanntlich reichen die ägyptischen Bauwerke bis tief in das alte südliche
Kus hinein. Wir finden ja noch Reste aus guter Zeit auf Geztret-Argö in
Däf'Donqolah, Die zahlreichen und grossartigen Trümmer von Nqpqtq sind
nicht, wie man früher annahm, älter als die ägyptischen, sondern sie sind
weit jünger als letztere , und nichts als herbeigeholte in Stein verkörperte
Motive ägyptischer Kulturarbeit mit gewissen örtlich bedingten Abände-
rungen. Ganz ähnlich verhalten sich die Denkmäler in der G^end von
Sendi. Ueber alle diese schon so vielfach und so gründlich besprochenen
Gegenstände schweige ich also und gehe lieber zur Betrachtung von Resten
über, welche den meisten Alterthumskundigen weit weniger geläufig sind
und dabei doch für unsere Gesammtbetrachtung von grossester Wichtigkeit
erscheinen. Ueber gewisse Reste grösserer Baulichkeiten Nubiens sind
unsere Gelehrten noch nicht einig. Namentlich streitig verhalten sich die
Reste von Kermän und Defüfah unfern des Nil in Där-Donqolah, Man
bemerkt hier nämlich zwar schon sehr verfallene, aber in ihren Haupttheilen
noch deutlich erkennbare 2) , etwa vierzig Fuss hohe und sehr dicke Mauern
mit vorspringenden Pfeilern und schmalen Fensteröffnungen. Das Material
besteht aus jenen lufttrocknen Nilschlammziegeln, welche im ägyptischen
1) Vergl. H. Jolotvicz: BibliothecR Aegyptiaca IX, Leipzig 1858, und Supplement
1, X, das. J861.
2} So wenigstens noch im J. 1860.
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Baudenkmäler als Zeugen der Vergangenheit, als Ueberreste früherer Kulturzustände. 7
und nubischeu Nilthale seit* undenklichen Reiten zur Aufrichtung profaner
Haulichkeiten dienen. In der Nähe dieser grossen, burgähnlichen Reste sind
diejenigen altägyptischer Statuen aufgefunden worden. Aus welcher Zeit
stammen diese Ruinen? Sind sie altägyptische? Wohl möglich, dass
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wir es hier mit den Ueberbleibseln solcher antiker Nilschlammburgen zu
thun haben, wie ihrer viele gestanden haben sollen vom Della bis hoch hin-
auf in das »elende Land Kusa. In der Nähe jener donqolanischen Hauten
mochte sich eine beträchtlichere Kulturstätte ausgebildet haben. Die Hauart
der Mauern (von Kermän wenigstens) entfernt sich nicht von derjenigen
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8 I. Abschnitt. III. Kapitel.
altagyptischer profaner Bauten, namentlich der Thebaide, Lepsius ver-
muthet^ dass sich hier die älteste bedeutende ägyptische Nieder-
lassung auf äthiopischem Boden annehmen lasse, welche wahr-
scheinlich durch das Zurückdrängen der ägyptischen Macht nach Aethiopien
während der i^yy^o«- Herrschaft in Aegypten veranlasst w^orden sei. Ohne
Zweifel hätten hiermit auch die grossartigen Granitbriiche in Verbindung
gestanden, die Lepsius' Expedition einige Stunden nördlich von Kermän am
Thore des Kataraktenlandes, der Insel Tambos gegenüber, auf dem rechten
Nilufer gefunden. Die dasigen Felseninschriften enthielten Schilder der
siebzehnten Dynastie und eine achtzehnzeilige Inschrift nannte das zweite
Jahr Tauudmes I ^). Andere aber haben gemeint, die Mauercolosse von
Kermän und Defvfah könnten auf einer allerdings altägyptischen
Kulturstätte von späteren, christlich-nubischen Bewohnern errichtet
worden sein. Die Entscheidung ist freilich nicht leicht zu treffen. Denn
auch die späteren, christlichen Beräbra copirten den altägyptischen Styl,
namentlich die abgeschrägten Mauern mit horizontaler Krönung, wie er uns
in den Pylonen entgegentritt. Indessen hat doch Lepsius' Vermuthung das
Meiste für sich. Es finden sich nun überdies sehr zahlreiche Reste von
festungsähnlichen im »Pylonenstyle« errichteten Gebäuden längs des Niles
von Asüän bis nach Berber hin. Man hat sich hinsichtlich ihrer Entste-
hung bisher in verschiedenen zum Theil sehr willkürlichen Vermuthungen
erschöpft. Es macht einen wahrhaft komischen Eindruck zu lesen und zu
hören, wie Einige dieselben fast ausschliesslich auf die altägyptische
Occupation Nubiens, Andere sie auf die Perser-, Griechen- oder Römer-
zeit, noch Andere auf die spätere christliche Epoche des donqolischen Staates
beziehen möchten. Nun lässt sich aber gar nichts Bestimmtes über die
Entstehung des grossesten Theiles dieser Bauten sagen. Sie stammen jeden-
falls aus sehr verschiedenen Epochen, während welcher die in allen Dingen
menschlichen Seins äusserst conservativen Beräbra den antiken Styl treu-
lichst beizubehalten gesucht haben (Vergl. Taf. V). Die in Trümmern
liegenden Burgen Nubiens, welchen der Volksmund DonqolaK's häufig den
Sammelnamen Dol-qä beilegt, sind meistens aus ein und denselben Stoffen
erbaut, nämlich aus Nilschlammziegeln, deren erdige Masse man mit Stroh-
halmen, Holzstückchen, Topfscherben (oftmals Resten einer wieder weit
älteren Kulturepoche), Nilgeschieben, Wüstenkieseln, und sogar Sorghum-
kömem durchknetete, jedenfalls um die Festigkeit des Materials zu ver-
mehren. Manche freilich sind auch noch fester aus Lehm aufgerichtet und
aussen überdies mit einer Lage von Lehm und Dünger (namentlich der
Rinder) überstrichen. Stets ist es hier dieselbe Bauart, schräg von der
Krönung zum Fuss abfallende, von thurm artigen , quadratischen oder ob-
longen, auch bastionartig-rundlichen Ausbauen flankirte Mauern. Die Fenster
1) Briefe, S. 253.
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Baudenkmäler als Zeugen der Vergangenheit, als Ueberreste früherer Kiilturzustände.
sind viereckig, haben obere nnd untere Balken von Stein, seltener von Holz,
zuweilen auch aus denselben Stoffen bestehende Seitenrähme. Man findet
sehr ausgedehnte Bauten dieser Art, so z. B. bei ^Okmeh, Moqreqoy Handäq
U.S.W. Eine Döl-qä bei Wäwl enthielt, als ich sie im März 1860 besuchte.
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uoch acht grosse, guterhaltene Zimmer von verschiedener Grösse, zu welchen
eine verfallene Freitreppe emporführte. Die Fenster waren, wie hier fast
überall, viereckig und, gleich den Thoren, mit einer oberen monolithischen
Querlagerung versehen (Vergl. Taf. III, Fig. 3, 4. Taf. IV, Fig. 4), Jene
an den altägyptischen Pylonen so gewöhnlichen Luft- oder Lichtlöcher (wohl
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I. Abschnitt. III. Kapitel.
Beides zugleich) werden auch in diesen nubischen Bauten nirgends vennisst *) .
Manche dieser Bauten , z.B. diejenigen zu Qasr'ttrim, yAmqa, Wkmehy
Säy, Handüq, ragen in die neuere Zeit hinein und bezeichnen noch eine
gewisse Glanzzeit des Beled-el-Beräbra. Ibrtm ein Zufluchtsort der vor
Mohammed- i Ali geflüchteten Memlukeiij ward noch im ersten Decennium
unseres Jahrhunderts von Ibrahim -Bäsa bombardirt und liegt seitdem ver-
1) Aehnliche Luftlöcher vergl. Taf. III, Fig. 4 an dem rechterhand befindlichen Gebäude.
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Baudenkmäler als Zeugen der Vergangenheit, als Ueberreste früherer Kulturzustände. \ \
Ödet Die »Kastelle« von Säy und HanSäq liegen seit dem blutigen Rache-
zuge des Mohammed" Bey - el- Defterdär (1823) in Trümmern. Aber noch
heute befleissigt man sich bis tief nach Sentiär hinein dieser Pylonen- und
Z>ö/-yö-Bauart. Man beobachtet heute von Asüän bis Xardüm viele Woh-
nungen behäbiger Leute im völlig antiken Burgenstyle. Nicht eine
Spur ist im allgemeinen Plane derselben geändert, höchstens hat die Laune
des Besitzers die Krönungen zum Theil mit Zinnen, mit alten Thonkrügen
U.S.W verziert. Eine nicht unbedeutende Zahl von öffentlichen Gebäuden
in Jen Städten des oberen Niles zeigt den beregten Styl, z. B. das soge-
nannte Qasr oder Ordeh und die Wokäleh zu Abü-Hammed, das Haus des
Kästf zu Kamlln (Taf. III, Fig. 2), verschiedene Häuser zu Mesalämteh
(Taf. IV, Fig. 3) *) und zu Woled-Medlneh, der Diwan und Harlm in der
sogenannten Zeribah (Taf. II, Fig. 1 und 2; 2), das Verwaltungsbureau zu
Sennär (Taf. II, Fig. 1), der Königssitz zu Ilellet- Idrls am Gebet- Füle
Taf. IV, Fig. 7. E, F und GH) u.s.w. Selbst geistliche Gebäude des
Islam sind in diesem Style errichtet worden, so z. B. die Moschee zu Alt-
Donqolahy die alte 3) und die neue Moschee zu Sennär (Taf. III, Fig. 2).
Von grosser Wichtigkeit für die afrikanische Alterthumskunde sind die
Ruinen von Sobah am Bahr-el-azroq, Sie liegen nicht weit oberhalb
Xardüm an der rechten Seite dieses Stromes. Lepsius fand hier im Februar
1844 Hügel von rothen Backsteinen, einige behauene, gelbe Sandsteinblöcke,
eine niedrige Mauer und mehrere rohe Platten von einem schwarzen, schief-
rigen Gestein. Grosse Mengen von Backsteinen wurden damals nach Xar-
rfttin und noch weiter geführt. Ein dort gefundener, steinerner Löwe ge-
langte nach Cairo ^) . Später sah unser Landsmann zu Kamlin eine im
1) Auch Fürst Pü ekler bemerkt, dass »Mesalämieh zwischen den Zelthäusern (i. e.
Toqüle] noch viele kleine T^ehmpaläste der Keicheren, in Form altägyptischer Pylonen
mit Terrassendächern besitze«.
2) Lepsius beschreibt zu ZerVxih, während seines Aufenthaltes, die Residenz der
Stäijünah-Nasrah, »eine offene, hohe Halle, deren Dach auf ^ler Pfeilern und vier Halb-
pfeiiern ruhete. Die schmalen Deckenbalken ragten über den einfachen Architrav mehrere
Fu88 hervor und bildeten die unmittelbare Unterlage des flachen Daches; der ganxe Bin*
gang erinnerte sehr an die offenen Facaden der Gräber von Bern- Hasam (Briefe S. 182).
Vermuthlich ein Theil des uns als Aar im der Fürstin bezeichneten Gebäudes (Taf. II,
Fig. 2). — Werne erwähnt, dass die bei den Gebäuden Mesalämteh' 8 angewandte Geneigt-
heit der Mauern das Auseinanderfallen derselben verhüten solle, weil sie aus Luftziegeln
errichtet worden seien. Dies sehe man an den Schlössern, Hos, in Mahas und DonqoUth,
bei Pylonen und Mauern der ägyptischen Tempel. Letztere dürften diesen Typus von der
ursprünglichen hiesigen Bauart aus Luft- und Ziegelsteinen beibehalten haben. Diese
Bauart verleihe grössere Festigkeit und zwar , sowohl den aus Ziegeln , wie auch den aus
Quadersteinen errichteten Gebäuden. Man brauche hier nicht sogleich anzunehmen , der
ägyptische Künstler habe ausschliesslich nur den pyramidalen Formen
der freien Natur huldigen wollen (Mandera S. 16).
3^ Vergl. Cailliaud, Atlas, T. VI. VII. Auch der alte Königsbau zu Sennär er-
innert hieran.
4) Briefe S. 161.
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12 I- Abschnitt. III. Kapitel.
späteren Style gearbeitete sitzende Osiris- Figur aus schwarzem Granit*),
Fragmente einer Marmorinschrift mit griechischen Characteren 2) , ein bron-
zenes Weihrauchgefäss mit griechischer (koptischer) Inschrift und eine kleine,
rein gearbeitete Venus von griechischer Arbeit ^). Tremaux beobachtete
vier Jahr später daselbst ein Sandsteinpostament mit Widderstatue, deren
Kopf verstümmelt war ^) , zwei Kapitaler und Trümmer von solchen, fünf
dickere und drei dünnere Säulenschäfte, alle von Sandstein und Ziegel. Verf.
hält den Widder und zwar jedenfalls mit Recht für antik, die Kapitaler u. s. w.
hält er dagegen für späteren, christlichen Ursprunges^). Neuerlich unter-
suchte J. Duemichen diese Trümmerstätte 38 Tage lang. Unser Freund
liess einen Widdersphinx freilegen (den Tr^maux'schen ? ) , welcher die gros-
seste Aehnlichkeit mit dem durch Lepsius vom Gebel- Barkai gebrachten
haben sollte ^) . Am Piedestal dieses Bildwerkes fanden sich hieroglyphische
Inschriften in schlechtem ägyptisch- äthiopischem Style und darin der Name
irgend eines unbekannten äthiopischen Königs. Femer beobachtete Duemichen
die Grundmauern eines alten l'empelbaues, vor welchem dieser Widdersphinx
einst noch mit mehreren seines Gleichen gestanden haben mochte. An an-
deren Funkten kamen aus wohlbearbeiteten Sandsteinblöcken aufgeführte
Mauern zu Tage. Gebäudereste aus grossen gebrannten Steinen gehörten
wahrscheinlich dem christlichen Söbah an, ebenso wie die Ueberbleibsel einer
christlichen Kirche mit dem häufig als Ornament angewendeten koptischen
Kreuze. Endlich wurden noch aufgedeckt ein Stück schwarzer Porphyrtafel
mit achtzeiliger äthiopischer Inschrift, eine Trinkschale und zwei Vasen aus
gebranntem Thon, ein Armband in Form einer sich in den Schwanz beis-
senden Schlange, sowie eine Menge von Scherben, zum Theil mit Perlen-
verzierungen mannigfacher Art'). Ruinen von christlichen Klöstern
und Kirchen finden sich im nubischen Nilthale [Qisni- Halfah^ Baden-el-
Hagar^ Där^Stiköi, Dar- Maltas y Där-Donqolah, Dar-Seqteh und im Sudan
bis in die Ä^wrfaA - Steppe und nach Sennär hinein [Benit], Lepsius be-
schrieb eine noch ziemlich gut erhaltene im Wädt - el-Faiäl unfern Nürt ^]
gelegene nKefitseha, Es ist diese wahrscheinlich die von Tremaux (in seiner
hinsichtlich der Ortsangaben äusserst oberflächlichen Reisebeschreibung) mehr
J) S. 163.
2) S. 165.
3) S. 196.
4) Dieser Widder ist nach Tremaux* bildlicher Darstellung mit gekräuselter Wolle
gleich einem Thebaischen Schafe, bekleidet (Vergl. Parallele pl. 51). Sonst ist das hiesige
Schaf nur kraus behaart, nicht aber mit Wolle bedeckt. Vei^l. Rob. Hartmann in den
Annalen der Landwirthschaft, Bd. XLV, S. 14.
5) Voyage en Ethiopie II, p. 83. Parallele pl. 51.
6) Derselbe wurde später vor dem Gouvernementsgebäude zu Xardüm aufgestellt.
7} Die Flotte einer ägyptischen Königin. S. 7 und vorletzte Tafel.
8) Briefe S. 234, Grundriss.
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Baudenkmäler als Zeugen der Vergangenheit, als Uebeireste früherer Kulturzustände. 13
weitschweifig als übersichtlich erwähnte Kirche *). In Abyssinien befinden
sich sehr ansehnliche christliche Bauwerke, so zu Adüwa, Ankobar, die
Steinkirche zu Aksüm, letztere vielleicht auf der Stätte eines alten Heiden-
tempels errichtet 2).
Werne erwähnt, dass sich am Fusse der i>Herrerem-}ierg&i grosse runde
oder ovale Hügel (Gräber?) befinden, femer grosse Felsblöcke, deren viele
die Form gigantischer Sarkophage haben, endlich zertrümmerte und ver-
brannte Ziegelsteine. Es solle hier eine Stadt der Christen, so gross
wie MctsTy gestanden haben (Feldzug, S. 40. 41). Derselbe Gewährsmann
glaubt, dass am Zusammenflusse des blauen und weissen Niles {Moqren, am
Bm-el-Xardüm) «eine christliche Stadt gelegen gewesen«. Es gehe dies
schon aus der Benennung Kenlseh hervor, welche wohl aus dxxXiQa(a corrum-
pirt sei, wogegen Birbeh ein heidnisches Denkmal bedeute (Mandera S. 8).
Reste alter Kulturstätten sind meiner Erfiihrung nach, allerdings am Räs-
d-XardSim beim Anlegen von Brunnen, Gräbern, Saqtj'at u. s.w. aufgedeckt
worden. Diese Reste bestanden in zerbrochenen gebrannten Ziegeln — Tdh — ,
geglätteten Topfscherben, Reibsteinen und sehr verrosteten nicht mehr recht
kenntlichen Eisensachen, wahrscheinlich ehemaligen Lanzenspitzen.
Zu den merkwürdigsten christlichen Alterthümern Afrikas ge-
hören unstreitig die neuerdings durch R o h 1 fs besuchten monolithischen
Kirchen von LaRbalä in Habes. An ihnen ist ein älterer roherer und
ein jüngerer feinerer Styl unverkennbar. König LaUbatä hat, wenn auch
nicht alle gebaut, wie die Portugiesen angeben, so doch wenigstens grossen
Antheil an den merkwürdigsten Bauwerken dieses Ortes. Einige der Heilig-
thümer, ganz besonders aber das basilikenähnliche des Heilandes, zeichnen
sich durch harmonischen Bau aus. Von vulcanischem Stein (?) verfertigt,
gehen sie bei der Indolenz des Volkes raschem Verfalle entgegen. Der
zahlreiche hiesige Klerus ist wohlhabend. Viele um die Kirchen her liegende
Reste von sehr alten Kirchen, Wohnungen und Felsengängen deuten genug-
sam an, dass LaUbalä vordem ein anderer Ort gewesen als gegenwärtig ^) .
Der bekannte König von Sdwä, SaMä-Seläs/e erzählte dem britischen
Gesandten Major C. Harris mehrfach von den Trümmern eines Palastes am
Nil [AVbäy)y den er auf einer Büffeljagd besucht haben wollte. Derselbe
habe 200 Fenster und 400 steinerne Pfeiler gehabt. Niemand könne sagen,
woher jener rührte. Er war mit Bäumen und mit Buschwerk überwachsen *) .
Lef^vure erwähnt behauener Granitblöcke ohne Spur von Verzierungen
am See Aßlk. Der Sage nach rühren diese von alten, durch AKmed-Imäm,
J) Voyage en Ethiopie I, p. 327. ParallMe pl. 52. 53. 54.
2) Vergl. Rohlfs in der Zeitschr. d. Gesellschaft f. Erdkunde. Bd. III, S. 489.
3] Petermann, Mittheilungen, 1868, S. 318ff.
4^ Highland B II, Cap. 97. Der deutsche Bearbeiter von Harris Werk macht hier-
^i U, S. 202 auf das angeblich von Portugiesen gebauete Kloster zu Ennhfiesa in CJwagam
^fmerksam, dessen »schöne« Reste auch Ch. Beke in Augenschein genommen.
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14 I. Abschnitt. lU. Kapitel.
genannt MoXammed - Gtoeräfi , den vielgenannten ostafrikanischen Attila,
zerstörten Bauten her ^) . Noch andere angebliche Ruinen erwiesen sich als
eitel Trug 2) . Zu Dürgerär fanden sich byzantinische Reste wahrscheinlich
aus der Zeit der griechischen Wanderungen nach Abyssinien. Griechische
Krypten '^) z. B. die der Kirche von D^bra^Libänös, Häküki und Donqölo ^)
gehören späteren Zeiten an. Noch andere^ für abyssinische Verhältnisse
wirklich prächtige Bauten errichteten unzweifelhaft die Portugiesen.
Berühmt ist in dieser Hinsicht der Gimp oder Palast der Nqgäst zu
Gwqndar ^) .
Dr, G. Schwein furth hat nun auf einer Reise von Süäkim nach
Qa§alah [Täqah] am Südabhange des Gebel-Mamän sehr wohlerhaltene Bau-
reste und zwar nach seiner Darstellung» Grabdenkmäler^ aufgefunden.
Dieselben bilden eine förmliche, eine halbe Stunde weit am Abhänge des
Berges sich hinziehende Stadt. Schweinfurth schätzt ihre Anzahl auf min-
destens 1000; die Hälfte derselben steht noch so da, wie die Erbauer sie
errichteten. Die andere Hälfte dagegen ist durch Verwitterung der übergrei-
fenden Steinränder, welche die Gewölbe des Innern darstellen, zum Theil ein-
gestürzt, und eine grosse Anzahl von Gräbern besteht aus blossen Steinhaufen,
von denen gewiss der grosseste Theil im Laufe der Zeit imkenntlich geworden
ist. Das Material, aus welchem diese Grabmonumente erbaut worden, be-
steht aus Fragmenten von zersetztem Granit ß), welche ohne Mörtel mit ihren
Ecken und Kanten aneinander gefügt worden. An einigen fanden sich Reste
eines aus der lehmartigen Erde der Thäler genommenen Bindemittels. Ent-
decker ist darüber in Zweifel, ob dies Letztere etwa überall angewendet
worden oder ob der Regen allein alle Spuren desselben entfernt habe. Jeden-
falls hat diese Lehmerde nicht zur Construction der Gewölbe gedient, welche
blos durch das Uebereinandergreifen der die allmälig angenäherten Wände
bildenden Steine Halt und Festigkeit gewannen. Diese Grabdenkmäler sind
meist 10 — 15 Fuss hoch und 12 — 15 Fuss breit im Geviert errichtet und
zwanglos, aber gewöhnlich in der Richtung der Windrose, gestellt. Alle
bestehen sie aus geneigten Wänden, welche ein halbkugelförmiges Gewölbe
1) Später wieder aufgebaut sollen sie in Flammen aufgegangen sein. Voyage, Relation
histor. vol. II, p. 176.
2) Das. p. 179.
.H) Das. p. 132.
4) L. c. vol. III, p. 426, Atlas Tab. VI— VIII des archäologischen Theiles. Einzelne
solcher Reste sind neuerdings durch den vortrefflichen Engländer Mark h am genauer be-
schrieben worden in dessen: Abyssinian expedition. London 1869 (Anhang I).
h] Vergl. Atlas zu Lefevure Voyage pl. 9 des archäologischen Theiles.
6) Schwein furth' s Angabe, dass der Granit in Nordostafrika bei seiner Verwit-
terung fast die Form einer schieferigen Absonderung erhalte, kann ich aus eigener, schon
früher an mehreren Orten bekundeter Anschauung nur bestätigen. Vergl. z. B. Zeit-
schrift f. Ethnologie III. Jahrgang, 1871, S. 55.
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Baudenkmäler als Zeugen der Vergangenheit, als Ueberreste früherer Kulturzustände. 15
einschliessen. Sie tragen ausser dem vierkantigen Erdgeschosse ein niederes
thurmähnliches Rondel, welches durch seine Last dem Gewölbe grösseren
Halt verleihen sollte und ausserdem mit einem Haufen kleiner Kieselsteine
überdeckt ist. Ausser einer kleinen vierkantigen Oeffnung, welche das
Hineinkriechen eines Menschen zur Noth gestattet^ und die stets auf der
Ostseite angebracht ist, sind die Wände gänzlich geschlossen. Schweinfurth
unterschied an diesen Gräbern dreierlei Form. Meist bestehen sie aus einem
Erdg^hoss mit darauf ruhendem Rondel; die Zahl derselben mag min-
destens 500 betragen, die verfallenen nicht mitgerechnet. Eine seltnere,
wahrscheinlich nur die Grabstätten der Vornehmen bezeichnende Art der
Mauerwerke besteht ausser dem Erdgeschosse noch aus einem zweiten
Stockwerke , welches mit einem kleinen Absätze auf das erste gesetzt ist
und oben das gewöhnliche Rondel trägt. Das Gewölbe ist bei allen das
gleiche. Die übrigen Gräber tragen nur Steinhaufen, aus grosseren Blöcken
gebildet.
Der Boden des Gewölbes ist mit grossen Steinen belegt, unter denen
die Gebeine der Todten ruhen. Die zur Construction des Gewölbes ver-
wandten Stücke sind etwas grösser als diejenigen , welche das äussere Ge-
mäuer darstellen. Skulpturen oder gar Inschriften fehlen durchaus und sind
auch nach der Aussage der Eingeborenen nirgends gefunden worden. Die
einzige Verzierung, welche einige Gräber tragen, besteht aus eingeschalteten
weissen Marmorstücken, welche von gleicher Gestalt wie die Granitscherben
bald mehr Längsstreifen , bald eine schachbrettartige Karrirung darstellen.
Schweinfurth nimmt an, dass man mehrere Personen unter einem dieser
Gewölbe bestattet habe, indem er durch oberflächliches Scharren in einem
Grabe sechs Schädel zu Tage förderte. Unser Gewährsmann glaubt aus
dem östlichen Eingange der Gräber schliessen zu müssen, dass es christ-
liche Gräber gewesen, welche hier vorliegen und die des wohlerhaltenen
Ansehens w^en von keinem hohen Alter zeugen. Die kleinen Ansätze,
welche die Ecken mancher Grabgewölbe tragen und die nur aus wenigen
Steinen bestanden, so dass sie ein llandstoss umstürzen kann, geben eine
Vorstellung von der ungestörten Ruhe, der sie ihre Erhaltung verdanken.
Andere Denkmäler einer früheren Bevölkerung als die beschriebenen Grab-
gemäuer fehlen, und die benachbarte Stadt bestand wohl nur aus Zelten im
austossenden Wüdlj oder die Nomaden brachten ihre Todten aus der ganzen
Umg^end zu diesem Berge.
Schweinfurth findet eine grosse üebereinstimmung zwischen diesen
»Christengräbern Aethiopiens« und den sardinischen Nuragheriy verweist
auch auf die Abbildungen der letzteren in Della Marmora's Atlas und auf
seine eigenen, obigen Aufsatz begleitenden der Jfawöw-Gräber. Habgierige
Türken haben nun mehrere dieser Gräber abgerissen und den Boden nach
vermeintlichen Schätzen durchwühlt. Obwohl aber hier nur Menschen-
knochen, übrigens weder Topfscherben, noch Glasstücke, noch Steine oder
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16 I. Abschnitt. UI. Kapitel.
Bronzegegenstände wahrzunehmen sind^ so fuhrt trotzdem der Mamän den
Namen Goldberg, Gebel-Dahab ^) , (Anhang II) .
Eines bedeutenden Rufes erfreuen sich die aus ptolemäischer und noch
späterer Zeit herrührenden Ruinen von AduUs (Azüli) 2) und von Akmm in
Abyssinien. Erstere liegen an der sogenannten Annesley-Bof/y hinter welcher
sich das über 5000 Fuss hohe Gebirge Üäs-Oedem erhebt. Auf einer etwa
zwei Stunden weiten hüglichen Strecke finden sich zwischen den Gebüschen
der Sdr^'a [Avicennia tomentosa) und mohammedanischen Gräbern* zahl-
reiche aufgehäufte Lavastücken, einzelne Platten von Glimmerschiefer und ein-
zelne Würfel von schwarzem Marmor, unter denen noch drei völlig unversehrte
Piedestale erhalten sind. Daneben sieht man Bruchstücke zerbrochener Säulen
von weissem und schwarzem Marmor, sowie von Alabaster, eines derselben
zeigte noch die schönsten Ornamente. Die mohanmiedanischen Gräber, welche
sich mitten durch diese Ruinen hindurchziehen, sind meist dicht mit weissen
Quarzsteinchen bedeckt, einige sind an ihrem Kopf- und Fussende mit
Säulenbruchstücken aus den Ruinen geschmückt 3). Der Boden, auf welchem
die alte, später in den Besitz der Ptolemäer und der aksumitischen Könige
übergegangene Handelsstadt AduUs mit ihren griechisch-äthiopischen Bauten
lag, besteht aus Alluvium *) . Die Adüläy oder Aduliten zogen sich , von
den Beläu genöthigt , nach Mumah zurück , wo sie die ältesten Familien
bildeten ^). Die schon so vielbesprochenen Ruinen von Akmm bestehen in
Trümmern von Mauern, Säulen, Sockeln, Fundamenten, Opfersteinen u.s. w,,
sowie in zahlreichen Obelisken, deren einer noch wohlerhalten aufrecht steht,
femer in Sitzen. Diese nach Heuglin aus Trachyt ^) gehauenen Monumente
deuten auf eine Mischung des Styles, welcher theils Altägypten, theils spä-
terem, Griechen thum angehört, zum Theil aber auch auf eigenthümlichem
Boden 'entstanden zu sein scheint. In Lefdvure's Werk wird der Ansicht
Raum gegeben, die oben erwähnten Reste von Sitzen (Enormes blocs de
pierre taill^e) möchten einer Art von Areopagos angehört haben. In dem-
selben so vorzüglichen französischen Werke wird von in der Gegend bei
Akmm befindlichen, in den »granit amphibolique« eingegrabenen unterirdi-
schen Räumen gesprochen, »probablement consacres au culte ou ä une s^pul-
ture royale; leur style rappelle les tombeaux des rois en Palestine« (p. 433).
1) Zeitschr. f. allgem. Erdkunde. N. F. Bd. XIX, S. 397-400. Taf. IV.
2) Vergl. Leffevure Voy. vol. III. p. 487. Album arch^ologique Tab. 11.
3) Herzogin von S. Koburg-Gotha in des Herzog Ernst Reise nach Aegypten u. s. w.
nebst Abbildung.
4) Vergl. u. A. Observations on the geology and zoology of Abyssinia. By W. T. Blan-
ford. London 1870, p. 194.
5) Vergl. Ant. d'Ab'badie in Bull, de la soc. de G6ogr. Nov. 1842.
t>) Reise nach Abessinien, S. 150. Nach Lef^vure ist «es »granit amphibolique«
(vol. III, p. 432), nach Rohlfs aber eine Art von Granit (? Zeitschr. d. Gesellsch. f.
Erdkunde, Bd. III, S. 490 , nach Rueppell aber Lava. I^ftvure's Werk, Album arch^o-
lugique, enthält übrigens sehr schöne Abbildungen dieser Alterthümer (pl. 2. 3. 4).
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Baudenkmäler als Zeugen der Vei^angenheit, als Ueberreste früherer Kiilturzustände. J 7
Der Sage nach hat der lieilige Pantaleon den König Kalib -Ne ff üsj'e durch
eines dieser Souterrains von Gwqndar nach Jerusalem geleitet. Eine halbe
Wegstunde westli(;h von Akmm findet man ein en relief an einem Fels
vortrefflich ausgehauenes Löwenbild *j. Hier soll St. Michae^ einen Löwen
in Stein umgewandelt haben, welcher sich auf Landleute stürzen wollte.
Es sind dies jedenfalls sehr alte Reste, welche auch hier ein jederzeit
und jedenlandes unverwüstlicher christlich - pfaffischer Egoismus sammt den
widerwärtigen Ausgeburten seines kindisch - dünkelhaften Erfindungsgeistes
in Ausbeutung zu nehmen gesucht hat.
Unter Anderem hatte Burckhardt geglaubt, am Atbärah unfern Qdz-
Begib auf einem Granitberge ein »sehr grosses Gebäude aus alten Zeiten«
liegen zu sehen, welches von den Eingeborenen als nKentseh, Kirche« be-
zeichnet wurde. Ich will hier beiläufig bemerken, dass Keniseh ein Sammel-
namen ist, den die Moslemtn Nordost-Afrikas allen möglichen alten, von ihnen
den Kä/lmy Nctsära, Gäür^s zugeschriebenen Bauresten beizulegen gewöhnt
sind. Die Unsicherheit der Gegend verhinderte nun imseren Gewährsmann,
weiter über den Ursprung der r^KenUeha nachzuforschen. Das fragliche Ge-
bäude scliien gerade über dem Abhänge, dem Flusse gegenüber, zu stehen.
Soviel Burckhardt davon sehen konnte, waren es zwei hohe und ausser-
ordentlich massive Mauern mit einem eben solchen massiven, platten Dache;
über dem Dache war eine Art von Kuppel, deren Seiten senkrecht zu sein
ficiiienen. Säulen oder irgend ein anderes Gebäude konnten nicht wahr-
genommen werden. Die Ruine selbst zeigte sich auf allen Seiten von hohen
Felsen eingeschlossen, welche den grossesten Theil davon verbargen, so dass
man ihn nicht sehen konnte, und bei Tage war Burckhardt nicht im Stande,
dne Ansicht davon in der Fronte zu erhalten. Soviel sich schliessen liess,
müssen die Mauern 30 — 40 Fu^s hoch sein und glaubt Burckhardt, sie seien
von Granit erbaut, weil sie von derselben Fafbe waren, wie die umgebenden
Felsen. Das ganze Gebäude schien mit Ausnahme des spitzigen Daches
von der plumpesten Bauart und aus dem entferntesten Alterthume zu sein 2) .
Schon Werne führte jedoch an, dass die angeblichen Ruinen, Keniseh
kla^'Kafäry bei Odz-Regib sich als groteske, zum Theil verwitterte, Granit-
felsen ergeben hätten"*). Auch S. W. Baker hat später dieser von Burck-
hardt fälschlich für Ruinen gehaltenen natürlichen Felsbildungen
gedacht. Baker zufolge finden sich genau Qdz-Reffib gegenüber vier pyra-
midenförmige Granitberge, welche in der hiesigen Ebene auf Meilen weit
sicktbar sind. Einer der Berge ist etwa 500 Fuss hoch und besteht ganz
aus nackten, grauen Granitblöcken, die aufeinandergehäuft sind. Einige
stehen als einzelne Massen von 30—50 Fuss Höhe senkrecht da und können
1) AbgebUdet a. o. a. O.
2) Reiaen in Nubien, S. 524—529.
3) Mandera S. 39.
Hartnanii, Ni^tier. 2
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18 I. Abschnitt. III. Kapitel.
in einiger Entfernung »für Riesen gehalten werden, die einen Bei^ ersteigen«.
Der Gipfel trägt einen ungeheueren lUock wie eine Kegelmütze u. s. w. *).
Rueppell hörte von den bereits durch Cailliaud^) erwähnten vielen
«u Manderah — in der sogenannten Budänak — gelegenen aus behauenen
Steinen erbauten Tempeln voll Inschriften erzählen. Fürst Pückler-
Muskau^) Hess diese angeblichen Ruinen im Mai 1837 durch seinen Dol-
metscher, den Chioten Giovanni, untersuchen, eipen Mann, welcher nach
dem Urtheile unseres geistreichen Reisenden eine gute Bildung genossen
hatte, eifrig war und wohl fähig erschien, einen zuverlässigen Beriebt über
solche Dinge abzustatten. Dieser Giovanni nun fand zu Xeli statt viel-
besprochener Pyramiden nur pyramidalisch geformte Felsen. Auf
Gebel - Manderah dagegen sah er wirklich »antike« noch halb bedeckte
Cistemen von bedeutender Ausdehnung, theils auf dem Gipfel, theils am
Fusse des Berges, und sah dort auch die Steinfundamente mehrerer Mauern
aus grossen Werkstücken nebst einigen Säulenbasen und anderen Bauresten,
welche das einstige Daseiii einer alten Stadt unzweifelhaft machen. Sie
scheint jedoch nie sehr bedeutend gewesen zu sein und ist jetzt vollständig
zerstört. Mehrere in diesem Augenblicke leer stehende Hütten der Einge-
bomen in der Nähe des Berges waren zum Theil aus Blöcken der Ruinen
von ManderaJi aufgebaut, und in einer derselben fand Giovanni den unteren
Theil einer colossalen Statue aus rothem Granit mit eingemauert, an einem
anderen Orte einen schön gearbeiteten Löwenkopf noch mit einem Theil der
Vorderfusse aus schwarz und weiss gesprenkeltem Granit. Am Abhänge des
Qurr behauptet der Dragoman ein spitzes Felsstück in Form eines Obelisken
gesehen zu haben, dessen untere Hälfte aus röthlichem Granit, dessen obere
aus weissem Mamor (?) bestand "•). Im Berge Liberty fiinf kleine Stunden
nonlösdich von Manderahy entdeckte Giovanni ein Speos von 21 Fuss Tiefe
und 12 Fuss Breite, in dem feich noch zwei sitzende Statuen im Hinter-
gründe nebst einem vor ihnen stehenden Altar im kleinen al^etrennten
Heiligthume erhalten hatten. Auch Spuren von Hieroglyphen und Skulp-
turen waren an mehreren Orten sichtbar, doch nur höchst undeutlich und
überall beschädigt, weil der Felsentempel von den elenden Bewohnern dieser
Gegend bald als Viehstall, bald als Zufluchtsort bei den häufigen Plünde-
rungen der räuberischen Beduinen benutzt wird und mehrmals ausgebrannt
worden ist. Auf dem Kalkfelsen von Liberi dicht über dem Tempel befand
sich ein seltsamer, vierkantig zugehauener colossaler Stein , in den auf der
vorderen Seite in regelmässigen Reihen tiefe, runde, etwas trichterförmige
1) Nü-Zuflü83e. Deutsch. 1, 8. 55. Vergl. abrij^ens Hartmann, H«»iae, S. 451 über
die sonderbaren Formen nordostafrikanischer Granitberge.
2) Voyage k M6ro6 etc., III, p. J.JS.
3) Aus Mehemed Alis Reich. 111. Theil, S. 337 ff.
4) Vielleicht Quarz, welcher in den Graniten Nordostafrikas sich häufig in grösseren
Gängen abgesondert findet.
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Baudenkmäler als Zeugen der Vergangenheit, als Ueberreste früherer Kulturzustände. 19
Löcher eingemeisselt waren. Pückler hielt es für schwer zu errathen, zu
welchem Zweck dieser Stein gedient haben könne. Vielleicht waren die
eingebohrten Löcher Sprenglöcher, um den Stein mittelst Wasser zu spren-
gen, wie ich deren ähnliche an einem unfertigen Obelisken der Granitbrüche
bei Asüän selbst wahrgenommen habe. Giovanni erhielt auf alle seine
Fragen nach weiteren Alterthümem stets zur Antwort, dass, was er gesehen.
Alles sei und dass man von Mehrerem keine Kunde besitze ^j.
F. Werne sah zu Manderah nur alte Brunnen, ein aus Steinen auf-
geführtes Haus, viele Hafär oder Viehtränken und arabische Gräber. Auf
Gehel -Manderah fanden sich Wasserbehälter von ovaler Form, wie Bade-
wannen, 4 Fuss lang und 2^/2 Fuss tief. Aehnliche fanden sich auf den
Nebenbergen und zwar auch deren kleinere, letztere selbst auf dem Gehel-
Jetnadi {Nemafi) oder Defa-fän, Nach Aussage des >AKmed-BäiiQ.-el-
Gerkesi soll so etwas auf dem Äaröy- Berge im Lande der Rekühm vor-
kommen^]. Weme*s Begleiter gaben an, diese Gruben hätten zum Zer-
reiben der Kömer gedient; indessen glaubt Werne, da die Wände dieser
Vertiefungen nicht schräg oder steil seien, dieselben seien wohl verwitterte
Stellen im Granite, die durch Menschenhand erweitert und zu irgend wel-
chen häuslichen Zwecken hergerichtet worden ^) .
Ich selber habe an zugänglichen, nur etwa 6 Fuss hohen, oben abge-
flachteren Granitblöcken zu Didl-Werkät [Gehäl-el-Fung) eine Menge
läiigUcher, 4 bis 6 Zoll breiter, einige Zoll tiefer Löcher mit senkrechten
Wänden in ziemlich regelmässigen Abständen bemerkt. Diese Löcher ent-
hielten Wasser voll grüner Conferven und röthlichbraune Nymphen einer
culidformen Schnacke (Tanypus). Die Eingeborenen behaupteten, diese
Löcher seien von ihren Vorfahren als Reibstellen zum Zerquetschen des
»Äei (Sorghum) benutzt und durch allmählichen Gebrauch mit dem Ibn-
el'Murhäkehy dem Reibsteine, ausgetieft, später aber, als sie gar zu tief
geworden, als unbrauchbar wieder vernachlässigt worden. Clapperton
erzählt: »The top of the hill (at Duffoo, Eyeo) was covered with women
grinding com. They make round holes in the face of the rock in which
they crush the grain with a small stone in the band. This mount may be
called a large com mill ^) .« Ich dächte über den ursprünglichen Zweck
dieser Felsgruben könnte nach Obigem kein weiterer Zweifel obwalten.
Jenes von Werne zu Gehel -Manderah gefundene Steinhaus soll früher
dem Gxo%^-Sex der ReJcühln ^) und Heiligen, dem Sa^ad-qühy angehört haben.
1) A. a. O. S. 331 — 338.
2) 8. weiter unten Jos. Werne.
3) Reise nach Mandera, S. 85—89.
4) Journal etc. London MDCCCXXIX, p. 22.
.5) eines su den Bejah gehörenden Nomaden Volkes (nach Angabe mancher Reisenden
▼on rein arabischer Abstammung).
2*
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20 I- Abschnitt. III. Kapitel.
Es soll auch eine Grabkuppel — Qubbuhy dabei gewesen sein. In der Nähe
finden sich unterirdische Kornkammern *), welche der Sage nach von dem
todten Heiligen bewacht werden. Jede der Kornkammern hat ihr Zeichen
mit Steinen oder Stöcken. Einem Türken, welcher seine habgierige Hand
nach einem der Magazine ausstrecken wollte, ward die Hand steif 2) . . (Man-
dera S. 87. 88). Ein neuerer Bereiser der Budänah, Herr M. Hansal, hat
über die »Ruinen« von MandercJi keine weitere Aufklärung gebracht^).
Sowohl ARmed- Abu "Sinn, als auch sein Sohn ^Atcad-el-Kerlm, Haupt-
mann ^Ali-Efendt und Qawwäs Mosdqfü-A'' versicherten mich persönlich,
es existirten zu Gebel- Manderah und Gebel-Xeli im -BwrfämjA - Gebiete der
Sukurieh nur sonderbar geformte Felsen und dabei einige Üeberreste aus
islamitischer Zeit, Werke der »Araber« ^). Aber über Werke der Kaffern,
Misaürät daselbst, sei nichts Sicheres bekannt. Ich war eine Weile geneigt,
die neuerdings verbreitete Annahme, die sogenannten Ruinen von Manderali
seien nur groteske Granitbildungen und nur Reste aus neuerer Zeit, auf
Analogien gestützt als massgebend anzuerkennen. Allein ich möchte jetzt
doch H. Hassenstein 's von grosser Umsicht zeugendem Vorschlage, des
Pückler'schen Dragoman Giovanni Bericht über die (von Werne und Hansal
nicht berücksichtigten) Liberi -VnuAe genauer ins Auge zu fassen^), auch
meinerseits nachkommen und die Frage der Manderah -^Mvaen hiemit als
noch nicht abgeschlossen von Neuem in Anregung bringen.
Jos. Werne spricht übrigens von einem Hypogaeuni im aegypti-
schen Style bei Arai [Haräyf) und Galla{i ] im Gebiete der Rekübin^),
Unmöglich wäre es ja nicht, dass hier alte Kulturstätten lägen, welche im
Zusammenhang wo nicht mit dem pharaonischen Aegypteu, so doch mit
Meroe gestanden haben könnten.
1 ) Unterirdische Kommagazine , deren Boden und Wände aus festgestampfter Erde
hergerichtet werden , die Silo der westlichen Berbern , sind in Nordafrika allgemein im
Gebrauch. Werne sah im TäqaJi oben IVi — 2 Fuss, unten gegen 4 Fuss im Durchmesser
haltende Löcher von 4 — Fuss Tiefe, welche zu solchem Zwecke benutzt wurden. fFeldzug
S. 45). Ueber die bei den A-Bäntti Üblichen unterirdischen Kornbehälter vergl. Fritsch
a. a. O. S. 89.
2) Böse Rheumatismen sind in Ost- Swlätt sehr gemein. Köhler- und Pfaffenglaube
doch überall!
3) Briefe aus Chartum, Wien) nebst Fortsetzungen. Ein durchaus inhaltloses Gewäsch I
4) »Aus allen Erzählungen ging mir jedoch hervor, dass an diesen beiden Orten
[Manderah und QaUi) sich entweder nur einige festungsartig geformte Berggipfel oder
höchstens roh ausgeführte Mauern, zum Schutze der Karawanen bestimmt, aber keine alten
Bauwerke noch hieroglyphische Inschriften befinden." Lepsius' Briefe S. 167.
5) Ost-Afrika zwischen Chartum und dem Rothen Meere bis Stiah'n und Massaua.
Ergänzungsheft zu Petermann 's Mittheilungen 1801, S. 10.
6] S. F. Werne's Bruder Joseph in Mandera S. 77. Lepsius meint, dass zu
nQala* an den Felsen auch einige Kameelc und Pferde von den Arabern oder anderen
Völkern eingeritzt sein könnten, wie er deren bei den Brunnen von »Murhat» und sonst
häufig gesehen habe. Briefe S. 167.
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Baudenkmäler als Zeugen der Vergangenheit, als Ueberreste früherer Kulturzustände. 21
Ein Hauptbedürfhiss des Menschen, namentlich des mittelafrikanischen
Menschen, ist Walser, Wasser und wieder Wasser. Um dem hab-
gierigen Erdreiche Wasser zu entlocken,- macht der Sesshafte wie der um-
herschweifende Nomade bedeutende Anstrengungen. Um Regenpfützen oder
Quellen vor zu schnellem Verdunsten, vor zu starkem Verbrauche zu sichern,
unternehmen sie Schutzvorrichtungen, so weit ihre Dürftigkeit sie zu der-
gleichen überhaupt kommen lässt. Daher die Anlage von Krunnengruben,
flo/ir, Plur. HafäVy wenigstens in den wasserarmem Districten ^) .
Am Darb -el^Gilif im Wädi-Gaqdül^ Südnubien, finden sich gross-
artige Felsenbassins natürlicher Bildung für Wasser, von denen sehr frag-
lich ist, ob und in welchem Grade Menschenhand zu ihrer Herstellung oder
Fertigmachung beigetragen habe. Heuglin hörte, dass die Brunnen von
Rawdy im Gebiete der >Omaräb Provinz Berber) ^J sehr künstlich und tief
in den lebenden Fels gearbeitet i^eien, und dass sich auf den steilen Berg-
wänden rohe Zeichnungen und Inschriften aus christlicher Zeit oder
von den Vorfahren der Bejah, welche von den heutigen Eingebomen Anaqi
genannt würden, vorfanden. Heuglin hat nicht ermitteln können, ob
dieses Wort Anaql von der JS^'oA- Sprache abstamme oder arabischen Ur-
spronges sei. In letzterem Falle würde es so viel als Gräber, Wühler, viel-
leicht Bergleute , bedeuten , von anaqa im Boden wühlen , graben ^) . In
Täqah und Sermär ist die Existenz grosser Niederlassungen an diejenige der
beiliegenden Brunnen gebunden.
Nun erwähnt auch Rueppell mancherlei über angebliche Ruinen in
Kordüfan und Där-fTtr. Ein Schwarzer, der nichts von ägyptischen Denk-
mälern wusste und keine Afbsicht haben konnte, unseren Berichterstatter zu
hintergehen, erzählte von Höhlen bei Qöldägiy deren flache Decken mit Pfei-
lern unterstützt wären, mit geglätteten Wänden, aufweichen man eingehauene
Thierbilder sehe. Kueppell führte einen aus dieser Gegend gebürtigen Sklaven
in die prächtigen Felstempel zwischen Wädi-Halfah xmAAsüän, Diese Monu-
mente setzten ihn in grosses Erstaunen, und nach seinen Aeusserungen waren
diese Ruinen bei weitem schöner und künstlicher als diejenigen seines Vater-
landes, die ganz einfache Höhlen seien, wo das, was er ausgehauene Thier-
bilder nenne, undeutlich, planlos, und sehr einzeln eingegraben sei. Man
sprach femer sehr zuversichtlich von zertrümmerten Backsteingebäuden, die
bei Teqeti gelegen und deren Bauperiode unbestimmbar sei. Gewisse Nach-
I, Vergl. darüber Skixie der Nil-I^änder u. s w. von R. Hartman n, S. 77 ff.
Werne Feldzug S. 43.
2) Von Beurmann nur flüchtig erwähnt. Petermann 's Mittheil. J^62, S. 53.
3; Heuglin schreibt Änaki und anak. S. Petermann 's Mittheilungen 1866,
S. 167. Reise in das Gebiet des weissen Nil u. s. w. S. 270. Anäq-el- iArzah wird im
Mäyreb der Rothluchs [Felis caracal Lmn.) genannt. 8. Hartmann Verbreitung der
im nordtetlichen Afrika wild lebenden Säugethiere. Zeitschrift der Oesellsch. f. Erdkunde.
Band IIT. S. 5^.
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22 I- Abschnitt. IH. Kapitel.
richten, welche Bueppell femer über angebliche weitläufige Ruinen am
Gebel-Marrah in Dar -Für erhielt, glaubte er in der Folge auf dortiges
Vorkommen von Hasaltsäulen beziehen zu dürfen. Ich habe weder bei
Bratone, noch bei Sex MoKammed- el-Tunsi etwas über solche Dinge auf-
finden können. Die gewöhnlichen Häuser in Für sind sogenannte To^l
mit kreisförmigem Unterbau und Kegeldach, oder viereckige Danqäy letztere
völlig von der Hauart nubischer Lehmziegelgebäude. Heiderlei Hausarteu
widerstehen den zerstörenden Einflüssen der Witterung nicht lange.
Auch Lejean weist obige Angabe von furischen ßuinen zurück*).
Pallme sprach von dergl. zu Kab-Belül (Betileh Russegger, Gebel-IIelleh
Le/eanf) drei Tagereisen von Qayogeh, Brun-Roüet von solchen zu Serüg^
Miani von dergleichen zu Merudi [Serüg, Lefeanf)^ Ouny von dergleichen
zu Oebel-Häüdün. Heu gl in verzeichnete an den westlich von Sennär ge-
legenen Hergen {Gebel-Möj'e, Saqadl u. s. w.) »ägyptische Ruinen«'^;.
Was nun aber diese angeblichen Ruinen am Gebel-Saqadi anbetiiffi, so knüpft
sich an einen in dieser Gegend befindlichen sonderbar gebildeten Felsen die
Sage von einem alten heidnischen durch die Moslemin geschlagenen Zau-
berer Hadr-el-Müaürät, welcher mit den Seinigen zu Stein verwandelt
sein soll. (Das Wort Miaaürät wird auch zur Ikzeichnung von Götterbildeni
und deren Fundstätten gebraucht ^) ) . Ileuglin Hess sich daher sicherlich täu-
schen, als man ihm von im Westen der Stadt Sennär gcl^enen »Mis€türä(i^
erzählte, mit denen man doch nur einen auffälligen, mit sagenhaften He-
richten in Keziehung gebrachten Felsen bezeichnen konnte. Lejean, wel-
cher den Saqadl besuchte, fand hier nur eine groteske Granitbildung. Man
erzählte ihm von einer zur Strafe für ihren Stok und für ihren Mangel au
Frömmigkeit in Stein verwandelten Prinzessin ^) . Die vielfach gepriesenen
Ruinen von Abü-Haräz in Kor düfan mit angeblichen prachtvollen Malereien
erwiesen sich bei genauer Hetrachtung durch Lejean als Anhäufungen von
Granitblöcken, an deren einem rohe Zeichnungen von Menschen und Thieren.
Später mehr hierüber*). Granit hat die Neigung zu prismatischer Ab-
sonderung und tiefgreifender Zerklüftung. Man bemerkt an ihm die son-
derbarste Uebereinanderthürmung von scharf- und stumpf kantigen Hlöeken.
Nicht selten sieht man einzelne Hlöcke auf der Spitze pyramidenartiger
Felsen ruhen. Solche Hildungen, welche an diejenige des bekannten Pieter
Hott auf Maurititts erinnern, findet man bei Aman, an den Ftt/fjft -Hergeu
und in anderen Ländern ^) . Manchmal zeigen sich einzelne von einander
1) Voyage p. 49.
2) Karte zu: Tagebuch einer Heise von Charturo nach Abyssinien. Gotha 1857.
3) Werne, Mandera S. 55. 56.
4) Le Tour du Monde 1865, II, p. 227, Abbildung.
5) Voyage p. 53.
6) Auch Baker beschreibt ja eine ähnliche Bildung gegenüber von Qoz~ Begib.
Vergl. S. 18 und Anmerkung das.
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Baudenkmäler als Zeugen der Vergangenheit, als Ueberreste früherer Kulturzustände. 23
gesonderte Gmte^ Bergtrümmer^ welche an die bekannten Schnarcher unfern
Schierke im Harze erinnern. Auch den Blicken des Afrikaners entgehen
solche barocke Bildungen nicht, und er hat alsbald Sagen für ihre ver-
meintliche Entstehung bei der Hand y welche an Fhantasiereichthum den
Sagen in unseren deutschen ganz ähnliche Felsgebilde enthaltenden Ge-
birgen kaum etwas nachgeben. Man spricht in Sennär von versteinerten
Männern und Frauen, auch solchen mit Durban, von Schlössern, Ruinen aus
der Äq/Er- Zeit u. s. w. Man hat femer auch vom Vorhandensein pyra-
midenförmiger Baudenkmäler in ÖBt-Südän gesprochen. Xuriid-
Bäia, weiland Generalgouvemeur der Provinz, will auf einer Ftizwak^)
längs der weissen Nilufer durch die Gebiete der Sillük, Deriqa und Jify'ab
im Walde zwei denen zu Glzeh ähnliche Pyramiden entdeckt
haben. Der Berichterstatter, Kotschy, übrigens ungemein zuverlässiger
Beobachter, vermuthet, es seien diese Bauwerke von neueren Reisenden
bisher wohl deshalb nicht erwähnt^ weil sie in tiefen Wäldern wahrschein-
Uch zu fem von den bisher allein bekannten Flussufem gelegen seien ^) .
Nach Kotschy will ferner H engl in unweit Roseres Pyramiden aufge-
funden haben ^) . Weder mir noch anderen Reisenden ist von solchen
Wimderdingen irgend Etwas bekannt geworden.
Nun existiren aber in O^X- Sudan hier und da Grabmonumente
bald spitz-, bald rund-kuppelfi>rmigen Baues, sogenannte OubbcU, aus Back-
steinen oder Luftziegeln erbaut, Gräber oder Erinnerungsbauten von heiligen
^jü%y religiösen Helden. Das äussere Aussehen der rundkuppeligen
erinnert durchaus an dasjenige der sogenannten Ä^jf- Gräber in Nubien,
Aegypten und Syrien, der sogenannten nMarabotUsa in Algerien. Die spitz-
kegelförmigen mit manchmal vom und hinten etwas abgeflachten Seiten da-
gegen erinnern, wie ja schon Russegger hervorhebt, mehr an die alten
Pyramiden von Meräut und Nüri. Diese Monumente sind unzweifelhaft
Werke des Isläni und ist ihr Styl ein gänzlich fremd, von Osten her, im-
portirter. Von manchen dieser Bauwerke kennt man die Entstehungszeit
ganz genau, von anderen aber kennt man sie nicht. Der Volksmund schreibt
letzteren stellenweise ohne Berechtigung ein sehr hohes Alter zu. Eine
{gewisse Berühmtheit geniessen in Sennär die Qubbät von El-^A/ün, Bisa-
qrah, HeUet-el-Fuqaräy Sabakt-Deläb u. s. w. Eine der Qubbät am Blauen
Flusse habe ich nach der Aquarelle W. v. Harnier^s auf Taf. I abbilden
lassen. In der Nähe derselben finden sich, wie so häufig, gewöhnliche
1} Razzia der Franzosen, kleinerer Kriegszug, entsprechend der Entrada armada der
spanischen Creolen, dem Descimento der Brasilianer gegen die indianischen ürbe-
wohner. Wir würden am Besten sagen: Streifzug. Manchmal belegt die laune der
Berichtenden übrigens auch länger dauernde, mit bedeutenderen Mitteln unternommene
Feldzüge mit der Bezeichnung y»raztoaht.
2) Umrisse u. s. w. S. 77.
3) A. a. O. S. 77.
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24 I- Abschnitt. III. Kapitel.
flache Gräber, auch solche mit Fähnchen geschmückt, unter deren mandiem
angeblich ein Sex-Merübed ruhen soll. (So wurde mir erzählt.) Um gewisse
Qubbät her haben sich ganze Ansiedlungen gebildet (vergl. z. B. Jas oben
xihex Manderah u. s. w. Gesagte), auch zu ^Ab%din[-€l'xälah]. Letzterer Ort
hatte nach F. Werne's Angabe eine Qubbah, früherer Aufenthalt eines Hei-
ligen, welcher nach Art gewisser Yöyi zuvor in der Erde gelebt haben sollte.
Hier hat eine bedeutende Stadt gestanden, indessen ist sie durch perniciöse
Fieber auf den gegenwärtigen Rest herabgekommen ^) . Man findet Schutt-
stätten, Scherbenhügel, verschüttete Hrunnengruben auch noch in Nähe an-
derer Qubbät. Ganze Ortschaften gingen hier leicht einmal durch Krieg,
Seuchen u.s. w. zu Grunde.
Sollten nicht manche angebliche Alterthümer Ost- Südän^s von Pyra-
midenform U.S.W, einfach als Qubbät der früheren islamitischen Periode sich
ausweisen? Zu unserer Zeit, in welcher selbst der ehedem so blühende
Priesterstaat El-Dämer nur einen von ägyptischen Kriegsknechten tyranni-
sirten und ausgesogenen Kreis [Qtsm) der Provinz Berber bildet, ist es
hierzulande um die armen islamitischen Heiligen schlecht genug bestellt.
Die dermaligen Gewalthaber sind meist zu aufgeklärt, zu skeptisch 2), das
Volk ist fast durchgängig zu indifferent. Schwerlich dürfte sich gegenwärtig
noch Jemand finden, welcher dem Andenken an einen zelotischen Pfaffen
oder demjenigen an einen durch Menschenliebe und edlen Wandel sich aus-
zeichnenden Faqlh (deren es in der That noch welche giebt] eine Qubbah
bauen möchte. Immerhin bleiben aber diese eben besprochenen Grabdenk-
mäler als Zeugen einer wenn ajich dürftigen Kulturentwicklung 0^\/~SüdäfCs
sehr bemerkenswerth.
Der gelehrte und im Allgemeinen sehr getreu schildernde Sex-Zeri-el-
^Abtdin behauptet, eine starke Tagereise von Wüdäy*8 Hauptstadt gegen die
Grenze von Dar -Für hin eine alte Stadt entdeckt zu haben. Dieselbe
enthielt Reste von Mauern aus grossen aufeinandergelegten Steinen, von
Gebäuden aus Ziegeln und hacksteinen, von Steinsäulen, Steinsarkophagen
mit Götterbildern, ein aus Backsteinen aufgeführtes Portal mit darüber an-
gebrachter Darstellung der Sonne, Goldstücke in HaiTen, ebenfalls mit dem
Gepräge des Sonnenbildes, Kupfertafeln mit eingravirten Schriftzeichen u. s. w.
Kein Mensch wusste etwas von dieser Stadt zu sagen 3) .
Es lohnt sich unzweifelhaft der Mühe hier auch gewisser anderer Reste
von älteren Hauten im Innern Afrikas zu gedenken. An Herggehängen der
-B<?;wrfaÄ- Steppe sieht man hier und da Fragmente des dunkelbraunen, festen,
gefritteten Thoneisensteines der Gegend zu 2 bis 3 Fuss hohen, nicht mehr als
1) Mandera S. 24.
2) Diese machen, wie Fürst Pü ekler ganz richtig bemerkt, jetzt ihre Voltairesche
Epoche durch. A. a. O. III, S. 299.
3) Buch des Sudan, übersetzt von Rosen.
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Baudenkmäler als 2^ugen der Vergangenheit, als Ueberreste früherer Kulturzuständc. 25
2 Fuss dicken, viereckigen und rundlichen Wällen zusammengehäuft, wie
der Volksmund behauptet, zum Schutze der Beduinenlager gegen räuberische
Ueberfälle aus älterer und neuerer Zeit erbaut, ehe die Bayonete der Bäia
Yon Ägypten Ruhe über jene Steppengebiete gebracht hätten ^). Schutt-
haufen mit Zie^elresten und Topfscherben finden sich durch die Bejüdah
vielfach zerstreut. Einige derselben mögen der christlichen Zeit angehören.
Von manchen älteren Städten der Fung z. B. am Gehel-Defa-fä^ 2), zu
HeUet-Sthahj ist gar nichts geblieben. Denn solche Städte bestehen sehr
oft nur aus einfachen Strohhütten, deren dünne Holzgerüste und Halm-
bekleidungen in dem feuchten Sommerklima bald verwittern und zwar um
so leichter, wenn an ihnen zuvor schon Feuer seine Zerstörungsarbeit ver-
richtet hatte. F. Werne fand am Gebel-Saqa^ in Sennär, mitten im Fut^i-
Gebiete, Spuren früherer Bevölkerung, nämlich Hafär und Scherbenhaufen,
letztere auch an den Gennäün, zweien kleinen, mit zerbrochenen Ziegel-
steinen überstreueten Schutthügeln. Es soll hier ein altes Schloss der Kaf-
fera oder Magüs gestanden haben*}. Vergl. übrigens oben S. 22. Nicht
selten haben Schwarze ihre Hütten und die sie umgebenden Lehmmauem
zwischen Felsblöcken der Berggehängen aufgerichtet, um auf sojche Weise
jene ihre Niederlassungen fester einbauen und leichter vertheidigen zu können.
Solche Hütten und die Lehmbauten sind nun im Laufe der Zeit zerfallen.
Wo der Volksmund die Stätte von Ruinen angab, die wohl durch Jahre
bestanden haben können, fand man hier später doch nur ödes Fels-
geklüft. Man fühlte sich dann wohl zu der Annahme berechtigt, es seien
hier gar keine Bauten vorhanden gewesen, sondern nur barocke, gebäude-
ihnUch geformte Steinblöcke. So kann man es an mehreren Orten Palae-
stinas verfolgen, femer auch in gewissen Qmr der §aharä und Central-
SüdäfCi. (Barth's Mittheilung). Natürlich finden*) sich auch in
Centralafrika hier und da Baureste aus einer Kulturepoche erhalten, wie
«ich eine solche noch gegenwärtig in Bomü, in den Häüsä- und FuUän-
Staaten, in Yöruba u. s. w. von Geschlecht auf Geschlecht weiter vererbt.'
So beschreibt Denham die ansehnlichen Ruinen von Alt -Birnl (Birm-
Medinah) , einer Stadt, welche statt des heutigen Kukah der glänzende
Hauptort des Reiches der Kanöri war und wohl 200,000 Einwohner gehabt
haben mochte, bis sie 1809 durch die Fullän überfallen und zerstört wurde.
1) Petermann, Mittheilungen 1859. S. 471. Nach übereinstimmenden Angaben der
Araber zeigen sich im nWadi- Mokatteb< 12 Stunden östlich von ^W. OutHtnif« an den
Bergen »Si-Kap« und »^ibn-f/ombur« Ruinen von beträchtlicher Ausdehnung, namentlich
gemauerte Brunnen und ein grosser mit Mauern umgebener Hofraum, von denen K u e p p e 11
schon Bericht erhielt. So H engl in.
2) Vergl. Hartmann in Zeitschr. f. Ethnologie, Jahrgang 1869, S. 29.1.
.\ Mandera S. 55 - 59.
4^ Vergl. femer Clapperton über die in ähnlicher Weise 7. wischen Chranitblöcken auf-
gebaute Stadt Radfth im Gebiete des Pullo-Suldän von Sakatö. (Deutsche Bearbeitung S. 571;.
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26 I- Abschnitt. III. Kapitel.
Es finden sich hier auf einem Räume von 5 — 6 Quadratmeilen Stüdce der
aus harten, rothen Hacksteinen erbauten, 16 — 18 Fuss hoch und an manchen
Stellen 4 Fuss dick gewesenen Stadtmauern, *Reste, aus deren Schuttmassen
der tSex Salpeter zur Pulverbereitung gewann. Femer ermähnt derselbe
Gewährsmann der grossartigen Trümmer von Qambäru (Bornü), allwo sich
Reste einer Moschee, solche von Backsteinhäusem u. s. w. vorfanden^).
So mag in diesen weiten Gegenden noch manche Stätte alten Glanzes,
manche Zeugin verzweifelter Kämpfe und menschlichen Verfalles kaum be-
achtet unter dem Grase der Steppen, dem Gestrüppe des Waldes ver>vitteni.
Schon oben (S. 25) haben wir erkannt, wie schnell dieser Verfall solcher
Bauten des tropischen Innern voranschreite, welche nicht aus fest ge-
fügten Gesteinmassen errichtet worden sind. Menschenhand thut dann
auch das Ihrige. Noch 1822 sah Cailliaud die für ostsüdänische Ver-
hältnisse grossartige Moschee und den Königspalast zu Sennär (vergl. S. 11),
Alles aus Töb-ahmar, rothen gebrannten Lehmziegeln, aufgebaut. Im Mai
1869 war nichts, nichts mehr davon zu sehen. Einiges von diesem Material
war dem Gerüchte nach zum Aufbau der dürftigen Forts FäzoqUfs verwandt
worden.
Höchst merkwürdige Nachrichten von alten Bauten im Innern
Süd-Afrikas ündet man bei portugiesischen Schriftstellern der Entdeckungs-
periode. Joäo de Barros giebt folgende Beschreibung von angeblich im
Reiche Butua y Abutua, Landschaft Toroa, gelegenen alten Bauwerken: In
der Nähe der alten Goldminen in der Ebene Butuc^s steht eine vierseitige,
innen und aussen vcm harten, vorzüglich gekanteten Bausteinen trefflich
gebauete Festung. Diese Bausteine sind ohne Mörtelverbindung überein-
andergethürmt und von wunderbarer Grösse. Die Mauern sind 25 PcUrmts
dick, aber nicht eben sehr hoch, lieber dem Thore der Festung befindet
sich eine Inschrift, welche den arabischen Kaufleuten von der Küste, die
zum Theil gelehrte Bildung besassen, durchaus nicht verständlich war ; man
erkannte auch die Art der angewendeten Schriftzeichen nicht. Auf den
benachbarten Anhöhen finden sich noch andere Gebäude, die auch aus Bau-
steinen ohne Anwendung von Mörtel aufgeführt sind. Unter diesen ist ein
Thurm von mehr als 12 Bragas^) Höhe. Solche Gebäude werden von den
Eingeborenen Symbdoe •*) genannt, d. h. Hofburg oder Residenz. Denselben
Namen Symbdoe führen alle Königswohnungen im Reiche Mwwmotapa ^) .
Der Hauswart eines solchen Schlosses, der sogenannte Symbacayo y ist eine
1) Engl. Octav- Ausgabe, 1828. I, p. 348. 350.
2) Eine Braca oder ein Klafter = 6 Fuss.
3) Etwa Syrnhä-ö-a'? Synibä heisst Eisen. Ursprüngliche Eisenindustrie scheint
freilich den hiesigen KafTern, den Matahele wenigstens, fremd gewesen zu sein. Von den
Monomotapern behauptete allerdings De Barros, sie verfertigten Eisenäxte (etwa wie die
Mä-Ngan^a und Bä-nüy?).
4) M*änä-Mtäpa.
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Baudenkmäler als Zeugen der Vergangenheit, als Uebenreste früherer Kulturzustände. 27
adelige Person und hat grosse Macht. Hier halten sich auch stets einige
Weiber des Benomotapa *) oder Herrschers von Monomoiapa auf. Die Ein-
geborenen wissen nicht, von wem und wann diese Bauten errichtet worden.
Man sagt einfach, sie seien Teufelswerk. Denn indem die Eingeborenen
diese Arbeiten mit ihren eigenen so höchst dürftigen baulichen Leistungen
vergleichen, halten sie es für unmöglich, dass jene von Menschenhand auf-
geführt sein könnten. Capitäo Dom Vicente Pegado zeigte einigen
Arabern, welche die Gebäude selbst gesehen, behufs Vei^leichung die Bau-
lichkeiten der Festung zu Sofdlla mit ihren skulpirten Feustergesimsen,
ihren Arcaden; allein die Leute nannten die Symbäoe etwas durchaus Voll-
endetes, mit dem nichts Anderes einen Vergleich aushalten könne. Die
Gebäude sollen zwischen 20® und 21® S. Br. liegen, etwa 128 geographische
Meilen westlich von Sofdlla, Man sieht dort kein anderes Mauerwerk, denn
die barbarischen Einwohner des Landes bauen zur Zeit nur in Holz. Die
Araber glauben, jene Gebäude hätten ein hohes Alter und seien zur Be-
hauptung der Goldminen, der ältesten im Lande, angelegt worden. De
Harros yeimiithet nun seinerseits, dies Land sei das Agisymba des Piole-
maeus'^ und die Anlage eines alten Beherrschers der Goldminen, welcher
diese nicht zu behaupten im Stande gewesen 3). Der Portugiese vergleicht
die erwähnten Bauten mit denen von Cdxum {Akmm) im Lande des Priester
Joäo (s. unten) '*). Auch Bruder Joäo dos Santos hält jene Gebäude für
die einzigen Steinbauten in Caffraria, »Neere to Massap^ is a great high
hill, called Fura, whence may bee discemed a great part of the Kingdome of
Monomotapa : for which cause he will not suffer the Portugalls to goe thither,
that they should not couet his great Countrey and hidden Mines. On the
toppe of that Hill are yet standing pieces of old wals, and aneient ruines
of lime and stone , which that there haue beene strong buildings : a thing
not Seen in all Caffiraria. For the Kingshouses are of wood, daubed with
clay, and couered with straw^).« Nach A. Battel**) liegt Ahtitua nord-
westlich von Monomoiapa, dehnt sich in grossen Ebenen nach dem Innern
aus, westwärts von jener Gebirgskette, von welcher Zambezi und Rio Manica
(Louren^o Marquez d'Anville's) nach Osten strömen. Dies im Osten
g^en Monomoiapa, im Westen gegen Massapa abfallende Abuftia soll sich
1) B'äne-Mtäpa d. h. Herr von M'änä-Mtäpa.
2) »'AYlouiJißa«, Cl. Ptol. Geographia ed. C.F.A. Nobbe, T. lU, p. 2, Index
3] Dos feitos que 08 Fortugueses fiseram no descubrimento y conqüista dos roares
y terra« do Oriente. Lisboa A. 1552. Dec. I. I. X. c. 1 fol. 118 6. Vergl. auch Dapper
p. fi60. C. Ritter, Erdkunde. Africa. II. Aufl. S. 141.
4) Dieser Priester Johann , Prester John , Prete Giovanni, ist eine ebenso mythische
Pereon, wie die salomonische Königin von Saba; von den meisten älteren Schriftstellern
wird aber äahes als angeblicher Sitz obiges morgenländischen Pfaffenkönigs betrachtet.
5^ Purchas his Pilgrimes. II, p. 1549.
6) Purchas II, p. 1021.
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28 I- Abschnitt. III. Kapitel.
bis zur Ostgrenze von Angola erstiecken ^). Im Jahre 1788 unternahm ein
portugiesischer Beamter der »Capitania Geral de Mo9ambique«, ein gewisser
Manoel Galvao da Silva, eine Reise nach den Goldfeldern von
Manica. Derselbe kannte die Manipulationen des Goldwaschens von Bra-
silien her. Er ging am t9. Aug. obigen Jahres von Senna nach Beroe
{Barue]y kreuzte die Flüsse Xitora und Ar6angoa und erreichte nMas^appa«,
Hauptort von Manica (IS» 40' Südl. Br., 310 50' Oestl. Länge). Dieser Ort,
früher höchst wichtig, wohl befestigt und von einer disciplinirten Truppe
bewacht, war 1788 bereits in sehr starken Verfall gerathen. Gold fand sich
dort besonders reichlich in der Serra Fura; das sogenannte weisse Gold
oder »Manica« der Eingeborenen war in weissen Quarz eingesprengt. Die
Gewinnungs weise des Goldes war eine sehr rohe. Auch Eisenminen zeigten
sich in Menge. Abuiua lag südlich von der portugiesischen Niederlassung
Zumbo. Manica wurde spÄter durch die Einfälle des grossen Oberhauptes
von Xingamira [Chingamera) ruinirt^). Die Besitzungen des genannten
Fürsten erstreckten sich von den Südufern des Zamhezi gegen Osten bis zur
gegenwärtigen Residenz U^mselekäzCs, Der Xingamira beraubte Manica,
machte dies Gebiet zinspflichtig und setzte daselbst einen Anführer Namens
Xicanga [Chicango) als Statthalter ein. Dieser aber liess durch eines seiner
Lieblingsweiber auf dem Markte von Manica den Tribut erheben. Xingar-
mira b^nnt 40 Tagereisen westlich von SofäUa. Manica erstreckt sich bis
auf wenige Tagereisen weit von der nZimhäoen, Hauptstadt von Qui»-
sanga , welche letztere am Flusse Sabia [Säte) oder besser Chitassa liegt 3) .
Major Gamitto erwähnt in den »Terras dos Ch^vas« mehrerer Zimbdoes,
z. B. Zimbaoe do Fumo Mügiinira, Z. do Fumo Acaze, Z. do Mucanda
Mambo dos Chdvas, Z. do Caprim^ra. Er sagt »Zimbäo^ e a povoa^äo em
que reside um Mambo ou Fumo Cheva*).« Demnach existirt das Wort
Zimbdoe als Bezeichnung für Häuptlingsresidenzen also noch jetzt ganz
sicher im Gebiete des zu den A-Bäntu gehörenden und zwar den Zülü oder
Mazituih anscheinend verwandten CÄ^äw-Stammes.
Hinsichtlich jener vielgenannten älteren Goldminen dieser Gegenden
sagt ein Landeskenner, Coronel Dom Sebastiäo Xavier Botelho nur
Folgendes : »Näo he menor erro, mencionar as ricas minas de Zumbo, quando
he terreno esteril de oiro, e o que alli se compra em huma feira annual he
vindo de Abutua Capital do Reino de Xingamira, aonde ha grande copia
destes minas ; e o mesmo acontesse na outra feira de Manica, aonde se res-
gata o oiro colhido nas terras do Mono^^otapa, senque em nenhum daquelles
1) Marmol Afr. III, p. 116. ^ /
2) Wie gegenwärtig Praxo Chtipanga, Presidio dos Rios de iSenna, Pr. de Tete etc. durch
die Angriffe der Landin's oder Zülus.
3) J. M' Queen in Journal Roy. Geographie. Society 1860, p. 155tf.
I; O Mtiata Cazembe p. 10.
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Baudenkmäler als Zeugen der Vergangenheit, als Ueberreste früherer Kulturzustände. 29
dois lugares haja minas de oiro de que sejamos donos >).a In unseren Tagen
hat die Wiederauffindung von Goldgruben am Tatin ^ Tatie oder Täte vieles
Aufsehen gema(;ht. Nach A. Hübner 's Angaben scheinen hier Aiq Mäsöna
früher eine rohe Ausbeutung von Gold in Quarzgängen betrieben und das
Product, sehr wahrscheinlich Goldstaub (arabisch Tibr) an die Portu-
giesen verkauft oder vertauscht zu haben. Es finden sich alte Gräber,
Goldgruben, altkaffrische Eisenschmelzereieii, sowie Granitkugeln, die »wahr-
scheinlich zum Zermalmen des Goldquarzes« gedient haben. Gegenwärtig
sind goldgierige Diggei'^ Gambusinoa, darauf aus gewesen, sich der mit echtem
Humbug als neucalifoi-nische oder neuaustralische gepriesenen Diggings zu
bemächtigen, freilich zur gröbsten Enttäuschung jenes von aUen Orten her-
zugezogenen Gesindels. Denn die an sich armen Erze waren ja schon in
älteren Zeiten abgebaut worden und erhielten die Neueren einen noch weit
geringereu Eitrag. Die Hoffiiung, hier ein Ophir wieder emporblühen
zu sehen , ist zu nichte geworden , trotz allen von England , Afrika und
sogar Deutschland [\) ausgegangenen Reclamen^)!
Vizconde Sa da Bandeira vermerkt auf seiner 1861 erschienenen
Karte der Kolonie Mogamhique etc. die »Terras do Monomotapa ou Chedima« •*)
und westlich davon «Abutua«. Zwischen den Südausläufem der Seiira Cavera-
ienga und der Se^-ra Fura im Westen findet sich in ^^ Chedima oder den Terras
(Jo Monomotapa*^ ZA\ischen 18" und 19" S. Br. vennerkt: »Sitio provavel das
miuas d'um Forte antiquissimou ^), ohne Zweifel eine der ^^Symhäoesv. des De
Harros U.S.W. In den heutigen portugiesischen Besitzungen Ostafrikas
werden die Zülvs «»gewöhnlich r^Landins^ genannt. Auf Sa da Bandeira 's
Karte wird da*< Land dieser Landins im Distncto de Inhambane von dem (mit
dem Rio Limpopo oder Bempe scheinbar zusammengehenden) Rio do Ouro oder
Bempe durchflössen. Bei den Nachbarstämmen im Westen von Inhambane
heissen gewisse unstät herumschweifende plündernde Horden der Züli? noch
heute T>Mazifu>8^, y-Watira'^s^^, ^^Butuasm oder »Vaiuas<< [Butuas, Abutuas).
Nun erschien im Jahre 1869 vom türkischen Obersten Hugh Mül-
len eux Walmsley ein sonderbares, »The niined cities of the Zulu Land
il^ndon, (7hapman & Hall « betiteltes Buch. Dasselbe ist nach Aufzeich-
nungen von des Verfassers Bruder, Captain Walmsley, F. R. G. S.,
üovemment Agent, Zulu Frontier, Natal zusammengestellt worden. In
seichter feuilletonistischer Form abgefasst, mangelhaft illustrirt und kost-
1) Ke8umo etc. p. )9.
2; Vergl. Hübner in Zeitschrift d. Gesellsch. für Erdkunde, V. Band, S. 198 ff.
E. Mohr in Zeitschr. d. Gesellsch. für Krdkunde, 1871, S. 398. Petermann, Mitthei-
lungen 1871. (Anhang III.)
H) Die Cheditna waren wohl die heutigen Bä-hüy, ein höchst interessantes Volk,
welches wir später noch näher kennen lernen werden.
4, Zambezia e Sofalla. Mappa coordenado sobre numerosos documentos antigos e
modemos portuquezes e estrangeiros* etc. Lisboa 1861.
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30 I. Abschnitt. lU. Kapitel.
spielig, hat dasselbe keinen rechten Eingang gewonnen, am wenigsten in
Deutschland. Die auf die »Ruined cities« bezügliche, den Captain Hughes,
den Missionär Wyzinsky, . den militärischen Begleiter beider und den
^ma-Tow^a- Häuptling i^Umhlestoaa betreffende Schilderung eines Besuches
in den angeblichen Ruinen erschien mir übrigens so merkwürdig, dass ich
dieselbe ohne weitere Nebenbetrachtungen hier wörtlich mit allem Beiwerk
habe abdrucken lassen. Nachdem nämlich schon früher verschiedene An-
gaben über die fraglichen Bauten, namentlich von Seiten der Häuptlinge
U^mselekäzi und Mösei angeführt worden, heisst es im X. Kapitel wie folgt:
»The white Chiefs are not traders, but-like gold«, said the savage (i. e. »Um-
hleswa« ^) ) after a prolonged strare. »They seek some fallen hüls, formerly made by
their white fathers?« asked he, speaking in the Zulu tongue.
»Achmet Ben Arif spoke truly when he told you so, Umhleswa,« was the reply.
»The white Chiefs saw the fallen house at Sofala. In the mountains at Goron-
goza ^ are caves , the traders of the Zambesi buüt the house, the worshippers of the
white man s God lived at Gorongoza. They are no other remains of them.«
»And the stone tablets on the mountain?« eagerly asked the missionary.
The Ups of the savage parted , showing the sharp filed teeth. »They are the
graves of those who served the white man 's god.«
»And no other ruined huts are here?«
»None. Let the white Chiefs hunt with my warriors, they are welcome, the
elephant and the rhinozeros are in plenty. The Zambezi is not far distant when they
are tired of the hunt.«
The missionary was terribly disappointed, for the chief's face bore on it a lock
of truthfulness. There was no reason for doubling him, and he did not do so.
»Umhleswa would see the chiefs hunt himself. Cattle were carried away from
his kraal last night. The robbers were three in number, and are panthers. My scouts
are out on the spoor : will the white men join my braves this day?«
»Willingly«, replied the missionary, who at once explained what had passed to
the soldier. Tired of a weeks inactivity, the latter was enchanted at the chance. The
rifles and ammunition weere soon ready. One of the scouts came in with his report that
the spoor had been foUowed into a neighbouring wood , and that the three panthers
had not left it. The party consisted of the Europeans and the Matabele chief together
with Umhleswa and about thirty of his tribe. The men were armed with spears, some
carrying bows and arrows, the chief alone having an old Spanish longbarreled fowling
piece, damascened with gold. About four miles of piain lay stretched between the
Amatonga village and the forest line, and it was to this the whole troop of noisy sa-
vages, headed by their chief and the two white men, took their way in a body. The
forest land, broken at intervals by patches of piain watered by a small stream, stret-
ched away to the mountains, and once it was reached, Umhleswa made his arrange-
ments. All the men armed with assagais were told off as beaters, and advancing in a
long line they carried the bush before them. The rest, armed with bows and arrows,
were stationed in small groups at the further extremity of the thick cover. Several
patches of bush had thus been beatcn out, and no game was found.
»Wat immense numbers of parrots these woods contain«, said Hughes.
2) Der Rio Gorongoza entspringt in der Serra Chitar>aianya und ergieast sich etwas
südlich von Sofdlla ins Meer.
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B^denkmäler als Zeugen der Vergangenheit, als Ueberreste früherer Kulturzustände. 31
»And how slowly and well these savages beat. I shonld not like to face a pan-
ther with nothing but an assagai«, replied Wyzinski.
The two were standing close to the chief as the missionary spoke a strong party
of the bowmen near, when a tiemendous uproar took place among the spearmen, a
shrill, Piercing scream sounding high above the clamour.
»The panther has struckdown one of my braves,« exclaimed the Amatonga chief,
Hstening eagerly.
The clamour became louder and louder, seeming to recede.
»Look out, Hughes, they are doubling back, and if they don't succeed, must
break out.
Hardly had the words been uttered, when three panthers dashed out from the
Cover, about twenty paces only from where XJmhleswa stood. They looked beau-
tiftil buttdangerous, as they crouched for a few moments on their bellies in the sand,
the bright sun Streaming over their painted hides, the end of the tail moving slowly
to and fro, and showing their white teeth, then rising, the three, evidently male and
female^ with their young one a little behind thern, come slowly forward, ever crouch-
ing for the spring and snarling savagely.
»Are you ready, Wyzinsky ? « said Hughes , in a bow hoarse tone, »take the
female — it is nearest to you.«
The men with the bows had disappeared; not so Umhleswa, wo stood his
ground firmly.
»Take the young one, chief,« whispered the missionary to the Amatonga.
Both the rifles united in one common report, the Spanish piece ringing out a
second later. The male panther sprang into the air and feil, nearly at the feet of the
Uttle party, quied dead. The female, badly wounded, broke away towards the moun-
tains, while the young one made his spring, striking down the Amatonga chief, and,
dasläng through a party of the assegaimen, again sought shelter in the bush. The
fore-arm of the female panther was broken, but it ultimately gained the mountains,
with a party of some dozen men after it, yelling, shouting, and discharging their ar-
rows at impossible distances. The poor feUow who had been Struck down in the bush
was dead, and his body was laid beside the carcass of the leopard. Umhleswa was a
good deal hurt; the blow having Struck his head, but the animal being young, weak,
Mid frightened, had inflicted only a scalp wound ; nevertheless, the chief was stunned,
and it was an hour before he recovered consciousness.
For the first time since their arrival among the Amatongas the white men were
left to their own device. The confusion was very great, and all assembled round their
«noonscious chief. A litter was constructed, and they started for the kraal, the whole
party of savages accompanying it.
The two Europeans, having once more loaded their rifles, stood watching the
retiring and discomfited savages.
»We ought to have that second tiger, Wyzinsky ; you fired too low«, at last ob-
served Hughes.
»I suppose I did, confused doubtless by the three leaping animals. I am sorr}'
for it. Umhleswa missed his, and it is hnmiliating that I only wounded mine.«
»Well, whas say you shall we foUow the spoor ; it will lead us to yonder moun-
tains, where we shall in all probability find the wounded panther.«
»What if we were to follow the young one ? «
»No it would lead us into the forest, and besides it is un wounded. ITie Ama-
tonga chief missed and his braves ran away ; let us bring in the female ; and besides
ihtt, now that the hope of finding your cherished ruins has vanished, we have nothing
to do but look for sport. The more reason we should not lose this chance.«
The missionary stood leaning on his rifle, and he slowly shook his head as he
answered, — »My faith in the existence of those ruins is unshaken ; but there was a
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32 I. Abschnitt. III. Kapitel.
look of truth in the face of savage when he assured u8 none such existed here. Well,
we will go to Manica, and perhaps Machin, who is represented as a powerful chief,
may throw some light on that.«
»Ay, but how will you — get over the sacred nature of the ruins if they do exist?«
»By bribery ; depend upon it, nothing succeeds hetter with the virtuous Ama-
tonga.«
»Well, good-bye to the ruins at present ; and whether Solomon knew the land
or not, or whether Ophir be here or elsewhere, our object is the skin of the panther.a
Their rifles at the trau, the two huntera moved forward towards the mountains
from which they were separated by several belts of forest, guided by the gouts of
blood which the wounded animal had left. These tracks led at first across the open.
Here there could be no mistake for the bowmen had foflowed the animal for some
distance, shouting and firing off their arrows, but the two hunters soon Struck into
the brush once more, and still guided by the spots of blood, pressed on cautiously
but quickly. Hardly a word was spoken as they forced their way onward, the yells
and shouts of the Amatongas dying away : and, with the exception of the breaking of
the branches, and the sound of the running water in the bed of the stream, all was
still. After heavy rains this river must be a considerable one, but at that moment it
was small to the hunters followed, so far as was practicable, its course, the wounded
panther having done the same. After having proceeded thus some two miles in the
brush, sometimes with difficulty forcing a pathway among the trees and bushes, the
river tumed suddenly to the right, and as suddenly the forest ceased.
The missionary halted, and looked about him anxiously.
»What's the matter?« asked Hughes in a low tone, cocking his rifle as he spoke.
»See«, answered the other, »the stream has been dammed up here, and there
are evident traces of masonr>'. This is stränge.«
»We are close to the end of this belt of forest-land, and shall soon solve the
mystery, if there be one.«
»There is a considerable sheet of water here, and why should it exist? Can
we be near some large kraal?«
Slowly the two moved forward, and as they did so the trees became graducdly
further apart, the banks of the stream seemed quite clear, even from brush wood. A
Sharp bend led to the right, and there before them , tumbled here and there among
the mighty trees, looking like masses of rock, lay scattered far as the eye could reaoh,
foUowing the bend of the river, fallen masonry.
Both stopped dead in utter astonishment, looking like men at once frightened
and bewildered , the missionary's usually calm and impassive countenance growing
one moment deadly pale, the next flushing a deep crimson. So great was the shock,
so totally unexpected the event — for he had perfectly believed in what the Ama-
tonga had said — that the tears stood in his eyes.
Here, then, was a confirmation of all his theories. Here, the vast ruins among
t^ie gold fields of king Solomon, here the source of the Sabe, or Golden River, down*
whose stream the boats of bygone days floated gold, cedar-wood, and precious stones.
An Englishman's first impulse at once seized on Hughes, and yielding to it, the two
exchanged a vigorous shake of the band.
»What could induce Umhleswa to teil us such an untruth?« were the first
words which broke from the missionary's Ups.
»Because the ruins are sacred, and these people believe no rain with fall for
three years if they be molested,« was the reply.
A sense of the danger now stole upon the missonary's mind as his comrade
spoke.
»Hughes, I shall go on ; but I have no right and no wish to endanger your life.
Leave the ad venture to me; retum to camp while there is yet time.«
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Baudenkmäler als Zeugen der Vei^angenheit, als Ueherreste früherer Kulturzustände. 33
The soldier 8 face flushed to the ropts of his hair, and he made no reply, simply
grasping his rifle and moTing fonvard.
»Stay,« urged the missionary, laying his hand on the other's Shoulder, »I meant
no unkindness. As a matter of simple prudence you ought to retum. If härm hap-
pened to one of us, it would not matter as far as the world is concerned ; if to both,
this secret would be lost with us.«
»Don't talk nonsense,« replied Hughes, firmly, »but come along. We are com-
rades in danger as in all eise. What one shares, the other does too. This must have
been once a vast pile.«
»Gold, cedars, and now the ruins ; we have found all,« muttered the missionary,
as, yielding the point, he strode onward, once more sinking into reverie.
There rose right in front of them two massive ruins of pyramidical form, which
must at one time have been of g^eat height. Even now, broken and fallen as they
were, the solid bases only remaining, they were noble and imposing. Part had come
tumbling down, in one jumbled mass, into the bed of the river, while the dwarfacacia
and palm were shooting up among the stones, breaking and disjointing them. The
two gazed long and silently at these vast mounds, the ver}' memory of whose builders
had passed away.
Awe-struck and surprised , they sat down by the stream , and , without ex-
changing a word, drank of the clear water. Their clothes tom, hands and faces
bleeding from the exertions made in forcing their way through the bush , their skin
tanned to a deep mahagony colour, there they stood at last among the ruined cities of
a lost race. By the banks of the stream the pomegranate, the plantain and the mango,
were growing in wild luxuriance — trees not known in the land, consequently
imported.
Overshadowing the fallen blocks of stone, the date-tree and palm3nra waved
their fan-like leaves. Dense masses of powerful creepers-crept up the ruins, rending
the solid masonry ; and the seeds of the trees dropping year by year had produced a
rapid undergrowth, those which had once been valuable fruit-trees having degenerated
into wüd ones. Chaos had, in a word, re-appeared where once trade and prosperity,
oider and regularity reigned.
»Let US gather some of the custard apples, and climb yonder ruin,« said the
missionary, speaking for the first time.
It was no easy task ; for the accumulation of fallen masonry, and the dense
growth of the brush, rendered it often necessary for the onward path to be cleared by
the use of the knife. The whole mass appeared at one time to have been encircled
by a wall, now fallen, the entrances to which could be distinctly traced, and this con-
firmed the report which had been gathered, by the missionarieä of Santa Lucia Bay.
Slowly the two forced their way towards the vast ruined mound they were
striving to gain, often stumbling €tnd falling among the loose stones and treacherous
creepers.
A crowd of half-fallen passages led away to right and left, terminating in what
appeared to be a court-yard, in which were the remains of pillars of stone.
»There has once been carved work on these pillars, Hughes,« said the missio-
nary, as they paused, breathless with their eJcertions, before a mighty column.
»The action of ages has wom it away.«
»And wat is more singular,« replied Hughes, who now seemed as much inter-
ested in the ruins as his comrade, »no mortar of any kind appears to have been
itsed, the massive stones fitting into one another exactly.«
»This temple or palace has stood upon a kind of platform of masonry,« re-
niarked the missionar>% »with broad steps leading up to it. \Vhat a commanding ob-
ject it must then have been.«
Hart m »DD, Nigritier. 3
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34 I- Abschnitt. III. Kapitel.
»The difficulty will be to climb what was once the flight of steps,« said Hughes.
»I don't See how we can manage it.«
SKnging their rifles behind them, and after many failures the two helping each
other from time to time, and taking ad van tage of every projection, stood at last on
the raised platform on which the building had rested. Below them ran a maze of
cnimbled galleries and court-yards : and wherever the eye could penetrate, mounds of
fallen masonry cropped up amidst the dense forest growth.
The vast ruin itself was now a shapeless mass , being utterly broken and de-
faced. The top of the mound was overgrown by bush, interlaced with creeping plants,
and, as using their knives, the two cut their way onward, the light of day penetrated
feebly into a ruined Chamber of vast size. A dead silence reigned therein, and as they
paused at the entrance and looked back on the scene which lay below, perhaps the
first Europeans who had stood on that weird spot for many ages, the missionary could
not but feel dispirited.
»The day-dream of my life realized. I stand among the ruins of the dties of
old; but where they begin, or where they end I know not. The forest has re-asserted
her old rights, tom from her by the hand of civilisation.« he remarked.
»Tjook where you will there is nothing to be seen but broken mounds and tot-
tering walls; it would require a brigade of men and years of work to clear these
ruins,« replied Hughes.
»Yes, the extent of them is a mystery at present. We can but affirm their
existence. What a deep dead silence hangs over the spot. Let us go on.
They penetrated the ruined Chamber, but hardly had they put their feet across
the threshold , when bats in vast numbers came sweeping along, raising, as they did
so, a fine dust, which was nearly blinding. The ruins seemed their home, and there
they lived , bred and died in countless numbers. Some were of a sickly-looking
greenish colour, and of heavy and lumbering flight , often striking against the two
explorers as they came along.
At one moment the missionary was surroünded by these tenants of the ruined
palace, these winged things which had taken for themselves the abodes of the Pharaohs
of old. He Struck out in self-defence and kiUed several, measuring one for curiosity.
Its length was only between five and six inches, but when the wings were spread it
was at least nine teen from tip to tip. Their numbers seemed to increase , for troops
of others, of a duU brownish red colour, joined their loathsome companions, and then
a third species of a chestnut brown, mingled with dingy white, came trooping along.
What the building had been it was impossible to teil ; but it must have once seemed
a mighty pile standing on its platform of stone work, with a flight of broad steps
leading to it. These steps had disappeared ; but remains of them could be noticed,
and from the elevation where the tivo stood the line which had once been the wall of
the town could be traced here and there. There were not any remains of a purely
Eg}^ptian character, save a wom arabesque representing the process of maize-
grinding ; but this was to be seen daily practised among the tribes , and therefore
proved nothing, for is remained an open question whether the natives had taken it
from the sculptor or whether he had imitated the natives. Here and there were re-
mains of carvings representing serpents, birds, and beasts of uncouth form, leading to
the belief that the building had once been a temple. Passing along, nearly blinded by
the fine dust, their knives cut them a way out , and the breeze and sunshine seemed
doubly welcome after the dank, confined air of the old ruin. Huge lizards gHded
away among the broken stones as they emerged from the corridor — for such is
seemed — and monkeys were to be seen darting away among the trees as they let
themselves down from the platform. These animals had not any tails, resembling
those found among the Atlas mountains ; while the jackal and hyaena, surprised at
the sight of human beings in this solitarj' spot , sneaked away among the masses of
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Baudenkmäler als Zeugen der Vergangenheit, als Uebeireste früherer Kulturzustände. 35
ftilen masoniy, snarling as they looked back. Near the stream the spoor of the ele-
pktnt was distinctly yisible, and it was evident this was one of their favourite feeding
gnmnds, for the banks were strewed with the broken branches of the mashuka-
trees, and the d^bris of the pkmtains. The tamarind-trees and palmyra grew luxu-
riantly, and for hours the two wandered among the ruins or, seated on the fallen
heaps, lost themselves in conjectures on the past. »It is impossible,« at last said
Wyzinsky, seating himself, fairly wearied out, »for us to explore further these relics
of the past. We can but teil of their existence, I repeat.u
»The axe, or fire — perhaps both — would be necessary before even their ex-
tent could be known,« replied Hughes. »Look at that mass of masonry, thickly
hedged round with date, camel thom, and white mimosa. Mark the thick under-
growth and the stränge creeping vine-like shrubs running along the ground, and
festooning themselves to the trees, and the difficulty will be realized.«
»There seem to me to be caves cut in yonder mountain side: let us go
there.«
In rear of the ruins rose the slopes of the Malopopo hills, and leading in that
direction was a kind of passage through a low er ränge, the river flowing in the
middle. On each side rose the rocks, scarped down towards the bed of the stream,
from which coal was cropping out. The summits of the hills were wom and rounded by
the action of time , and here and there clumps of trees were growing on the river
banks. It was up this cut the two advanced, Hughes leading. Stopping as he tumed
a Shoulder of the rock, the missionary joined him. Seven rhinocerosses were sleeping
qnietly by the water side under the trees , the boughs of which were literaUy bending
under the mass of nests made by the same bright yellow bird which had been seen so
numerous on the Sofala river. '
The animals were totally different from any other that had been seen.
»They have a perfectly smooth skin,« remarked Hughes.
»Yes, and are of a pale yellow colour instead of brown, like the one which
treated me so unceremoniously in the country of the Matabele. Both the horns too
are pointed, and both long.«
»We had better look out. See they have awoke, and are getting into line ready
to Charge us.«
In fact the brutes seemed very savage, and so soon as they perceived the in-
traders on their solitude, they charged down, the glen. Scrambling up a rock, the
danger was easily avoided. The herd passed on except one old cow with is young
one, who halted after having gone some twenty yards, and turning deliberately round
retumed, gazing with apparently great curiosity at the white men. It was impossible
to pass ; and there stood the great lumbering animal fairly mounting guard over the
two who, perched on the rock, were only wishful to be left alone.
* There was nothing for it, however, but to get rid of the troublesome visitor ;
80, leaning the rifles on the flat rock on which they were lying, by agreement both
aimed for the centre of the forehead. The two reports seemed as one, as for a mo-
ment Üie rhinoceros stood iirmly, and then feil over into the river, dyeing the water
with blood. It was a great size, measuring close upon twelve feet in length, and ten
in girth, while the horns were to nearly matched that there was not a quarter of an
inch difference between them. The openings of several caves were to be seen , and
near one there appeared to have been some fight lately, for blood, evidently quite
fresh, was lying about.
To this cave the two climbed, entering very cautiously. Chance had again
favonred them , for there lay the leopard quite dead. Bonos of different kinds were
beaped about, showing that for a time at least it had been the abode of wild animals.
It was about twenty feet high , and there were some curious carvings on the walls,
the entrance having evidently been scarped down by the band of man. Close to the
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, ^
36 I. Abschnitt. III. Kapitel.
doorway were two colossal carvings, as if to guard the mouth of the cave. Each re-
presented the figure of a nearly naked warrior having a coveiing only round the loins ;
and each held in his hand two spears , and not having any shield — in this widely
differing from the present race. The faces of these figures seemed of an Arab type.
There was no trace of door, but some broken remains would seem to indicate that the
entrance had once been walled up, while close by lay a slab of stone bearing a tracing
on it of the figure of the African elephant. There were many similar cavems here
and there in the mountains side.
(Das Nachfolgende enthält nur noch ganz unwesentliche Zusätze.]
Auch neuere protestantische Missionäre hatten vielfach von alten Stein-
bauten in dem südlich vom mittleren Zambezi-hviuSe gelegenen Gebiete reden
hören. Dr, Th. Hahn berichtete mir noch unlängst über die virunderbar
klingenden Aussagen eines Kaffem, welcher dem Missionär Nachtigal ver-
sichert hatte, er sei in jener Gegend mitten in umfangreichen alten, von
Skulpturen strotzenden Ruinen gewesen.
J. M'Kenzie bemerkt im Appendix zu einem erst ganz vor Kurzem
erschienenen Werke ^) : »Perhaps the most striking circumstance tending to
throw light on the dark history of the country, is the discovery of ancient
pits or mines, on the bank of the river Tatie^), in which gold had been
dug in some previous age. None of the present natives of the country had
noticed these pits. When discovered by Europeans in 1867 they were nearly
fiUed up again with the drifting sand; and in the case of one of them a
large mopane tree was growing out of what had been once the mouth of a
gold mine. In this connection I may mention, that when the stone walls
of my kitchen at Shoshong had lisen to some height, a native of the Ma-
kalaka tribe, after surveying them attentively, remarked to me that he had
now a new thought concerning certain walls in his native country, which lay
to the north-east. He said when he was a boy he had looked on them as
he did on the mountains and the plains — as things which had always
been where he beheld them; but since he had seen the stone walls built
by white men, he had come to the conclusion that those in his native land
must have been built by the same people. In a work which has recently
come under my notice ^) , I find it asserted that white men had seen these
or similar ruins in the district indicäted by my servant. In the extensive
region of the recent gold discoveries we may hope to find more than usually
abundant materials to instruct us as to the past history of the country.«
1) Ten years north of the Orange river, p. 485 ff.
2) Tatm, Täte, Auf einem langgestreckten Bergrücken befindet sich z. B. eine aus
regelmässig gespaltenen Bruchstücken eines eisenglanzhaltigen Thonschiefers aufgeführte
Ringmauer, 1 — 1,7 Meter hoch, 1 Meter dick, 56 Meter Durchmesser haltend und im Innen-
raume Eisenschlacken. Wohl Befestigungen zum Schutz von Eisenminen. A. Hübner in
der Zeitschr. d. Gesellsch. f. Erdkunde, 1870. S. 201.
3) Das oben citirte Buch Walmsley's?
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Baudenkmäler als Zeugen der Vergangenheit, als Ueberreste früherer Kulturzu stände. 37
Ganz neuerdings berichtet nun A. Petermann, dass der in den letz-
teren Jahren vielfach genannte deutsche Reisende C. Manch zu i>Zifnb<ibyen
im September 1871 ausgedehnte Bauten und Ruinen von sehr
hohem Alterthum wirklich aufgefunden habe. Zimhdbye sei eine
dieser uralten Ruinenstätten und liege nach Mauch's astronomischer Be-
Stimmung in 20<>4,4' Südl. Br. und 31® 48' OesÜ. L. Greenw., . gerade west-
lich von Sofalla und nur 41 deutsche Meilen in gerader Linie davon ent-
fernt. In der Nähe von Zimbahye hat Manch Waschgold gefunden. Die
Ruinen bestehen aus Trümmern, Mauern u. s.w., bis 30 Fuss hoch, 15 Fuss
dick und 450 Fuss im Durchmesser, einem Thurme u. s. w. Dass sie alle
ohne Ausnahme aus behauenem Granite ohne Mörtel aufgeführt seien, deute
allein schon auf ein hohes Alterthum. Die von Mauch eingeschickten
Zeichnungen von Verzierungen an den Ruinen Hessen aber kaum noch einen
Zweifel darüber aufkommen, dass sie weder von Portugiesen noch Arabern,
dagegen von den Phöniziern, von den Leuten der salomonischen Ophir-
Fahrer herrühren könnten. Jedenfalls hätten diese Verzierungen nichts
portugiesisches oder arabisches an sich, sondern deuteten auf viel frühere
Zeiten. Die jetzige Bevölkerung bewohnte diese Gegenden erst seit 40 Jahren;
sie hielte diese Ruinen 'heilig und nähme insgesammt fest an, dass weisse
Menschen einst diese G^end bewohnt hätten, was auch aus Spuren ihrer
Wohnungen und eisernen Geräthschaften, die nicht von Schwarzen herrühren
könnten, hervorzugehen scheine. Mauch hatte nur erst eine der Ruinen-
statten untersuchen können und zwar nur erst ganz flüchtig; drei Tage-
reisen nordwestlich von Ztmbabye sollen noch andere Ruinen liegen, unter
denen sich nach der Beschreibung der Eingebomen auch ein Obelisk findet.
Die ganze Gegend soll sehr schön sein, über 4000 Fuss Meereshöhe haben,
wohl bewässert und fruchtbar sein. Es soll hier ein fleissiger und friedlich
gesinnter Stamm der i>Makalakaa wohnen, welcher Reis- und. Kornfelder,
Kinder-, Schaf- und Ziegenheerden besitzt *) .
Bestätigt sich dieser Bericht über Mauch, so würde damit einer der
interessantesten archäologischen Funde aller Zeiten und Völker unserer
Kenntniss erschlossen. Dann würde die Frage von der Symbäoe des De
Barros und Dos Santos ihre Lösung gefunden haben. Denn Manches
Berieht erinnert durchaus an die Darstellung der Portugiesen vom den alten
i^Symhdoe^Sii in Ahutua. Das Weitere über die bauliche Construction, über
die Beschaffenheit der erwähnten Skulpturen u.s.w., endlich die genauere
Bestimmung des Alters und der Herstammung dieser angeblichen Reste
bleibt erst noch abzuwarten. Alle Angaben von phönizischen Arbeiten
sind verfrüht, hier heisst es erst schwarz auf weiss gute Zeichnungen, Be-
schreibungen, Messungen vorlegen und dann erst genau vergleichen!
Petermann hat bei Abfassung seines Berichtes das biblische (salomonische)
1) VoBtoBche Zeitung. 1872, SonntagsbeUage Nr. 6, S. 24.
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38 I- Abschnitt. III. Kapitel.
Ophir mit. den angeblich von Manch erwähnten Ruinen in Verbindung zu
bringen gesucht. Wohl überflüssiger Weise, denn wir wissen schon seit
Jahren durch Lassen, Kiepert u. A., dass wir Ophir ^) nicht in Ost-
afrika, nicht in Sofälla oder dergl., sondern in Südasien zu suchen
haben ^). . Kiepert macht in einer bald nach Petermann's Bericht gleich-
falls durch die Zeitungen gegangenen, vortrefflich gehaltenen durchaus sach-
gemässen Erwiederung (vom 7. Febr. 1872) darauf aufmerksam, dass »die
im Alten Testament überlieferten Namen aller heimgebrachten Produkte
Ophir* $ (Elfenbein, Pfauen 3) , Affen, Specereien) als kaum verändert« San-
skritwörter und Ophir*8 Name selbst als die Benennung des unteren
Induslandes: ».^iAtra« nachgewiesen, und dass die Bedenken wegen der
natürlichen Goldarmuth dieses Theiles von Indien wiederlegt worden sind.«
Wie berühmt übrigens Sofälla^ nach arabischer Schreibweise Sofölah,
bereits unter den früheren Arabern, als ein Goldland gewesen, geht aus
den bei ältei^en Schriftsteilem üblichen Bezeichnungen dieses Gebietes als
Beled" el-Tibry Arz-el'Tibr, Berr-el'Tibr heryoT. Ttir ist Goldstaub. Das
Wort »Dahabo« der älteren portugiesischen Schriftsteller ist der nur wenig
veränderte arabische Name y>Dahab<i für Gold im Allgemeinen. Matuca
war zufolge den alten Portugiesen die Bezeichnung für gediegen Gold in
festem Gestein^).
Meiner eigenen Ansicht nach beruht nun entweder die ganze Ge-
schichte von den alten Symbäoe^s oder der (einen) dXten iSymbäoe auf
recht crassen Täuschungen, dieselbe läuft auf eine recht klägliche
Uebertreibung an sich unbedeutender Verhältnisse (s. S. 39) hinaus, oder
aber wir haben es hier wirklich mit Resten einer untergegangenen
Kultur zu thun, welche möglicherweise ganz neues Licht auf die alten
Völkerbewegungen in Afrikas Binnenländern zu werfen gestatten dürften.
Bewahrheitete sich das Letztere, so würden wir uns wieder einmal gestehen
müssen, dass wir eingedenk der alten Redensart »Semper aliquid novi ex
Africa« kaum am Ende des Anfanges unserer Ideen vom Ursprünge ehe-
maliger afrikanischer Civilisation angelangt seien. — Warten wir jedoch das
Fernere erst ruhig ab.
1) Hebri iOpßr.
2) Sollte sich im Verlaufe des Druckes dieses Werkes noch etwas Näheres, Authen-
tischeres über den M auch' sehen Fund ergeben, so werde ich darüber in einem besonderen
Anhange III berichten.
3) Pfauen, hebräisch 7V<^^ttm, arabisch Däüse, altindisch Tak*ai, sind bekanntlich nur
asiatisch; Aifen, hebräisch Qofwif altindisch K<^, können verschiedenen Arten angehört
haben. Elfenbein, Oold, SUber, Ebenholz, iAlmuffginif sind ebensogut auch als indische
Produkte zu betrachten. Hinsichtlich Ophir' s bemerken Nott und Oliddon ganz mit
Hecht: »A volume would not suffice to display the aberrations of intelligence printed on
this name!« (Types of Mankind p. 548).
4) Nach De Barros aber Name für die ganze goldhaltige Gegend. Vergl. Ritter,
Afrika S. 147.
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Baudenkmäler als Zeugen der Vergangenheit, als Ueberreste früherer KuUurzusüinde. 39
Die Zülü und andere A-Bäntu-ätämme erbauen zuweilen steinerne
Umwallungen für ihre Kraute, die sie doch sonst nur mit Dornpferohen
zu umgeben pflegen. F ritsch hat einen zwischen klafienden Felsblöcken
aufgemauerten Viehkraal unfern Bethlehem im Oran^^-Freistaat beschrieben
und abgebildet *) — ein Werk jedenfalls der Farmer ! Ganz ähnlich ver-
fiihren nun Eingeborene (vergl. oben S. 25 über Centralafrikaner).
A. Hübner hat in Südafrika vorkommende Baulichkeiten erwähnt und zwar
i) rohe drei Fuss hohe^ Kreisflächen einschliessende Mauern in Natal und
Transvaal, welche wahrscheinlich als Viehkraale gedient haben. Verf. ver-
gleicht mit ihnen die von Boers des Oranje-Frijstaat und des Transvaal
zu demselben Zwecke aufgeführten Bauten. 2) Aus regelmässig behauenen
Steinen angeführte Mauern des Jlia^A^fc- Landes, welche häufig Reste von
Schmelzöfen (für Eisen) umgeben. Diese jedenfalls einem intelligenten^
von einer gewissen Erkenntniss primitiver Bauconstruction erfüUten Volks-
stamme zu verdankenden Mauern scheinen zum Zwecke der Vertheidigung
errichtet worden zu sein. Sie können freilich den letzteren bei ihrer ge-
ringen Höhe (I — 1,2 Meter) und Dicke (0,7 Meter) nur mangelhaft erfiillt
haben. Die Mauern bei uMonyamas-Kraah sind der Tradition zufolge
Werke der Maidna gewesen, welche von hier erst in den dreissiger Jahren
durch ü^mselekäzi und seine Matabele vertrieben wurden. Diese zur Zeit
im Norden des Jllfato&e&-Reiches wohnenden Mahöna sind noch jetzt die •
»eigentlichen Waffisn- und Spatenfabrikanten der Matabele, welche selbst die
Production und Fabrikation des Eisens nicht verstehen.« Demgemäss dürf-
ten diese Befestigungen kaum älter als 40 Jahre sein 2). Dass nun den
Kaffem die Befähigung, Verschanzuugon aus Steinen zu erbauen, auch
jetzt noch nicht gänzlich verloren gegangen, beweist das Folgende: Es wur-
den im Jahre 1852 von JKfa^o^a»'«- Kaffem zu Makapanspoort aus hohen
Steinen Schanzen errichtet, hinter welchen das Volk den angreifenden Boers
wacker Stand hielt ^) . ^MakaparCsa^ Leute hatten nämlich zur Vergeltung für
an einem der Ihren begangenen Mord gewisse Boers am Nilflusse überfallen
und niedergemetzelt. Die Boers hatten ilirerseits ein starkes Commando
ausrücken und durch dasselbe Makaparis Volk belagern lassen. Dann hatte
man die Kaffem zur Kapitulation bewogen und grossentheils hinterher ver-
nichtet, indem man ihrer eine gute Menge, etliche hundert wie es heisst,
in ihren Höhlenasylen auszuräuchern gewusst *) .
G. Fritsch wirft die wie mir scheint wohl begründete und zeitge-
mässe Frage auf, ob nicht die »phönizischen Ruinen (?) K. Mauch's im
1) Drei Jahre in Süd-Afrika, S. 178.
1\ Zeitschrift f. Ethnologie, 1871, S. 53ff., Taf. II. III.
3) Vergl. hierüber Wangemann: Ein Reisejahr in Südafrika. S. 458.
4) Man erkennt übrigens hieraus, dass die höchst ritteriiche Art Marschall P^lissier's,
Herzogs von Malakof, auch unter den »biederen« Böen geschickte Nacheiferer ge-
funden !
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40 I- Abschnitt. IH. Kapitel.
JfaJöna -Lande (also die Zimhdoi^s des De Barros u. ß. w.) zu derselben
Kategorie wie die letzterwähnten Matahele-yiKVLem gehören möchten >)? Am
Ende lernen wir in diesen ZimbäoS^s doch nur Vertheidigungsbauten, be-
festigte Häuptlingsresidenzen Landeseingebomer kennen^ die auf solche Con-
structionen wohl auch ohne Lehrmeisterschaft der Phönizier und anderer
Fremden gekommen sein könnten. Hübner*8 oben erwähnte Matabele-
Mauern sind aus granitenen Keilsteinen sehr r^elrecht erbaut. Erinnert
dies nicht ebenfalls an die aus grossen Werksteinen bestehenden Ruinen der
De Barros, Dos Santos, Manch u. s. w.?
Nachträglich sei hier noch bemerkt, dass auch Livingstone eine
unbestimmte Kunde von den alten Gebäuden vernommen. Auf dem Gipfel
des Gorongoza -Berges, an welchem früher eine Jesuitenstation bestand, sollen
sich nämlich grosse, viereckige Platten mit lateinischen Inschriften vorfinden,
wohl ein Werk der Jesuiten. Drei Tagereisen nordwestlich, «o hiess es wei-
ter, liege Manicay das beste bekannte Goldland Ostafrikas, welches von den
Portugiesen für Ophir gehalten werde. Die Portugiesen berichteten femer
von der Existenz behauener Steine in der Nachbarschaft. Eingeborne von
Manica oder Manoa wie sie es nannten, welche Livingstone in t^eke-
letu^sn Tjande getroffen, erzählten von mehreren Gruben und Mauern aus
behauenen Steinen in ihrem Lande, welche sie für ein Werk ihrer Vor-
fahren hielten. Auch lebe dort nach Aussage der Portugiesen ein kleiner
Araberstamm, der den anderen Eingebomen vollkommen gleich geworden
sei. Der Motirikwe und Sabia oder Sabe strömten durch ihr Land nach dem
Meere. Die Portugiesen seien durch die Landins ^j aus dem Lande getrieben
worden ^) .
Es heisst, nur die alten ZtmbdoS^s von AbuttM seien mit Inschriften
und Thierbildem geschmückt. Ueber erstere lässt sich ohne vorliegende ge-
naue Copien der angeblichen (auch wirklich vorhandenen?) Schriftzeichen
natürlicherweise nichts urtheilen.
Thierbildem dagegen begegnet man in den verschiedensten Theilen
Afrikas. Ich will hier nicht erst von den so treffend, so naturgetreu aus-
geführten, gemalten und skulpirten Thierdarstellungen der alten Aegypter
sprechen, wichtigen in wissenschaftlicher Beziehung bedeutungsvollen Hülfis-
mitteln für zoogeographische Studien. Vielmehr will ich hier nur verschie-
dene rohere Bilder anderer afrikanischer Stämme in Betracht ziehen. Deren
bieten sich zunächst im mittleren Nordafrika, in den Ländern der alten
Garamanien, in Wädi'Telt-saxß^)y in Wädi-Damiü^n^) u. s. w. dar.
1) A. a. O. S. 136. Anm.
2) »0« Cafres Landins« oder Ama-Zülü.
3) Missionsreisen u. s. w. D. A. II, S. 320.
4) Barth, Reisen und Entdeckungen, I, S. 210fr., Fig.
5) Duveyrier, Les Touareg p. 399. Nachtigal, Z. d. Ges. f. Erdk. V, S. 232.
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Baudenkmäler als Zeugen der Vergangenheit, als Ueberreste früherer Kulturzustände. 41
Auch auf Felsen des Gebet -Haräzah in KordÄifm hat man ähnliche
Thierbilder gefunden. Lejean^ welcher dieselben unfern des Dorfes
Gebel an einer schattigen Granitwand selbst gesehen, beschreibt dieselben
auf folgende wenig genügende Weise: »Ein siegreicher Stamm oder viel-
mehr ein i^Gautm ^) jagt eine Menge Reiter^ welche sich^ den Speer in der
Hand^ vertheidigen. Schafe^ ein Elephant, eine Giraffe, bilden einen Theil
der Beute. Eine Art Riese kämpft für die Besiegten. Er hat einen zwei-
spitzigen Bart und trägt ein demjenigen der Franken zur Zeit der ersten
Rreuzzüge sehr ähnliches Kostüm (?). Damit man sich nicht über den
Schnitt seines Wamses täuschen könne, findet sich noch ein besonders ge-
seicfanetes Modell eines solchen, wie wir deren auf den Prospecten unserer
pariser Kleidermacher zu sehen gewohnt sind. Der den Elephauten angrei-
fende Mann sitzt auf einem dem Einhome oder Abü-Qarn, fast dem heral-
dischen Einhorn Englands ähnlichen Thiere von Formen und Beschaffenheit
eines Bosses. Menschen wie Thiere sind in einfachen Umrissen gezeichnet
und später in Roth gemalt, mit Ausnahme der Schafe und etwa eines Pferdes.
Die Umrisse sind nett, die Farbe lässt sich übrigens abreiben.« Lejean ver-
suchte, so gut sein fieberhafter Zustand es zuliess, die Scene zu copiren ^ .
Leider wissen wir, ohne die Abbildungen vor uns zu haben, aus dieser
jedenfalls sehr interessanten Darstellung nichts zu machen. Wenn wirklich
Pferde gezeichnet sind, so könnte die Schilderei nicht in ein so sehr hohes
Alterthum hineinreichen, da die Pferdezucht erst unter den Pharaonen nach
Ostafirika eingeführt worden ist. Es könnten nun freilich die einhomahn-
fichen Thiere auch Reitochsen von jener schlankeren, antilopenartigen Form
darstellen sollen, wie sie in Ost-Südän hier und da gebräuchlich sind. Mit
Lejean's frankenähnlicher Tracht lässt sich nichts anfangen. Sollte hiermit
etwa einer der in Ost- und Central-/Swrfa;i zu findenden Panzerreiter gemeint
sein, von denen weiter unten genauer die Rede sein wird? »
Der T(iddy d^ga M^toangu oder »Fetischfelsen« am C<w^o-Flusse
enthält höchst rohe, erhaben gearbeitete Figiu-en von Menschen, Fluss-
pferden, Antilopen, Büffeln, Krokodilen, Eidechsen, Schiffen, Ornamenten
U.S.W., angeblich das Werk eines Fetischpriesters von Nokki und etwa an
den Styl gewisser in Südamerika erhalten gebliebener Felsenskulpturen er-
innernd 5) .
In der Anfertigung von Thierbildern in Gold, Eisen, Elfenbein, Holz,
Thon und zwar zur Ausschmückung von Fetischen, von allerhand Geräthen,
Waffen u. s.w. dienend, im Abmalen derselben auf Häuserwähden u.s. w.
zeichnen sich die Ahänfty Dähome, Be-tiüäna aus. Die Stäm-^äm, Gür,
1) Qüm, Qömf hier bewaffneter Haufe, Kriegspartei.
2) Voyage p. 53.
3) Tuckey, Narrative etc. p. 380, Taf. H. IX. X.
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42 1- Abschnitt. IV. Kapitel.
Dör und andere Stämme des Innern verzieren ihre Geräthe mit mensch-
lichen, phalli 'sehen Figuren >).
lieber Eingrabung von Thiergestalten durch Herero in den Schiefem
auf »gestoppte Fcntein^y unfern der Farm des Herrn van Zyl bei jEüit-
tebeest'Fantein in Transvaal berichtete A. Hübner in der Zeitschrift fiir
Ethnologie^). Die eingravirten Figuren von Löwen^ Elephanten, Giraffen,
Leoparden,- Rhinoceroten , Hartebeesten (Alcelaphus Caama)^ Wilde-
beesten (Catoblepas Onu), Elens (Boselaphus Oreas)^ Straussen, Kro-
kodilen und Skorpionen, nidit aber von Hausthieren, und von nur
wenigen Menschen verrathen nach den — durch Hübner abgebildeten
Proben 3) eine vortreffliche Auffassung des Charakteristischen. Hübner ist
der Meinung, dass diese 200 — 300 Figuren, welche seinem eigenen Urtheile
zufolge Dzwar roh, aber doch mit einer gewissen Fertigkeit in der Zeichnung«
dargestellt wurden, nur »zum Zeitvertreib entstanden seien,« was übrigens
auch mir als das Annehmbarste erscheint.
Den Buschmännern wohnt ebenfalls eine Neigung zur Anfertigung von
Contourmalereien inne und zwar vielleicht schon seit Alters her. Die von
G. F ritsch in den Ghrotten in Nähe des »Windvogelberges« am Key unter-
suchten, in den vier Farben Schwarz, Weiss, Ocker und Roth ausgeführten
Skizzen von Menschen, Springböcken (Gazella euchore), Gemsböcken
[Oryx capensis), Pavianen, Hunden und Straussen zeichneten sich durch
bedeutende Correctheit aus. Man bemerkt hier neben unzweifelhaft älteren
Darstellungen auch deren neuere von europäischen Soldaten und von Pfer-
den *) (Anhang IV) . Es erinnern diese Darstellungen wieder lebhaft an die-
jenigen nordamerikanischer Indianer^), wenngleich letztere vielleicht noch
weniger geschickt ausgeführt werden als jene.
1) Ber Trieb, in bildlichen Darstellungen dem Phalli'schen gerecht zu werden,
wiederholt sich in den afrikanischen Gebieten ganz gewöhnlich, so auch bei den Reliefs
des oben erwähnten Fetischfelsens.
2) Jahrgang 1871, S. 51, Taf. I.
3) Hyaena orocuta ist vorzüglich, JBoselaphus Oreas leidlich charakterisirt.
Die dritte Figur, angeblich Damalts albifrons, ist bedenklich.
4) Drei Jahre in Süd- Africa, S. 99 flf. Wood Africa.
5) Vergl. Prinz von Neuwied, Keise in Nordamerika, Bd. II, S. 657. In den ethno-
logischen Museen zu Berlin und Paris finden sich Zeltdeoken, Mäntel, Hemden und Hosen
von Bison- und Hirschleder, die mit solcherlei Malereien geziert sind.
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Nachrichten, welche uns die Alten von Afrikas Völkerschaften hinterlassen haben. 43
IV. KAPITEL.
üeber mancherlei NaohriGhteiii welche uns die Alten von Afrika's
Völkerschaften hinterlassen haben.
Indem wir uns eine Erforschung gewisser Yölkerstämme Afrikas zum
Ziel gewählt, erscheint es geboten, uns gleich Aufsuigs in der Geschichte
der Entwicklung unserer Kenntnisse von jenen näher umzusehen. Es ist
dies gerade in Bezug auf Afrika nöthig, in welchem uns einer der ältesten
Eulturherde der Menschheit, nämlich Aegypten, entgegentritt, an wel-
chem sich schon frühzeitig eine Untersuchung von Land und Leuten
eingeleitet hat. Aegypten bildet eine altehrwürdige Pflanzstätte geogra-
phischer und ethnologischer Forschungen.
Von Aegypten aus wurden die benachbarten Länder in den Bereich
der Untersuchung gezogen, und zwar nicht nur zu Zwecken der Eroberung,
der Handelspolitik , sondern auch aus dem Drange , eine Belehrung zu ge-
winnen. Fehlt es diesen Untersuchungen — nach unserem heutigen Stand-
punkte betrachtet — nun auch an Gründlichkeit, vermissen wir an ihnen
auch die strengere Methode, so setzen uns dieselben dennoch in den Stand,
mancherlei wichtige auf die uralte Stammesgliederung, die alten Wohnsitze,
die lätten und Gebräuche der Afrikaner bezügliche Einzelnheiten kennen
ra lernen. Es verlohnt sich daher wohl der Mühe, hier ein^i Blick in jene
sduifitlichen Aufzeichnungen zu werfen und an ihrer Hand die Erscheinungen
der neueren Zeit auf unseren Gebieten zu prüfen.
Auf den ägyptischen mit] Gemälden, mit Bildhauerarbeit und mit
Hieroglyphen geschmückten Denkmälern geschieht sehr häufig eines Landes
Erwähnung, dessen Haupttheil im Süden Aeg]q>tens gesucht werden muss.
Dies Land heisst hieroglyphisch JBSii, JSqi, Kei und bedeutet jedenfalls die
sodlich von Syene oder Asuän gelegenen nubischen Gebiete. Nach Inhalt
eines im »Auslande« 1871 S. 1053 abgedruckten Aufsatzes Uefert für das
hieroglyphische Kui das hebräische Lexicon ^Koscha ^), das koptbche
^oscha^, letztere beiden Wörter mit der Bedeutimg »metalla excoquere«.
Freilich ist Gewinnung von Metallen (Gold, Eisen, Kupfer) ein sehr be-
deutungsvolles Etwas im Leben der südlich von Aegypten sich erstreckenden
Lander, zumal da der Pharaonen Hauptbesitz, nämlich das Betu-loLud, mit
seinen starren Kalk-, Kreide- und Sandsteinfelsen sowie mit seinen klee-
und dattelreichen Schlammablagerungen ein metallarmes Beich genannt
XU werden verdient.
1) Xus\
7) £b«^
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44 I- Abschnitt. IV. Kapitel.
Auch Nott und Gliddon fuhren aus, wie das hieroglyphische Kui
im eigentlichen südlich von Philae beginnenden Beled-el-Beräbra gesucht
werden müsse, allwo i>Tutzü<i {Gerf- Hosen, Dodecaschoent) , nThoshfi^ iden-
tisch mit vEthaush«, der koptischen Form für Aethiopien, Kui, sein dürfte.
»That the Kesh were African aboriginals — probably similar to the Bara-
berera of the present day etc.« *), wird noch besonders hinzugefugt. Ich
glaube ebenfalls den auf Denkmälern vorkommenden Legenden und bild-
lichen Darstellungen entnehmen zu müssen, dass Kui zunächst die von
Nubiem, Beräbra, bewohnten zwischen 24<^ und 15<> N. Br. am Nile ge-
l^enen Ländereien bezeichne. Hierauf deuten ja die unten näher zu erör-
ternden Namen der von Pharaonen besiegten, noch heute erkennbaren nubi-
schen Stämme genügend hin. Wenn die alten A^^ter zuweilen auch nicht-
afrikanische Stämme, z.B. arabische, mesopotamische und vorderindische, mit
dem Namen Kusiten belegten, so geschah dies zum Theil in der Idee, dass
ein Theil Asiens von Aethiopien aus cultivirt worden, theils in der Absicht,
mit dem Worte Kui alle nicht unterworfenen, nicht zinspflichtigen, zur steten
Gegenwehr geneigten »schlechten« (boshaften) Völker zu tituliren. y>Kui« ist
oft gleichbedeutend mit dem jetzigen arabischen ^Ast, Rebell, Abtrünniger.
In den alten Inschriften heisst auch Kui fast stets das schlechte, das
feile, das elende, das x^*/, bedu, nämlich das nicht unterworfene, trotzige,
niederträchtige Gebiet, dessen Bewohner die göttergleichen »Söhne der
Sonnea und ihren ganzen civilisatorischen Beglückungsapparat hartnäckig
zurückzuweisen bemüht waren. Ebers bemerkt ganz richtig, dass mit dem
Epitheton schlecht (für Kui) der grössere und geringere Widerstand ge-
meint sei, welchen das eine und das andere Volk den ägyptischen G^iiem
entgegengetragen 2) . Trotzdem müssen nach Obigem die KuOten im Allge-
meinen dennoch mit den Beräbra identificirt werden ; denn wie wir im Fol-
genden erkennen werden, erstreckten sich die Kriegszüge der Pharaonen
gegen das schlechte Kui über die Gebiete des unteren und mittleren
Beled^el- Beräbra. Die als Bewohner von Kui gelegentlich auf den Denk-
mälern abgebildeten Menschen erinnern im Allgemeinen an Beräbra, nicht
selten freilich auch an Bejah, seltener schon an NigriHer. Letztere werden
öfter als N§h§8i aufgeführt und, wie Ebers ebenfalls sehr richtig bemerkt,
auch den bösen Leuten von Kui als fwß^e oder gut gegenübergehalten 3).
Derselbe Schriftsteller stellt nun aber die Behauptung auf, die »afrikani-
schen Kuüten seien ein dunkles, asiatisches Volk, welches den süd-
lichsten, den Hebräern bekannten Erdgürtel bewohne, sich auch als Ein-
wanderer mit den Aboriginem von Abyssinien vermischt habe und zuletzt
aus Arabien gekommen sei.« Ebers macht dann den schwachen Versuch,
1) Types of Mankind p. 487.
2) Aegypten und die Bücher Mosis, S. 58.
3) A. o. a. O. S. 57.
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Nachrichten, welche uns die Alten von Afrikas Völkerschaften hinterlassen haben. 45
diese Behauptung zu begründen^ bietet uns jedoch bei dieser Gelegenheit
nur eine kritiklose Aufeinanderhäufung von missverstandenen Citaten dar.
Erwähnter Forscher gewährt uns in dem beregten Kapitel eine genaue Ein-
sicht in seinen gänzUchen Mangel an Anschauung und selbst nur literarischer
Kenntniss über die Westasiaten und über die Afrikaner überhaupt.
Nun finden wir in den Inschriften noch das häufiger wiederkehrende
Wort Nüb (koptisch NOTB), welches Gold bedeutet, von den Aegyptem
aber auch zur Bezeichnung des südlich von der ersten Katarakte gelegenen
goldspendenden Gebietes angewendet wurde, woher denn der Name Nüb-ia^
Nubien, stammt. Anklänge an diesen Namen bietet uns die Völkerbezeich*
nang Nöbah für die Nigritier der kordüfanlschen Berge, für die südlichen
Funff, Berfä und Gumüz, auch das Wort Nöby Plur. Nobigä als (nur gele-
gentliche) Bezeichnung für Beräbra, das Wort NöbVnffa, NohUiga gleich-
bedeutend mit den jetzt gebräuchlichen Bezeichnungen Lüän-Berberl oder
Boiänah ') - BerberieA, d. h. Sprache, Welsch der Beräbra.
Vom Lande Nüb war ein District Heh-tü-K§ns, jedenfalls das heutige
Wadi'KetmSy Sitz des ^^räira- Stammes der Kenüs oder Benl-Kens, den
Alten schon wohl bekannt. Was hat man doch mit der Etymologie geogra-
phischer und ethnologischer Bezeichnungen von jeher für crassen Unfug ge-
trieben! Wollte doch ein sonst begabter und gut beobachtender Reisender
Wädi'KefmSy Kenät mit dem arabischen Worte Kentsehy christliche Kirche,
deren Ruinen in dem Thale der Kenüs besonders häufig sein sollen, in Yer-
bibdung bringen!
Im Grabe des ägjrptischen Statthalters Nf^fra-si-Xn^mfiotep zu Bem-
Haan (aus der Regierungszeit Usqrtesfn I) erzählt uns eine Inschrift, dass
A9iefy' Nomarch von Sqh, Oberägypten, im 43. Jahre der Regierung Uaqr-
U$^ 1 bei Gel^enheit eines von diesem Könige unternommenen Feldzuges
sich dem Lande Kui genähert 2). Vorwärts dringend sei er zu den »Grenzen
der Erdet gelangt. Die elenden Bewohner von Kuk seien geschlagen, die
Producte ihrer Goldminen seien mit von dannen genommen und später nach
der Feste Koptos gebracht worden.
Goldminen wurden damals nicht allein in den selbst heutigentages noch
goldreichen Gebieten von Där-Berdät, Där^Füzoqhy Där-d-Fung und Dar-
KmrJbfan^ sondern auch im östlichen gebirgigen Theile Nubiens unterhalten.
Das in den AUuvien 0^t-SüdärC§ ausgewaschene Gold wurde in jenen Zeiten
an Ort und Stelle zu Ringen umgeschmolzen und theils in dieser Form
theils auch wohl als Goldstaub in Federn von Geiern, Trappen u. s. w. ein-
geschlossen, an die Aegypter verhandelt. Gelegentlich fielen wohl Mengen
1] Dr, Eusöbe de Salie begeht den Irrthum, mit dem Namen Itodänah einen
«wiadien Qoraaqö und Wädi-äal/ah wohnenden .Bi^rÄm - Stamm (?) und dessen Dialekt zu
^«ciclmen. (Journal asiatique X. Bd. III. S^r.)
2) In der Darstellung weiterer geschichtlicher Einzelnheiten folge ich hauptsächlich
H.Brugtch' olassischer Histoire d'Egypte, I part.
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46 I- Abschnitt. IV. Kapitel.
Geldes den A^^tem als Kri^sbeute in die Hände. Noch gegenwärtig
zeigt sich eine ganz ähnliche Bewegung des Groldes als Handelsartikel, als
Gegenstand des Tributes und der Kriegsbeute zwischen den freien Gebieten
der Nigritier und den ägyptisdien Grenzdistricten.
Im Grabmale des Prinz^i Hüfu^ Statthalters von KtiSy schütten schwarze
Tribut bringende Leute Massen von Goldringen vor dem Könige Am^-iutr
qnx aus ^) . Nach einer im British Museum befindHdien Steh ward unter
Am^nemK^a I ein Director der nubischen Goldminen ernannt^). Die
sogenannten Prinzen von Kuk mussten über die Goldausfuhr aus den sikl-
lieh von Ägypten gelegenen Gebieten wachen und fährten dieselben u. A.
den Titel : »Intendant der Goldl&nder«. Hinsichtlich der ostnubischen Ck)ld-
felder sei hier Folgendes erwähnt : Koptos war Hauptemporium für den alten
Goldverkehr (vei^L S. 45). Von hier aus führte eine Strasse nach Bereniee
und in die Goldberge. Halbwegs zwischen dem Nilthale und den Minen
lag Madesleh mit seinem Tempel, eine Station auf dem verschiedene Tage-
reisen betragenden Wüstenmarsche, in welcher die Goldhändler und Berg-
leute sich restauriren koimten. Man bediente sich schon damals der Wasser-
schläuche auf Wüstenreisen, ganz so wie es noch jetzt der Fall ist.
Ein Prinz von Ktd macht Mittheilung, dass die Goldgewinnung in der
Landschaft AUta ') durdi Wassermangel beeinträchtigt werde, dass verschie-
dene Pharaonen hier vergebliche Versuche zur Anlegung von Cistemen*)
unternommen. Erst dem vielvollbringenden R^amses d. Gr. ist es gelungen,
hier eine Cisterne, genannt Nem des ICamses Meri-Am^, anzulegen. Man
hat Fische in die Bassins versetzt^). Nach Meinung des Herrn Prisse
d 'Avenues haben die Alten die Feste Qubbän in Nubien (fest im Angesicht
von Psfliy Pselchis oder Daqqeh), deren Ruinen noch heute wohl zu ei^
kennen sind, zu dem Zwecke erbaut, um einestheils die aus der Wüste
gegen den Nil sich öflhenden WädVs zu überwachen und anderentheils, um
als Entrepots für die Gtildbergwerke zu dienen. Kurz vor Qubbän öffiiet
sich das lange, buchtige Wädi-iOüäqiy ein Hauptthal des heutigen Där-el-
Besann oder des Etbäy. Gold findet sich hier überall in den G«biif^,
1) VefTgL Sk]£xe der Nil -linder S. 62ff. Es zeigt sich in jenem Grabe die noch
heut gebräuchliche Form des rohen Goldringes, im dOTtigen Arabisch sohlechihin äaktq
genannt, abgebildet.
2) Vergl. auch Birch: lipon an historical tablet bf Rhamses II. Archeologia. Vol. 34.
3) Nach der Lesart von Birch »Akajt^ü«, Der englische Forscher möchte dies
Wort mit dem heutigen iOlläqi identificiren. Akita galt wahrscheinlich als Bezeichnung
einer grösseren östlich vom Nu gelegenen Strecke der sogenannten arabischen Wflste,
in welcher auch »goldhaltige« Territorien vorkommen. Jener Name dürfte sich übrigens
wohl in einer heutigen an der von Qeneh nach Quser führenden Wüstenstrasse befindlichen
Station Leqedah (El-Aqe4ah) erhalten haben?
4) Z. B. Seil I,
5) Jedenfalb in der Absicht, ein zu starkes Stagniren des Wassers zu verhindern.
Wie aber hat man die Fische unterwegs genährt, von wo hat man sie gebracht?
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Nachrichten, welche uns die Alten von Afrikas Völkerschaften hinleriassen haben. 47
soa.B. au Wadi'S€no€mih, Öebel-Anaud, G.-Omm-Kebridy Ö^-Ontm-Dijur
a.8.w. Man hat diese Minen bis in die Mitte des XU. Jahrhunderts durch
Pharaonen, Ptolemäer, Kaiser und XaUfen ausbeuten lassen, welche sämmt-
lich, um ihren Bergleuten Leben und Unterhalt eu sichern, langwierige
Unterhandlui^n mit den Bqlnemfndui, den Blemmgem (?) zu fuhren hatten.
Diodor hat im III. Buche 12. Kapitel über die Minen und über das traurige
OeschidL der zu den Bergwerksarbeiten Verurtheilten gesprochen. Noch
g^enwärtig bemerkt man in Wadt-^OUäfi zahlreiche Ueberbleibsel jener
dtm Goldminen, von denen die Inschriften des Tempels zu SadeHek und
eine zu Qubbän gefundene Stele Zeugniss geben. £e existtrt auch im Turiner
Museum ein Papyrus mit Abbildung eines Planes von goldführenden Ge-
biigen, Tü^en-Nüi. Später sind die nicht mehr hinlänglich ergiebigen
Minen dieser Gegenden wieder verlassen worden ^j.
Auf einer zu Wädl-Halfah gefundenen, zur Zeit in Neapel befind-
ticken Stele werden dem siegreichen Könige Usfri^sfn I durch Harus die
Repiäsentanten gefangener Stämme vorgeführt, darunter Sem/ky Ses, Hesqä,
[Üa$äya) Sq*ai, Kqs, Arqjn. Die He$aä haben nördlich von Qoroeqo, die
Sq'at haben südlich von Fereq in der heutigen Qiefn^)- Haifa A gewohnt,
die Jrqjn noch etwas südlicher, am Fusse des Oebel-Argin. Obwohl ich
die anderen oben genannten Stämme nicht auf jetztzeitige Tribus zu be-
ziehm weise, so scheint doch aus den eben angeführten Beispielen so viel
hervorzugehen, dass mit ihnen nur kleinere Tribus der Beräbray £^-
raberata der Hieroglyphen, gemeint sein konnten.
UsfTifSfn I hatte also Fuss im heutigen Beled-el-Beräbru und zwar
in der jetzt sogenannten Oiem-äalfah gefasst. Unter Amqnfmha II ward
diese Oberherrlichkeit noch weiter befestigt. Eine Stele von Asüän aus der
▼ereinigten Regierung Usertesqn II und AmenfmKa II berichtet uns
aber die Einrichtung von iMpinu^ oder Wasserstationen, Ladestellen (arab.
Mekrah) im Lande Wawq in Kuh. WauHf aber möchte identisch mit dem
beulen Wäwi in D&r-Donqolah sein ^j .
R^u-i^a-Kqu oder Us^rt^s^ III gründete in Nubien neue Städte und
legte dasdbst Festungen zur Sicherung der Nilufer an, unter anderen zu
Wüdi-Halfah selbst. Die Grenze zwischen dem ägyptischen und dem kuschi-
tischen Territorium wurde damals mittelst Grenzsteinen bezeichnet.
1) Vergl. die inhaltreichen Arbeiten von Chabas: Les inscripttona des mines d'or etc.
(Uon sur Saone et Paris 1862, Linant de Bellefonds: L'£tbaye pays babiti par les
Aiibes Bicharieh, g^ographie, ethnologie, mines d'or. Paris, mit Atlas in fol. Lauth in
^ Sitxungsber. der Mfinchener Akademie, 1871.
2} Qi$m heiaat Kreis, Distriot
3) Sehaehr. f. Ethnologie 1870, S. 140. Hiermit dürfen nkht die Wawa P. Buchöre's
^^«•chteh irerden, wvkhe ab betrielitlicbea und reiobea Handelavolk hinter Kus gelebt
^^aben tollen , unter Userteaen II Tribut an die Aegypter besahlt haben, welche vielleicht
™it den Agäti^s oder Auawä'a identisch gewesen sind. (A. o. a. O. 8. 140.)
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48 I- Abschnitt. IV. Kapitel.
Unter Amen^Xa III verzeichnete man die Nilschwellen an den Felsen
von Semneh und Kummeh in Baden -el-Hagar *). Aehnliches geschah später
unter R^a^xem-xon-taii (Sfbfk-Aqi^ IV?] an den Felsen von &m«öÄ. Hier
residirte der Militärbefehlshaber von Nubien.
Unter der mächtigen XII. Dynastie reichte Aegyptens Herrschaft bereits
bis nach Mittelnubien hinein. Die Pharaonen waren langsam und vorsichtig
nach Süden vorgedrungen. Die Jahrhunderte dauernde und sehr drückende
Herrschaft der Ayqsos aber hemmte für Zeiten die Unternehmungslust der
Aegypter gegen Kos. Während der Syqsos -VenoAe fristeten neben den
zu Aoarü residirenden Hirtenkönigen die eingebomen Fürsten der Retu in
Oberägypten ein mühevolles Dasein. Erst spät hört man wieder von den
Kriegsthaten eines A^ahmes^ Sohn AbunqU^ Beamten unter B*a-neb-peK<mü
A^aXmes, einem der Befreier Aegyptens von der ^y^^o«- Herrschaft (1706—
1681) gegen die Bergbewohner von Xenti-Ken-neffr in »Aethiopienc Wo
aber dieses Xenti-hen-n^f^r eigentlich gelegen, ist jetzt schwer zu ent-
scheiden. Nach zu Kermän im Där-el-MaXäs entdeckten Felsenskulpturen
war es ein zwischen Aegypten und dem eigentlichen Aethiopien(?)
Kos, befindliches hinter Heh-M'-Kfns folgendes Gebiet. Nun wird an Stelle
von X öfters S gesetzt, so dass Senti'hen-n^fqr zu lesen. Man könnte
hier sehr wohl an den District ' (Z>är] und an die Stadt [Helleh) Sendiy Send
denken. ^Üen-nefer ist Beiwort. Send^ liegt zwar eben, ist kein eigent-
liches Bergland, indessen ist die benachbarte Wüste ( ^Aqahah ) und Steppe
[XaldK] keineswegs frei von Bodenerhebungen. In einer von Duemichen
veröffentlichten Darstellung ist von den Jägervöjikern Xenä-Ken-n^fer»
die Rede 2) . Sollten hiermit nicht Nomaden Obemubiens, echte Befah, ge-
meint sein?
Nach einer Inschrift aus Amenophis III Zeit lag der Berg Apiq^ der
»Gipfel des Landes« in XenH-hen-n^f^yAevcL »«anfange der guten Be-
wässerung«. Der Verfasser im »Ausland« möchte unter obigem Lande
das »Becken Abyssiniens mit dem blauen Nile verstehen « ^j . Brugsch
hält die Angabe einer asüänischen Legende, die ägyptische Herrschaft habe
sich zur Zeit Tquudmes I bis nach Ap-tq (in Abyssinien?) erstreckt, für
übertrieben^). Freilich, denn Ap-iq ist eben nicht so weit ab von
Aegypten, sondern schon in Unter nubien zu suchen.
K(^ wurde übrigens durch lange Zeit von der ägyptischen Königs-
1) Vergl. Hart mann, Skizze der NU -Länder S. 85.
2) Die Flotte einer ägyptischen Königin u s. w.
3) A. o. a. O. S. 1053. Allein es existirt noch heute ein 6ehel-Ahdah in der Qism-
Half ah am rechten Tlfilufer etwas südlich von Wädi-Halfah. Der Gelehrte im »Ausland«
dürfte sich hiermit beruhigen können. Die Bezeichnung: »Anfang der guten Bewäs-
serung« bezieht sich jedenfalls darauf, dass ausreichende Irrision erst nördlich von Omn-
HalfaJi bemerkbar wird.
4} Hist. p. 58. Zeitschr. f. Ethnologie 1872.
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Nachrichten, welche uns die Alten von Afrikas Völkerschaften hinteriassen haben. 49
fitmilie angehörenden Prinzen regiert (vergl. oben S. 46). Man besitzt eine
Liste derjenigen dieser prinzlichen Statthalter^ welche seit Tquudmes I über
die südlich von Asüän gelegenen Districte geboten haben. Unter dem oben
erwähnten Adhmes oder Amosis tritt übrigens eine schwarze Königin, die
Aahmes-N^fert'Ari auf. Sie wurde von dem Pharao aus politischen Grün-
den geehelicht, näjnlich um sich durch diesen Act der aufsässigen Südlande
zu versichern. Erwähnte Fürstin wird immer schwarz dargestellt, z. B.
an den im Louvre und in Turin befindlichen Holzstatuetten. Sie fuhrt den
königlichen Titel »Tochter der Sonne «i). ^R^amses I betet sie als Haupt
semes Geschlechtes an. Nach dem, was ich von physiognondschen Darstel-
hmgen dieser Königin gesehen, scheint sie eine dunkle Berberinerin aus
Mittelnubien gewesen- zu sein. Hierauf deutet auch jene in genanntem Ge-
biete noch jetzt so häufig vertretene ägyptisch-berberinische Profilirung hin,
welche nicht selten stark »ramsnasig« und für die Nefert-Ari charakteristisch
ist. Letztere hat sich also nicht so weit vom i2e^-Typus entfernt, daher auch
das Blut der Nachfolger ihres Gemahles keineswegs bedeutend alterirt.
Amenophü I hat nach einer zu El-Kab befindlichen Inschrift einen
nabischen Berg-Häuptling gefangen genommen. Die Gräber von El-Kab
bälgen bekanntlich die Körper von angesehenen Personen^ die sich viel mit
FlnssschiffiTahrt beschäftigt haben müssen. Diese Art Leute scheinen häufig
QkttzwaK's gegen die südlichen Nachbarn unternommen zu haben. Die Er-
trage der letzteren können allerdings nicht bedeutend gewesen sein^ da man
68 in den Inschriften schon als Heldenthaten rühmt, wenn bei solchen Zügen
eine bk drei Personen als Sklaven eingebracht oder wenn ein Paar »Hände«
abgehauen worden waren.
Unter Tguudmes III (1625 — 1577) wurden Aegjrptens Grenzen bis nach
Kam oder Kqlu ausgedehnt, welche Localität Brugsch in Abyssinien
sucht 2j. Ich mache hier nur auf die Aehnlichkeit des Namens Kqlu mit
KaW nubisch Berg ^) aufmerksam. Mit Kqlu könnte schon der heutige
BSdin-Kalo' im Baden- el-Hagar gemeint sein.
Damals residirte Naht als Prinz von Kos in einer der Hauptstädte
Nubiens, bekriegte die rebellischen Südländer und erhob von ihnen Tribut.
Selbst bei Nqp^^ unfern dem ÄarAa/ -Berge in Där-Seqleh, ward Krieg
geführt Man hing einen feindlichen König an Nqpqtds Mauern auf, um
(wie auf einer Stele von Ammädah zu lesen] den Eingebomen [Beräbra]
die Siege des Pharao so recht ad oculos zu demonstriren.
1) >A title 80 peculiarly royal, that she must have not oniy been the doughter of a
numarch, but bave held the right of succession in her person.« Arundel, Bonomi and Birch
l c. p. 74, T. 30, Fig. 142.
2) A. o. a. O. S. 106.
3} Auch Köl, im Kordüfänischen Qö/, Qöht. Oäla heisst in Abyssinien jeder einzeln
hervorragende, steile Berg. £s handelt sich bei Kqlu also wohl nur um einen bestimmten
Berg oder irgend eine bergige Landschaft Nubiens.
Hftrtmann, Nigritier. 4
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50 I- Abschnitt. IV. Kapitel.
Tquudmes IV, der Errichter des äqr■-m-x^9 ^^^ Sphinx von Öizek,
erseheint auf Konosö ^) als Herrscher der Nubier dargestellt. Die nubischen
Götter Horus und Dadun verleihen ihm den Sieg. Eine zu Semnbh aufge-
fundene Stele berichtet von einem grossen Raubzuge des Königs gegen Ahhq,
zwischen Station Befd und Station Tarj gelegen. Für Ahhq konnte ich einen
entsprechenden heutigen Namen nicht sicher bestimmen. Beki dürfte mit
Aboecis, Tqrj, mit Gehel-Atari oder Atiri identisch sein. Bei jener Gele-
genheit sollen nun 150 Männer, 250 Weiber, 110 Knaben, 55 Richter der
Eingebornen, 175 Kinder derselben, zusammen 740 Lebende gefangen ge-
nommen und sollen 1052 Personen die Hände abgehauen worden seien.
Hieraus geht nun hervor, dass die Menschenjagd schon in jenen guten
alten Zeiten völlig an der Tagesordnung gewesen sei.
Auf einer von Prisse zu Qubbän aufgefundenen Stele nennt K^a-
sesurma-sot^p-n^ R^a Meri-Amqn R^amses (II) das Land JKwi (vei^l. S. 44),
ferner Tu N^hes Negerland, Nigritien, allgemeiner Name für die
von Schwarzen bewohnten Länder (vergl. S. 44), sodann Hanm
[AanUy Duemichen)^ nach Chabas wahrscheinlich Beduinen oder Nomaden
der beiden Wüsten, öfters auch Harmu von Tu Kens, Beled-el-BerairG,
genannt. Diese Hannü drangen durch Xenti-hen-nefer und wurden durch
AdRmes I nach Eroberung von Avaris geschlagen. Bakq, Bqk, Beki, Ahoeeis
Brugsch (oben) die dritte der von Petnmim genommenen Städte (s. später)
zwischen Primis (Ibrim) und der //. Katarakte unfern Abü-Simbil gelten.
Weiter kommt Mdam, gewöhnlicher Mama (heut Oebel-Mamah) vor, etwas
oberhalb der Stromschnelle von Dal. Dann Buhen ^ welches Chabas für
einen Vulgämamen von Derri zu halten geneigt ist. SekaU, wohl 2axoXi|,
bei Ptolemaeus unfern Nairata liegend. Vom Könige wird nun im Texte
der Qubbän -Stele behauptet, er habe sieben ^^^fmni- Häuptlinge (Syrer) nebst
ihren Händen zu Theben, einen aber habe er am Walle von Nqpqtq aufge-
hängt. Letzteres wohl um die Berberiner zu schrecken 2). R^amaes d. Grosse
bändigte in noch sehr jugendlichem Alter rebellische Sü<lstämme und liess
«diese Thaten in dem ungeheueren Felsentempel von Abü-Simbil durch bild-
liche Darstellungen verherrlichen (s. später).
In einer von Birch übersetzten aus Daqqeh stammenden Äfefc heisst
es, dasö R^amses, ein »mächtiger Stier« 3) g^en das schlechte Aethiopien,
ein wüthender Greift) gegen das Negerland, dessen Krallen die Berg-
bewohner in die Flucht getrieben, dessen Hom sie getroffen, der sich des
1) Nubisch Arü-Kensö-yit, die Insel der Kenüs,
2) Chabas 1. s. c. p. 14>-21. Uebrigens ist hier auf meine eigene Beleuchtung^
des Chabas'schen Textes zu achten.
3) Ein Titel, wie sich ihn mit der Modification »grosser Büffel« {Öamüs^el-Kelnr}
noch heut der Suldän von Dar- Für beizulegen pflegt.
4) Nach Brugsch p. 151 griffon. Sollte wohl einen Adler oder Geier bedeuten, cU
der Begriff dieses fabelhaften Greifen den Aegyptem nicht bekannt gewesen sein dürfte.
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Nachrichten, welche uns die Alten von Afrikas Völkerschaften hinteriassen haben. 51
Landes XemÜ-ien-nfffr bemächtigt ^ dessen Gewalt das Land Kqranf er-
eilt u. s. w. Kqran; dürfte dem heutigen nKerundin in Där-Donqolah ent-
sprecben. Als Pfleger und Schützer der Goldgräberei haben wir den grossen
KQ$nses schon weiter oben (S. 46) kennen gelernt.
Aus der Zeit des Königs Horus (R^a-ser-xe-pru-iot^p ri R^a-en-
Am^-HoremReb (1476 — 1464 v. Chr.) ward eine in einem Speos zu Hagar^
Siltikk befindliche Darstellung bekannt, welche den Herrscher auf seinem
Palankine, umgeben von Wedelträgem und Soldaten zeigt, wie er die Hul-
digung als Sieger über »Aethiopien« erfährt. Gefangene Schwarze beu-
gen sich Yor ihm und rufen ihm zu : Neige deiu Antlitz ! König Aegyptens,
Sonne der neun Völker u. s. w. ^) . An diese Legende sind von verschiedensten
Seiten die abenteuerlichsten Hypothesen geknüpft worden, auf welche später
ausführlicher zurückzukommen sein wird. In einem am Gebel-Sei-^Abd-el-
(hemeh befindlichen Grabe erhält derselbe HoremHeb von den «S^kian-Stämmeu
Elfenbein, Ebenholz und Silber für den Schatz — so nach Brugsch^}.
%lber ist .freilich ein sehr seltenes Object afrikanischer Metallgewinnung,
obwohl es sich wohl hier und da in gewissen Bleierzen vorfinden mag. Dieser
Körper wird gewöhnlich eingeführt und im Lande selbst je nach dem örtlich
herrschenden Geschmacke verarbeitet. Als urthümliches Erzeugniss Aethio-
piens darf Silber aber nicht gelten. Von R^amses hören wir die merk-
würdige That erwähnen, dass er asiatische Stämme, A^mu, nach Nubieu
▼erpflanzte, dagegen Schwarze [N^h^] nach Norden^). Dies besagt eine
Insehrift des Tempels zu Abu-SimbiL So gut man nun ganz willkürlich
«mimmt, dass sich reine Ueberreste von Arabern aus der XoRfen-Zeit in
Nubien finden, so gut könnte man auch an Nachkommen jener vormoliam-
uedanischen Aqmu in Nubien denken. So viel ich freilich weiss, ist die
einzige vorwiegend von wirklichen Asiaten im nubischen Nilthale ge-
gründete Colonie in der Tradition des Wüdi-el-^Arab erhalten. Die letzteres
bewohnenden Leute nannten sich mir gegenüber ^Araby Hegäziy vom Stamme
Veyüäd (El-Ayüäd) . Freilich war bei ihnen von rein arabischemTypus
keine Rede mehr. Sie zeigten sich in Statur, Sitten und Gebräuchen
ab Beräbray wenn sie sich auch hauptsächlich des Arabischen als Verkehrs-
sprache bedienten, und nur wenig den Lisün-Berbert oder die Rodänah-
Berberieh sprachen. Von R^amses II rühren auch die nubischen Tempel
niDem [P^-R'a, Tf-R'a, Stadt des Ä'a), zu Wädl-Siba'a und Gerf-
«Ofen, die Stadt Pe-R^amem bei Abü-Simbtl u. s. w. her.
Am Palaste R^amses III zu Medinet-Abü sind besiegte Häuptlinge
des schlechten Landes dargestellt und ein König, die Chefs von ^^Tursesi^
\) Brugsch Hifltoire p. 125.
2} Ebendas. S. 125.
3) »Die Pharaonen suchten ihren Ruhm darin, besiegte Völker äu versetzen, soweit
dies die Ausdehnung ihrer Grenzen gestattete.« (Melange» ^gyptologiques p. 53) .
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52 I- Abschnitt. IV. Kapitel.
und ^^Tarawaa, beides Schwarze. Unter R^amses VI wird Punnu^ Sohn
Hqr-nqffr^s aus dem Lande Wqwq, Prinz von Kuiy aufgeführt. In einer
Inschrift des diesem Prinzen gehörenden Grabes wird der südlich von Aegjrpten
gelegenen Länder Ähj und Akqiq gedacht, aus welchem Punnu dem Könige
reiche Beute bringt. Akqtq dürfte wohl mit Äkqjtqüy Akita (s. oben S. 46)
identisch sein. (Ueber Wqwq vergl. S. 47). Tarawa erinnert an Dcsräü
oder Daräüiy ein zerstörtes Besitzthum der ^Abahdeh südlich von Qorosqo *).
Ahjp und Turses bleiben mir noch unklar.
Unter Süqnk, Süqq oder 2ioo>YXU> welchem Brugsch und Lepsius
geneigt sind einen syroarabischen (-ß^^e/2«tt) -Ursprung zu vindiciren, wurden
auf dem berühmten Kriegszuge gegen Roboam auch libysche und äthio-
pische Truppen benutzt.
Der Bibel zufolge fiel der Aethiopenkönig j^Zeracha mit Xtii-im und
Lüb'im [LibUy Ribu, Libyern) gegen Ende der Regierung Uqsarkqn I oder
zur Zeit der ersten Jahre seines Nachfolgers Tekerof (etwa um 944) in
Aegypten ein und drang sogar siegreich bis nach Juda vor^). Leider feUt
es mir an Material zur Vergleichung des Namens Zerach mit heutigen äthio-
pischen» aus denen sich etwa die Nationalität dieses siegreichen Fürsten ab-
leiten liesse.
T^h^nUy TqmhUy Libu, Libyer, Berbern, werden in den alten In-
schriften häufiger erwähnt. Diese auch Mäziy zu nennenden (S. 3), als
Macii bei den Lateinern, als MaCoe? bei Herodot wiederkehrenden Leute
werden wir für Urbewohner Nordafrikas gelten lassen müssen^),
welche nicht allein Aegypten eine sesshafte Bevölkerung gaben, sondern
welche auch die friedlichen, Schafe hütenden Seüuli und die trotzig-kriege-
rischen KeU'Heklkan y wie Täd-Mekeh erzeugten, Leute welche selbst zu
früher Zeit in Europa eine hervorragende Rolle gespielt haben müssen.
Wir können hier vorläufig auf eine Betrachtung der vielen, theils mit
spielender Leichtigkeit und ohne unbequeme Gedankenarbeit, theils mit
überschwenglicher philologischer Gelehrsamkeit geschaffenen Theoreme von
der angeblichen asiatischen Einwanderung der Tarn Au verzichten, zumal
wir doch Gelegenheit nehmen müssen, hierauf noch öfter, wohl bis zum
1) Ein gleichnamiger Ort in Oberägypten gelegen wird von den ^Ababdeh als Stamm^
sitz betrachtet.
2) Brugsch S. 229. •
3) Bei Nott und Oliddon heisst es: »History, philology and analogy unite, there*
fore, in establishing that the T- Amazirghs , er real Berbers, distinot in that day from
Asiatics or Negroes, existed, about the fifth Century B. C, in their owen land of Berberia,
now called Barbary. With the exception of their having embraced Islam ; exchanged the
bow, for which they were celebrated long before that age, for the musket ; added the camel
to the horse; and appropriated Arabic words to make up for deficiencies in their native
vocabulary; the Berbers of Mt Atlas are precisely the same people now that they were
twenty five centuries ago; dwelling in the same spots, speaking the same tongues, and
called by the same names, as we shall presently.« (Types of Mankind, p. 513.)
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Nachrichten, welche uns die Alten von Afrikas Völkerschaften hinleriassen haben. 53
eigenen Ueberdnisse, zurückzukommen. Die merkwürdige Thatsache, dass
sdion die alten Aegypter sieh blondhaariger Libyer zu erwehren ge-
habt, wird in diesem Werke ebenfalls noch genauere Erörterung finden *) .
Lepsius und Brugsch vermuthen, dass sogar Psamfik^ der Besieger der
Dodekarchen, aus einer edlen libyschen Familie stammte.
Wie uns Aegyptologen mittheilen 2) , hatte sich ein Vorsteher des
West- oder libyschen Gaues, Namens Tqfne%tj mit Hülfe von TeKmnu
[TamJiu) oder Libyern und Kriegern aus Norden (?) Einfälle nach Aegypten
erlaubt. Die Häuptlinge der Thebaide riefen den König Piqnxi Meri-Amen
von Nubien her zu Hülfe. Dieser gerirt sich als Herr von Ober- und
Niederägypten. Als er, dem Aufrufe folgend, nach Aegypten zieht, bekennt
er sich zu Theben als Anbeter des Amen-It^a, Er erkämpft einen Sieg
gegen Tqfnext, Dieser zieht nun verschiedene ägyptische Nomarchen, wie
Nimrody WaaptUy Süqnk, Tof^Amen-anf-anx und Uqsqrkqn zu sich und
stachelt sie wieder Piqnxi auf. Letzterer schlägt aber, seine Gegner tüchtig
aufs Haupt, er belagert und erobert Un [Hennopolis Magna). Die rebel-
lischen Nomarchen ergeben sich einer nach dem andern. König Piqn%i be-
währt seine Milde gegen die Besiegten.
Aus obigen etwas unklar gehaltenen Originaldarstellungen des Textes
dieser Stele geht hervor, dass unser Piqnxi Meri-Amen Priesterkönig und
rechtmässiger Pharao war (zwischen 742 — 734) und dass seine Expedition
zwischen die XXHL Dynastie und die Regierung des Bocchoris (XXIV.
Dynastie) gefallen. Vermuthlich war erwähnter Picmp vom Äe^ -Volke,
d. h. Aegypter und kein Berberil Nubier, wenngleich er zu Nqpqtq Hof
hielt. Tqfnexi scheint Vorgänger des Bocchoris gewesen zu sein, (Ueber die
Piqnxi-Siele vergl. femer Anhang V.)
Unter Bek-n-renf oder Bocchoris fiel um 715 (?) der Aethiope Sqbqkq
(oder Sabacos) in Aegypten ein und gründete hier die sogenannte aethio-
pische Dynastie (bis 665 oder 667). Nach einer Inschrift war jener
fremde Fürst im Lande der Nahest, im Lande A-keh geboren. Sab ^ gl oder
Sab -gl bedeutet im Kenüs-Berbert, Säb-gä oder Säb-gä im Donqoläwt eine
Katze. Es herrscht in Nubien noch heute die Sitte, Leute halb scherzend
oder auch im Ernst mit Thiernamen zu belegen, so z. B. TimsäK-
Krokodil, iWiwr- Panther, -^orf-Löwe u.s.w. zu nennen. Manche dieser
Namen wie Nimr, Asad werden sogar von ihren Inhabern als auszeich-
nende mit Vorliebe geführt^]. Sqbqkq ist als ein Berberi zu betrachten.
1) Vergl. übrigens Hartmann nach L. Faidherbe in Zeitscbr. f. Etbnologie
1S70, S. 5«ff..
2) Nach den Legenden und Bildern einer vom öehel- Barkai stamaaenden Stele,
Mtriette und De Roug^ in Revue arch^ol. 1803, 8, p. 95 ff.
3) Solche BeEetchnungen dienen auch als pure Ekelnamen. So ward z. B. Mähi
Melik) llüy^Lill^ Snldün von Boiitü 1647) spottweise der nSultlätt-el-Qedüs^f Katien-
könig genannt. Bulletin Soc. de Geogr. III S6r. T. XI, 1849, p. 259. Von vielen Per-
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54 I- Abschnitt. IV. Kapitel.
gebürtig aus A-ifi, heut ^Aqqäiy Aqqäieh (z. B. SeUäl-el'iAqqäieh in
Beiden -el'äiigar). Unter N^hfsi verstanden aber die Alten nicht allein
die Sudan oder ^Alnd, die Schwarzen, die Nigritier des Innern, son-
dern selbst die im Allgemeinen auch stellenweise dunkler als Aegypter ge-
färbten Beräbra, die nächsten Verwandten der nigritischen NbbcA von
Kordü/an. Die Beräbra bilden einen der S. 2 — 4 geschilderten Haupttypen.
Denn andernfalls konnten die Alten die Nationalität unseres Sabacos als eines
Nehmst nicht erörtern. Bekanntlfth gilt Sqbqkq als grosser Eroberer. Man
nennt seinen Nachfolger »Sqhqtqkq (Sebichos) 704 — 692; vermuthlich hängt
dieser Name mit den berberinischen Wörtern Säb-gä die Katze und Adq
Sohn zusammen. Dieser Pharao ward vergeblich von Hosea zu Hülfe gegen
Sabnanassar gerufen, und fand zu seiner Regierungszeit das von Allen ver-
lassene Juda seinen Untergang.
Als grossester Pharao aus berberinischem Stamme muss
aber Tqhqrqq^ Tirhaquh der Bibel betrachtet werden. Dieser soll sehr krie-
gerisch gewesen sein und seine Eroberungen bis zur Strasse von Gibrcdtar
ausgedehnt haben. Tqhqrqq bauete schon zu seinen Lebzeiten am Fusse
des heiligen Berges, Gebel-Barkal, einen der Stadt Nep oder Nqpqtq zuge-
hörigen Tempel. Nqpqtq mag damals schon lange Mittelpunkt eines blü-
henden Berberiner- Reiches gewesen sein, dessen Völker ja doch die Macht
erlangt, Aegypten sich zu unterwerfen ^) . Tqhqrqq^ s Nachfolger, die beiden
Piqnxif residirten nun lieber wieder in »Aethiopien« und die Berberiner-
Herrschaft wich aus Aegyptenland.
Nun schweigt es eine Zeit lang von bedeutenden Begebenheiten im
Süden Aegyptens. Unter Psamfik aber, dem Besieger der Dodekarchen
(665 — 611), sollen mehr als 200,000 ägyptische Krieger, über die Bevor-
zugung fremder Söldner durch jenen ihren griechenfreundlichen Pharao er-
bittert, nach Aethiopien ausgewandert sein. Was aus ihnen später gewor-
den, ist bis jetzt noch nicht ans Tageslicht getreten und wird es kaum
je können. Jene Krieger sollen sich unter den Schutz des äthiopischen
Königs begeben und südlich unfern Meroe Wohnplätze erhalten haben.
Nach Herodot sind es 56 Tagereisen von Syene [Aman) bis Meroe ^ und
56 Tagereisen von Meroe wohnten nach ihm die Ausgewanderten. (An-
hang VI.) Eratosthenes lässt letztere auf einer Insel südlich von Meroe
und nicht fem von dieser Stadt, wohnen. Werne möchte jene desertirten
Soldaten des Psamtik in den heutigen Seqieh wieder aufleben lassen ^j ,
welche längs der Nilkrümmung (zwischen Dür-Robadät und Dür-Donqoldh)
aonen glaubt man, sie vermöchten sich in diejenigen Thiere zu verwandeln, nach denen sie
ihre Spitznamen fahren.
1) Cl. Ptolemaeus verlegt Napai^ zu weit nach Nordosten, an die Nilkrümmung
in Där~Robadät. In die Nähe von öeb^l-Barkal verlegt er den Ort Möpou (Jferaöi), wohl
Wßftu der hellen Farbe des J9arA*a/- Berges.
- 2) Werne Feldiug u. s. w. S. 207.
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Nachrichten, welche uns die Alten von Afrika» Völkerschaften hinteriassen haben. 55
wohnen und deren Hauptort Menxm nicht fem vom alten N^gpqtq liegt.
Werne's Annahme seheint durch die Thatsache zu verfuhren , dass die
Se^^ durch Saecula, selbst noch 2U Anfang unseres Jahrhunderts, ein
gpedfisches Kriegervolk bildeten. Mir scheint es übrigens nicht zu bezwei-
feln^ dass die Seqieh eine gelegentlich durch arabische Abenteurer für sich
al^ezweigte Gemeinschaft von Danäqla bildeten ^ welche kriegerisch und
thatkräfdg die umwohnenden Stämme lange in stetem Schrecken erhielten^
bis sie im J. 1822 durch hmähl-Bäia unterjocht wiurden. Sie gehören zu
den angeblichqn »reinen Arabern« mancher Reisender.
Die eingewanderten Krieger des Psamtik mögen bei ihrer bedeutenden
Zahl sehr wohl einen auch physischen Einfluss auf die nubischen Autoch-
thonen ausgeübt haben; indessen dürften sich in der gegenwärtigen
Bevölkerung dieses Landes schwerlich noch erkennbare Spuren eines solchen
Einflusses auffinden lassen. Die Basse von Där-Seqteh ist eben jetzt eine
dem rein berberinischen Typus angehörende. Wollen gescheute Rei-
sende trotzdem in diesen Leuten einen arabischen Typus heraustüfteln ^ so
mögen sie dies mit sich, ihrem Publicum und den Vorgängern abmachen,
welchen letzteren sie ja alsdann sorglich nachzuschreiben hätten.
Eine früher häufiger ausgesprochene Behauptung, die Aegypter hätten
ihre SchiffiBüirt auf den Nil beschränkt und das ihnen typhonisch er-
scheinende Meer gemieden; ist von Brugsch ^) und namentlich durch
Duemichen's Arbeiten vollständig widerlegt worden. Duemichen machte
uns mit einer unter Tquudmes III Schwester, einer r^erenden Königin,
nach der Westküste von Arabien ausgesandten Ilandelsexpedition bekannt.
Auf dieser wurden viele Producte gewonnen und genau aufgeführt, nämlich
kostbare Hölzer des heiligen Landes^), Haufen Weihrauchharz, grünende
Weihrauchbäume (in Kübeln), Ebenholz, Elfenbein, Gold und Silber aus
dem Lande der AqmUy wohlriechendes Tclcp-Holz, C7a«Ma-Rinde , Aham"
Weihrauch, Jffc«fci»-Schminke , die Affen Anau {Cynocej}halus Hama-
dryas) und Köf (C, Babuin), Tesem-Thiere (?), Felle der Leoparden des
Südens ^) .
Nekqu II liess durch phönizische Schiffe vom rothen Meere aus das
Kap der guten Hoffnung umsegeln und diese Expedition durch die Säulen
des Hercules zurückkehren. Drei Jahre scheint diese denkwürdige Fahrt
gedauert zu haben ^). JosaphatHahn ist nun auf die schnurrige Idee
gekommen, die Hottentotten oder Khoi-Khoi-n, welche in der afrikanischen
Menschheit eine allerdings sehr merkwürdige Stellung einnehmen, von einer
\) ffist. p. 253. 254.
2) Hier wohl nicht Qaintin, Qtnan, Canaan allein, sondern auch noch benachbarte
hokreiche Theüe^Westasiens.
3) Die Flotte einer ägyptischen Königin u. s. w.
4) Herodot IV, cap. 42. Brugsch Histoire p. 258.
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56 I- Abschnitt. IV. Kapitel.
ägyptisch -phönizischen Kolonie herzuleiten. Die Expedition Nekaiis soll
Veranlassung zur Entstehung dieses südafrikanischen Menschentypus gegeben
haben. Es werden die Sagen der Nama^ nach denen das Volk JVamojtMt
von am Kap gelandeten Schiffern abstammen sollte, zur Bekräftigung jener
Behauptung aufgeführt.
Trotz aller JVama-Mährchen möchte ich aber auf den grossen zwischen
Bsiu und Khoi-Khoi-n herrschenden physischen und geistigen Unter-
schied aufmerksam machen. Wenn letztere in ihrer Sprache ähnlich den
A-Bäntu hier und da Anklänge an das Altägyptische darbieten« so würde
dies nur meine Auffassung von der Zusammengehörigkeit der Retu mit den
gesammten übrigen Afrikanern, von der Zusammengehörigkeit aller Afrikaner
unter sich bestätigen. Indessen bedingt solche Zusammengehörigkeit keines-
wegs eine anderer Verhältnisse wegen auszuschliessende directe Abstam-
mung des iVawa -Volkes vom Ä«^« -Volke.
Zwischen letzterem und ersterem liegt eine sehr tiefe, noch durch zahl-
reiche andere Stämme ausgefüllte Kluft. Die Verwandtschaft der Khoi-
Khoi-n und im Besonderen der Nama haben wir zunächst bei ganz anderen
Stämmen Afrikas zu suchen, als unmittelbar bei den Relu,
I^assen wir nun jene sonderbare Speculation des übrigens höchst streb-
samen Jos. Hahn, auf deren Kern wir später noch einmal zurückkommen
müssen. Wenden wir uns lieber zu den maritim-nautischen Unter-
nehmungen der Aegypter zurück. Dass nun jenes geistreiche und that-
kräftige Volk der »Sonnensöhneo ein schon mannigfach gegliedertes Flotten-
wesen für Fluss- und Seeschififahrt besessen, das hat B. Graser nach
den inhaltreichen Sammlungen und Aufzeichnungen Duemichen's auf das
klarste dargethan. »Es ist ein ganz hervorragendes Verdienst (Duemichen's),
dass er zum ersten Mal von allen Aegyptologen Seeschiffe aus der frü-
hesten Periode, wo solche vorkommen, zur Anschauung gebracht hat, und
zwar in einer Grösse des Massstabes, welche alle technischen Einzelnheiten
in einer Deutlichkeit sehen lässt, wie sie hinsichtlich der Takelage sonst
auf keiner einzigen bildlichen Darstellung zu finden ist. Als bildliche Zeug-
nisse stellen sich diese Darstellungen würdig den Attischen Seeurkunden als
schriftlichen Documenten an die Seite« u.s.w. i). Die Aegypter aber konn-
ten mit solchem Materiale wohl im Stande gewesen sein, auch Ent-
deckungsfahrten über das Meer anzustellen. Wir haben demnach kein.en
Grund, an der Echtheit jener von den Alten mit so naiver Charakteristik
beschriebenen Expeditionen zu zweifeln.
Uebrigens existiren auch noch andere * Documenta , welche den leb-
haften Verkehr der Aegypter mit den Südländern darthun. Es sind dies
die zahlreichen und zum Theil sehr gelungenen Abbildungen und die hiero-
1) Duemichen: Resultate der auf Befehl Sr. Majestät des Königs Wilhelm I von
Preussen u.s.w. entsendeten Expedition. Th. I, S. 16 ff.
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Nachrichten, welche uns die Alten von Afrikas Völkerschaften hinteriassen haben. 57
glyphischen Beschreibungen von Thieren, welche nicht Bewohner Aegyp-
tens, sondern Nubiens und Sermär*s gewesen, durch Handel aber zu den
R^ gelangt und von ihnen als Luxusthiere, so wie zur Jagd, zur religiösen
Opferung gehalten worden sind. Dahin gehören z. B. Affen, Meerkatzen
[Cereopithecus ruber y (7. ffriseoviridis), Paviane (S. 55), gewisse
Raubthiere, wie Hyänen- oder Steppenhunde (Canis pictus), manche An-
tQopen, Griraffen, gewisse Hausthiere u. s. w. Nicht selten werden die er-
wähnten Thiere von ihren Wärtern, Berahra und Nigritiem, begleitet*).
Eines der merkwürdigsten Documente des Alterthums in dieser
Hinsicht bildet aber die Mosaik, welche einst den Boden des Fortuna-
Tempels zu Praeneste [Palestrina) bedeckte. Die Archaeologen haben sich
vergeblich damit abgequält, eine übereinstimmende Ansicht über die Bedeu-
tung dieses Stückengemäldes zu gewinnen. Jedenfalls betrifit die Abbildung
Innerafrika; dies lehrt uns eine simple, übrigens schon von Marcel de
Serres mit Erfolg versuchte naturgeschichtliche 2) Betrachtung. Es
sind nämlich in bergiger Wildniss dargestellt worden der vom Nilgebiete bis
lur Westküste verbreitete Schimpanse, femer echte afrikanische Meerkatzen,
Paviane, gefleckte Hyänen 3), Hyänenhunde [Catiis pictus), Fischotter,
Zibethkatze, Ichneumon, Löwen, Leoparden, Geparden (?), Rhinocerosse,
Fhuspferde, Giraffen, Rinder, Zebus, Ibis, Störche, Enten, Krokodile u. s. w.
Die Römer verschafften sich in der Zeit ihrer Verviehung bekanntlich
wilde Thiere für ihre nichtswürdigen Circusspiele, darunter audi afrikanische,
wie Elephanten, Flusspferde, Wildschweine, Giraffen, Antilopen, Steinböcke,
Wüdesel, libysche Löwen und Leoparden, Hyänen, Strauisse u. dgl. ^) .
Wenn man bedenkt, welche starke Anstrengungen nöthig sind, um 'selbst
in unserer Zeit der Telegraphen, Dampfwägen und Dampfschiffe grössere
lebende afrikanische Thiere für zoologische Grärten, Menagerien u. s. w. zu
gewinnen, zu transportiren und zu verpflegen, so kann man sich doch einen
ungefähren B^riff über den ungemein lebhaften und grossartigen Verkehr
bflden, welcher schon damals zwischen den allmählich in ihrer Lüsternheit
Terkommenden Quinten und den Gauen Nord-, femer Innerafrikas statt-
gefunden haben müsse.
Durch Ägatharchides sind wir femer mit den Methoden bekannt
geworden, nach denen central-afrikanische Völkerstämme mittelst ihrer Speere,
zadügen Eisen und Aexte, ihrer Trumlctg^ Qulbedah, Sa^r-Mafiqr u.s.w..
1) Vergl. Hartmann in Zeitschr. f. Ägyptische Alterthumskunde 1S64, S. 8ff. Ferner
inZeitschr. der Gesellsch. f. Erdkunde, Bd. III, S. 57ff., in Duemichen Residtate u.s.w.
8. 28—30, in Annalen der Landwirthschaft, 1864.
2) Revue encydop^que T. LX, 1833 p. 198ff.
3) »KP0K0TTA2« ist Hyaena crocuta, nicht Bär, wie M. de Serres ver-
muthete.
4} Vergl. lulius Capitolinus de Gordianis III, XXXIII. Flavius Vopi-
»CU8 de Probo XIX etc.
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58 I- Abschnitt. IV. Kapitel.
die Elephanten tödten^). Es deutet auch dies, sowie die Erriditung
von Stationen behufs Einfangung und Hegung der Kriegselephanten su
Ptolemais Tkeron^ MeUnu8, Adulis und Saba (Mamah) auf den regen Ver-
kehr der Zeitgenossen des Kniders und der Ptolemaeer mit den Ländern der
Nigritier genugsam hin 3],
Indem wir nun wieder 2u den Aegyptern zurückkehren, müssen wir
aus dem Voraufgehenden die Ueberzeugung gewinnen, dass die Beräbra
Nubiens bd den Pharaonenzügen gegen Kui hauptsächlich in Hetracht
gekommen sind. Nur selten gehen die Aegypter über die Qrenzen Donqo-
laKs hinaus, die Inschriften wissen uns nicht viel und nichts recht Sicheres
über die südlich von der grossen Nilkrümmung gelegenen Länder zu be-
richten. Die Bezdchnung N^hed betrifft dunkle Männer des Südens, zu-
weilen selbst Beräbra y mehr aber Nigritier, einigemal Befak u.s. w. Die
Malereien und Skulpturen besagten uns übrigens noch mehr, sie zeigten
uns, dass die alten Aegypter echte Südän-Sckweirze gekannt und diese selbst
ikonographisch von Beräbra wie Befah wohl zu unterscheiden gewusst
haben. Ich verweise auf das im anderen Kapitel hierüber zu Sagende.
Zur Zeit des persischen Einbruches unter dem Kt^baU der Hiero-
glyphen [Kc^uyiay Katnbyses) sehen wir südliche Völker wieder beträcht-
lich in den Vordergrund treten. Es heisst ja, Kambyses sei weit über
MeroS hinaus vorgedrungen. Man sagt, der irtüusche Eroberer habe Meroe
selbst gegründet 3). Wo lag nun dies Meroe? Man hat viel darüber hin-
und hergeschrieben und zwar schon seit Alters. Gegenwärtig steht ausser
Zweifel, dass dies äthiopische Reich sich von der grossen Nilkrümmung bis
an die abyssinischen Beige und bis tief nach Sennär hinein erstreckt haben
müsse^). Die Regierungshauptstadt des alten meroitischen Reiches
war unzweifelhaft jener grosse Ort, dessen weitläufige Trümmer man nodi
1) Fhotius Myriobiblion edid. Bekker, 8. 4526, Sff. Felix Liebknecht beschul-
digt Baker, die SchUderungen des Agatbarchides und Bruce' s von den Sohwertjagden der
»Aqagtnt übersehen zu haben, hat aber selbst auch meine, früher als die Baker'schen
veröffentlichten Nachrichten unberücksichtigt gelassen. {Peterm. Mitth. 1868, S. 385).
Vergl. Hartmann in Reise, Anhang XLV; Zeitachr. d. Oesellsch. f. Erdk. Bd. III, 8. 412.
2) Vergl. Hartmann Zeitschr. d. Gesellsch., a. a. O. 8. 407.
3) »Cambyses Persa, Aegypto occupata, usque ad Mero^n progressus nomen urbi im-
posuit, MeroSn sororem ibi mortuam hoc honore adficiens.« Chrestom. ex Oeographicor.
Hbr. XVII, cap. 9.
4) Die Versuche mancher Geographen und Geschichtsforscher, Merob' einseitig nur auf
die ifo^r^n-Gegend des Atbärah und auf die öezlrei-Sennär zu beschränken, sind als unzu-
lässige längst erkannt worden. Auch A. Koscher glaubte nach genauer Vergleichung der
Angaben des Cl. Ptolemaeus den Hauptschwerpunkt des meroitischen Kelches nach
Qöz -Begib verlegen zu müssen, obwohl die dortigen Trümmer denen von Begerämeh
keineswegs gleichkommen. (8. oben -8. 17.) Bei Qöz-Eeitb dürfte ja aber immerhin der
Haupthandelsplatz von Merob' gelegen haben (ähnlich wie dies Qobeh für Där-FSr
ist). Der Ketidenzplats lag dann in Där^Sendi^ (Vergl. A. Koscher: Ptolemaeus und
die Handelsstrassen u.s.w.).
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Nachrichten, welche uns die Alten von Afrikas Völkerschaften hinterlassen haben. 59
jetzt zu Begerämeh in Dät^Smdt beobachtet. Städteruinen ^ Tempel und
Grabpyramiden dehnen sich hier weithin aua. Ich selbst hörte dieselben
aUgemrin mit dem Namen Müsrnrät-el-Marü'^ belegen^ so genannt nach
dem Dürfe Marü^gä. Zufolge Lepsius' Nachforschungen ist Maro-gi im
Kmm^ Maru^ga im MnKä^ Bezeichnung für eine zerstörte Tempel auf-
wdsende Buinenstätte ^). Lepsius meint, dass der Name JUarü^gä nichts
mit Meroe zu thun haben könne, da man eine Stadt bei ihrer Gründung
nidit »Schuttstadt« nennen werde. Dagegen würde sich das Berberwort
tJKpnia«, ^Merauifk (deutsch Weissenfeis) sehr gut zu ^em Stadtnamen
eignen, wenn die Lage des Orts dazu Veranlassung gegeben habe, was nun
zwar für die Ruinen zu Begerämeh nicht, wohl aber für Gebel-Barkal zu*-
treffend sei. Brugsch bemerkt: »Selbst der Stadtname von Merob' lässt
sich aus ihrer (der £^äira-) Sprache leicht erklären, da Ma-aro so viel
als »der weisse Ortt bezeichnet 2) .« Mag man nun aber den Namen Meroe^s
herleiten, woher man wolle oder vielmehr könne, so viel steht denn doch
fest, erhaben selbst über dem Spintisiren philologischer Gewaltiger 3), dass
der in Nachbarschaft des heutigen Begerämeh gelegene alte Ort eine wich-
tige Stadt mit erborgter ägyptischer Kultur ^) gewesen sein müsse, zugehörig
dem Staate, welchen die Alten Meroe nannten. Ein Staat, der auch noch
am 0^>d-Barkal und zu Söbah seine Emporien gehabt haben mag, bewohnt
von Berabra, BgcA und Nigritiem des Fttngt-, Berfä-^ Sülükr- und Nobah-
Stammes; das wenigstens lehren uns die Malereien und Skulpturen von
Nun und Ben-Naquhy das lehrt uns die Vergleichung der hier dargestellten
Soenen mit dem Leben der heutigen Bewohner Sermär* s, wogegen uns die
philologisdie XJebergelehrtheit riner guten Anzahl von Fachmännern in dieser
Hinsidit bis jetzt leider sehr wenig gebracht hat. Nur zwei über die ge-
wohnlichen Yorurtheile erhabene SprachfDrscher, nämlich R. Lepsius^)
undUH. Brugsch <^, machten uns mit der wichtigen (durch das Studium der
1) Briefe 8. 222. Es ist (jlies abo gleichbedeutend mit dem Arabischen: Birheh und
2) Im Berberi heisst Mert-'^l oder Mere-gä, Mare-gä die Durrah oder der ^Aea
{Sorghum), welche Bezeichnung für die Etymologie unseres MeroS freilich nicht von
Bedeutung sein dürfte. Indessen wer mag das jetzt genau wissen? ^
3) Proben : Mit Bezug auf die Sage , dass der Perser Kamhyaes die Stadt Mero^ ge-
gründet haben solle, wurde an die Aehnlichkeit des letzteren Namens mit dem Namen der
Stadt Merw in TUrkistän erinnert! Ein Verfasser im Auslande bemerkt, .dass der Name
Merof, demotisch Merfia, welcher am oberen Nillaufe alles Glänzende, Helle bedeute,
an das hebräiache Mara, mästen, woher Jfart, Mastkalb — »nur auf das Fett be-
logen« — erinnere! Sapienti sat! (1871, S. 1064) u.8.w. Warum hat man nicht schon
das Wort »Buxtehude« aus der Do AotoA « Sprache herzuleiten gesucht? Wenn nichts hilft,
"0 wird das »Semiten thum« herbeigezogen, sei's auch bei den Haaren. Semite hilf!
4} »La ciyilisation ^thiopienne fille de celle de FEgypte et cependant sa rivale souvent
heurcuse.« Mariette-Bey in der Revue areh^ologique 1865, p. 178.
i) Briefe S. 22e.
6) Zeitschr. f. allgem. Erdk. N. F. Bd. XIV, S. 3ff.
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60 I- Abschnitt. IV. Kapitel.
Ortsnamen^ der meroitischen Bildwerke^ durch die anatomisch-physiologische
Untersuchung der Epigonen Mero'^8 bestätigten Thatsache bekannt, dass ein
Hauptantheil an der Gründung des meroi'tischen Staatslebens den Beräbra
gebührt. Wenn Lepsius andrerseits dies Verdienst wieder überwiegend
den Bejah zuschreibt ^) , so hat auch das in so fem eine Berechtigung, als
Bejiah Mitbegründer und Mitbewohner, selbst Mitbeherrscher, Meroe^s ge-
wesen sind, wie wir später noch genauer erfahren werden.
Es heisst nun, Kambyses habe auf seinem Zuge gegen die langlebenden
Aethiopen ^) auch die um das heilige Nysa , Cultusstätte des Zeus und
Dionysos ^)j lebenden Stämme bezwungen. Dies Nysa soll nach Herodot
von Negern (hieroglyphisch Nfh^ bewohnt gewesen sein. Sie hätten krau-
seres Haar als andere Menschen gehabt, ihre Haut sei schwarz, ihr Same
nicht weiss, sondern schwarz gewesen. Sie hätten Leoparden- und Löwen-
felle getragen, hätten vier Ellen lange Bögen aus Palmenholz (?) , Pfeile von
Bohr mit Steinspitzen, Keulen und Lanzen mit Spitzen von Antilopenhom ^)
gefuhrt. Im Kriege hätten sie ihren Körper halb mit Röthel, halb mit
Kreide bemalt. Diese Beschreibung passt bis auf die steinernen (jetzt durch
eiserne verdrängten) Pfeilspitzen und die aus Antilopenhom (zur Zeit aus
Eisen) verfertigten Lanzenspitzen der alten Nysaner genau auf die heutigen
Anwohner der Bahr-el-Gebel, Bahr-el-abjad. Die Bewohner Nysa^s, von
Kambyses tributpflichtig gemacht, mussten Gold, Sklaven, Ebenholz^) und
Elfenbein abgeben. Alles Produkt des eigenen Landes. Man begeht jeden-
falls eine starke Uebertreibung, wenn man den Namen Nysa mit Nä^ iden-
tificiren will. Bis zu den ^äsa^s, d. h. den südlich-tropischen Seen, sind
des Kambyses Truppen keineswegs gedrungen, vielmehr höchstens bis zu
den Sillük und Fiing. Vielleicht ist Nysa nur corrumpirt aus N^h^, Be-
zeichnung der Alten für Nigritier im Allgemeinen (?), während ihnen Kui
mehr nur als Bezeichnung für die heutigen Gouvernements Qeneh ü Esr^f ^),
Berber ü Donqolah und Xardüm bis zum Moqren des BaKr-el-abjad und
Bahr- el" azroq gegolten hat.
Auch Strabo schildert die südlich von Meroe wohnenden Aethiopen
als nackt gehend, sonst mit Fellen behangen und mit sehr langen Bögen bewaflhet .
1) Monatsber. der Berlin. Akademie, 1844, Novemb.
2) Wer sollen diese Macrobioten gewesen sein P Eine längere Lebensdauer ist nament-
lich bei massigen Beräbra und lUn^ nicht so selten. Ein besonderer Volksschlag von
»Langlebigen« existirte natürlich nur in der Phantasie der alten Berichterstatter.
3) Am^ und Osiria. Vergl. M. Duncker, Geschichte des Alterthums, II, S. 784.
4) Jedenfalls sind hier die langen, fast geraden und spitiigen Homer von Antilope
leucoryx und A. beisa gemeint. Die kürzeren und gebogenen Homer anderer Arten
(z. B. A. bubaliSf Soemmerinffiit dama, dorcaSf addax este.) konnten kaum als
Waffen benutzt werden.
5) Von Dalbergia melanoxylon imd Acacia laeta.
6) D. h. der dazu gehörige Theil Untemubiens, nämlich Wadt-Kenüs, W.-el-^Arab,
W.'Ibrim, W.'Salfah.
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Nachrichten, welche uns die Alten von Afrikas Völkerschaften hinteriassen haben. %\
Der Sage nach sandte ein Aethiopenkönig seinen riesigen Bogen an
Kambyses, jedoch konnte nur dessen Bruder Smerdis denselben einiger-
massen spannen. Diese Waffen sind bei den Anwohnern des weissen Nil
allerdings stets sehr lang (180 Cent.» auch mehr) und sehr stramm^ sie sind
nur mit gewisser Kraftanstrengung zu spannen.
Nun werden südlich vom Moqren des Atharah mit dem Nil und vom
Mopren am Räs-el- Xar^m die Wurzelesser, die Elephantenesser und
Straussesser aufgeführt. Alle diese Bezeichnungen sind durchaus so vage,
wie z. B. auch diejenigen der Macrobioten (s. oben). Gewisse Wurzeln
isst man in Sennär übrigens noch heut zu Zeiten des Mangels i), man
bauet daselbst wohl etwas Qulqäs (Arum Colocaaia), wie Aran, DioS"
coreen und latroph^ im Innern cultivirt werden. Femer gräbt man,
namentlich im Westen und Süden, noch sonst mancherlei essbare Wurzeln
and Knollen aus. Straussenfleisch wird trotz seines widrig «thranigen Ge-
schmackes hier hauptsächlich von Fang und von den in der Gesnreh um-
herschweifenden -455-ifö/*-Nomaden gegessen, deren Vorfahren wohl dem
gleichen Gebrauch gehuldigt haben mögen. Elephantenjagd treibt man
überall südwärts vom 12<)N. Br. Zu Strabo's Zeit mochten diese Giganten
schon bis zum Bäs-el-Xard^m und selbst noch etwas weiter nordwärts ge-
streift sein. Elephantenesser sind übrigens alle mit der Erlegung unserer
Thiere sich abgebenden Afrikaner, also auch A-Bäntu, Khoi'Khfji'-n u. s. w.
G^en die von Strabo aufgeführten Wurzelfsser u. s. w. sollen übrigens
jene schon erwähnten, mit Antilopenhömem bewaffiieten Aethiopen gekriegt
baben (S. 60) .
Durch König Xerxes wurden ausser anderen auch afrikanische
Hülfstruppen über den Hettespont geführt. Unter ihnen hat man Libyer
ganz in Leder gekleidet, wie heut noch Tüäriq^) und Tedä, gesehen. Die-
selben haben Holzspiesse mit im Feuer gehärteten Spitzen benutzt. Es hat
da Aethiopen gegeben, mit Panther- und Löwenfellen behangen, die Spiesse
auch mit Antilopenhömem gespitzt^) (vergl. S. 60).
Auch Agatharchides schildert die langen Bögen und kurzen Pfeile
der Aethiopen, letztere mit durch Thiersehnen befestigten und vergifteten
Steinspitzen versehen (IV, 19). Interessant ist femer die Nachricht des zu-
letzt erwähnten alten Schriftistellers , dass Ptolemaeus zum Kriege gegen
die Aethiopen 500 Reiter aus Griechenland verschrieben habe. Von diesen
in erster Linie und zur Nachhut verwendeten Reitern hätten ihrer 100, Ross
und Mann, die in jener Gegend xaoa; *) genannten wollenen Bekleidungen
1) S. Hartmann in Reise u.a. w. S. 563.
2) Capt. Lyon pl. Rohlfs Afrikanische Reisen, S. 138.
3) «x^poc 5opxd5(K.« Herodot de Bello Persico, libri IX. Edit. stereot. Imm. Bekkeri
H. 69.
4) Diese Stelle lautet: »otoXA« jdp airoi« te xal toic TTnrot; isilor^e «iXtjroi?, Ä; ot
iwtta T?iv yiSt^ ixtiyip TTpoaaYOpcuouoc xaad;.« (IV, 20).
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62 I. Abschnitt. IV. Kapitel.
erhalten^ von denen AUes bis auf die Augen bedeckt wurde. Au8 Zeugstoff
verfertigte gesteppte Rüstungen fiir Pferd und Reiter^ von denen sieb An-
deutungen selbst auf meroitisehen Denkmälern vorfinden, welche ferner
Herberstein bei sarmatischen Kri^em abbildet ^), sind noch gegenwärtige
allerdings aus gesteppten Baumwolldecken bestehend, durch ganz Inner-
afrika gebräuchlich. (Vergl. S. 4t.) Nach Beschreibung der nubischen Gold-
minen und nach Schilderung der an der rothen Meeresküste hausenden (den
^^'^oA -Volke angehörenden] Fischer und ihrer Fangmethoden kommt uns«
Autor zu einer etwas phantastischen und einseitigen Beschreibung nilotischer
Wurzelesser, welche Schilfwurzeln *- ^(Cac täv xaXa(M»v — |vielleicht Rhiz(»ne
des Hab^el'^AsiSy Cyperus esoulentusf) assen, der Hylophagen und
Spermatophagen, von denen Baumfruchte vertilgt wurden 3). Femer wurde
damals eine Pflanze — itoa — der schattigen Thäler genossen, deren Stamm
kohl- oder rübenähnlich ist, worunter wohl das palmkohlähnliche Stammes-
innere einer in Fäzeqlo und BertäAjdXiA wildwachsend^i Musacee verstanden
sein könnte (vergl. Kap. VII). Vom Baumleben der 'TXo<paYoi wird ^e
Schilderung entworfen, die eher auf Affen als auf Menschen passen könnte,
höchstens noch auf die zwerghaften Döqo^s anwendbar wäre, eine Schilde-
rung, die femer lebhaft an diejenige von angeblich affenartig in den Bäumen
herumwirthschaftenden Püpuaa der i>ttn7a-Strasse, sogar an diejenige von
den, Jlfatirf^-Pahnen bewohnenden Warrau oder Guanmmos der Orenöco-
Mündungen u. s. w mmiem potödite (51).
Alsdann erfolgt eine Darstellung der Elephantenjagd in der schon
früher erwähnten Weise, nämlich unter Durchhauung der Achillessehnen
des grossen Rüsselthieres mittelst Hippen — ic^Xexuc — (S. 58*); Agath. 53).
Eine Schildemng Aex kleinen, mageren, schwarzen Axpt^aifoi dürfte am
ehesten auf verkommene TXbu- oder seihst .fi^'ct^FamiUen zu beziehen sein,
welche wie freilich auch Nigritier aller Stämme, A-Bäntu, dann Khoi-Kkoi-n,
San, aus den Heuschreckenschwämen grossen Nutzen für ihre Mägen zu
ziehen wissen (58).
Sehr zweifelhaft in ethnologischer Beziehung ist das von Agathar-
ohides (60) und von Diodor (cap. 31) beschriebene von den Griechen
sogenannte Volk der KuvofMX^ot (Canimuiffi) der südlicheren Grebiete, welches
von Nachbarn in deren Sprache ungesittete Wilde, griechisch ßapß«poi
(äfpun) genannt wurde. Diese Leute sollen lange Barte gehabt und
Meuten wilder Hunde gezüchtet haben. Von Beginn der Sommersolstitien
bis zur Mitte Winters sollen unzählige Heerden indischer Binder (IvSixoi
ßoe?) in ihr Land eingebrochen sein. Niemand weiss ob durch die Nach-
stellungen der Raubthiere oder durch Futtermangel angetrieben, jedenfalls
1) Rerum Moscoviticarum commentarü. Basileae.
2) Vergl. Skizie der Nil-L&nder 8. 170—178.
3) Vergl. Diodor Qeogr. Or. Min. I, cap. 25. Artemidorus et Pliniue das. VIII, 8.
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Nachrichten, welche uns die Aken von Afrikas Völkerschaften Jiinteriassen haben. 63
aber von fem her kommend. Unfähig die Masse dieser eindringenden Thiere
penönlich zn bemeistem , hätten die Cynomolgen ihre Hunde auf jene los-
gelassen, die erjagten Thiere frisch gegessen oder ihr gesalzenes Fleisch als
Provision aufbewahrt. Vielleicht haben die alten Schriftsteller hier auf
Nomaden anspielen wollen, welche mit Hülfe von Jagd- d. h. Windhunden
oder gar mit gezähmten Wildhunden sehr beträchtliche Antilopenrudel
angegriffen hätten. Die langen Barte könnten höchstens noch auf Berähra^
B^uh und Mombüiu passen, wenige auf Pung, Agäu und A-BäfUu.
Der in den Geogr. Gbraeci Min. edit. C. MueUeri I, p. 152 Anm. ge-
gebene Kommentar zur erwähnten Darstellung der Cynomolgen liefert uns
nichts Befriedigendes gegenüber jener alten präcisen Jagderzählung von den
•indischen Rindern«. Eine a. a. O. versuchte Confundirung der Cynomolgen
mit Stämmen, welche den Hund zum König haben soDen, wie die Ptoem-
pkanae, die Fu»g (s. später), klärt das Dunkel nicht auf, denn letztere können
nicht als langbärtig und nicht als vorzugsweise mit Hunden jagend be-
leichnet werden. Wir werden betreffs der Cynomolgen doch wohl bei den
jagenden, leidlich bebarteten Befah stehen bleiben müssen, denen eine
schlanke Jagdhundrasse ihr Alles ist.
Die von beiden oben genannten .Grriechen gegebene Schilderung der
Tp^yXoSutai No|AaSec (Agath. 61, Diodor cap. 32) muss zum Theil ebenfalls
anf die umherziehenden f^^A-ßeduinen, theils aber auch auf nomadisirende
Agäu und namentlich Fimi^- Stämme gedeutet werden. Jene Troglodyten
«oDen in viele IHbus (Qaitf^'ät} zerfallen, Weiber*) und Kinder gemrin-
idiafttich haben, in der Hitze des Sommers an die (Regen-) Teiche gehen,
heftig um die Weideplätze kämpfen, altes oder krankes Vieh sohlachten und
essen, Getränke aus icaX(oopoc pressen, für die Häuptlinge ein solches dem
schlechten Moste ähnliches aus einer Hlüthe gewinnen. Vorne nackt gehend,
sollen sie den Hintern mit Fellen bedecken ^). Sie üben die Besohneidung
aus, den Verstümmelten (xoXoßoi Eunuchen?) aber schneiden sie in früher
Kindheit das ganze Olied hinweg. Die megabaiensischen Troglodyten
fuhren runde Schilde aus roher Ochsenhaut ^) und mit Bisenhödcem ver-
sehene Keulen, andere haben Bögen und Lanzen. Ihren Todten binden sie
mit i\i/ttirM«- Ruthen die Schenkel an den Hals fest, schleppen sie auf
Hügel und zermalmen dieselben hier unter Gespött mit Steinen. Dann
befestigen sie ein Ziegenhom darüber und gehen voll Heiterkeit wieder von
1) Das bei den Hasämeh noch heut herrschende Qeseti ^d/t'>«n ü &äl&. Zwei Drittel
and ein Drittel, welches der Frau das Kecht sichert, sich gewisse erotische Nacbtunter-
haltungen nach Belieben mit anderen Männern gestatten au können, ferner der Commu-
nismus in Bezug auf Frauen bei gewissen Festen der Berlä und anderer Nigritier, bieten
Entsprechendes dar.
2) Z. B. heut noch öebeUimn in Fatoqlo, die Berß,
3) Den runden aus Elephanten-, Hippopotamus^, Büffel-, Stier- oder Antilopenhaut
der heutigen Beräbra, Bejah und Abyssinier entsprechend. *
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64 • I- Abschnitt. IV. Kapitel.
dannen. Alte Leute^ welche den Herden nicht mehr folgen können^ werden
am Schweife eines Ochsen festgebunden und so erdrosselt ^) . Auch unheil-
bare Kranke werden umgebracht ^) . Daher sieht man bei diesen Troglodyten
nur gesunde, nicht über 60 Jahr alte Leute. Also möchten denn wohl die
Sitten der Bewohner Hoch-Sennär^s beschaffen gewesen sein, bevor ägypti-
sches Heidenthum, Christenthum und Islam modificirend eingewirkt haben.
Trotz allen Veränderungen sind aber noch heut, wie man sieht, manche der
von den Alten geschilderten Gebräuche in diesen Gegenden erhalten geblieben.
Es werden weiterhin die Giraffe (xa^TjXoitapSaXt^j, die Sphinxe (<3<p(YY^)*
Cercopithecus, die Paviane (xovoxi^oXcx:) und Cepus (x^oc) als Be-
wohner dieser Landschaften genannt. Diese Affenarten sollen auch nach
Alexandrien gebracht worden sein ^j .
Der arabische Löwe sollte weniger behaart (schwächer bemähnt)
und wilder, sonst von ähnlicher Farbe als der babylonische sein. Jenes
trifft für den Ätf^mar-Löwen zu. Die gefleckte Hyäne (xpoxorra;) ist aus der
Darstellung deutlich zu erkennnen. Auch geschieht der das Innere von
Ostafrika bewohnenden Riesenschlangen Erwähnung^). Andere fabelhaft
aufgeputzte Thierbeschreibungen des Agatharchides und Diodor über-
gehe ich hier. Erwähnung verdient indessen noch, dass die Alten schon
Kenntniss von jener Stechfliege — yno^^w^ — gehabt haben, welche unter
dem heutigen Namen Surrldah zur R^enzeit die Gebiete Ost-SüdäfCs un-
sicher macht und welche einen Vergleich mit der gefürchteten Tsetse Süd-
afrikas [Glossina morsitans) aushalten könnte^). (Anhang VI.)
In dem gewöhnlich Arrian zugeschriebenen Periplus des rothen
Meeres werden die afrikanischen Küstengebiete ausführlicher behandelt,
u. A. auch die ^moß -Territorien, es werden die hiesigen Hafenorte auf-
geführt und wird der schon damals sehr lebhaften Handelsbewegungen in
diesen Gegenden gedacht. Letztere lassen darauf schliessen, dass die Ost-
afrikaner schon in jenen fernen Zeiten ähnliche Bedürftiisse nach den Er-
zeugnissen eines civilisirteren Lebens gehabt, wie sie deren noch heut, trotz
aller sonstigen Rohheit, an den Tag l^en^j.
1) Alte Leute lassen sich bei den öebelämn und Bertä lebendig begraben, um den
Ihrigen nicht mehr zur Last zu fallen.
2) Geschieht bei genannten St&mmen ebenfalls noch.
3) Nach Aegypten langten von je her bis auf den heutigen Tag Meerkatzen [Cerco-
pithecus griseoviridis, C. pyrrhonotus), und Paviane (Cynocephalus Bahuin ,
C. Hamadryas). Was die Alten unter ihrem xfjTco; mit Antlitz eines Löwen und Körper
eines Panthers verstehen wollten, ist schwer ersichtlich, könnte sich aber doch wohl auf
den Tielädä (Theropithecua Qelada) beziehen, welcher auch die höheren Äw^-Länder
bewohnt.
4) Python Sehae s. hieroglyphicus s. natalensis ist auch den Aegyptem arohl
bekannt gewesen.
5) Agatharchid. V, 50. Oeogr. Graec. Min. I, p. 142.
ü)* Vergl. Geogr. Graec. Min. I, p. 256—305.
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Nachrichten, welche uns die Alten von Afrikas Völkerschaften hinteriassen haben. 65
Eine der merkwürdigsten Rciseuntemehmungen des Alterthums nach
Afrika war die Hesehiffung der Westküste dieses Erdtheiles durch den Kar-
thager Hanno. Dieser führte eine grosse Anzahl Menschen behufs
Handels- und Kolonisationszwecken auf Schiffen^} nach Gestaden, die
wie Knoetel ganz richtig bemerkt, in gewisser Weise und wenigstens bis
zum Rio do Ouro vorher bekannt gewesen sein müssen. Denn ein sonst so
kluges und in allen seinen Unternehmungen so gewi^^s Volk wie die
Panier wird nicht ohne Weiteres 30,000 Männer und Weiber auf gewaltigen
Schiffen nach völlig unbekannten, nackten Gestaden dirigirt haben '^) .
Ich übergehe hier diejenigen an der marokkanischen und wahrscheinlich
auch der senegambischen Westküste gelegenen Punkte, welche von jenen
punischen Unternehmern mit Kolonien besiedelt wurden, zumal Knoetel
gerade diese Stellen des »Periplus Hannonis« in genauer und wie mir scheint,
treffender Weise commentirt hat. Es genüge hier zu bemerken, dass die
vielgenannten Lixiten (Ai^xai] des Hanno jedenfalls einer jener berberischen
Imdia/') Stämme gewesen sein müssen , wie sie noch jetzt bis nach Sene-
^ambien und nach den Ländern des oberen und mittleren Nigerlaufes hinein
zahlreiche Niederlassungen inne haben.
Es erfolgt Seitens des Hanno weiterhin eine pathetische Schilderung
von Küsteninseln, von waldigen Gestaden, Lagunen, Marigots, Q/örg^ von
unermessl^chen Feuern (Steppenbränden?}, vom Getrommel und Gepfeife
der Eingebomen zur Nachtzeit 3) , von der Feindseligkeit in Felle gekleideter
Mensehen u. s. w. In der Gegend von Öscov oj^Tjjxa (Gebirge von Serra Leda)
wahrscheinlich auf der Insel nScherbat^ody bestand man endlich den denk-
würdigen, schon so vielfach erörterten Strauss mit dem »behaarten Volke der
»FopiXXat«. Unter letzteren sind entschieden ^Nke^eqo^s oder Schimpanse^ 8^),
nicht aber die von uns sogenannten, erst viel südlicher vorkommenden ßo-
rilUis oder Glnas, zu verstehen^].
Neuerlich hat IL Tauxier darzuthun versucht, dass der Bericht
Hanno 's nicht original, sondern nur eine nach älteren phönizischen An-
gaben abgefasste Kompilation sei ^) . Dass nun aber doch echte Nachrichten
'und zwar recht gute) vorgelegen haben müssen, daraufist schon in Peter-
1) Diese öfter» angezweifelte Stelle lautet wörtlich: »Kai lit>.euoe TrevTtjxovriSpo'j; e&^-
xovra dfoiv, xal TiX-PjÄo; dv^piov xal i'j^nv*.SiN el; ipiÖ'Jiiv {jiupidiomv Tpiwv xotl siTa %rn vi^s ^Xr^s
*a{>a9xrjif|v.c C^ogr. Oraeci Min. ed. C. Mueller. I. p. 1.
2) Vergl.: Der Niger der Alten. S. 17.
3) Wahrscheinlich zur Verscheuchung der auch in KüstengewÄssem häufigen Hippo-
potamen.
4) Vergl. meine Arbeit Ueber anthropomorphe Affen in Reichert und Du-
bois-Reymond'fl Archiv für Anatomie u.s. w. Jahrgang 1872 ff.
5 Der dma, N'geina [Troglodytes Gorilla) bewohnt das Binnenland östlich von
den ^oömt -Mündungen.
6> lie P6riple d'Hannon et la d^couverte du S^n^gal. (TiC Olobe 1867, p. 333—352).
Hartmttnn. Nigriii^r. 5
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66 1- Abschnitt. IV. Kapitel.
mann 's Mittheilungen mit vollem Rechte aufmerksam gemacht worden*).
Es ergiebt sich dies auch zum Theil aus unserer obigen Beleuchtung von
Dingen, die noch heut dort überall vorkommen und welche die Alten sich
nicht haben aus den Fingern saugen können.
Der Ursprung des Niles hatte schon die Alten sehr lebhaft be-
schäftigt. Nach einem in der Münchener Hibliothek befindlichen Manuscripte
käme der gewaltige Strom aus zweien Quellseen. Andere Documente
des ägyptischen Alterthumes, namentlich eine zu Ben-Näqah befindliche
Inschrift lassen uns einen Blick in die geringe Bekanntschaft jener fernen
Epochen mit der eigentlichen Entstehung des Niles thun. Dies Uebel ist
freilich auch jetzt, nach so vielen Jahrhunderten, trotz der heldenmüthigen
Anstrengungen eines Krapf, Rebmann, Erhardt, Burton, Speke,
Grant und Baker, trotz deren vielen und zum Theil recht scharfsinnigen
Commentatoren, noch nicht gänzlich gehoben.
Unter sämmtlichen alten Schriftstellern verräth die genaueste Kunde
vom Innern Afrikas der ausgezeichnetste Geograph der frühen Vergangen-
heit, Claudius Ptolemaeus^). Hat dieser Gelehrte nun auch mancherlei
Irrthümer begangen hinsichtlich der geographischen Länderbestimmungen im
Innern des Kontinentes, hat er auch manche Fehlgriffe gethan in der Ab-
schätzung der Entfernungen, hat er auch augenscheinlich manche vage und
ungegriindete Nomenclatur eingeführt hinsichtlich der Gegend-, der Völker-
Benennungen, — im Allgemeinen wurde er doch geleitet von einer unge-
mein scharfen Einsicht in ein ihm gebotenes, für die damaligen Verhältnisse
übrigens schon höchst reichhaltiges Material ^) . Ueber mancherlei Fehler der
ptolemäischen Karte vom Nil laufe wurden wir hauptsächlich durch die
schönen, eben erwähnten Arbeiten Röscher 's und Barth's aufgeklärt.
Ptolemaeus versetzt die Nilquellen unter die Breitengrade von
Msvoüöiac v^aoc oder Madagascar^ was auch. Dank neueren Untersuchungen,
seine gewisse Berechtigung hat. Unserem Autor zufolge speist das Mond-
gebirge — 2eXiQvr^c opoc — aus seinen Schneemassen unter Vermittelung von
Berggewässem zwei Quellseen — NsiXoo X(|i.vai — , einen östlichen und
einen westlichen. Jedem derselben entströmt aber ein Quellfluss.
Beide letztere vereinigen sich zum Nile. Dieser nimmt nun in seinem
Verlaufe zunächst den Astapus r. auf, welcher aus dem Koloe-See ent-
springt. Der Astapus vereinigt sich unter 11® 30' N. Br. im Lande der
Auxumiten (AüJoupiTai) mit dem Astaboras., Letzterer begrenzt die Insel
Meroe im Osten, der Nil begrenzt dieselbe im Westen. Nil und Asiaboras
vereinigen sich unfern Primis major (Optiii; jxsYaXYj, El-Dämer) und nun
1) Jahrgang 1868, S. 186.
2) Claudii Ptolemaei Geographia. Ich benutzte die Stereotypausgabe von C. P.A.
Nobbe, Leipzig 1845.
3) Vergl. A. Röscher: Ptolemaeus u.'s. w. Barth in Zeitschr. d Gesellsch. f. Erd*
künde. N. F. Bd. XIV, S. 434.
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Nachrichten, welche uns die Alten von Afrikas Völkerschaften hinteriassen haben. ß7
fliesst der eigentliche Nil fast genau in der auch von Neueren angegebenen
Richtung mit mancherlei Krümmungen nach Norden ^) .
Versuchen wir es nun diese Angaben des Ptolemaeus mit unseren
heutigen Entdeckungen einigermassen in Einklang zu bringen. Mit dem
See Koloe (KoXotJ, welchem der Astapus entströmt, dürfte nach den bis-
herigen Anschauungen Anderer und unser selbst nur der T^äwa-See gemeint
sein, wenn auch Ptolemaeus dieses letztere Gewässer unter den Aequator,
statt etwa unter \1^ N. Br. verlegt. Der Astapus würde dann ^Bahr-el-
azroqa sein. Der T'äna ist ein Bergsee; das Wort Coloe könnte vielleicht
aus dem Nubischen köl, [qöl, qöhl) für Berg hergeleitet sein? Der östliche
See unseres Geographen könnte wohl dem U^kerüa-Sfänzä, der westliche
See dagegen könnte dem M^ütan-Nzige entsprechen. Es findet sich bei
Ptolemaeus nichts dem Barinqö Vergleichbares. V. d. Decken wollte
zwar von letzterem nicht recht was wissen und behauptete (mündlich mir
g^enüber), Barinqö heisse im nlrlqiqobii so viel wie »Wasser« ^J, werde also
dem TTkei^üa-Nänzä entsprechen. Indessen spielt aber der Barinqö bei
Wakefield und Burion eine zu hervorragende Rolle, ist nicht blos Aus-
buchtung des grossen Victoriasees, des Ü^kerüa-N., sondern ein von diesem
letzteren, dem Kerüa- oder Qärüa-Nänzä oder ^Ma, BaJirt-yä-Pili (Wake-
field), abgesonderter, grosser See. Letzterer Annahme widerspräche der
Name Barinqö für Wasser nicht. Bei Wakefield bedeutet freilich Bä-
rinqö ein Canoe, und also soll der See von seiner Gestalt genannt werden^).
Ptolemaeus zahlt viele vom Nil durchflossene Länder auf. Auch
er spricht von Strauss- und Elephantenessern, von nördlichen Wur-
«elessern (vergl. S. 61). Nun werden aber weiter eine grosse Menge
noch anderer Völkerschaften namhaft gemacht. Es ist wahrlich keine
leichte Aufgabe, die Namen dieser letzteren mit noch heut lebenden in Ver-
bindung zu bringen. Die bei den Alten so vielfach herrschende Marotte,
irgend eine im Leben der Völker auffallende Erscheinung, eine vorhen-
schende Ernährungsweise, eine sonstige physische, eine die Sitten und Ge-
bräuche berührende, eine sprachliche Eigenthümlichkeit zur Begründung
einer Nomenclatur auszusuchen, stört uns ausserordentlich in unseren etymo-
Ic^ischen Bemühungen. Nun mögen übrigens manche der von den Alten
vielleicht doch ganz folgerecht benannten Stämme längst untergegangen sein
im Strudel afrikanischer Völkerbewegungen. Noch andere Völkernamen
haben wir errathen, wieder andere wird man später kennen lernen, nicht
allein bei weiterem, emsigerem Nachforschen vom Standpunkte unserer heu-
tigen Kenntnisse aus, sondern noch später, erst dann, wenn wiederum
1) Vergl. die ausgezeichnete Darstellung unseres verstorbenen G. Parthey in dem
Monatsbericht der K. Akademie der Wissensch. zu Berlin, 2. Juni 1864, nebst Karte.
2) Hartmann, NU-Länder S. 9. Keinenfalls Bahr-Ngo, Wasser von Ngo zu schrei-
ben, wie Burton anfänglich gewollt hatte.
3) Burton: Zanzibar, I p. 495. II p. 327.
5*
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68 I- Abschnitt. IV. Kapitel.
neue Gebiete des Innern von Afrika unserer Kenntniss erschlossen sein
werden, dann, wenn es uns gestattet sein wird, tiefere Blicke in die sprach-
lichen Verhältnisse dieser Völker zu werfen. Es dürfte z. B. des Pto le-
rn aeus Rapta, der Ostküste genähert, vielleicht dem gegenwärtigen Rabbay
entsprechen. Die MoaoXot 8s uirsp to b{A(ovt)|i.ov axpov xal ejAiropiov sind wohl
SömüU gewesen, die schon im Periplus Maris Erythraei und anderwärts er-
wähnt werden. Das nördlich vom Ostsee belegene Moste könnte mit Modi
(3® N. Br.) identisch sein. Die zwischen blauem und weissem Nile wohn-
haften Sapaei — üaTcaiot — gehörten ohne Zweifel den Bewohnern SdbaKs
an. Soll man die Megabradoi — oder Megabardoi — etwa mit den Ber(ä
identificiren? Dem Klange der Endsylbe (nach Mi^a) und der Lage nach
Hesse sich dies schon anhören. Die lhoe\i.^dvai sind den Fäü, Foü , den
Funff identisch 1). Diese occupiren auch auf Karten des Mittelalters die
Gegend der Nilquellseen (s. später). Bei Betrachtung der KaSouTToi könnte
man an die heutigen Sellätin der Nilkatarakten Nubiens denken. Die nörd-
lich vom Coloe-^ee befindliche Regio myrrhifera (i'fiüpvo<popo< X***P^) bezieht
sich auf die östlich vom oberen blauen Nile sich erstreckenden, den Libän-
oder Weihrauchbaum [Amyris papyrifera) hervorbringenden Ländereieu.
Eine nördlich vom Westsee sich erstreckende Regio cinnamomifera (Ktvva-
[jLo^opo; X*"P*) ^^^ wahrscheinlich auf die Gegenden zu beziehen, in denen
Würzschilfe [Cadalwena spectabilis?) mit aromatischen und gebräuch-
lichen Rhizomen, oder wo gar die Fieberrindenbäume [Crossopieryx]
wachsen. Die Aduliten bewohnten die Adulü benachbarten Gebiete (vergl.
S. 16), die Auxumiten begriffen den grossesten Theil der Abyssinier und
die Ost-Sennärier in sich. Die Troglodyten am 'EXi<pavTo; opo? können sehr
wohl in der Gegend des Räs-el^Fil umherschweifende Beduinen vom Byah-
Stamm gewesen sein. Der Ort 'Eai^p könnte .^l^r, Asür entsprechen. Von
Meroe ist schon weiter oben die Rede gewesen (S. Anhang VII) .
Es findet sich nun in Hudson's Ausgabe der Geogr. Graeci Min.
T. IV, p. 38 (Edit. 1717) eine von Seiten der Neueren merkwürdigerweise
sehr vernachlässigte, durch Desborough Cooley dem 7. oder 8. Jahr-
hundert zugeschriebene Arbeit, ein Bruchstück, über die Nilquellen.
In diesem heisst es wie folgt: »Die Quellen des Nil haben folgenden Ur-
sprung. Dem grossen Mondgebirge entströmen acht Flüsse, vier aus dem
östlichen^ vier aus dem westlichen Theile. Mit den westlichen Flüssen ver-
hält es sich also: Der erste gegen Westen heisst Cherbalas, der zweite
Chemset; diese beiden vereinigen sich bei der Stadt Metis. Der dritte heisst
ChiagonaSy der vierte Gaubalas. Alle vier ergiessen sich in den See KaUi-
ractas (r/ täv xaxapaxtcSv X(|i.VTj) . Von den vier östlichen Flüssen ist der erste
im Lande der Pygmaeen unbenannt ^ ebenso der zweite; diese vereinigen
sich zu einem Strome. Auch der dritte ist unbenannt, der vierte oder öst-
IJ Buch^re und Hartmann in Zeiuchr. f. Ethnologie, 1870, S. 137.
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Nachrichten, welche uns die Alten von Afrikas Völkerschaften hinteriassen haben. 69
lichste heisst Charahaa, Diese vier letzten Flüsse ergiessen sich in den
Krokodilsee. Der See Kataractds entsendet zwei Flüsse, die sich bei den
Städten Chiera und Chaza vereinigen. Gleicherweise entsendet der Kro-
kodilsee zwei Flüsse, die sich bei den Städten Singos und Aba vereinigen.
Die beiden letzten und die bei Chaza zusammengeflossenen vereinigen sich
im Lande der Elephantenesser und erhalten den Namen der Grosse Fluss.
Zwischen ihnen liegt das Zimmetland und wohnen hier die Pygmäen. Der
grosse Fluss geht nun weiter bis zu den Champesiden. In ihn mündet
der Astapus y der aus dem See Kole oder Kolea herkommt. Vorher aber
vereinigt sich dem Astqpus der Astaboras, ein bedeutender Fluss aus dem
I.ande der Auxumiten. Zwischen dem Astaboras und Astapus wohnen die
Straussenesser. Nachdem nun der Astapus und Astaboras sich im Lande
Auxumiüs vereinigt, münden sie in den grossen Fluss bei den Macrobiem;
dann trennen sie sich wieder: der grosse Fluss gegen Westen nimmt in
sein Bett einen anderen Fluss, Namens Gabache auf, der aus dem See
P^bok herkommt: die vereinigten Flüsse Astapus und Astaboras gegen
Osten vermischen sich wiederum mit dem Grossen Flusse, der eine Insel,
Meroey ungefähr so gross wie der Peloponnes, umfasst. Von da an fliesst
der Nil ungetheilt mit vielen Krümmungen, und ergiesst sich mit sieben
Mündungen in das grosse Meer bei Phartis {Alexandria). a
Unser gelehrter Bearbeiter jenes Bruchstückes G. Parthey, fugt nun
m obiger Uebersetzung hinzu, dass das merkwürdige Schriftstück seine Ver-
wandtschaft mit ptolemäischen Arbeiten verrathe. Die Vermehrung von
Fluss- und Städtenamen lasse aber erkennen, dass das Bruchstück selbst
einer späteren, in der Erkenntniss jener Gegenden vorgeschritteneren Zeit
angehört haben müsse ^) .
F. Schiern hat, später als Parthey, dasselbe Bruchstück analysirt^).
Vivien de St. Martin, ein sehr gründlicher Kenner auch der deutschen
geographischen und ethnographischen Literatur, hat sich über Schiern's
Werk so ausgesprochen, als sei dieser dänische Forscher früherer Wieder-
bearbeiter des Bruchstückes 3), obwohl der bescheidene Parthey jenem doch
voraufgegangen war. Erwähntes Document nun berichtet über einen öst-
lichen Psebole-See, femer über einen südöstlichen Kolea, dann über
die geschilderten grossen angeblichen Quellseen des Nil. Niemand hat bis
jetzt daran gedacht, eine Schwierigkeit zu lösen, welche sich doch so augen-
scheinlich in Bezug auf den aus dem Psebole-See entstehenden Gapache~F\\x^s
entwickelt. Man muss aber zunächst beachten, dass nach dem Bruchstücke
1) Auszug aiu dem Monatsbericht der Kön. Akad. der Wissensch. zu Berlin. 2. Juni
»SM, 8. 361.
2) On Oplysning om oldtidens Kjendskab til Nilens Küdesoer, meddeelt i det Kg].
Danske Videnskabernes Selskabs Mode den lS<le Mai 1866. 8. II Karten.
3) Ann^e g^ogr^hique 1866, p. 334.
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70 I- Abschnitt. IV. Kapitel.
der Asiaboras in den Astapus gehen soll. Jedenfalls hat hier eine Ver-
wechslung stattgefunden. Der Gapache dürfte doch der Atbärah sein soUeu,
der Psebole beruhte vielleicht auf einer Sage von irgend einem in der Wirk-
lichkeit nicht vorhandenen Quellsee. Oder hätte etwa der- dem f^'äna nahe
Ursprung des Atbärah, BaKr-Saläm, ^Anqareb oder gar Takäzie Veranlas-
sung zur Entstehung der Sage vom Vorhandensein eines P«tf6o&-Sees ge-
geben ? Dann würde der Astaboras des Bruchstückes den Ra^ad oder Dinder
oder gar den jetzt anscheinend (bis auf die Qoüöä- Sümpfe) versiegten f f )
Xbr-el-yAdsdn ^), Xör-el-Mashür, bedeuten. Der iiem Koleä (J'äna) ent-
strömende Astapus bliebe der BaRr-el-azroq ^ der Krokodilsee wäre der
U'kerüa-Nänzä^ der Kataractensee der M'^ütan-Nzige, Oder aber es exi-
stirte noch ein grosser westlicher (unbekannter?) See, und wäre
dies der Kataraktensee. In letzterem Falle entspräche der Krokodilsee dem
U^kerüa, der Kolea dem T^äna; liinsichtlich des Astaboras und des Gapache
blieben wir so klug wie früher. P a r t h e y selbst äusserte einmal gegen mich,
der Gapache sammt seinem Quellsee (Psebole) könnten einem der jetzt ver-
trockneten und versandeten Xüär angehören, deren es so viele gegen das
Nilthal sich öffnende gäbe, z. H. Bahr -bela^a-Mä , der libyschen und der
arabischen Wüste, Xör-Nidä-el-Nil, Xbr-el- Bahrt bei Qorosqö u. s. w.),
alsdann löse sich die Schwierigkeit mit den anderen Strömen ziemlich leicht.
Der oben (S. 67) genannte Bärhiqb könnte nun hier natürlicher Weise nicht
in Betracht kommen, ebensowenig könnten dies die anderen Niveauverhält-
nissen angehörenden Rusizi- und TanqamkaSeen, Der iSöbät bliebe nach
dem Bruchstücke so wenig berücksichtigt, vde auch der Tümät und der
Yabm. Man ersieht hieraus, wie Vieles uns noch zur Entwirrung dieser eng-
geschürzten geographischen Knoten fehlt. Sollte nicht Livingstone, falls
er wirklich am Leben geblieben, so manches zur Aufklärung noch dunkler
Punkte in der alten und neuen Geographie, besonders der Nil-Länder,
beitragen können ? Wollen einmal sehen *^) .
Die in dem Bruchstücke am rechten Quellenarm erwähnte Stadt Aba
dürfte vielleicht mit der heut wohlbekannten gleichnamigen Insel Abä des
Ätf/wA- Landes (etwa 13*^ N. Br.) in etymologische Beziehung zu bringen sein.
Das gegenüberliegende Singos (S. 69) wäre vielleicht mit Singeh verwechselt.
Die zwischen dem Krokodilsee und Kataractensee verzeichneten Pyg-
mäen des Bruchstückes fänden jedenfalls in jenen merkwürdigen Stämmen
ihre lebenden Repräsentanten, von denen uns Schweinfurth unter den
Benennungen Akkä und Tikki - Tikki erzählt und welche uns an Dbqo,
ObonqOy San u. dergl. erinnern.
\) Skizze der Nil-Länder S. 21.
2) Es ist zwar schon Mancherlei über die neuen grossartigen Untersuchungen Living- '
»tone 's bekannt geworden ; indessen erscheinen uns diese mehr aphoristischen Mittheilungen
nicht reif genug, um dieselben mit einiger Sicherheit für Betrachtungen, wie die oben er-
wähnten, verwerthen zu können (Anhang VllI).
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Nachrichten, welche uns die Alten von Afrikas Völkerschaften hinterlassen haben. 71
»Nihil est, quod noscere malim
Quam fluvii caussas per saecula tanta latentes
Ignotumque eaput.«
So sang Luc an in der PharsaUa und ähnlich möchten auch wir noch
jetzt singen, angesichts selbst der so höchst unbesonnenen Unternehmung
»Samuel Pasha's« nach dem oberen Nile!
Ptolemaeus besass übrigens auch vom Centrum und vom Westen
Afrikas eine gute Kunde. Auf die angeblich sehr richtigen Darstellungen
des berühmten Geographen vom Niger laufe hatte seiner Zeit A. Röscher
aufmerksam gemacht *). Es ist nun zunächst zU bemerken, dass die Alten
das libysche Kadical yer^ mit dem Präfix % (z. B. in t Taryar^ i AHoyären
für t yer, i Fsip 2) angewendet haben, um in Libyen einen Wasser enthalten-
dcB Ort anzudeuten, dass sie ferner unter Benutzung eines conjunctionalen N
X-Iger, N-Iystp gebildet haben, woraus Niger und Nf^stp entstanden. Femer
wird im Berberischen mit I?i ein Ort bezeichnet, an welchem sich etwas
findet, so z. B. wird mit In-Far ein Ort bezeichnet, an welchem Wasser
vorfindlich ist. So zeigt es sich an einer Stelle im Thale der lyaryären, so
zeigt sich ein Dorf des TüäL Inyer und Inyar dürften als mit NCyetp und
Niger übereinstimmend erkannt werden, und dies zwar im Hinblick auf
die möglichenfalls von einem Abschieiber vorgenommene Versetzung eines
Buchstaben 3) .
Mit Niger sind daher im Alterthume verschiedene Gewässer, auch
solche des noch dem Gebiete der Samara angehörenden Theiles von Nord-
aKka, bezeichnet worden. Es hat diese Benennung nach Duveyrier wohl
öfter noch n Bassins hydroffraphiqtiesa, als wirkliche Flüsse getroffen. Dieser
Forscher erklärt auf wohl durchdachte Gründe sich stützend, den östlichen
Niger, Per (Pstp) des Ptolemaeus, für mit dem lyaryar, welcher an den
Berg Ouaap-jfaXa und an die Fapap-av-ixT^ ^apayE ^) stösst , übereinstimmend,
femer den Nooßa Xi|i.vrj mit der Sebxah oder dem Salz werk von Amadyöry
die Schildkrötenseen {XsXa)v(8£^ X(p.vat) mit dem Söd-Melyly u. s. w. Der
westliche Niger aber, Ntysip des Ptolemaeus, welcher an den iW^m-
See (das heut ausgetrocknete Thalland von Tüät, z. Z. mit fruchtbaren Oasen
bedeckt) stösst, ist jenes Wädi, welches heut nGuir<i (Qlr) oberhalb und
i) A. 0. a. O. S. 49 ff. »Man kann sich (von der Richtigkeit der Angaben des Ptole-
maeus) am leichtesten überzeugen, wenn man den Niger des Ptolemaeus mit dem ent-
sprechenden Theile des Nigers unserer Karten zur Deckung bringt. Alsdann fällt der Jeu
ganx genau auf den 6Vr und die übrigen Orte an die von mir bezeichneten Punkte« u.s. w.
Für Röscher war also des Ptolemaeus Nt^eip identisch mit dem heutigen Niger, Benue^
Wett-Südäns.
2] Der eigentliche Niger heisst bei den Walimmiden und anderen Tüäriq: £yirreu,
lyirreuj N'ykreUt grösserer Fluss. Einen kleineren Fluss nennen die Tüäriq: üyerrer,
lyerrer.
3j Duveyrjer: Les Touareg du Nord p. 470ff,
4) Ptolem. Geogr. Lib. IV, cap. 6, §. 12.
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72 I- Abschnitt. IV. Kapitel.
Misaürah unterhalb heisst. Vom Osten kommt das PFö^Ä-Ä/yäir, vom
Gehel-^Amür, dem alten OoaapYaXa. Dieser östliche Zufluss ist identisch
mit dem Wädt-Tafilelt. Das vom öaXa- Berge entspringende Wädt-Ttyehert
liefert andere Zuflüsse dieses Niger, die öoXai ^) .
Vivien de St. Martin^) undKnoetel sprechen sich sehr energisch
und mit schlagenden Gründen gegen die Annahme aus, als könnte der ptole-
mäische westliche Niger irgend nur mit dem heutigen Niger sie, dem
Qwqrah, Gältba^ Bemie, dem Eyirreu der Tüärtq, verwechselt werden. Das
oasenartige, in der Regenzeit von bedeutenden Wassermassen geschwellte
Flussthal [Wädiy im Osten gewöhnlicher Xör) des Derä^a, in welches von
Süden her dasjenige des AapaSo; mündet, kann allein der nicht weit süd-
lich vom Atlas sich hinziehende ptolemäische Niger sein^). Des
Plinius Angaben von einem Sichverbergen dieses Nigris (Lib. V, cap. 10)
im Sande, vom Gehalte desselben an Älabetae (?), Coracini [Labeo nilo-
ticus), Siluren [Ciarias lazeraf], Krokodilen (letztere finden sich noch
jetzt in den Seen von Mlkerö und Tanäy, Wädi-TeffügeU), von dem eeine
Ufer bewachsenden Calamus [Typ ha?) und Papyrus (der jetzt ausgestorben
sein mag*)), passen ganz gut auf Wädt-Derä>a, dessen Wasser damals
allerdings constant mächtiger, dessen Ufer dichter bewachsen gewesen
sein mögen, als dies heute der Fall ist.
Ich kann mich hier nicht weiter darauf einlassen, des Ptolemaeus
Angaben über die inneren und westlichen Gegenden Satz für Satz an
der Hand der neueren Geographie und Ethnologie prüfend durchzunehmen.
Ich will hier nur gewisse Angaben des grossen Mannes berühren, welche
mir geeignet erscheinen, Streiflichter auf die Kenntnisse der Alten über
Afrika und die Afrikaner zu verbreiten. Ich behalte mir vor auf so
manche Einzelnheiten der alten Darstellungen an geeignetem Orte noch
einmal zurückzukommen.
Knoetel möchte die Üü/aXixxet? At^ioTce;, des Plinius Oecalices,
mit den Tedä, ihre Hauptstadt Maris mit Mäo' identificiren. Die Perorsi
verlegt V. de St. Martin, auf unzweideutige Documente des Alterthumes
sich stützend, von der Nachbarschaft des Theon Ochema hinweg nach dem
Süden des Wädi^Derä^a ^) . Ich würde unter ihnen berberische Stämme
verstehen, nicht aber wie Knoetel als möglich hinstellt, Nigritier, z. K.
W^ohf und Mandinka.
Die den Perorsi benachbarten Canarii des Suetonius Paulin us und
Plinius, werden mit den Kamnürleh verglichen «) . Die im Süden der
1) Duveyrier a. a. O. S. 4&0. 481.
2) Le Nord de l'Afrique, p. 433 ff.
3) A. Knoetel, Der Niger der Alten u. s.w. S. 8.
4) Duveyrier, 1. c p. 478.
5) L. c. p. 411.
6) Die Wälder derselben werden als reich an Elephanten und anderen wilden Thieren
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Nachrichten, welche uns die Alten von Afrikas Völkerschaften hinterlassen haben. 73
Perorsen angegebenen Leucaethiopen des Ptolemaeus und Plinius hält
Knoetel für Ftdbe; indessen möchten unter ihnen doch eher jene ziemlich
hellfarbenen Herbern (Mauren) zu verstehen sein, welche zur Zeit südlich
vom 24^N. Kr. sich ausdehnen. Die Fulbe wurden von Barth mit den
pyrrhischen Aethiopen der Alten identiiicirt *) , indessen will man diese
letzteren jetzt und zwar, wie auch mir scheint, mit Recht in das östliche
Bited-el-Gertd verlegen 2). Unter den vielgenannten Melanogaetulem, MsXa-
vo^atTOüXot, möchte man mit St. Martin^) die etwas dunklen, stark mit
Nigritiem [Teda u. s. w.) vermischten Berbern eines Theiles der marokka-
nijichen und der ganzen algerischen SaKarä (wie z. B. der Oasen von Waryeläy
Tämasin und Tuqurd), selbst Fezzän^s, verstehen. In dieser Annahme. fühle
ich mich noch mehr bestärkt, seit ich im Jahre 1870 von dort her stammende
Turcas genauer beobachten gekonnt. Des Ptolemaeus »grosses Volk«
der 'AcpptxipcDve^ wird von Knoetel mit Recht auf die »IfurciceSy Afrik,
Phareka bezogen, nach welchen Afrika (JAfrikieh) seinen Namen erworben
haben soll. Die ^alfuraceB^ sind übrigens identisch mit den Iföyas, einem
Zweige der Tuäriq-Azqar^), Mit letzteren erklärten Barth und Knoetel
die Au3oupiavo( für identisch. Hiergegen, sowie gegen des I^etzteren An-
nahme, dass die 'Apoxxat mit den Aurayen, die AepßCxxat mit den Tadmekeh
(unter Vertauschung des e/und r, m und b Dermikkaj Taremekka) zusammen-
fielen, liesse sich wohl schwerlich etwas einwenden. Dagegen befindet sich
Knoetel im Irrthume, wenn er die Bezeichnung Tarelische Aethiopen,
deren Wohnsitze er in Där-Für sucht, auf das arabische Wort Dar für Land
bezieht und gar von Dör-Stämmen redet. Solcher 2>«r-Stämme könnte man
ja überall in der Welt* suchen, wo überhaupt irgend arabisch gesprochen
wird, also auch in einem grossen Theile Asiens.
Knoetefl bemerkt femer in einer Anmerkung hierzu, dass ein grosser
Negerstamm in Där-Für den Namen r^Tagruru führe. Tekrnrt^), Plur. 7V-
härmey ist nun arabische Bezeichnung für die schwarzen, hauptsächlich
aus Där-Für und Dar-Säleh stammenden Mekkah-?^iger, Die Tarelier haben
auch mit den Tekarine nichts zu schaffen. St. Martin bemerkt, dass
ge«chUdert. Dass der Elephant noch zur Römerzeit ein Bewohner MauretMiiens gewesen,
li8«t sich nicht mehr bezweifeln :vergl. Hartmann in Zeitschr. d. Gesellsch. f. Erdk.,
Bd. in, S. 405 ff.). Die Canarii heissen Hundeesser. Per Haushund wird noch heut trotz
de« Islam bei gewissen Stämmen und Secten des Mäyreh und von heidnischen Nationen
c» Innern [Kam- Näm) , des Niger- und des östlichen (rö/ä - Gebietes gegessen.
1) Reisen u.s.w., IV, S. 150.
2) Knoetel a. a. O. S. 41.
3) L. c. p. 451.
4) Auch lAzyer, Axjer geschrieben.
5) Beke übersetzt das Verbum »tekerer« ganz richtig mit »to muiüply, renew, sift,
puiify, invigorate, i. e. their religious sentimente, by the study of the sacred book and by
pUgrimage.« The sources of the Nile, p. 47)
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74 ^- Abschnitt. IV. Kapitel.
der Name Tarelii sich nicht von demjenigen des durch Leo Africanus
citiiten Districtes von Ferqäleh zwischen Tafllelt und AÜas unterscheide ^) .
Die im Alterthume so viel genannten, mit dem Sammelnamen der
Garamanten, Tapap-avTe;, belegten Völker gehören theils reinen Berbern,
theils den gemischten oben als Melanogaetuler bezeichneten Äi^arä- Herbem,
theils den Fezzänern, theils den reinen Tedä an. Der Hauptkern der
alten garamantischen Stämme fand sich jedenfalls in Phazania mit der Haupt-
stadt Garama, Germah, er bestand wohl aus sesshaften Tedä, Reste einer
jTerfä - Bevölkerung finden sich in der heutigen Bevölkerung von Fezzmi,
ferner in jener von Duveyrier »race subethiopienne ou Garamantique« ge-
nannten Bevölkerung des Wädi-lÜy uls. w. 2). Es sind die angesesseneu
(laramanten höchst wahrscheinlich jene selben Leute gewesen, denen Du-
veyrier eine über die ganze Sahara verbreitet gewesene Civilisation zu-
schreibt*). Neben diesen civilisirteren Garamanten existirten nach Hero-
dot's Zeugniss noch troglodytische Aethiopen, die sehr schnellfussig
waren, gleich den Fledermäusen zwitscherten und von jenen gejagt wurden.
Diese wohl den Felsenbewohnern TehesiVs angehörenden Troglodyten '•j wür-
den wahrscheinlich wildere, verkommene 7V6^ä- Beduinen bedeuten sollen.
Unter den diese letzteren jagenden Leuten würde man kaum Angehörige des
Ahl'J'üärik^), sondern vielmehr angesessene, gebildete Tedä zu verstehen
haben, die ihre unbändigen Stammverwandten gelegentlich als vogelfrei zu
Paaren trieben.
Auch Barth betrachtet die Tedä als die Garamanten der alten Schrift-
steller — von Herodot herab bis nahe zur Z^it der Byzantiner — deren
Herrschaft sich nach der Andeutung bei Ptolemaeus (Lib. I, cap.. 8, p. 27,
Edit. Wilberg) selbst bis in das »eigentliche Negerland (über verwandte
Völkerschaften ? j « hinein erstreckte und die eben da auch als »eigentlich
äthiopischer« Stamm im Gegensatz zu den libyschen Völkerschaften er-
scheinen; »zur Erklärung des Namen^ Garamanten, der doch wohl mit
Amman in Verbindung steht, werden vielleicht weitere Forschungen auf
diesem Gebiete beitragen. Die Garamanten ( Tedä) waren also die einge-
1) L. c> p. 427.
2} Vergl. Tüuareg du Nord, pl. XVI. XVU.
3) »II est desormais ä peu pres certain qu'a une epoque tres-ancienne a regn^ dans
toul le Sahara une civilisation negre tres-avanc6e pour Tepoque, et que cette
civilisation a dot6 le pays de travaux hydrauliques remarquables, de constructions distinctes
de toutes les autres, de tombeaux qui ont partout le m^me caractere, de sculptures sur les
rochers qui rappellent les faits principaux de leur histoire.« (L. c. p. 279).
4) Vergl. E. Behm, das Land und Volk der Tebu. S. 43.
5) Für eine solche Annahme fehlt uns jede Erklärung bei den Alten. Sonst müssten
ja auch letzteren die zwischen Tnäriq und Tedä herrschenden nationalen Gegensätze auf-
gefallen sein. Wir wissen aber doch aus Ptolemaeus u. s. w. (s. oben S. 73) sehr wohl,
dass jene schon Kenntnisse von ganz bestimmten /mosa;'- Stämmen der Tüäriq besessen
haben.
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Nachrichten, welche uns die Allen von Afrikas Völkerschaften hinterlassen haben. 75
borene Bevölkerung des ganzen Fezän und beherrschten die grosse Strasse
von da nach Bomu *).«
Plinius hat in seiner Naturgeschichte ausser den schon früher er-
wähnten auch mancherlei andere Nachrichten über Afrika, seine Produkte*
und seine Bewohner zusammengestellt. Vielfach auf Bio sich stützend, be-
spricht er im VI. Buche die Nil-Länder und führt viele dortige Orte und
Stämme auf, in deren Namen man bei emsigem Studium gewiss noch manche
Beziehungen zu den jetzt üblichen linden würde. Es darf freilich als sicher
gelten, dass der römische Compilator schon viele von seinen (Gewährsleuten
^räcisirte afrikanische Namen wieder latinisirt habe, was natürlich nur
gleichbedeutend mit Verstümmelungen derselben sein kann. Trotzdem ver-
mag man einzelne Namen herauszuerkennen. So die Ptoemphanae als Fung
S. 68), die Ptoembari als Bart, Gumcum entweder als Fdkumkum oder als
DuU-Giimffum, Zamnes als Semneh, Amodata als Hdmadbt, Berressa als
Bm'ezä. Ich stimme ferner mit Vivien de St. Martin darin überein,
dass des Plinius Davelli die Debdeleh'^), die Megabari die MeMarebäb •^) ,
«lass die Gymnetes und Anderae die Endera des Artemidor in der Sam-
härah unfern Masüah, dass ferner die Mesagebes die Seqäb ^), die Hipporeae
dieÄo/örä*) sein dürften. St. Martin identificirt ferner ganz folgerecht
des Plinius Olabi mit den Al/äb, die Symbari mit den Bäri^). Die
Paluogges des Plinius wollte unser Verfasser auf die »Poloudjs« Br un-
Rolle ts, die »Polounch« d'Arnaud's, auf die »Palenga« Thibaut's be-
liehen^). Nun glaube ich selbst in manchen ferneren Benennungen des
Plinius noch berberinische Anklänge zu finden, wage jedoch nicht, das
Gebiet der Vermuthungen nach dieser Seite hin weiter auszudehnen, als
dies zur Noth schon statthaft erscheinen dürfte.
Es wird erzählt, dass P. Petronius unter Kaiser Augustus einen
Kri^szug gegen die oberen Nil-Länder unternommen habe. Einige der
von Petronius berührten am Nile gelegenen Städte, wie Pselcis, Primis,
Xepata sind leicht zu erkennen. Andere Etymologien beruhen mehr auf
Vermuthungen, indessen mag St. Martin schon Recht behalten, wenn er
Cambusis mit Dabbek , heut Einbruchsstation in die westliche Bejüdah-
Steppe, Atteva mit Gezlret-Attab identificirt^).
Die Stelle: »regnare feminam Candacen, quod noraen multis jam
1) Centralafrikan. Vocabularien. 1. Abth., 8. LXVl.
2) Nomaden von ifc;«Ä- Herkunft.
3) St. Martin schreibt mit Burckhardt Mekarebah.
4) Nicht etwa Se^äb, nicht von Sex abzuleiten.
5) Vergl. A. d'Abbadie in Bullet. Soc. de G6ogr. XIV, p. 115.
6) Eigentlich Utt-Bätn d. h. die verbündeten (die conföderirtenj Bun. (S. H art-
mann, Nil-Länder S. a03).
7) Le Nord de lAfrique p. 171—177.
S) L. c. p. 161. 162.
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76 I- Abschnitt. IV. Kapitel.
aunis ad reginas transit« findet noch jetzt lebenden Commentar. Candace,
KanCakj altägypt., bedeutet eine regierende Frau. Davon werden wir nun
weiterhin noch der Jetztzeit angehörende kennen lernen, die freilich dermalen
unter den Titeln: Sitte [SitHnä), Suldänahy Merem figuriren.
Unter Kaiser Nero wurden zwei Hauptleute auf Erforschung der Nil-
quellen ausgesendet. Nach Seneca's Erzählung sind sie vom äthiopi-
schen Könige (?) mit Empfehlungen an die Nachbarstaaten versehen worden
und bis zu ausgedehnten Sümpfen gelangt, von denen die Eingeborenen
selbst nicht wussten, wie weit dieselben sich erstreckt haben. Die Haupt-
leute sind dann auf einem kleinen Fahrzeuge stromauf gegangen und end-
lich zu zwei Felsen gekommen, zwischen denen der Nil hervorbrach *) . Es
dürften hier wohl die Sumpfdistricte der Nuwer und SiHr^ sowie die Kata-
rakten Teremd' Garbo und Gandokt- Garbo ^) im JSari-Lande gemeint sein.
St. Martin hat nun den sehr dankbaren Versuch unternommen, die
von den neronischen Hauptleuten nach Abständen bestimmten Stationen ge-
nauer zu berechnen und in Beziehung zu unserer heutigen Nomendatur
festzustellen. Hiemach fielen stromauf von Syene oder Aman: Hiera Syca-
minos mit Maharräqqah^ Tama mit Semneh^ der Beginn des Evonymiten-
landes mit dem Nordtheile von Där-MahäSy Acina mit Hanniq, Pitara mit
Süaraty Tergedum mit Geziret-Tonqääi , Nepata mit Nqpqtq, Meroe mit
Meroe sie zusammen ^),
Bereits im Alterthume hat die Erzählung von einer abenteuerlichen
Forschungsreise von Leuten, welche der Jeunesse dorie angehörten (freilich
immer noch einer anderen als der geistig wie körperlich depravirten unserer
heutigen Zeit) grosses Aufsehen gemacht. Dem Herodot ist nämlich von
Cyrenaeem erzählt (und letztere haben es vom Häuptlinge der Oase Juppiter
Ammon's gehört — welchem es wieder erst mitgetheilt worden sein soll!)
es seien einmal fünf junge übermüthige Nasamonen (Bewohner von Ugilah)
Vergnügens halber durch die Wüste gegangen, hätten Fruchtbäume gesehen
und davon gepflückt, seien aber endlich von kleinen schwarzen Männern,
welche nicht einmal mittlere Grösse gehabt, gepackt und nach ihrer Stadt
geschleppt worden. Man hätte sich gegenseitig nicht verständigen gekonnt.
Längs der Stadt der Kleinen sei nun ein Strom von Westen nach Osten
geflossen, und sei dei-selbe voller Krokodile gewesen ^) . Man hat hinsicht-
lich dieses Stromes bald auf den Nil*), bald auf den Niger gerathen.
Indessen hat Vivien de St. Martin mit völliger Bestimmtheit nachge-
1) Natur, quaest. VI, 8.
2) Vergl. die sehr hübsche Abbüdung der Katarakte von Teremö-Garhö in W. v.
Harnier Reise, Taf. 18.
3) Le Nord etc. p. 169—171.
\) Herodot Lib. ü, cap. 32.
5) So auch der Erz&hler des Abenteuers, der Ammonier Etearchos, nach Rückkehr
der Nasamonen. L. c. cap. 33. 34.
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Nachrichten, welche uns die Alten von Afrikas Völkerschaften hinterlassen haben. 77
wiesen^ dass mit jenem Flusse der Nasamonen das Thal von Waryelä ge-
meint sein müsse, welches zur Winterszeit Wasser enthält und bei seinem
froheren grösseren Wasserreichthume , auch eine üppigere Vegetation von
fruchttragenden Häumen und selbst Krokodile ernährt haben dürfte. Was
jene Schwarzen der Nasamonen anbelangt, so sagt Duveyrier hinsicht-
lich der Bevölkerung Waryelä^s, dieselbe sei schwarz und zwar theils in Folge
von häufiger Vermischung mit sudanischen, nigritischen Sklaven, theils in
Folge der Vermischung mit den bis in diese Gegenden hineinragenden
Garamanten ^). Die »kleinen schwarzen Männer« könnten (vergl. S. 74)
ganz wohl Tedä gewesen sein.
Die schon erwähnten für die Alterthumskunde Ostafrikas so wichtigen
Ruinen von AAsüm (S. 16), welche uns mit reger Erinnerung an das zu
Beginn der christlichen Aera blühende griechisch-abyssinische, das aksumi-
tische Reich erfüllen, zeigen die schon erwähnten in, wie mir dünkt,
eigenthümlichem Style ausgeführten, an ihrer Vorderfläche Reliefdarstellungen
von Werkstücken von Thüren und Fenstern enthaltenden Obelisken, sowie
eine sieben Fuss hohe mit Inschriften bedeckte Stele. Die eine dieser In-
schriften ist eine griechische und noch ganz lesbar. Dieselbe rührt vom
Könige Aizanäs her und ist nach H. Salt's Copie durch Boeckh^) und
den Lazaristen Sapeto 3) übersetzt, neuerdings auch wieder durch Heuglin
erwähnt und (nach Boeckh) abgebildet worden *). Rueppell hatte aber
ausserdem noch zwei in Gi^ez abgefasste Inschriften aufgefunden, copirt
imd von einem gebildeteren abyssinischen Geistlichen zu Catro übersetzen
lassen^). Später hat Prof. Koediger eine andere Uebersetzung nach dem
von Rueppell abgebildeten Texte®) veröflFentlicht, Sapeto eine noch an-
dere^), Dillmann wieder eine^). Die besten Commentare zu den ge-
nannten aksumitischen Inschriften findet man übrigens in einem Aufsatze
Vivien de St. Martin's«).
In der griechischen und in den äthiopischen Inschriften zeigen sich
«um Theil dieselben Dinge mit dialektischen Verschiedenheiten erwähnt.
Ueber letztere möge man nun bei St. Martin (1. c. p. 49] nachlesen.
1) Touareg p. 288.
2) Coipu« inncript. III, p. 515.
3) Viaggio e nussione cattolica, p. 391.
4) Reise nach Abyssinien, S. 147, Taf. daselbst.
5) Reise in Abyssinien 11; S. 280.
6} A. o. a. O. Atlas Taf. 5. Roediger in Halle'sche allgemeine Literaturzeitung
N. 105. 107. Juni 1839.
7) NouyeUes Annales des Voyages 1845, II, p. 300.
8] Zeitschr. der deutsch, morgenländischen Gesellschaft Bd. VII, 1853. S. 355.
9) Eclaircissements g^ographiques et historiques sur Vinscription d'Adulis, et sur quel-
ques points des inscriptions d'Axoum. Memoire lu h Facad^mie des inscriptions et helles-
lettres en aoüt 1863. Paris MDCCCLXIV. Le Nord de FAfrique, p. 224-236.
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78 I- Abschnitt. IV. Kapitel.
Der erwähnte König 'AeiCava? (AeiZAHAC) König der Könige ^i,
nennt sich König der M^ksumiten (AHUJIITUÜH), Homeriten (OMHPI-
TUÜN), von Raidän (PA6IAAH), der Aethiopen, Sabäer, von Site ;CI-
AEH), Ttämd (TIAMUU), der Bugaiten (BOTI AeiTUUN) und von Ka$'e
(KA60T)2). Was Aizanäs selbst anbelangt, so wurde dieser von Ruep-
pell mit dem »La a^ö»« der durch ihn gesammelten Königslisten identi-
ficirt^). Dieser König soll 345 n. Chr. den Thron bestiegen haben. Er
ordnet der Inschrift zufolge eine Expedition gegen die rebellischen Hugaiten
(et^vo; TÄv BooYaeiTttiv der Boeckh'schen Umschreibung) an und ernennt zu
Befehlshabern dieser Expedition seine Brüder Satazanas oder Aizanäs
(C fundeutlich] AI AZA NA) und Adephäs, Die Expedition hat den Erfolg,
dass eine Anzahl Bugaiten gewaltsam in dem Innern des aksumitischen
Reiches angesiedelt werden. Vivien de St. Martin hebt die Wichtigkeit
der Namen des Königs Aizanäs und auch des Salazanäs hervor, diese Namen
bestätigten die Echtheit des vom Kaiser Constanz an DAlzana und nSazam
gerichteten Briefes. Letztere aber gälten bei dem um dieselbe Epoche
schreibenden St. Äthan asius als Könige von Aksüm, Das wohlbekannte
Datum jenes Briefes (356) liefere aber wieder ein Mittel zur Controle der
Königslisten in der grossen Chronik, welcher zufolge der um 356 regierende
König den Namen nEla-Sdm gefuhrt haben sollet).
Heu gl in dagegen macht geltend, dass, wenn nLa-Sanvi (wie dies nach
Rueppell anzunehmen sei) der zweite Nachfolger nSara-Din^s^iy des ersten
christlichen Aethiopenkönigs, gewesen, er sich als Christ nicht habe Sohn
des unbezwinglichen Ares (ulo; Oeoo ävixti^too "Äpso)? der Umschreibung)
nennen können. Nach einer in Heuglin's Besitze befindlichen Chronik
hätten die ersten christlichen Könige nAbrSham und »Aisba^afn um 245
n. Chr. regiert *) .
Es ward übrigens schon vor Heuglin als sicher angenommen, dass
TiiAbrehaii und ^^AtzbeKaai ^) die ersten christlichen Kaiser von Habes gewesen.
Diese durch Frumentius [Abä-Saläma] zum Christenthume bekehrten Brüder
kommen unter dem 4. Tekemt oder Oktober (dem IL Monat des abyssi-
nischen Jahres) im äthiopischen im Ge>ez verfassten Kalender vor. Nach-
dem die Beni-Qures das christliche Heiligthum von Sanü^a mit Koth be-
sudelt, welches durch AbreKa als Herren Jemen's hierselbst errichtet worden ^) ,
1) Wie noch jetzt in unseren Zeiten der abyssinische König »ich Kegüs-Negäat nennt,
entsprechend dem SäK-i-SöK der Perser.
2) A. a. O. S. 284.
3) L. c. p. 41.
4) Reise S. 147, Anm.
5) Sapeto identificirt in seinem »Tarik-Kegüsti« die Könige ^^El-Abreham und ^B-
Atzheha« mit »Aizanaa und »Saiazanm der griechischen Inschrift von Aksüm. (Viaggio e
missione p. 375. 391).
6) Um nämlich den mit der MeHah -Wallfahrt verbundenen Handel nach sich ziehen
zu können.
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Nachrichten, welche uns die Alten von Afrikas Völkerschaften hinterlassen haben. 79
brach dieser oben erwähnte Fürst auf weissem Elephanten reitend und noch
andere der Riesenthiere mit sich nehmend^ nebst grosser Heeresmacht zur
Züchtigung der Qurei auf. Allein irre geführt durch Ahü-Qalib, Moham-
med^s Oheim, traf seine Rache nicht den schwarzen Stein zu Mekkah,
sondern einen bei Däjlf gelegenen Osiristempel. Nach der Sage soll nun
ÄbreJkCs Elephant am Eingange des Tempels von Mekkah störrisch ge-
worden sein, nicht haben hineindringen wollen. Darauf, heisst es ferner, sei
von der Seeküste her ein grosser Vögelschwarm gekommen, habe glühende
Steine auf Abreha^s Heer geworfen, auch sei dies durch eine Wasserfluth
decimirt worden ^) . H engl in 's Einwurf, ein christlicher König habj
sich nicht Sohn des Ares nennen können, erscheint mir nicht stichhalti«».
Bemerkt doch Rueppell selber, die aksumi tischen Fürsten hätten erst gegen
Ende der Regierung des y>La Sana (f 356 n. Chr.) das Christenthum ange-
nommen; ob sie aber vorher zu einem heidnischen oder vielmehr zu dem
jüdischen Religionscultus sich bekannten, sei trotz der Abkunft von einem
Kriegsgott, deren sie sich rühmten, nicht mit Sicherheit auszumitteln. Audi
als Christen konnten die Fürsten sich immer noch Abkömmlinge des Ares
nennen, wie es ja heut noch Adelsgeschlechter giebt, die in ihrem Stamm-
baum ohne Bedenken bis in die heidnische Römerzeit hinaufgehen. Aber
was rühmt sich z. B. nicht Alles der directen Abkömmlingschaft von Pro-
pheten, Chinesen, Kiryiz, O^'zbegen, Perser, Türken, Araber, Funffy Kanbrt,
Futän u. 8. w.
Recht wichtig für die gesammte Völkerkunde Afrikas sind nun die
ethnischen Benennungen in der griechischen Inschrift. Erstlich geht aus
ihr hervor, dass äthiopische, d. h. hier abyssinische Krieger zu
wiederholten Malen einen Theil der arabischen Halbinsel erobert hatten und
denselben durch lange Zeitläufe hindurch besetzt hielten. Denn die Aksu-
miten, über welche Aizanäs herrscht, sind Abyssinier, die Himyäriten (griech.
Homeriten) sind Südaraber 2), virie die Bewohner von Eaidän, arab. ütäd,
und die Säbaeer nach Saba^a benannt. Während dieser Beherrschung mögen
die afrikanischen Aksumiten von den durch sie beherrschten Arabern
manches letzterem Volke in seinen Anschauungen und Sitten Eigenthüm-
Üche angenommen haben, was ihnen früher fremd gewesen, jedoch heutigen
Tages noch in ganz Abyssinien wieder gefunden werden kann.
Tiamö entspricht dem heutigen y>Tzamd<i im IJistrict von i>Tzamm, an
1) So erzählt die 105. Sure des Quriän. Gewöhnlich nimmt man nun an, jene
»glühenden Steine« hätten die Pockenkrankheit [Variolae) bedeuten soUen. Vergl.
C.Harris, Highlands. D. B. I, S. 37. J. Neumann, Lehrbuch der Hautkrankheiten,
n. Aufl. Wien 1870, S. 83 u. A. Das hohe Alter dieser furchtbaren Krankheit ist unbe-
streitbar.
2) In der von Rueppell publicirten (durch den abyssinischen Priester zu Cairo ver-
fftssten) Uebersetzung heisst es »Hanuirw<.
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80 I- Abschnitt. IV. Kapitel.
den Grenzen Agäme^s (Salt). Sile ist, wie auch Salt^), St. Martin^)
und Heuglin^) annehmen^ jedenfalls das heutige Zela^, Die Bugaiten
sind zweifelsohne die Bejah Maqrizi^s und Anderer. Den Namen Kose will
Rueppell auf den District von nAkelo-Kasah nordwestlich von Adüwa
beziehen^). Dillmann dagegen identiiicirt diesen Namen, welchen er Kas
liest, mit dem ägyptischen Kai, Km (S. 44) ^). St. Martin wieder scheint,
so viel geht mir wenigstens aus seinen Worten hervor ß), diesen Namen
Käse mit KhaSy richtiger Qcw, einem Vulgämamen für die Provinz Täqah,
nämlich Beled-el-Qai , zusammenbringen zu wollen. Allein Qas bedeutet
im Äwdän- Arabischen Gras, Heu, Stroh und enthält hinsichtlich TäqaVs
eine Anspielung auf den Gras-, den Steppen reich thum dieses Landes. In's
»Qoi" gehen« bedeutet in O^X-Südün im Allgemeinen so viel als in die Gras-
steppe hinausziehen, im Hesondern aber auch nach Täqah wandern. Kose
der aksumitischen Inschrift müsste daher entweder, wie Rueppell angiebt,
auf r>Akelo-Ka8an oder auf Kai (D i 1 1 m a n n) , oder auf die Xäze sprechenden
r>Kha8a<i MasüdVs und Ab^ül-Fedä*s zu beziehen sein. Ein Endurtheil wage
ich hier nicht zu fällen. Dagegen könnte T0-KA60T wohl mit Täqah
(Heuglin) ') oder Täküe in Verbindung gebracht werden.
In den schon früher erwähnten G^^'e^ - Inschriften von Aksüm wird
der Feldzug eines aksumitischen Königs gegen Falasä (Roediger, nach
Anderen gegen Nöhah(i]] verherrlicht. Leider sind diese Inschriften sehr
verstümmelt und lassen manche Zweifel über eine richtige Interpretation zu.
Die Titel, welche sich der aksumi tische König in jenen Documenten bei-
legt, ähneln denen der vorhin besprochenen griechischen Inschrift bis auf
gewisse schon flüchtig erwähnte Varianten in der Rechtschreibung. Die
altäthiopische Inschrift enthält übrigens nicht den in der griechischen
voranstehenden Namen der Aethiopen, der König heisst hier vielmehr
liBese - Halenik, Pater Sapeto übersetzt dies mit Mann von nHalenni.
St. Martin nimmt an, mit t^Halena sei wohl derjenige Stamm gemeint,
welchem der König angehört habe. Allein dieser Name sei absolut unbe-
kannt in der abyssinischen Ethnologie. Ich meine nun, nichts läge näher,
als den Namen Haien mit demjenigen des noch heut blühenden grossen
Befahr-Stamiaes der Halen-qä (Leute.des, von Holen) zu identificiren. Wie
1) A voyage to Abyssinia, p. 411. 412.
2) L. c. p. 44.
3) Reise S. 153.
4) Reise in Abyssinien, II, S. 282.
6) A. o. a. O. S. 356.
6) »La y^ritable signification du mot nous parait beaucoup plus proche et plus simple
(als diejenige von Rueppell, Di 11 mann). Place comme il Test h cdte des BougaVtes ou
Bodja, ü nous semble tout naturel d'y retrouver le nom de Khas que les Bodja du Taka
et des plaines avoisinantes du C(^t^ de Test donnent k leur pays.« J^. c. p. 46).
7) Also verstehe ich auch Salt 1. c.
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Nachrichten, welche uns die Alten von Afrikas Völkerschaften hinterlassen haben. 31
intereesant ist es doch zu erfahren^ dass diese äalin-qäy welche uns zwar
kritiklose^ dafür aber desto arrogantere Reisende und Orientalisten immer
von Neuem aus der arabischen Halbinsel verschreiben (und dies trotz sicherer
Nachweisung eines vpn diesen äalSn-qä noch 1860 gesprochenen
Bejah' Paiois) in Ostafirika schon zur Zeit der Macht Aksüm^s eine ge-
wisse politische Rolle gespielt haben.
St. Martin erinnert gelegentlich daran^ dass die griechische Inschrift
auf eine Verpflanzung von Befah nach dem Innern des aksumitischen Reiches
hinweise ') . Derselbe möchte nun hieraus den Ursprung der Provinz Be-
genubr ableiten , denn nBeffh-mid^ bedeutet seinen Ansichten nach Land
— wud^ — der nBeffaa [Bejah) . Allein meines Wissens lnuss der Name
Bege^-Mfder von Beg — Schaf und Meder — Land, District hergeleitet wer-
den, sodass das wegen seiner Schafzucht selbst im Sennär gepriesene Grebiet
auf deutsch »Schaflandu zu tituliren wäre.
Es enthielten aber auch die Ruinen von Adutis ihre Inschriften, welche
bereits viele und gelehrte Ausleger gefunden^). Eine von Ptolemaeus
Euergetes herrührende zeigt viele geographische und 'ethnische Namen,
welche ich hier nach dem so gründlichen Commentare St. Martin 's wieder-
gebe und mit einigen Bemerkungen begleite. Wir wollen nunmehr einer
einfachen Aufzählung besiegter Länder und Völker folgen, deren manche
uns schon aus den aksumitischen Inschriften bekannt sind.
Ueber die Bedeutung von Tiamo, Tiafim, oder Tziamö, TCtafio», ist
schon weiter oben (S. 80) gesprochen worden. Aüa würde mit dem heutigen
AAwa identificirt werden, der bekannten Hauptstadt von Tigrie, Oambelä
(PafA^iXa) entspricht dem heutigen Gambelä in der Provinz Enderia (Salt).
Während die Namen Zingabe^e (ZiYYaßTjvJ), Angabe {'AY^aßi) und Tiamä
(Tiafiaa) unsicher bleiben (St. Martin), lassen sich Athagao ('A&aYaci>) auf
Adago und Kala (KaXaa) entweder auf das oft wiederkehrende Oälä (arabi-
sirt Qälah — nicht Qala^a) für einen hohen, steilen Berg [Amba] ^) oder,
wie St. Martin annimmt, auf Ti>Kaluea in Semien beziehen. Sanune*8 (Da-
(uve) Charakterisirung trifft sehr genau das bergige Samten oder Senden^].
Die Namen Lasine (Aaatval], Zä (Zaa) und Oabalä (FaßaXa) entsprechen
denen einstiger Districte (Cosmas). St. Martin meint übrigens der Name
Lasine könne* auch vielleicht auf das Gebiet der Bazenä, das Bazen, be-
zogen werden (?) . Atalmö ('AtoX^m^) ist ganz zweifelhaft. Bega ist bekannt.
Annme (Avvtvi und Metine (Meitvi) beziehen sich sehr wahrscheinlich auf alte
B^'o^Stämme. Die XipavwTocpopoi ßapßapoi betrefien die an Libän, Kerbafä
[Bahamodendron Myrrha) ergiebigen Districte westlich von Tagüri und
1) L. c. p. 46.
% Schon Cosmas, der Indienfahrer, kannte jene.
3} NatOrlich urflrde hier eine bestimmte Oälä gemeint gewesen sein.
4] Nicht aber den unbedeutenden Thill-Sfuimuieh in Fäzoqio.
Hartatan. Nigriiier.
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82 I- Abschnitt. IV. Kapitel.
Berbera^. Die Sesea (2saia) bezieht St. Martin sehr treffend auf die >Fm-
§ömäU, die Rhauai fPaoacov Iövtj, Ptolemaeus Rhapsii?IV, VIII) auf
die Arüsi. Die Solaie (^loXate) bleiben unsicher. St. Martin glaubt ferner
und er hat wohl Recht, dass Güzi (raC>3 e^vo;), nicht ^ie Salt will, auf die
Stadt Adde-Gadü im Norden von , Tigrie, sondern auf die nGazn, ^gahä
überhaupt angewendet werden müsse, die heutigen, das Tigrifia sprechenden
Bewohner von Tigris, Die Agdme ('AYotfiai) sind sicher Bewohner der Pro-
vinz Agämey die Sigyen (SquTjv) vielleicht i^Tsigan^ (?) angeblich ein Agätt-
Volk in Agäu'-Meder('i),
Heuglin hat nun angegeben, dass fünf Meilen westlich von Akmn
das Dorf MadüRd li^e, wo sich Trümmer und Obelisken finden sollen;
dies auch zu ^ahaa. nordöstlich von Adüwa. Schimper habe umgestürzte
Obelisken zu itDingilehm im Thale von r^Hanzien^ und ein altes Souterrain
bei )) W6goro<i am Ufer des » Wore^i gesehen ^) .
Vieles Aufsehen femer hat schon seit älterer Zeit eine Inschrift im
Tempel von Talmis oder Qaläbieh, Wädt-Kenüs, gemacht, welcher zufolge
Silcoy christliches Oberhaupt der »Nubaden und aller Aethiopen<i (ßa^iXtoxo;
NoußaSiov xal oX«>v xcov Ai&ioircov), seine Siege über die Blemmyes (BA^|jli>&;)
feiert. Dies Volk erscheint nach Eratosthenes^) an der Seite des rothen
Meeres neben den Megabaren [Mekkarebaby S. 75), nach Cl. Ptolemaeus
Karte (Parthey) östlich vom Astapus , nach Claudian aber unfern
Sffene^), Lepsius hielt diese Blemmyer für einen Zweig der meroi-
tischen Aethiopen, der heutigen Beiärln*). Oben (S. 47) haben wir
gesehen, dass die Blemmyer mit den Bqlnemmötii Etbäy*8 identificirt wonlen
waren. Demnach müssten sie wohl sehr alte Bewohner der Nil-Länder
gewesen sein.
St. Martin hat nun hauptsächlich auf Plinius, P. Mela und auch
Neuere siöh stützend, die ^Bhmye»^ für Bewohner Libyens, für Bewohner
von Bilmah erklärt, welche zu den Tedä^) gehören. Des Avienus, durch
unseren französischen Fachgenossen citirte Darstellung ^) :
Post Blemyes medii succedunt solis habenas,
Corpora proceri, nigri cute, viscera sicci,
Et circumvincti nervis exstantibus artus.
Hi celeri molles currunt pede semper arenas,
Nee tamen impressae linquunt vestigta plantae ') .
dürfte schon auf die Tedä passen , welche besonders hoch , dunkelfarbig,
1) Reise S. 153.
2) CT Strabo, Hb. XVII, p. 780.
a) De Nilo V. 19.
4) Briefe, S. 204.
5) Ver^l. auch Litteratur über die Blemtnyor Let rönne Materiaux p. 26fr.
0) Le Nord de lAfrique p. 77 ff.
7j Avienus Descr. orbis terrae V, 329 ff.
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Nachrichten, welche uns die Alten von Afrikas Völkerschaften hintedassen haben. §3
hagBt und nervig » sich mit Gewamttheit i« ihren heissen Wüsten zu be-
wegen verstehen. Jßs hat für uns nichts Widersinniges^ den Namen Blem-
tm/es von BibuMk abzuleiten. Indessen bliebe noch die Angabe der Alten
vom östlichen Vorkommen dieses Volkes zu erklären. St. Martin stellt
es als sehr wahrscheinlich hin, doss die Alten den Namen Blemmyer auch
auf nomadische Stämme der arf^bischen Seite im Süden des ägyptischen
NU (unfern B^ah) als eine allgemeine und ihnen geläufig gewordene He-
zeicbnui^g übertragen haben dürften. In diesem Falle behielte Lepsius
Recht, indem er die Blemmyer mit den Beiärin in Keziehung bringen wollte.
Die früh^ erwähnten etymologischen Beziehungen der hierogljrphischen Bai-
netmnöui dürften alsdann ebenfolls ihren Hatz behaupten.
Hiermit schliesse ich für das Erste die obigen Hetrachtungen , welche
trotz ihrer laickenhaitigkeit dennoch ein ungefähres Bild der Beziehungen
zwischen den gebildeten Völkern des AUerthuws und den barbarischen Stäm-
men Afrikas gewähren dürften.
V. KAPITEL
Deber die Nachrichten mancher neuerer Autoren von ost-^, inner- und
westafrikanischen Stammen.
Da9 Mittelalter lieferte wie männiglich bekannt nur wenige Bei-
tfüge aiur K^sntniss Afrikas und seiner Bewohner. Die Schrifteteller der
ambischen Gtlanzepoche sind es hauptsächlich , denen wir zum Theil aller-
dings sehr Vorzügliches aus dieser Zeit verdanken, so dem ^Abd-el-Ladif,
Idris (Bdrisi)^ Maqrizi. Dea Lotateren JStäh-el'Xedädi liefert ganz aus-
gezeichnete Beiträge zur Kenntniss der Kopten, der arabischen Einwände-
magen^ der B^fah. Dem Idris verdanken wir die sorgfältigsten Darstel-
lungen aus der afrikanischen Erdbeschreibung. >Abd-el-Ladif erscheint
uns wichtig als geistvoller Erforscher ägyptischer und sudanesischer Natur-
produkte.
Erst an der Grenze des Mittelalters und der Neuzeit geht es
lebhafter zu auf dem Gebiete der Afrikaforschung. Loo Africanus ge-
währt uns einen tiefen Einblick in die W(^ der älteren innnerafrikanischen
Völker- und Staalenverbältnisse. Ohne ihn vermöchte Niemand an eine
Geschichte der afrikanischen Menschheit sich zu machen. Ihm schliesscn
sich würdig an Masüdi, Ibu-Xaldun, Ibu-Badüclah, El-Baqri
^. a. Spätere. Die grossartigen Entdeckungen der Portugiesen eröffiien uns
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84 I- Abschnitt. V. Kapitel.
neue Quellen der Erkenntniss. Hauptsächlich sind es Geistliche^ welche die
gewissermassen an der Spitze des Schwertes gewonneneh Ergebnisse der
»Conquista« als leider fast einzige intellectuelle Vertreter damaliger Zeit der
Nachwelt überliefert haben. Ihre Namen werden noch oftmals in dieser
Arbeit Erwähnung finden. Fleissigen und zum Theil mit sehr guten Mate-
rialien ausgerüsteten Sammelautoren, dem Marmol, Pigafetta, Dapper,
Ludolf, Purchas u. A., haben wir es zu danken, dass eine Fülle sehr
brauchbarer, aber weithin zerstreueter und dadurch leicht einmal der Ver-
gessenheit preisgegebener Nachrichten uns erhalten geblieben ist.
Die Hauptarbeit auf unserem Felde gehört der neueren Zeit an.
In Berücksichtigung nun, dass schon G. Fritsch im ersten Kapitel seines
anthropologischen Werkes eine wenn auch kurze, so doch sehr übersichtliche
Darstellung der neueren Leistungen in der Völkerkunde Afrikas gegeben
hat, kann ich mich in meinem Vorhaben, hier eine Reihe von neueren
Verfassern über Ost- und Innerafrika Revue passiren zu lassen, eines Wei-
teren bescheiden und begnüge ich mich damit, nur einige vielgenannte
Autoren durchzunehmen und, wenn man will , bei dieser Gelegenheit auch
durchzuhecheln.
Vortreffliche, in einfacher klarer Darstellung gehaltene Nachrichten
über Där-Für gab Browne nach seinem dreijährigen zum Theil gezwun-
genen Aufenthalte daselbst, einer jener seltenen Reisenden, welche Scharf-
blick und Wahrheitsliebe mit Talent zur Wiedergebung des Gesehenen
verbinden. Wir finden die Browne 'sehen durch manche Zusätze ergänzten
Beobachtungen in einem wenig bekannten Schriftchen auf sehr übersichtliche
Weise zusammengestellt ^j .
Der Schotte James Bruce (of Kinnaird) bereiste in den Jahren
1768 — 73 Abyssinien und Sennär. Verfasser dieses Werkes hat im Lande
selbst zu seiner eigenen Freude und Genugthuung Akt nehmen können von
der Beobachtungstreue und dem Darstellungstalente des muthigen Reisenden,
welchem der boshafte Neid elender Philisterseelen daheim die Früchte lang-
jähriger Mühe zu schmälern die härtesten Anstrengungen versucht hatte.
Bruce's Mittheilungen über Där-Sermär^ über die Pung, ihre Sitten, Ge-
bräuche und ihr Regierungswesen, passen zum nicht geringen Theile selbst
noch gegenwärtig auf die dortigen Zustände, wie sie sich sowohl in der heu-
tigen Provinzialhauptstadt am blauen Nile, als auch in der Residenz der
Schattenfürsten am Gebel-rüle, offenbaren.
Ein Reisender von höchst rühmeiiswerther Beobachtungsgabe und von
unerschütterlicher Wahrheitsliebe ist der Schweizer Joh. Ludwig Burck-
hardt, der auch in dem Wenigen, welches er uns über die Nigritier zu
bieten vermocht, durch erwähnte Eigenschaften sympathisch stimmt.
1) Geographisch-statistische Nachrichten über das Neger-Reich Där-Für im inneren
Afrika. Wien 1802. 8.
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Nachrichten mancher neuerer Autoren von ost-, inner- und westafrikanischen Stämmen. 85
Mit den zur Eroberung von Beled-^el-Berabra und von Senhär in den
J. 1821 — 24 ausgesandten ägyptischen Truppencorps gingen auch mehrere
Europäer nach dem »Lande der Schwarzen« , darunter gebildete und streb-
same Männer, von welchen uns der Italiener Brocchi nur aphoristische
(posthume), aber doch zum Theil auch sehr treffende Bemerkungen hinter-
lassen. Der am häufigsten genannte von diesen Europäern ist Cailliaud
Ton Nantes. Er drang mit Ismä^il-Bäsa, einem wahrhaften Conqui-
stador im älteren, besseren Sinne, bis in die Berge von Där-Berdät und
Ton Bem-Sanqül vor und gab ein grösseres von vielen Abbildungen beglei-
tetes Werk über seine Reise heraus. Cailliaud hat sich als umsichtiger
und zuverlässiger Topograph nicht geringe Verdienste erworben, hat in
aiehäologischer Hinsicht bezüglich der meroitischen Gegenden bahnbrechend
gewirkt, auch in Bezug auf Ethnologie manche brauchbare Mittheilung über
Wohnsitze, Kleidung, Sitten und Gebräuche der von ihm besuchten Völker
geliefert. Nun erscheint es aber sehr betrübend, dass dieser Mann einen
nach meinem Urtheile gänzlich gehaltlosen »Essay« über die Stammeseinthei-
lung Ost-Südan^s ausgearbeitet, welchen hierunter wiederzugeben ich mich
nur deshalb veranlasst fühle, weil besagter Essay selbst in Deutschland
enthusiastische Verehrer gefunden hat. Cailliaud sagt nämlich Folgendes :
»Man bemerkt unter den Bewohnern des Königreiches [Sermär) und seiner
südlichen Grenzländer eine bedeutende Blutmischung von Negern, aus
Sudan gekommenen Fremden, Arabern und Aethiopen mit den eigentlichen
Eingeborenen. (Le m^lange du sang) »a produit par suite de temps six classes
tdlement distinctes, qu'il n'est aucun individu qui ne sache re-
connaitre ä laquelle il appartient.« Nun folgt eine sonderbare, fast
komische Aufzählung der sechs im Lande angeblich unterschiedenen und
daselbst angeblich mit besonderen Namen belegten Menschenrassen:
1) inEl "Asfar ^)ti die Gelben, die weniger gefärbten, arabisch redenden
Stänune mit glattem Haar. Stammen aus äegazy sind leicht an ihren Zügen
und an der Reinheit, mit welcher sie die arabische Sprache reden, zu er-
kennen. Kreuzen sich selten mit anderen Bässen. Cailliaud meint mit
diesen Asfar jene Nomaden, über deren Herstammung ich meine eigenen
von den seinigen gänzlich abweichenden Ansichten schon so häufig ander-
weitig dargestellt habe 2) und noch darstellen werde, dass ich es nicht der
Mühe werth erachte, gerade hier darauf zurückzukommen.
2) ^El-AXmar ^ja, die Bothen, mit rothem Teint, röthlichem, krausem
Haar und röthlichen Augen. Diese Basse hat ihre charakteristische Färbung
vielleicht von sudanischem Ursprünge. Sie ist die weniger zahlreiche. Möglich
1) JBl-Aifar,
2) Zeitschr. f. allgem. Erdk., N. F. Band XII, 8. 197 ff. Reise 8. 290, NU-Länder
8. 211, hier oben, 8. 3, im Qlobus u. t. vr.
3) £l'AXmar.
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86 I- Abschnitt. V. Kapitel.
dass Cailliaud ii^end wo etwas von jenen blond- oder rothhaarigen Leuten
östlich von Fäzoqlo vernommen, von denen später die Bed^ sein wird.
Was hätte er wohl sonst mit obiger Angabe sagen wollen? Die Leute i«
Sennär leiden zuweilen (nicht so stark wie in Aegypten und Nubien) an
Bindehautentzündung und haben in Folge dessen geröthete Augen, manche
Individuen verschiedener Nationalität (Fung, Bertä, Berähra, Befah) färben
ihr Haar mit Himiä roth. Be/ah, Sedäma, in gewisser Hinsicht auch Gülä,
FuläUj sind braun mit Spiel in Zimmet- und Kupferfarbe, höchsiteiis auf
diese könnte daher die Bezeichnung ^oÄhmara passen. Es bleibt bei Allem
doch völlig unklar, was der Verfasser sich unter jener von ihm angenom-
menen Rasse so eigentlich gedacht haben könnte.
3) y>El-S<mdan'azraq^)<i die Blauen. Farbe kupfrig, die Fun^ (i^owii^fi) .
Diese geistreiche, zutreffende Angabe passt etwa so zu den Fung, als wollten
wir Folgendes sagen: »Hommes verts, die Grünen. Farbe gelblich, die
Russen.«
4) »Bl'AAcdar^)«, die Grünen, haben Haare, wie Foungis. Ihre Züge
nähern sich sehr denjenigen der Neger. Cailliaud sagt uns nicht, welchem
Menschentypus diese grünen Jungen eigentlich angehören? Uns ist nicht
bekannt, dass der Haartypus der Fimg ein so urthümlicher wäre. Nun ähndn
aber audi die Züge der letzteren »deiien der Neger !a Was in aller Welt
soll man schliesslich unter jenen El-A%dar sich denken?
5) »El-Kat'Fatelolem ^)<(. Individuen dieser Klasse (es heisst hn Original
bald »classe« bald »race«) haben von Nr. l, also von den Gelben, und von
Nr. 4, d. h. also von den Grünen, je eine Hälfte, »c*est k dire q'uils sont
ä demi jaunes et demi verts.« Halb gelb, halb grün giebt aber bekanntlich
gelbgrün. Diese G«lbgrünen also haben glatte (schlichte?), manchmal etwas
krause Haare. In ihnen herrscht äthiopisches (?) Blut vor, eines ackerbau-
treibenden Volkes, dessen Farbe derjenigen der Abyssinier (?) gleicht. Dies
Volk entstammt jener zahlreichen Rasse, welche die Bevölkerung des alten
Aegyptens ( ! ? ) zusammensetzte.
6) mAhbits, AAbd^) ou Noübm, Aus Westen gekommene Negerstämme ;
bewohnen die JB^^ä -Berge, auf denen sie isolirt leben. Haare »cotonneux«
(warum nicht laineux?) gewöhnlich schwarz, etwas roth. Nasen weniger
platt, Lippen weniger dick, Wangen weniger hervorragend, wie bei Negern
Süd-Afrikas. Unter ihnen giebt es häufig Leute von regelmässig schönen
Figuren. (Musterhafte Schilderung ! )
Hört, denn nun kommt das Tollste, hört: »Les hommes qui ont au-
jourdhui au Sennär les cheveux rouges et les yeux roux passent pour etre
1) EtSüdän-azroq,
2) El'Axdar.
3) Soll wol heissen El-Qäd-Fatjlolirn?
4) ^Alnd, Plur. von ^'Abd, d. h. Sklaven.
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Nachrichten mancher neuerer Autoren von ost-, inner- und westafrikanischen Stämmen. §7
mechaas. Ou les frequente av€C repugnancey on les meprise et ce pr^jiige
de&TOiable semble avoir existe de tout temps. On pr6tend meme que le
saag de ces homines coulait souvent dans les sacrifices des anciens Egyptiens ;
j'ai, eu eßety remarque plus d'uue fois dans les peintures des hypogees ä
Thebes^ des personnages a cheveux rouges qui etaicnt garrottes et immoles *) .«
Ich glaube nicht, dass Cailliaud, welcher sich übrigens als ein
immerhin nach Wahrheit wenigstens doch strebender Reisender bewährt,
obige Angaben völlig aus der Luft gegriffen habe. Dieselben mögen ihm
doch von einem beliebigen in MerUa oder Bilbil berauscht gewesenen Faqlr
mitgetheilt worden sein. Die eigene Phantasie konnte dann auch mit ihm
durchgegangen sein. Ich erwähne hier nur beiläufig, dass man im Sennär
die Stämme nach ihrer Nationalität als Berühr Uy FuTig^ Berfä, Takläwln
u. 8. w. benennt, auch wohl Ausdrücke fiir die charakteristische Färbung der
Hauptslämrae [asumd schwarz, aKmar roth, asfar gelb) hat, dass aber von
oben erwähnter £intheiiuBg Cailliaud's selbst beim blödsinnigsten Dertcis
uicht entfernt die Rede sein kann. Ich hatte etwa acht Tage bevor ich mit
*A. V. Barnim unsere Reise nach Aegypten und Sudan antrat, zu meinem
Glücke in der Königlichen Bibliothek zu Berlin Cailliaud's oben citirte
Angaben aufnotirt und habe ihnen dann auch an Ort und Stelle ehrlich
nachzuibrschen gewusst. Ich kann fest versichern, dass ich mit diesen mir
schon von vom weg etwas bedenklich erschienenen Angaben sowohl bei
Europäern, wie auch Türken, bei Fellähin und Sudanesen, vorzüglich aber in
der Stadt «S'en^säf und am Gebel-Füley nur Kopfschütteln, nui: Heiter-
keit erregt habe.
Zwischen 1818 und 1827 Ijereiste Dr. Ed. Rueppell Aegypten,
Nubien und das peträische Arabien, in den 1840 er Jahren bereiste er noch-
Buds Ägypten und Abyssinien. Ein ernster, gewiegter Beobachter, freilich
auch nicht ohne herausfordernde Arroganz 2), sammelte Rueppell schätzens-
werdie ethnologische Nachrichten über die bereisten Gebiete ein und er-
scheint namentlich dasjenige, was er über die Beräbra und die sogenannten
San'kelä veröffentlicht, im hohen Grade beachtenswerth.
J. Pallme beobachtete und berichtete im Ganzen recht gut über Äbr-
düßm und die centralen Nachbarländer.
In die ersten Decennien unseres Jahrhunderts fallen auch die Reisen
der Mofianunedaner Sex Zen-el-^Abtdm (S. 24), und Se% Mohammed Ihn-
'Omar-el-Tunsi nach Där-Füry Wadäy und nach anderen Ländern Central-
SüdärCs, Ersterer hat in Dr. Rosen, letzterer hat in Ihr. Perron einen
1) Diese von Cailliaud angeführten altägyptischen Darstellungen hingerichteter Eoth-
haariger betreffen nun theils Israeliten, theils Ubü, theils Mesopotamier.
2) Fürst Pü ekler hat diese in zuweilen ganz widriger Weise und nicht ohne be-
rechnende Koketterie sich äussernde Eigenthümlichkeit des von uns sonst sehr hochge-
schätzten Reisenden in zwar herber, aber treffender Manier gekennzeichnet. A. o. a. O.
m, S.67.
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88 I- Abschnitt. V. Kapitel.
sorgfaltigen und geschickten Bearbeiter gefunden. Unter solchen Händen
ist aus den Mittheilungen jener scharfsinnigen und höchst gebildeten Orien-
talen etwas durchaus Erspriessliches für die Ethnologie hervorgegangen,
welches zugleich aber den erfreulichen Beweis liefert, dass der Geist eines
>Abd-el-Ladif, Idris und anderer Heroen der arabischen Glanzepoche
in den heutigen Moslemin noch nicht gänzlich untergegangen.
Von MoKamtned'^Ali-Bäiä mit grossen Vollmachten ausgerüstet, durch-
reiste der Oesterreicher Joseph Russegger in den Jahren 1835 — 1841
Aegypten, Nubien und Sennär und behandelte während dieser Zeit die wich-
tigsten ethnologischen Fragen mit solchem richtigen Tact und mit solchem
wissenschaftlichen Ernst, dass wir ihm eine Anzahl der trefflichsten Mit-
theilungen über die bisher so wenig bekannten Gegenden südlich, westlich
und östlich vom Moqren bei Xardßm zu Gute rechnen können. Russeg-
ger 's botanischer Begleiter, Dr. Theodor Ketsch y, hinterliess in seinen
Tagebüchern manche interessante ethnologische Bemerkungen, welche für
vorliegende Arbeit benutzen zu dürfen, mir der Bruder des Verstorbei\en,
Pastor Kotschy zu Bistrcziz in österreichisch Schlesien, mit liebenswürdige^
Bereitwilligkeit gestattete.
Ein von Natur sehr geistvoller, leider nicht gelehrt gebildeter, später
durch beklagenswerthe materielle Unfälle bedrückter und am Fortarbeiten
gehinderter Deutscher, Ferdinand Werne, hielt sich längere Zeit im
Sennär auf, machte den Feldzug des AKmed-Bäiä-el-Gerkesi nach Täqah
mit, untersuchte die vermeintlichen Ruinen von GebeUManderdh^ Namb
und Xeli (S. I8ff.), begleitete die zweite 1840 — 41 von den Aegyptem zur
Erforschung der Quellen des weissen Nil ausgesandte Expedition und ver-
fasste in der Folge mehrere wichtige Werke. »Werne 's ethnologische Be-
merkungen enthalten vieles Gute, sind leider aber auch nicht frei von unent-
wirrbaren Widersprüchen ^) .«
Nach Sennär drangen im J. 1848 Kowalewsky, Cienkowsky und
P. Tr6maux vor. Der begabteste und gelehrteste dieses Kleeblattes, der
als tüchtiger Physiolog, Zootom und Phytotom schon vielgenannte
Cienkowsky, hat meines Wissens nichts von Bedeutung über die suda-
nische Ethnologie von sich gegeben. Kowalewsky 's wenige über diese
Gegenstände veröffentlichte Bemerkungen haben äusserst geringen Werth^).
Tr^maux dagegen hat dicke Reisebücher mit zahlreichen eingestreueten
ethnologischen Bemerkungen veröffentlicht. Leider zeigt sich Tremaux'
ursprünglich recht glücklicher Beobachtungssinn durch einen auf nichts
weniger als auf wissenschaftliche Grundbildung gestützten Speculationseifer
vielfach getrübt.
Dr, A. E. Brehm machte sich durch seine ungemein lebens-
1) Vergl. Hartmann, Zeitschr. f. Ethnologie Jahrgang 1869, S. 288 Anm.
2) Vergl. darüber Hartmann in Zeitschr. f. Ethnologie 1869 a. a. O.
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Nachrichten mancher neuerer Autoren von ost-, inner- und westafrikanischen Stämmen. 89
frischen Schilderungen ostsudanischen Menschengetriebes in Haus
und Wald, in Freud' und Leid, in Krieg und Frieden auch in weiteren
Kreisen bekannt.
H. Barth' s Verdienste um die Ethnologie Innerafrika's brauchen hier
kaum besonders hwvorgehoben zu werden. Fehlte es dem grossen 'Reisenden
auch [und Barth gestand dies ja vielfach offen zu) an der zur Auffassung
des physischen Menschen nöthigen Vorbildung, so gehört doch das,
was er uns in Beaug auf Geschichte, Sitten, Gewohnheiten und Sprache der
Centiralafrikaner hinterlassen, zu den besten Leistungen aller Zeiten und Völker.
In dem Lieutenant Wilhelm von Harnier aus Rheinhessen haben
wir einen Mann kennen gelernt, welcher mit Scharfblick zu beobachten
und das Gesehene mit rühmlicher Treue wiederzugeben verstand^ hierbei
wesentlich unterstützt durch ein vorzügliches Zeichnertalent.
In Xardüm und am weissen Nile zu Heiligenkreuz und Qondöqoröy
hatten zwölf Jahre lang römisch-katholische Missionäre mit dem
ihrem Wesen eigenthümlichen Glaubensmuthe und mit wahrhaft aposto-
lischer Hingebung ihre mühseligen, durch manches Martyrium besiegelten
Bekehrung^rbeiten unter nigritischen Heiden angestellt, jedoch mit einem
durdiaus nichtigen Erfolge. Eine Anzahl dieser Missionäre haben Be-
richte über ihr vermeintliches religiöses Wirken unter widerhaarigen Kaffern
abgestattet, in denen manche Stücklein naiv-überwallender Schwärmerei den
angestrebten feierlichen Eindruck, für ketzerische Augen wenigstens, zu
schmälern geeignet erschienen *) . Indessen haben doch einige jener Mis-
sionäre, die Knoblecher, Dovyak, Kirchner, Beltrame, Morlang,
Kaufmann, in richtiger Erkenntniss des allein lebendig machenden Gei-
stes auch sehr brauchbare ethnologische Studien über die Stämme des
»weissen Nilesa ausgeführt. In dem Gymnasialprofessor u. s. w. Dr. J. C.
Mitterrutzner zu Brixen haben die oben genannten tüchtigen Männer
einen eben so fleissigen, wie umsichtigen philologischen Mitarbeiter ge-
funden 2).
Nach A. v. Barnim und mir haben noch Andere Sennär bereist,
Beurmann, Eugene Pruyssenaere de Lawoestine und E. Marno.
Der Schwerpunkt von Beurmann' s mehr topographisch als ethnologisch
eigebnissreichen Untersuchungen betrifft die Länder zwischen Nubien und
dem rothen Meere, sowie Fezzän'-^j, Pruyssenaere hat uns eine Anzahl
wertvoller, leider sehr aphoristischer tagebuchartiger Notizen hinterlas-
sen, mit deren Ordnimg, Ausarbeitung und Veröffentlichung jetzt Prof. K-
Zöppritz in Giessen und Schreiber dieses von den Angehörigen betraut
1) Vergl. %. B. Jahresberichte des MarienTereins, V, S. 16, 17, 21.
2) S. defisen «chöne Arbeiten über Denqa- und ^r7ri - Sprache , im Verlage der
A. Wegefuchen Buchhandlung zu Brixen.
3j Petermann, Mitth., Ergänzungsheft Nr. 15, S. 14.
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90 ^ Abschnitt. V. Kapitel.
sind. Jener Marno, wei^s nicht, wess Zeichens er eigentlich ist, hatte vor-
zügliche Gelegenheit gehabt, meine eigenen ethnologischen Beobachtun-
gen zu ergänzen und zu berichtigen. Sehr erspriesslich hätte es werden
können, wenn jener Reisende sich vorher mit mir in Beziehung gesetzt. Ich
würde ihn dann mit rücksichtsloser Offenheit auf die wunden Flecke meiner
eigenen geographischen und ethnologischen Nachforschungen aufmerksam
gemacht, ihn aufgefordert haben, nach dieser Richtung hin befruchtend zu
wirken. Nach vielmonatlichem, von ungewöhnlichem Glücke begünstigtem
Ümherstreifen durch ganz Se?mär, ja sogar bis FädoM^ hat uns Marno
U.A. einige geringfügige Berichtigungen der Barn im' sehen Karte und eine
Anzahl ethnologischer Schilderungen über die Fwiff, Abü-Röfy Denqa u. s. w.
gebraclit. Letztere zeigen häufig eine merkwürdige Uebereinstimmung mit
meinen eigenen. Trotzdem hat es Marno vielfach unterlassen, mich
dabei zu nennen *) .
Von dem nach langer banger Periode politischer Unmacht sogleich zur
ersten Zeit der Regierung Kaiser Wilhelms I zum Bewusstsein seines Selbst
gelangten deutschen Volke mit glänzenden, unter Auf bietung aller natio-
nalen Kräfte erworbenen Mitteln ausgerüstet, tiaten im Winter 1860 — 61
die Herren Th. v. Heu gl in und W. Steudner die sogenannte ^deutsche
Expedition nach Innerafrika« an. Wenn nun auch diese von der ganzen
gebildeten Welt mit äusserster Spannung verfolgte Expedition, vor welcher
ein wahrhaft ungeheures ethnologisches Material sich aufthat, für unsere
Wissenschaft keineswegs die erhofften Ergebnisse gehabt hat, so gab die-
selbe denn doch Veranlassung zur Publicirung mancher immerhin ganz
brauchbaren Notizen. Diese gelegentlich anzuführen wird Schreiber nicht
verabsäumen.
G. Lejean, sehr tüchtiger Topograph und gewandter Zeichner, leider
jedoch jeder auch noch so geringen naturgeschichtlichen Keuntniss
völlig bar, bereiste Habes und Ost-Südän, schrieb auch viele einzelne Auf-
sätze, sowie ein grosses dickes Buch über seine Reisen und Aufnahmen,
welches letztere ungemein reich ist an pikanten Anekdoten, in ethnologischer
Beziehung aber völlig geeignet erscheint, die Gefahr einer fast gänzlichen
Begriffsverwirrung heraufzubeschwören.
Vom Engländer John Petherick, einem Ingenieur, Handeismanne
und, wie seine Freunde ausposaunten ^ auch sehr grimmen Feinde des Skla-
venhandels, erhielten wir Schriften, über deren ethnologischen, zoologischen
Inhalt u. s. w. ich hier nur wiederholen kann, was ich schon früher darüber
gesagt habe: »nicht zu glauben, ohne zu lesen«^).
, 1) Die Erstlinge von Marno's schrlftstellerUcher Thätigkelt starrten Von einer
kaum glaublichen und von mir nicht im Geringsten hervorgerufenen Animosität. Sp&ter
hat sich das beträchtlich gemildert.
2) Archiv für Anthropologie, 1870, S. 189.
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Nachrichten mancher neuerer Autoren von ost-, inner- und westafrikanischen Stämmen. 91
Zwei nun schon vevstorbene Aer2te, Dr. Ck. Peney und Dr. Ori,
hibea ebenfalls ethnologkcbe Forscfaoiigen in Ost^Südän ^rieben. Eraterer
war lauge Jalire Chefarzt in Xardüm gewesen und hatte später mit De Bono
den wek&en NU bereist. Die sich darbietende herrliche Gelegenheit 2u
wissenschaftlichen Untersuchungen wurde ihm leider durch eine nur zu häufig
exacerbirende Dipsomanie schwer beeinträchtigt ^j . Dem Dr. Ori rühmt
man es nach^ dass er gute Arbeiten und Samndungen hinterlassen habe.
Wäre defti wirklich so, dann bliebe nur zu wünschen, dass landsmännische
Pietät mit seinem Nachlasse in gleicher Weise verfahren möchte, als dies
mit demjenigen des vortrefflichen, sehr begabten Brocchi (S. 85) ge-
sdieben ist.
Ein^e höchst würdige Mitglieder der eurcpäischon Kolonie zu Xardüm,
die Hrun-Rollet, Andrea Debono, Jules Poncet und weis» nicht
gleich wer sonst noch, haben ebenfidls den Kitzel in sich gefühlt zu schrift-
stellem und haben die Welt mit einigen Machwerken beglückt, welche im
Ganzen leider nur wenig für uns Brauchbares enthalten, keinesfells aber das
Lob veidienen, wddies ihnen nationale Eigenliebe zu zollen versucht ha*.
Gewisse Schriftsteller eben genannter Sorte haben ihre vielen in Ost-Südm
begangenen Niederträchtigkeiten durch die frechste Heuchelei z*i verdecken
geweht und darin von einigen europäischen Hehlern und Schwachköpfen
manchen Vorschub empfangen ^ .
Der Venetiancr G. Miani berichtete über seine Reisen am weissen
läle, an wekhem Strome er, wie skh herausgestellt, wirklich grosse Strecken
zurückgelegt hotte. Von seinen zahlreichen PuUicatioiien möciiten wir die
wahrscheinlich als wissenschaftlicher Reiseanhang gelten seilenden Gedidite,
letztere ganz im Style der »Fünf schöne neue Lieder«, der Beachtung
1) Der Herausgeber ton Penejr's hintertassenen Briefen (Bourg-en-Bresse 18V1)
bat W. V. Harnier beschuldigt, sich hinsichtlich des (übrigens gutmütkigen und liebens-
würdigen) Haktm-Bäsi »malveillant« geäussert zu haben. Es erfolgt dann der eines chau-
nnistischen Blagueurs würiige Ausweis für Harnier 's Handlungsweise: »Du reste, ne
Toublions pas, le baron Harnier est prussien,« wozu es denn keines weiteren Commentares
bedarf.
2) Vergl. H art mann in Zeitschr. f. Ethnologie, 1872, a.a.O. Herr Jules Poncet,
wüthend darüber, dass ich einige der von ihm unternommenen Raubzüge ohne Schonung
aufgedeckt hatte, äusserte Folgendes: »Un docteur de Berlin, Mr. Hartmann, passa h.
Kbartonm, apres la mort d'un comte prussien qu'il venait d'enterrer, en passant \i Rosseres.
n itait loi^mäme träB^mabde ; 11 reita ^ Khartoum pendant huit jours dans un 6tat eom-
plet d'agonle, et fut ensuite port^ ainsi dans une barque qui, par les hautes eaux, le traas-
fera au Calre. Arriv6 ä Berlin completement retabli, il publia un ouvrage en allemand sur
les pays qu'il avait visit^s moribond; bien plus, il parla du fleuve Blanc, quoiqu'il n'eüt
▼u qoe aon embonchore etc.« (Le Fleuve Blanc, p. 14()). Ich denke, ich kann midi bei
DemjenigeB, was ich »moriboad« beobaditet mid beschrieben habe, wohl beruhigen und
rathe Ehren-Poncet, seinen platten Witz an Aoderen zu versuchen. Das Wenige, was sich
in seiner Schrift Brauchbares findet, verdankt übrigens Poncet seinem Jäger und Be-
gleiter Theodoro Evangolisti aus St. Maria del Giudice, Prov. Lucca, welcher viel
enetgiscber und gescheuter gewesen, als jener sein literarischer Principal.
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92 I- Abschnitt. V. Kapitel.
etwaiger Schöngeister empfehlen. Es hiesB nun mehrfach^ M iani habe eine
ausgezeichnete zoologische und ethnologische Sammlung nach Venedig ge-
bracht. Verfasser sah noch jüngst im Museo civico Correr der Dogenstadt
die CoUezione Miani — er sah sie mit immer wachsendem Erstaunen. Nun
jedenfalls bilden der buntangestrichene gruslige Hyänenkopf mit gefletschten
Zähnen und das Oelportrait des Reisenden mit edlem weissem Patriarchen-
harte^ die schönsten Stücke besagter Sammlung.
Der gütige Leser wird wohl gemerkt haben , dass ich kein Freund
jener dilettirenden Nichts- oder Halbwisser bin, welchen einzelne Leute gar
gern den Ehrentitel von »Pionieren« heilten möchten und welche in unserer
Zeit auch eines literarischen Communardthumes wie Pilze aus der
Erde aufschiessen. Es steckt zu viel Canaille, zu viel Arroganz und Unsinn
in solchen Leuten. Sie streuen sentimentalen, kritiklosen Gelehrten mit
ihrem Gewäsche Sand in die Augen, verwirren das grosse Publicum durch
Dunst und Heuchelei , sie nöthigen den Eingeweihteren , nachher sich in
der undankbaren Mühe des Beinigens von Augiasställen abzuarbeiten. Ge-
wissen braven, schlichten ßereisem Südän^Sy z.B. einem Angelo Castel-
Bolognesi, Bayard Taylor, Piaggia dagegen erkenne ich gern den
Ehrentitel wahrer Pioniere zu.
Für Abyssiniens auch unser Gebiet zum Theil berührende Bevölkerung»-
Verhältnisse behalten neben den schon erwähnten Arbeiten von Bruce,
H. Salt, Ch, Beke, Rueppell, von Heuglin-Steudner und Le-
f^vure diejenigen Mansfield Parkyns', des Major C. Harris, des
Röchet d'H6ricourt, des Consul Walter Chichele Plowden, Mark-
ham's, der Missionäre Sapeto und L^on des Avanchers, der Gebrüder
d'Abbadie, Th. Munzingers und vorzüglich Seh w ei nfurth's grossem
Werth. Ueber die jS^aA- Stämme der ^Ahabdeh und Beiänn gaben uns
Dr, Klunzinger, Linant de Bellefonds und Schweinfurth die
beste Auskunft.
In Abyssinien und an der Ostküste wirkten mit ehrlichem deutschen
Fleisse die Missionäre Dr. Krapf, Rebmann und Erhard. Von ihren
Nachfolgern in Christo zu Sennar hört man leider um so weniger, viel
weniger als dies von Seiten der apostolischen Fachgenossen (S. 89) der Fall ist.
Um Ost- und Inner- Afrikas Erforschung erwarben sich femer zunächst
der kühne und geniale Major Richard Burton, dann die vortrefflichen
Capitäne Speke und Grant die glänzendsten, unbestrittensten Lorbeeren.
Diese Männer konnten Vieles ergänzen, was ihre übrigens sehr wackeren
Vorgänger, die Marineoffiziere Guilain, Owen, Boteler, der Consul
M ' L e o d, im Drange der Verhältnisse lückenhaft lassen gemusst. Der tapfere
Freiherr v. d. Decken und seine muthigen Gefährten haben in diesen Ge-
bieten das Mögliche zu leisten versucht.
R.Brenner, Decken's ehemaliger Begleiter, Dr. Kirk und Mis-
sionär Wakefield entfalten hier noch gegenwärtig eine unermüdliche
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Nachrichten mancher neuerer Autoren von ost-, inner- und westafrikanischen Stämmen. 93
Thätigkeit. Die Arbeiten der eben genannten Männer und noch anderer,
wdche hier aufzuzählen der Raum mangelt, sind sehr reich an für uns
Brauchbarem.
Werfen wir zum Schlüsse noch einmal einen kurzen Rlick nach dem
famem und nach dem Westen unseres Continentes. Ein würdiger Nach-
eiferer der Burton, Speke und Grant, Samuel White Baker, hatte
sich bdumntlich grosse Verdienste um die Erkenntniss Nordost- und luner-
Afrikas erworben. Es ist aber zur Zeit sehr bedauerlich zu erfahren, wie
der sonst so brave und umsichtige Baker seine schönerer Ziele würdigen
Kräfte in einem so höchst unerquicklichen und ungedeihlichen Unternehmen
Tenchwenden kann, jenem Unternehmen, von dessen immensen Kosten und
kli^chem Fortgange so manche Post aus Aegypten berichtet. Mit wie viel
geringeren Mitteln hat doch der von der Berliner Akademie der Wissen-
schaften ausgerüstete Dr, G. Schweinfurth die gewaltigsten, alle früheren
and jetzigen Baker 's weit übertreffenden Erfolge erzielt! Das sind wirk-
liche Erfolge, deren Tragweite zur Zeit noch kaum zu übersehen, kaum zu
beredmen ist, von denen aber fast jede Seite dieses Buches zu berichten
haben wird.
Den durch Lyon, Denh'am, Clapperton und Oudney, durch
Barth, Duveyrier und Rohlfs vorgezeichneten Weg zu den Garamanlen,
den Kanari, Mäbah u. s. w. verfolgte zur Zeit Dr. Nachtigal, uns ganz
Tonäglicbe ethnologische Arbeiten aus jenen Gebieten überweisend.
An der Westküste folgten dem älteren Adanson, M. Park, Gol-
berry. Des Marchais, Winterbottom, Meredith, Gray und Do-
chard, Hutton, Laing, Cailli^, Lander, Omboni, Bowditch,
Dupuys, M'Gregor Laird u. A., in neuerer Zeit Raffenel, Boilat,
Porbes, Bowen, Chaillu, Hutchinson, W. Reade, Mage und
Qnintin, Faidherbe, ^Aliün-Säl u. n. A. Für die ethnologische Er-
schliessung des portugiesischen Afrika haben in unseren Zeiten sehr Er-
spriessliches geleistet W. Peters, Livingstone, Gamitto, Botelho,
Fr. Travassos Valdez, L. Magyar und besonders der gelehrte Minister
Sä da Bandeira.
Es fehlt nicht an allgemeinen die Menschheit überhaupt und auch
die afrikanische behandelnden Werken und Schriften. Ich erinnere hier
nur an einzelne hervorragendere derselben i) . James Cowles Prichard^),
einer der Schöpfer der wissenschaftlichen Anthropologie, unternahm zuerst
^e ansfuhriidiere geordnete Bearbeitung des über die Afrikaner seiner Zeit
1) Die Aufffihrung gewisser anderer, speciellerer Werke, x.B. von Soemmering
ond van der Hoeven, Hunt, Pruner-Bey über die Nigritier, von Boilat über die
SenegalTölker, von 0. Fritsch über die A-BärUu, Khoi-khai-n und San u. s« w. wird
»piter erfolgen.
2) Natural History of Man.
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94 ^' Abschnitt. V. Kapitel.
vorbaxidenen Materiale$, un4 diese, obwohl in mancher Beziehung dunjiaii^
fehlerhaft^ bildet nichts desto weniger eine der besten und inhaltreichslen
Quellen für die Erkenntniss unseres G^enstandes.
Der vielbewanderte Oberstlieutenaut Ch. Hamilton Smith behan-
delte die Afrikaner auf originelle und in einiger Hinsicht unsere Erkenatws»
fördernde Weise ^), Manche recht treffende l^merkung fand ich in de»
allgemeineren Werken von Ch. Pickering 2) und von Roh. Gordea
Latham^). Th. Waitz lieferte uns ein mit ungeheuerem Pleisse zusam-
mengetragenes QuellenmateriaH) . Nott und Gliddon beAdssigten sich,
namentlich die Kenntniss der alten Völker und auch der alten Afri-
kaner, zu fördern^). Der Rev. J. G. Wood traetirte in seinem. ui»|Eu»g-
reichen populären Sanmielwerke^ welches ja auch manches wohl Brauchbare
enthält, Südafrika zwar sehr ausführlich, Nordafrika dagegen nicht allein
sehr stiefmütterlich, sondern auch auf nichts weniger als kritische Weise *^).
Während G. A. v. Kloeden in seinen grossartigen geographischen
Handbuche'} die afrikanischen Völker mit löblidier Sorgfalt berücksichtigte,
liess A. Bastian in seinen zahlreichen ethnologischen Schriften ein
Gleiches sich angelegen sein.
Das von den Mitgliedeni der Novarkexpedition gesaaunelte reiche
ethnographische Material ist neuerdings von dnem verdienten Spradiiforscher,
dem Prof. Fried r. Mueller zu Wien, geordnet und puhHcürt worden.
Mueller ist mit Fleiss und Liebe zur Sache an die IJi3ung seiner schwie-
rigen Aufgabe gegangen. Er zeigt sich auch beokiiht, die Bedingungen der
l^denbeschaffenheit und der Naturprodukte eines Landes in Besiehung auf
die dasselbe bewohnenden Menschenrassen im Zusammenhaage dareusteUen.
Verfasser verräth hierbei freilich eine nicht selten recht beklagenswevthe
Unwissenheit in naturgeschichtlichen Dingen^). Neben roandien gesunden
Anschauungen über Völkervertheilung, z. B. in Afrika, stellt er freilich höchst
einseitige und ungegründete Behauptungen auf. Abgesehen z. B. von dem
}) The natural hUtory of the human species.
2) The races of man.
il) The natural history of the^varietles of man.
4) Anthropologie der Naturvölker, U. Theil.
5) Indigeuous races of the earth. Types of Mankind.
0) The natural history of man. Africa. Vergl. Hart mann, Zeitschr. f. Ethnologie,
IS69, 1870.
7} Handbuch der Erdkunde. III. Theü.
8) Z. B. S. 103 heisst es: Das •7«A« -Huhn, ein Vogel von der Grösse des Truthahnes
und ein anderer Vogel ^ der sich auf feuchtem Wiesengrunde aufhalte (Palamedea cojrnuta
— sie), seien in Südafrika (!) einheimisch. Wie sich Müller hier aus den Sertoes von
Brasilien nach Südafrika hinübcrzuträumen vermocht, ist mir unverständlich geblieben.
Andere zoologische Expectorationen des Autors nehmen zuweilen den schaudererregenden
Ton der Menagerieführer an oder beschränken sich auf eine einfache Nomenclatur, wie
jedes geographische Compendium sie (zum Theil weit besser) enthält
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Nachrichten mancher neuerer Autoren von ost-, inner- und westafrikanischen Stämmen. 95
alten Schwindel mit kaukasischer Rasse^ semitischem und hamitischem Stamm
u. dergl., dessen Mueller sich noch befleis$igt, greift er ohne Weiteres die
f>Nubah« aus ihrem Zusammenhange mit ihren Nachbarn und bringt sie
höchstens zu seinen »i^/aA«. Die Aegypter sind nach ihm Nichtafrikaner,
sie sind viehnehr Kaukasier. Toujours perdrix! Der Kafifer wird dem
Neger gegenübergestellt. Die nationale Zi^ammengehörigkeit der Afrikaner
wird gewaltsam zu lösen gesucht und zwar mit Zuhülfeziehen von Schein-
gründen, welche ernstlich zu discutiren ich für höchst überflüssig erachte,
namentlich rücksichtlich der in den Verhandlungen der Wiener anthropolo-
gischen Gesellschaft von Mueller kundg^ebenen zum Theil höchst eigen-
thfimlicben Behauptungen. Mueller 's Versuche endlich, die physische
Beschaffenheit der »Neger«, nFtdahm, loNuhaha u. s. w. zu schildern, sind
grossentheils als mislungene zu betrachten. Es fehH ihm leider an jedweder
anatomischen Kenntniss, und ohne solche ist doch einmal für die physische
Anthropologie gar nichts zu gewinnen.
A. Weissbach dagegen hat das somatologische Material der
Novaraexpeditiou, namentlich die von K. v. Scherzer und E. Schwartz
gesammelten Körpermessungen bearbeitet^). Auch Weissbach hat
war vom grünen Tische aus gewirkt, allein er hat mit aller Gründlichkeit
und aller schlagenden L(^k des medicinisch geschulten Naturforschers
gearbeitet und auf solcher Grundlage die Ueberlegenheit einer treuen, reali-
stischen Methode jenem seinem philologisch-speculativen CoUegen gegenüber
bewährt. Hat zwar Weissbach nicht speziell von den uns interessireuden
Stammen gehandelt, so hat er uns doch ein musterhaft behandeltes Ver-
gleichungsmaterial überliefert, auf welches genauer zurückzukommen Schrei-
ber Dieses an geeigneter Stelle Gelegenheit finden wird 2).
1) Reise der öflterreich. Fregatte Novara u. s. w. Anthropol. Theil. II. Abtheihing:
Kdrpeimessungen an Individuen verschiedener Menschenrassen vorgenommen. Wiei^ 1SG7.
2) Wie jammerschade, dass Ih\ Schwein furth's mit so grossem Fleisae unter den
Bnnqn^ Momhütji ^ Näinhüm u. s. w. angestellten Körperm essun gen bei dem verhängniss-
vollen Brande der Zerihah Oathläs mit zu Grunde gegangen sind.
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96 I. Abschnitt. VI. Kapitel.
VI. KAPITEL.
Ueber bildliche Darstellungen von A&ikanem and insbesondere
von Nigritiem.
Die besten bildlichen Darstellungen von Afrikanern lieferten uns im
Alterthume die Aegypter. Erstlich verstanden sie es vortrefflich, sich
selbst, die Retu, mit allen charakteristischen Einzelnheiten in Kopf- und
Körperbau zu zeichnen. Es waren dieselben Physiognomieen , es war die-
selbe Leibesbeschaffenheit, wie wir sie noch heutzutage nicht etwa allein bei
den (als ausschliesslich reine Nachkommen der Relu betrachteten)
Kopten, sondern auch unter gewissen i^<ß/7ä^;)-Gemeinden finden. Alsdann
malten uns die Alten ihre nächsten Stammverwandten, die Beräbra, mit, den
ihrigen im Allgemeinen sehr ähnlichen Zügen und Staturen, gewöhnlich al$
Gefangene aus Kuk (vergl. Kap. IV, S. 44). Femer malten sie uns Bejah,
Letztere sind freilich nur vom genauen Kenner der ostafirikanischen Anthro-
pologie zu unterscheiden, finden sich übrigens z. B. recht gut dargestellt zu
Bed-el'Wäly, Hagar-Sekelehy Ournet- Murray y Abü-SimbiL Es sind Leute
von brauner Farbe, mit stark vorgebaueten (ramsnasigen) Profilen, fleischigen
Lippen und einem in langen, sorgfältig geordneten Zöpfen herabfallenden
Haupthaare, theils als Gefangene, theils als Tributbringende. Mit vortreff-
licher Charakteristik statteten die Alten auch ihre Abbildungen von Nfhesi,
Nigritiern, aus, so zu Hoffar- Selseleh , zu Qumet-Murräy, zu Biban-el-
Motuky zu Abü-SimbU, Da sehen wir die schwarze Farbe, das wollige Haar,
die Stumpfnasen, die vorragenden Wulstlippen, die schlanken Gliedmassen,
die hängenden Brüste alter Weiber, die dicken Bäuche von Kindern. Da
erkennen wir die Nigritier des Nilgebietes selbst in ihrer Tracht, mit nur
geringen, durch den erweiterten Völker verkehr erzeugten Abänderungen.
Es lassen sich z. B. jene geflochtenen mit Glasperlen und Kaurischnecken
verzierten Kappen erkennen, wie die Kig und Nuwer sie noch jetzt tragen ^).
Femer zu Tell-el-Amarnah und anderwärts beobachtet man auch Nigritier
mit quergestreiften Kappen, welche gewissen mit Quemähten gesteppten
Baumwollenkappen der Nubier , Fürer und Wadäyer 2) , sowie den aus
Streifen von Strohflechtwerk und von Leder zusammengenäheten gewisser
Centralafrikaner •*) , als Tedä, Känembu, Mar^qä^), Mtt»qü u. s. w. gleichen.
1) Vergl. Baker Albert Nyanza, D. A., S. 71, Fig. Dann vergl. die meinem
Werke angehängte die Nuwer darstellende Tafel nach W. v. Harnier's Skizzen. Ferner
Nott & Gliddon Types p. 249, Fig. 249, (ein treues iVti«?er -Bild) von M|edinet-Abü.
2) Nott & Gliddon 1. c. p. 252, Fig. 172, Rosellini Monum. Relig. 156, 160.
3) Barth, mündliche Mittheilungen. Vergl. die Abbildung des im Dienste des Sex
Von Bf^i^itü stehenden 3f«/iyä- Bogenschützen bei Den h am, Clapp ertön u. s. w. Kine
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Uebcr bildliche Darstellungen von Afrikanern und insbesondere von Nigritiem. 97
Uebngen8 fanden sich ähnliche, aus Leder gebildete Kappen auch bei Hot-
tentotten ^) und Buschmännern ^j , Strohhüte von jener Form, wie die Alten
sie bei Nigritiem abbildeten, auch bei Be-Üuana^. Wir sehen auf den
Denkmälern Schwarze mit Lendenschurzen aus scheckigem Ziegen- und
Kinderfell genau von der Form, wie obere Nil-Bewohner sie tragen.
Wir finden zu Theben u. s. w. Abbildungen von Nigritiem, au deren
Fellschurz in der Hinterbackeng^end der Schwanz des Thieres hervorsteht.
Ganz solcher mit künstlich ausgeschnittenen (oftmals zierlich ausgefranzten}
oder natürlichen Schwanzanhängen versehenen Fellschurze bedienen sich jetzt
die Berfä, Gebeläwin ^) , gewisse Stämme des weissen Nil, Wäganda^)
u. 8. w. An die Art der letzteren, ihre Baumrindenzeuge zu schürzen^,
erinnern femer lebhaft die Nigritierbilder auf verschiedenen alten Denk-
mälern. Die mit scharfem Aussenrande versehenen Elfenbeinarmbänder der
SUGA, Abyssinier u. s. w. werden auch auf alten Bildern bemerkt. Yer-
sdiiedene Nigritier, Dei^qa, Sillui, Bar, Jffäb, Bari, Sömätt, Oälä u. s. w.
schmücken sich das kurzsträhnige oder zu feinen Zöpfen geflochtene Haupt-
haar gern mit einer oder mit zwei Straussenfedem. Letzteren Putz sehen
wir unzählige Male an charakteristischen Nigritierköpfen der Denkmäler.
Ueberhaupt sind die mannigfaltigen, oftmals höchst phantastischen Haar-
Msoren der Afrikaner, der Kinder und Erwachsenen auf den alten Resten
ganz vorzüglich dargestellt worden^).
Ein zu Ournei-Murräy farbig abgebildeter Aufzug einer sudanesischen
Königin lässt uns schwarze und braune Nigritier mit der eben geschil-
derten Federausschmückung der Haartracht, mit dem geschwänzten Fell-
«churz^), mit dem Ueberwurf von Leopardenfell erkennen, ein treues Abbild
heutiger östlicher und innerer Sudanesen (Berfä, Dunäqll, Sömätt, Öfjna,
Sälüi, Nutoer u. s. w.). Es werden Landesprodukte dargebracht, als rohe
Goldringe ^), Datteln, Korallen (Madreporen aus dem rothen Meere), Strauss-
gans abereinstimmende Kopftraoht sehen wir an Nigritierportraits der Alten, selbst die
Schmuckfedem fehlen daran nicht. Der in oben citirtem englischen Werke gleichfalls ab-
gebUdete Kaneiny als Speertrftger führ{ einen Schild aus federleichtem jFo^o-HoIs {Mmbag,
Hermimera elapkroxylon) ^ und durchaus ähnliche (nach Barth 's Versicherung auch mit ahn-
üeher Handhabe versehene) Schilde sieht man zu Theben dargestellt, selbst unter Reiu-
Kriegern, deren Phalangen mit Schilden genannter Form und mit verschiedenen Trutx-
wtffen im Paradeschritt attakirten (Theben). (Vergl. Barth, Reisen etc. II, Taf. 24:
•Antiäkai, ein i&mem^- Häuptling«).
1) Daniell, Sketches tab. 26. Wood, Africa p. 242, 244, 253.
2) Wood 1. c. p. 272.
3) Daniell 1. c. t. 47.
4) Hartmann, 2eitschr. f. Ethnologie 1869, Taf. VI, Fig. 5, 6.
5} Speke, Journal p. 415.
6) Speke, auf verschiedenen Abbildungen zu seinem Reisewerke.
7) Vergl. die Werke von Rosellini, Cailliaud und Lepsius.
8) Einer dieser Leute ist copirt in der Zeitschrift f. Ethnologie 1869, Taf. VI. Fig. 6.
9) S. Hartmann, Nil-Länder S. 63 u. Anm. das.
Hart Bann, Nigritier. 7
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98 I- Abschnitt. VT. Kapitci.
fcMlem, Servalfelle^ eine zahme Girfl^, langhömigc^ scheckige Rinder, ferner
Kunstgegenstände (übrigens ägyptischen Styles), als Bogen und Pfeile, Schilde,
zierliche Stühle und Kopf Untersätze (hierogl. Uoh) aus Ebenholz, weisses
Töpfergeschirr u.s. w.
Die Denkmäler am Öebel- Barkai und zu Begeräm^h liefern uns, wie
schon oben nebenher erwähnt worden war, in ihren Bildwerken und Male-
reien ein wichtiges Material für die ältere Anthropologie der oberen Nu-
Länder. Mit Recht bemerkt Lepsius, da«8 der von Aegypten nach Ober-
nubien übertragene Kunststyl, welcher €«ich unter der Regierung der Nach-
folger des Taharqa gezeigt, in den folgenden Jahrhunderten bis gegen den
Anfang der christlichen Aera eigenthümlicher getaltet, einen immer mehr
vei-wilderten und barbarischen Charakter angenommen habe (Pyramiden von
Meroe und Barkai, Tempel von Näqah, Anwiärah nebst einigen Darstel-
lungen im PÄÄi^-Tempel) *).
Die Contouren aller jener äthiopisdien Kunstepoche angehörenden
Denkmäler werden gerundeter, die Staturen werden gedrungener, es ist nicht
mehr jene strenge, steife aber auch stylvollere Zeichnung, welche die Men-
schen- und Göttergestalt^a der ägyptischen Blüthezeit kennzeichnete. Wenn
wir nun Vergleichungen zwischen der Vergangenheit und der Jetztzeit an-
stellen, so gewinnen wir die Ueberzeugung, dass aber selbst die »altäthio-
pischen« Künstler trotz mancher sonstiger Mängel, wenigstens zeitgenössisdie
Physiognomien trefflich zu charakterisiren verstanden. In jenen Königinnen
von Barkai und Näfah finden wir die Gesichtszüge der Danäqla, ^se^eh
und Oakdm wieder mit ihrer Annäherung an die altägyptischen Physiogno-
mien. Diese Aehnlichkeit ist nicht etwa ein einfaches Ueb^tragen des
ägyptischen physiognomischen Styles, sondern es ist wirkliche Naturauffas-
sung. Zwar ist der reiche Schmuck der alten Fürsten, entweder das ge-
steppte Unterfutter für den Helm oder es ist der phantastisch-verzierte S%ent,
ein Halsband von wie Taubeneier grossen Gold- (oder Glasfluss-] perlen, es
ist der faltenreiche Schulteriiberwurf , der lange betroddelte Rock oder der
bunte Schuppenpanzer, es sind die silbernen Panzerhandschuhe und rcich-
ausgenäheten Sandalen gegenwärtig dem weiten Töbenhemde, dem Darbüi,
der Daqteh, den Pumphosen und türkischen Scbnabelschuhen gewichen.
Aber trotzdem ist es oft noch ganz dasselbe Antlitz, es ist stets noch die-
selbe Würde in der Haltung, das Handhaben des Palmblatt-, Akazienholz-
oder Bambusstabes, wie zu den Zeiten der Ergamenes u. s. w. Da sehen
wir auf den Denkmälern die Fürstinnen, mit feingeschnittenen Gesichts-
zügen und mit sehr üppigen Körperformen, die C/ro^t^- Schlaaigen-Haube
auf dem Haupte, einen feinfaltigen Schulterbehang, einen schiUMbrmigeu
Handschmuck, metallene, reichverzierte Panzerhandschuhe , riesige gelbe
(goldene, gläserne?) Halsbandperlen. Der Thronfolger, ein schon zum
1 1 Katalog der König l Museen, Abtheilung der ägypt. Alterthümer, S. 4(i.
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. — _^ I
Ueber bildliche Darstellungen von Afrikanern und insbesondere von Nigritiem. 99
Enbonpoint neigender junger Mann, trägt ein mit Goldfäden durdischossenes
und mit blauen Kreuzen geeticktes oder bemaltes , einem Sckuppenpanzer
ähnliches Aermelkleid. Diese fett gemästeten langnägligen Damen von
iV^jpff^ und Meroe finden sich noch jetzt in den Siäinä^s, und Merem's von
Berber, Sennär, Kor&fän und Central-Ä'öda«, in den Wq^izoro und Wuläla
von Habek wieder. Als eine solche Frau wurde mir die Na^ah geschildert^
weldke Lepsius in der Zeribmh (Taf. II» Fig. 1, 2} besucht hat, so wanen
die Fürstinnen am Oehel-Tuley so war die dicke Merem-SeUmah am Birket-
Kurah in Dar -Sern. Ihre Haartracht ist noch jetzt die pharaonische ge-
blieben, der Schmuck, welchen Ferlini zu Meroe &nd, enthalt Desseins,
wie sie noch heut im Hals- und Armgeschmeide in Hochnubien und Sennär
übheh sind, mit Abzug natürlich der altägyptischen symbolischen Details.
Jene reichgesc^mückte Königin vom Ben- Näqah -Tempel, in ihrer
Haube mii S^rberkopf und I7rae«« - Schlangen , in dem symbolisch ver-
zierten Kleide, welche Ge&ngene, Syroaraber, Berabra oder Bejiak(i), Fkmg,
beim Haare packt und dieselben abzuschlachten im Begriffs steht ^ erinnert
an eiae KqiU*eJ^\ Candace, eine jener regierenden Frauen^ von welchen uns
das Alterthum erzählt. Bruce traf in der Person der Sütinä zu Sendi,
Lepsius in der Sitte Nasrai, wir trafen in der Merem SeUmah hochange-
sehene Weiber, welche zugleich eine Art Souveränitätsrecht, letztere bei-
den versteht sich unter Oberhoheit des türkischen Diwan, ausübten^ wie
denn das Weib überhaupt in diesem Tkeile Afrikas politisch befähigt ist,
eiBe unabhängigere und seihet gebietende Stellung einnehmen zu können.
Auf den Denkmälern von Napqtq und auf denen von Meroe iindeii
sich auch Darstellungen von Schwarzen. So bildet z. B. Rueppell im
Atlas zu seinen »Reisen in Nubien, Kordofan und dem peträischen Arabien«
Tftf. 4, Fig. I*, I** und I*^ Reliefs von einem unfern des westlichen Seiten-
einganges in den grossen Ammontempel zu Oebel-Borkal gefundenen aus
Ssodstein bestehenden Opferaltar ab^ welche gefesselte Scdiwarze votstellen«
Be sind elf Personen. In der Mitte befindet sich eine weibliche Figur, mit
dem Bücken an den Altar gelehnt, einen Strick um den Hals, mit einem
diademartigen KopQmtz geschmückt. Der letztere gleicht demjenigen der
alten Aegypter. Links von dieser Figur zeigen sich fünf andere weibliche
Figuren^ rechts fünf männliche, jede im Profil. Alle knieen und sind ihnen
die Arme oberhalb des Ellenbogens auf dem Rücken zusanunengebunden.
Sie sind nackt, mit Ausnahme von drei kleinen Bandstreifen, welche über
ü^ Geschlechtstheile hängen. Die Streifen um die Fussgelenke halte ich
für Knöchelreifon und nicht wie Rueppell will i), für Fesseln, da diesen
die liir die Amtfesseln chax^teristischen Schleifen fehlen. Die Alten lieb-
ten es aber in ihren so mancherlei Vorgänge versinnlichenden Darstellungen
gerade solche selbst anscheinend unbedeutende Dinge sehr genau auszu-
t) Vergl. a. o. a. O. den Text, S. 3S2.
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100 I- Abschnitt. VI. Kapitel.
drücken. Um die Finger der Figuren läuft scheinbar ein Band und ein
gemeinschaftliches Seil befestigt jeden Körper am Halse. An beiden Enden
dieses Seils ist ein grosser Geier und zwar^ wie mir scheint ein Gänse- oder
Kolbe's Geier (Vultur fulvus, V, Kolbii), welcher mit dem Schnabel
und den Krallen lüstern nach seiner Beute hackt. Die Figuren sind plump
und gedrungen^ ganz nach dem eigenthümlichen Canon der herrschenden
Kunstperiode gearbeitet, haben übrigens aber nach Rueppell's Urtheile,
vielen Ausdruck. Es sind meist stumpfe, wollhäuptige Köpfe, mit Stiilp-
nasen und dicken Lippen. Nur der dritte, sechste und neunte Schwarze haben
in dünne Zöpfe geflochtenes Haar und grade Nasen. Letztere stellen nach
Rueppell's Vermuthung ^^jfäri- Beduinen dar. Freilich könnten damit
auch Fung und ihnen benachbarte Sudan -StJkmme gemeint sein. Die Brüste
der Weiber sind prall, oben flach, unten gewölbt, fast horizontal stehend,
mit langen Warzen versehen, wie man Aehnliches u. A. an JFW^^*- und
-B«r^ -Weibern wahrnimmt. Rueppell bildet unter Fig. I® zwei gefes-
selte Schwarze mit Wollhaar, Mann und Weib, in sehr gezwungener Stellung
ab. Verfasser hat »keinen Zweifel, dass dieser Altar zu Menschenopfern ge-
dient habe«. Dies ist jedoch sehr unwahrscheinlich, indem wenn nicht alle
Zeichen trügen, der am Barkai übliche* ulmiTum-Kultus zur 2teit der Blüthe
N^^s nicht mehr durch diesen blutigen Gebrauch verunehrt wurde.
Maler des Mittelalters und der neueren Zeit haben ^>enfalls
nicht selten Schwarze mit mehr oder weniger Glück abgebildet, meist als
dienendes Personal mitten zwischen ihrer weissen^ heilige oder profane Leute
darstellenden Herrschaft. So hat z.B. Paolo Veronese auf seinem »Gast-
mahl im Hause Levi«, gegenwärtig in der Accademia delle Belle Arti zu
Venedig, ein Paar dunkelbrauner Afrikaner angebracht, deren einer mit dem
hypsistenocephalen Haupte^ der feinen Stumpfhase, dem massig gewulsteten
Munde jenes meist nicht unangenehme Profil der lAmmü-Oatä wiedeigiebt.
Unter den im Staate der Königlichen Kaufleute nicht selten gehaltenen
schwarzen Dienern werden Bewohner Ostafiikas, als im Levantehandel den
Venetianem am Ehesten in die Hände gerathen, in der Dogenstadt und in
Osteuropa überhaupt, am Häufigsten vertreten gewesen sein. Dann sind wohl
auch Bewohner Central-iSiekfä»'« über die Barbareskenstaaten nach Südeuropa,
Nigritier von Guinea nach Portugal, Spanien, den Niederlanden u. s. w. ge-
langt. Sogenannte »Mohrem d. h. Nigritier^ fiiguriren auch auf manchem
anderen Bilde der älteren Meister. Einer der heiligen drei Könige ist nicht
selten »Mohr«, der von Philippus getaufte Kämmerer erscheint auf älteren
Gemälden als wohlgepflegter Nigritier. Ein herrliches Brustbild eines dun-
kelbräunliclien ins Olivenfarbene spielenden, wollhaarigen Nigritiers, welcher
wohl einen Bewohner der Goldküste darstellen möchte, hinterliess uns der
holländische Maler Herschop (Berliner Museum, Abtheilung II, Nr. 825).
Noch manche andere Perle älterer Nigritierbilder mag in den Sammlungen
vorsteckt soin.
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Ueber bildliche Darstellungen von Afrikanern und insbesondere von Nigritiem. 101
Der grosseste Historienmaler der Neuzeit , Horace Vernet, wusste
in seinen Gemälden die höchsten Anforderungen des geläutertesten Kunst-
geschmaekes mit den pedantisch strengen der Völkerkunde auf das Glück-
lichste zu Tereinigen. Seine algierischen Schlachtenbilder eröfihen uns wahre
Fundgruben für das yergleichend- ethnologische Studium. Da treten uns
entgegen die verschiedenen Provinzen angehörenden Söhne Frankreichs,
überaus reich individualisirt selbst unter der einförmigen nichts weniger als
pittoresken Montur zur Zeit des Bürgerkönigs, in der langen Capote und
in der Schwanzjacke, im Pantalon garance und Käppi mit mächtigem Sturm-
läofier-Schirm. Diesen Vertretern Europas stehen gegenüber der Sohn Ara-
biens, der Berber, der Nigritier, der Jude in ihren so recht und echt male-
rischen Anzügen. Auf Vernet's Riesenbildem , Einnahme der Stnälah
iAbd-el-Oädir^B und Schlacht am Usty^ finden wir den ausserordentlichsten
Sdiatz von Typen. Im ersteren Gemälde der ehrwürdige Se%-Meräbed
unter einbrechendem Zelte, der herrliche sterbende Berberjüngling mit dem
tjrpischen Gesichtsschnitt, die ihn stützende, schöne, in wildem Schmerz
aaQaimnenide Mutter, der herculische Nigritier, welcher mit Grimm und
Kraft sich gegen die afrikanischen Chasseurs Aumale's schlägt, der närrische
8klave von Yäioba, wie er mitten hn wüster» Kamp%etümmel die Melonen-
scheibe auf dem Stöckehen balancircn lässt, die befehlshaberisohe Gestalt des
alten Feldherm Sidi-M^bäreky der um seinen Mammon gar elend besorgte
Israelit (Letzterer sollte, wie böser Leumund im Jahre 1 850 behauptete, eine
Finanzgfösse von Paris der 1840 er Jahre — weiss auch wie sie heisst —
vorstellen). Welche unvergleichliche Charakteristik! Auf der i/»fy-Schlacht
wieder der alte feste Bugeaud, die flotten Jäger von Orleans, der feine
Doctor, der in der Vollkraft eines triumphirenden Recken der Kanöri auf
edlem Berberschimmel einhersprengende , das eroberte Feldzeichen hoch
emporschwingende schwarze Quartiermeister, einer jener gutgenährten Ni-
gritier, wie man ihrer unter franifösischen und türkischen "Pruppen bemerkt.
Dann seht Euch Vernet's Gefecht bei nHcUn'ahm an: den jungen todten
Kerber vom Vater getragen, den wüthend-fanatischen Schützen^ aus der ot^,
den Regulären ^Abd-el'Qädir's, Vorläufer eines jener charakteristisdien
Turco, wie Freund Edmond About und das übrige Chauvinistengesindel sie
sich in BerKn denken wollten und wie sie factisch in Berlin und bei Berlin
(zu Spandau u. s. w.) waren. Oder seht Vernet's Löwenjagd mit dem
jungen grazüen Nigriten von Süd-i^r, wie er die erbeuteten Löwchen zu
bergen sucht. Oder den Sklavenhändler, den aufgedunsenen Dager aus
Bi»jaTä, das JTaiMmte- Mädchen (Barth) neben nackten Schönheiten von
Oeorgiai ^) u.s. w. In letzterem Gegenstände war nur G^rome, gleichfalls
1) H. Vernet eröffnete im J. 1850 manche Einsehiheiten fiber jene merkwürdigen
Qem&lde einer mir sehr nahe stehenden Dame und einem mir befreundeten deutschen
Ante, dessen handschriftlichen Notizen ich obige Personalbemerkungen zum Theil entlehnt.
Die Oem&lde selbst kenne ich aus wiederholter Autopsie.
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102 I- AbachniU. VI. Kapitel.
sehr tiefer Kenner und genialer Darsteller orientalischer Physiognomien,
Vernet's glücklicher Nadieiferer. Aus Mancherlei geht hervor, dass
Vernet in Afrika selbst höchst eingehende Studien über Volkatypea ge**
macht und eine sehr reiche Sammlung von Portraitskizzen hinterlassen haben
müsse.
Schopin, ein fleissiger und fruchtbarer, mit Vorliebe auf dem Felde
der biblischen Geschichte sich bewegender Künstler, verftllt nicht in den
Fehler älterer Maler, Physiognomien und Kostüme der Haupt-^ wie Neben-
figuren des Gemäldes aus beliebigen Alltagspersonen der jeweiligen Uiage^
bung herauszugreifen. Hatten doch die Byzantiner lendensch wache verküm-
merte Söhne der Komnenen als Modelle für ihre Engel und Heiligen be-
nutzt, hatten doch Tizian, Bafael, Tintoretto und Correggio recht
hübsche Mädchen von den Fondamente, von Mestre, aus der Caai|K^na, dctai
Sabinergebirge u. s. w. zu Madonüen gemacht, hatte Rubens doch üppige,
starkbusige Holländerinnen in Palästinafrauen umgewandelt, htiie doch
L. Cr an ach ein recht nettes, dem Bade entstiegenes thüringer Backfisehchen
zur Eva gestempelt. Die römischen Legionäre, welche im Dienste bomiiter
jüdischer Zeloten den Herrn gepeinigt, treten bei den alten Meistern in den
Federbarretts und Pumphosen «Prundsbergischer Lanzknechte auf, die Phari-
säer erscheinen in der Tradit der Illustrisaima Signoria, die Schädier sind
vom Habitus der Bummler von der Loggia dei Lanzi, vom Gittor des Doiia«
Standbildes oder von den Bänken bei San Marco. Man möchte in jenen
sonst so prächtigen biblischen Helden der alten Meister die Hoome, die
Zeno, Gontarini, Lorödan, Bragadin, die Padillas, die Gonsalvo de Cordoba,
die Albuquerque und Vilhena wiedererkennen. Sc ho p in dagegen stüMÜri
seine Leute nach ihrem physiognomischen Typus und nach ihrer Tracht,
mit dem Materiale, welches der Entdeekungseifer unserer Neuzeit aufsta(>eln
gekonnt. Vermag auch Schopin sich hier und da nicht ganz loszusagen
von Bückfällen in conventionelles, theatralisch aufgeputztes Pariserthum, so
darf man doch sein Bemühen loben, in seiner Tochter Pharao*« eine wkk*
liehe Aegypteriu, in seinem Sardanapal einen wirkliehen Assyrer hinzu-
stellen u. s. w. In dieser Hinsicht bemüht man sich jetzt überhaupt in
Frankreich, Belgien und Deutschland sehr redlich darum, den lauten For-
derungen der ethnologisch-gebildetereu Gegenwart gerecht zu werden. Man
betrachte nach dieser Richtung hin nur die Bilder von Dore, Landelle,
Alma Tadema, W. v. Kaulbach, G» Richter, Gentz und Anderen.
Auch die bildliche Darstellung von Rassentypen wird von Seiten heu-
tiger bedeutender Maler nicht verschmäht. Horschelt nahm henrliche
Kaukasustypen auf zur Zeit, da Feldmarschall Fürst Bariatinsky noch die
festen Aule Sämll'SäR''Efendfs und seiner Mirlden berannte. Jüterbogk
und Gentz malten so manches Bild aus dem Volksleben des Orientes und
brachten dabei so manches tüchtige Konterfei eines Berberl, Fürer*s, Den-
qawl und anderer Nigritier auf die Leinewand. G ustaf Richter's Felr-
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üebcr bildliche Darstellungen von Afirikanem und insbesondere von Nigritiem. J ()3
läteh ist jetzt in TauseudeB von Copien weit yerbreitet, sein grossairtiger
tPftanudenbau« macht einen geradezu hinreitsenden Eindnick, ersetzt uns
anen ethnologischen Artikel über Nord- Ost- Afrika. Beauce lieferte uns
im Gefecht bei Camaranes ein ethnologisches Bild im Style Vernet's. Da
haben wir den mit Verzweiflung sich verth eidigen Jen Gar^on de Paris, den
wfithigea üaneAero, den verbissenen India der Huazteca und Mizteea, den
toekischen Mulato^ die buUenbeisserhafien Zambo und Negro eriolh, Typen
iu der spedfischen physischen und psychischen Erregung ihrer setbeigenen
Nativitäti).
Cregenüber solchen Bestrebungen muss es uns doppelt anwidern,
wenn Meister der Jetztzeit den als Vorwurf so beliebten »Mohren Othello^»,
IQ welchem man wohl einen Fwt^ oder Nabäm vermuthen könnte, ganz so
(kurstellen, als sei er ein ehrlicher deutscher, körperlich wohlgepflegter, aber
nur mit etwas Cichoriensaft angestrichener, augenblicklich für sein Benefiz
besonders pathetisch vor Desdemona (Fräulein X viun Stadttheater zu NN
•als Gast«) herumfuchtelnder erster Liebhaber dieser oder jener hohen Besi-
dentbähne. •
G^.Pouchet bemerkt mit allem Recht, dass die Oelmalerei «lie
ausgezeichnetste Methode abgebe, um die Hautfarbung des Menschen
bildlich darzustellen. Nun ist sie ja nicht allein Das, sie ist überhaupt
die beste Methode, um einen Rassentypus mit Fleisch, Haut und Haar
in seiner voUen Eigenthümlichkeit bildlich zu behandeln. Oelmalerei
bleibt ja überhaupt das noch unerreichte Ideal künsümscher Technik.
Nichst ihr dürften ^h Aquarell und Pastell immer am Besten zur
farbigen Darstellung von Völkertypen eignen. Pouchet geht meiner
Meiaung nach zu weit, wenn er die Aquarellmalerei in dieser Beziehung
der »imperfection radicale« anklagt 2). »Ausgemalte schöne Kupfer«, wie
sie z. B. Prichard's Werk begleiten, dürfen in dieser Hinsicht nicht als
maßgebend befrachtet werden, es sind das eben nur leicht angepinselte
Uruckbfötter , aber keine Aquarell- oder Pastellbilder. Pouchet möge
Pastell- und Aquarellstudien der Valerie, Rugendas, £. Hildebrandt,
G, Richter, W. Gentz u. A. vergleichen, um den ungeheueren Unter-
schied solcher Gemälde von illuminirten Kupfern finden zu lernen. Der
Kttpferstichbuntdruck, in welchem namentlich ältere französische Kunst z. B.
für die Atlanten zu P^ron's und Freycinet's Werken, höchst Erkleck-
liebes geleistet, wird jetzt besser durch den energischeren, ^ saftigeren litho-
graphischen Buntdruck ersetzt, welchem wohl Niemand seine Anerkennung
1) Es hat mich sehr erfreut, von unbefengenen Landakuten dies wundervolle (1869 su
Manchen auageateUt gewesene) Bild Beauc^'s mit ungetheiltem Beifjalle erwähnen su hören.
Da» nun officielle oder officiöse Kunatrichter und Bildästhetiker im Allgemeinen so wenig
Notiz Ton dem Gemälde genommen , liegt in der Unkenntniss derselben von den betref-
fend Gegenatfindliehkeiten.
2) Pluralit6 etc.
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104 I- Abschnitt. VI. Kapitel.
versagen darf und welcher jetzt immer höheren Auftchwung nimmt. Der
Methoden^ Bassentypen nicht farbig, einfach schwarz darznstellen,
giebt es mehrere^ bei denen — seien es nun Holzschnitte, Steindrucke
oder Kupferstiche — es ja natürlich auf die gute Art der Ausfährung
ankommt.
Die Photographie, diese an sich über jede Kritik erhabene Methode,
kann auch Hülfsmittel sein für alle anderen Methoden der Darstellung und
der Vervielfältigung; denn sie kann sogar einem geschickten KoloristeB
zur genaueren Wiedergebung der Details für Oel- und Aquarellbilder dienen
und auch eine vortreffliche Grundlage bilden für Vervielfältigungen durch
Holzschnitt, Steindruck, Kupferstich. Dies wenigstens noch für die Gegen-
wart, in welcher gewisse Metboden, die Photographie für directere üeber-
tragung zu benutzen, wie z. B. Photolithographie, sich vorläufig noch
als zu matt, zu unkörperlich und auch als zu kostspielig erwiesen haben.
Natürlich bedarf es besonders geschickter Hände, um aus anthropologischen
und ethnographischen Photographien brauchbare Bilder zu machen. Ich
habe Photographien gesehen, die so schön waren, dass der mit Verrielfiü-
tigung derselben beauftragte Künstler keiner Anstrengung bedurfte, diese
Vorlagen zu übertragen. Indessen sind doch auch die photographiscfaen
Vorbilder oft höchst mangelhaft und da bedarf es ganz vorzüglicher Müh-
waltung, die Fehler der Originalaufhahme bei der Uebertragung zu vermei-
den, ja selbige zu verbessern. Wie oft kommen in solchen Photogpraphien
stellenweise Undeutlichkeiten vor, wie oft zeigen sich in ihnen, namentlich
bei Verkürzung der Extremitäten, ungebührliche Verzerrungen in Form zu
starker Vergrösserung langvorgestreckter Theile u. s.w. Es gilt dies nament-
lich von den häufig zu unnatürlich vergrösserten , gerade vorgestredtten
Händen und Füssen. Solche Fehler mit Umsicht auszumerzen, ist Aufgabe
des ausübenden Künstlers, will er nicht, wie dies leider nicht so selten ge-
schieht, carrikirte Bilder liefern. Die Aufgabe, derartige mangelhafte Photo-
graphien verbessern zu sollen, ist sicherlich keine leichte. Es liegt hier die
Gefahr nahe, dass der ausübende Künstler in seinen Verbesserungsbestre-
bungen zu viel thue, zu sehr von der Vorlage abweiche und dabei deren
Originalität beeinträchtige. Oft wird aus einer gewissen übertriebenen Scheu
vor dem Letzteren verlangt, eine Photographie solle genau so wiedergegeben
werden , wie sie einmal sei , womöglich mit allen oben gerügten Mängeln.
Allein solches Verfahren mag ich von meinem Standpunkte aus unmöglich
gut heissen, denn es scheint mir unverantwortlich zu sein, offenbare Fehler
der im Einzelfalle angewendeten photographischen Methode aus Mangel an
Vertrauen zum künstlerischen Geschicke des Zeichners weiter fortzuführen
und somit der Verbreitung irrthümlicher Anschauungen Vorschub zu leisten.
Es heisst hier mit Vorsicht das Passende wählen, es heisst hier sich nicht
vor Veränderungen nach der photographischen Originalaufnahme scheuen,
wohl aber jene mit zweckdienlicher Eklektik ins Werk setzen.
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Ueber bildliche Darstellungen von Afrikanern und insbesondere von Nigritiem. 105
Für VervielfUltigiing anthropologischer pbotographischer Aufhahmen
behu6 niustrirung von Büchern wird der Kupferstich stets obenan stehen,
wie dies Daniell's^ Lef^vure's und G. Fritsch's vorsügliche Tjrpen
beweisen. Darauf wird die Lithographie folgen^ welche Kraft der Zeichnung
mit Weichheit der Schattirung (namentlich im Fleischtone) vereint. Der
Holzschnitt muss ganz ungemein sorgfaltig und fein behandelt werden, soll
dersdbe nach dieser Hinsicht selbst nur einigermassen befriedigen.
Ich komme nun auf gewisse Autoren zurück, welche ihre Schriften
mit Nigritierportraits zu schmücken unternommen hatten. Wenden wir uns
arst zu den Aelteren. Unter diesen lieferte Choris einige treffliche Por-
traits von Schwarzen der Goldkäste ^). Sam. Daniell, weldier seinen
Landsmann Somerville als Maler in das Innere von Südafrika begleitete,
hat uns getreue und zum Theil sehr schön ausgeführte Abbildungen von
Kkoi'Khoi-n, San und A-B39itu geliefert. Dies namentlich in seinen
Sketches representing the native tribes, animals and scenery of Southern
Africa etc. 2). Daniell hatte aber in einem grösseren Prachtwerke auch
Sitten, Lebensweise und landschaftliche Umgebungen der ebengenannten
Südafrikanerstämme in malerischer und dennoch, einige verfehlte Verkür-
nmgen abgerechnet, naturgetreuer Weise dargestellt 3) . Auch Burchell's
Werke sind einige ganz gute Bilder von Hottentotten, Buschmännern und
Torzfiglich von A-Bäntu, von Be-'tiudna, angehängt. Sehr mangelhafte
BiUer von IktXame, Aidnß, Fänü, Fkdän, Mauren, Mettinkey Süändnke u.s.w.
iMgleitrai die Werke eines Bowditch, Dupuys, Gray & Dochard, weit
besseie die von Hecquard, Boilat, Hutton u. A.^). Capt. Lyon
Keferte leidliche Darstellungen von Tuäriq, Tebu u. s.w. Gute Köpfe in
Umrissmanier von Leuten aus Loqdne, Maniärah, Maßaiäff, YäkobUy Nüpe
oder Ntfe, Kaizena, Kawno und Hw& finden wir in der Quartausgabe der
Reisebeschreibung Penham's, Clapperton's und Oudney's. Sehr
sdiöne Abbildungen von Nigritiem begleiten M. Rugendas' Voyage pit-
toresque dans le Brasil, Paris 1835, fol. Man sieht, es sind hier Ankömm-
Knge, Negros novos, noch in allen Eigenthümlichkeiten ihrer Stämme. Da
sehen wir Männer und Frauen von Congo, BengueUüy Caimda, Rebollo,
Mo^mbique (II. Divis, pl. 6—15). Ein Nachtheil ist es, dass die Stämme
nicht näher charakterisirt sind, was doch hätte geschehen können, da Ni-
gritier, wenn sie nicht gar zu jung geraubt wurden, cBe Tradition ihrer
TnT)U8 zu bewahren pflegen. Wenigstens habe ich gefunden, dass Schwarze,
deren Sk)aventhum sich etwa aus ihrem sechsten bis zwölften Lebensjahre
1) Choris 1. c.
2) Engravecl by Will. Daniell. London 1820.
3j African scenery and animals. II parts, imp. fol. 30 fine coloured plates, with let^
terpress descrip^ons. London 1804—1805.
4) Die Titel obiger Bücher sind in dem unserem Werke beigefügten Literaturverzeich-
niwe einzusehen.
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106 I- AbschnHt. VI. Kapitel.
berachrieb, mir ihre Heimatb fast ohne Ausnahme anzugeben vermöchten.
Bin besonderer Abschnitt des in ikonograj^seher Hinsieht mit Geist und
technischer. Gewandtheit ausgeführten, höchst malefischen und dennoch audi
wissenschaftlich befriedigenden Werkes ist der bildlichen Darstellung von
Sitten und Gebräuchen der schwarzen brasilianischen Sklaven gewidmet.
Auch des schon körperlich modificirten im Lande selbst geborenen oder
Crcolnegers ward nicht vergessen. Zu bedauern bleibt nur» dass ein so
jämmerlicher, aus Prinz v. Neuwied, Spix und Martins u* A. mühsam
zusammengesuchter Text das soast so schöne Ikkch begleitet G. Sehadow
beschrieb und bildete ab verschiedene Afrikanerportraits in seiner berühmten
Fortsetzung des Polyclet *) .
Wir nähern uns in unseren Betrachtungen der neuesten Zeit, w^he
ja sehr reich an Publikationen über Afrika sich z^gt, an Erzeugnissen einer
unruhigen Touristenbewegung durch aller Henen Länder. Dampfwagen und
Dampfschiff erleichtern unseren Touristen, zu denen vor Allen die Jeunesse
dor6e Altetiglands ein so prächtiges Contingent liefert, den Verkehr mit
fremden Ländern. Da wird nun unterwegs tüchtig skizzirt und wird man-
ches hübsche Bildchen dem sonst vielleicht höchst seichten Texte beige-
sellt. Zuweilen sind auch ethnologisch ganz brauchbare Dinge auf diesen
Bildchen. Die können wir hier nicht alle registriren, werden ihrer aber dm,
wo es ai^eht, nach Kräften zu gedenken suchen.
Wenden wir uns nun zu hervorragenden Leistungen neuester Dai^
stelluug von Afrikanern in den Reise werken u. s.w. So enthlSt z. B. Gui-
lain's Buch über Ostafrika eine reiche Auswahl von Volkstyp^i der
afrikanischen Ostküste, deren wissenschaftlicher Werth dadurch erhöht wird,
dass dieselben zum nicht geringen Theile nach Daguerreotypaufnahmen
angefertagt worden sind. Zu erwähnen bleibt nur, dass der Lithograph
manche der von mir schon früher, S. 104 berührten, auch hier wieder vor-
gekommenen Uebelstände der Originalaufiiahme gar zu ängstlich nachge-
bildet, dass er u. A. die Gespreiztheit der Fusszehen zum Thetl auf ganz
unnatürliche Weise übertrieben hat. Abgesehen von diesen kleinen Uebel-
standen jedoch bleibt obige Sammlung eine der besten bis jetst erschienenen
über Ost -Afrika.
In Harris' lUustradons of the Highlands of Ethiopäa, London 1845,
erblicken wir verschiedene ostafrikanische Nattonaltypen, Atnhära von Sotoä,
ferner Örma, Danäqlly Mudqiio u. s. w. Dieselben sind ungleiebmässig be-
handelt, an manchen Körpertheilen sogar verzeichnet, einige, z. B. die Orma,
aber sind von trefflicher Charakteristik des Physiognomischen und daher
sehr zu empfehlen. Einen ausserordentlichen Reichthum an Prachtköjjfen
abyssinischer Stämme enthält der grosse Atlas zu Lefevure's bereits mehr-
fach citirtem Werke. Der münchener Maler Bern atz, aitistischer Begleiter
1) National- Physioj^nomien, namentlich Taf. III, VI, VIII.
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Ueber bildliche Darstellungeii TOn Afrikanern vmd insbesondere von Nigritiem. 107
der Harris'ßcken Expedition^ gab sehr interessante Bilder von Ostafrika-
nem in seinen Scenes in Ethiopia«
In der grossen Praehtausgabe yon G. Ca vier 's B^gne animal, erster
Hand, Mammiferee, sehen wir sehr gut gewählte und audi gut ausgeführte
Bioenköpfe von Afiikanem, eiAige wenige so^ir nach Originaldarstellungen ^} .
MtBche dieser Köpfe sind eopirt worden^ u. A. auch für den von B. W.
Carpenter verfassten Artikel »Yarieties of Mankind« in Todd and Bowman
(ydopaedia of Anatony and Physiology, Vol. IV, Part II, p. 1294 ff.
Des §ex Mofiammed-Ibn-^Omar-el-Tunsi Voyage au Darfour
toid Voyvge au Ouaday sind von einigen sehr guten P<Htraitdarstellungen
eines funschen Prinzen, von Bornuäfiy iMan^roA* Bewohnern u. s. w. des
französischen Malers Machereau (zu Cako) begleitet, welchen letzteren
ich als einen sehr sorgßUtigen Zeichner im Hause SoRmän-Bäiä^s persönlich
schätsen gelernt habe.
P. Trimaux hat im Atlas zu seinem Voyage en Ethiopie eine Anzahl
schlechter Photographien von ostsudanesischen Völkern auf den Stein übei-
tngen lassen, leider meist in einer kraftlosen, nur wenig befriedigenden
Mauer. Die fibrigen nach Zeichnungen angefertigten KassendarsteDungen
tind, das sehr gelungene Titelbild, den Sklaventransport, die Zusammen-
kunft MeUk Idfis-Adlän^s von Gebel^mie mit Berfä und die 5^^-Gruppe
etwa ausgenonraien , von höchst massigem Werthe. Recht brauchbar da-
Pfem sind die dem Werke beigegebenen Abbildungen von Waffen, Ge-
nAen u. s.w.
Boilat hat seinen Esquisses s^nigalaises 24 farbige Steindrucke von
weitafrikaiiischen Rassenbildeni beigefügt, welche trotz einer gewissen Roh-
heii in der technischen Behandlung doch auf vorhanden gewesene gute
Originalzeicimungen schliessen lassen, in denen auch die typische Beschaff
foibot der Nationalitäten ganz gut charakterisirt gewesen sem muss.
J)ie gleichfalls farbigen Lithographien zu Raffen el's Voyage daiis
TAfrique oecidentale dagegen haben eher die Bedeutung brauchbarer Costiim-,
wie diejenige sorgftltiger Rassendarstellungen.
Während P. du Chaillu seinen Voyages and adventures nur carri-
kiite ethnologische Bilder beifügte, liess er sein »Ashangoland« mit einigen
hesseren, nach Photographien angefertigten der lioqqo u. s. w. ausstatten.
In ?er8cfaiedetten Jahrgängen des Tour du Monde finden sich vorzügliche
Holzschnittbilder von Westafrikaneni, unter denen viele nach Photographien
oder wenigstens nach sehr guten Originalzeichnuiigen gearbeitete. Unter
cliesen sind besonders hervorragend diejenigen Rassebilder, welche die Auf-
^tze von Dr. Griffen du Bellay über die GaJwn - Länder ') , von Mage
1) Nouv. (3*) 6dit. par Audouin, Blanchard, Deshayes, d'Orbigny etc. Paris
lfe36— 1846. Mammiföres et races humaines, Livr. 1—29, 120 pl.
2) U Tour du Monde, 1S65, II, p. 273 ff.
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108 I- Abschnitt. VI. Kapitel.
und Quintin über WeRt-Südän^)y von Fleuriot de Langle über die
französische Senefftü-Colonie u. s. w. ') begleiten.
Die von Bern atz geschickter Hand ausgeführten Skiszen zu Barth 's
Reisen haben bei der Kleinheit der Tafeln und der Unzulänglichkeit der
Vorlagen einen höchstens ethnographischen Werth. In dieser Hinsicht frei-
lich gewähren die dargestellten Kostüme, Wohnhäuser, Waffen und Geräthe
einen zu Vergleichungen wohl geeigneten Stoff.
Lejean bildete im Tour du Monde einen (nach Schweinfurth's
Urtheil gänzlich verfehlten ') ifamfiam und einige recht typische Individuen
der im Allgemeinen sehr gut geformten Leute von Täqah^ BögoHy Mensä
und Hatnazien ab. Von diesen den Byah verwandten, auch fibyssinisdien
Stämmen hatte der Maler Robert Kretschmer eine Reihe vortrefflicher
Aquarelktudien aufgenommen, deren einige, leider nicht gerade die besten,
in das übrigens prächtig ausgestattete Reisewerk des Herzog Ernst II Ton
Sachsen -Coburg -Gotha übergegangen sind. Ein äusserst sorgfältiger, fiir
Auffassung des Typischen im Menschen besonders talentirter Beobachter,
hatte sich Kretschmer bemüht, malerische idealisirende Uebertreibung zu
vermeiden. Er war aber auch andererseits nicht in die Marotte Mancher
verfallen, in den von ihm beobachteten Afrikanern nur unmittelbare Ver-
wandte der Affen sehen zu wollen uimI deren Körper absichtlich oder unab-
sichtlich zu carrikiren ^) . Dieser letztere , nicht minder verwerflidie Fehler
ist es, welcher Richard Burton's Holzschnittdarstellungen der DaJiem
U.S. w., sowie auch die westafnkanischen Rassenbüder in Wood's Aifiaka
bis zur lächerlichsten Fratzenhafitigkeit entstellt. R 6p in 's ^) Amazonen des
Schlächters Qe£o sind leibhafitige schwarze nur etwas gar zu theatralische
Teufel im Körper wilder Megären, Forbes' Amazone Se-Doffg-ämig-Be^
ist (bis auf die etwas dicken Waden) eine verständige Abbildung eines sol-
chen Mannweibes, Burton's und Wood's Parzen von Affapäm dagegen
sind schlecht gezeichnete Schweinspaviane in der Lumpentracht londoner
Strassenkehrerinnen. Burton's ostafrikanische Rassenbilder sind besser als
seine guineischen, sie sind wenigstens nicht so ekelhaft carrikirt und stiften
doch wenigstens in ethnographischer Beziehung einigen Nutzen.
lieber Centralafrikas Völker besitzen wir in W. v. Harnier'«, durch
1) L. c. 1868, I, p. Iff. Im verkleinerten Massstabe auch dem bei Hachette et O*
erschienenen selbstst&ndigen Reisewerke (Voyage dans le Soudan occidental etc.) beigegeben.
2) L. c. 1872, I, p. 305ff.
3) Veigl. Zeitschr. f. Ethnologie, 1870, S. 65.
4) Höchst bedauerlich erscheint es dem Verfasser dieses Buches, dass es weder seinen
eigenen noch den Bemühungen verschiedener Freunde gelingen konnte, Rob. Kretsch-
mer 's künstlerischen, hauptsachlich Afrika betreffenden Nachlass der deutschen Reichs-
hauptstadt zu erhalten.
5) Le Tour du Monde 1863, 1, p. 96.
6) Dahomey and ihe Dahomans, I, p. 2«i.
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Ucber bildliche Darstellungen von Afrikanern und insbesondere von Nigritiem. 109
Bern atz für den Buntdruck vorbereiteten Bildern vom weissem Nile ein
ausgezeidmetes Material über Sü^k, Denqa, Kig, Jfyaby Nutoer, iSi>ir,
Bari u. s. w. Schade nur^ dass die Farbentöne etwas matt^ etwas saftlos
gehalten sind und daas der sonst von uns so nochgeschätzte Bernatz hier
in den übrigens verzeihlichen Fehler verfallen ist^ die breiten Schultern^ die
volle Brust und das kräftige Untergestell seiiler abyssinischeu Hochlands-
bewohner auf die dürrbeinigen Nigritier des Bktker-el-Gebel zu übertragen.
Ein höchst begabter^ leider noch während seiner Reisen im Orient
yentorbener pariser Arzt^ Dr, Ernest Godard^ hatte es sich angelegen
sein lassen^ auf dem grossen Völkermarkte zu Cairo und an anderen Orten
Aegyptens verschiedene afrikanische Meuschentjrpen aus Aegypten selbst,
ans Nubien, Sennär, Kordüfän u. s. w. nach ihren physischen Kennzeichen
zu beschreiben, hatte auch ihre Köpfe in sehr prädsen Umrissdarstellungen
abzubilden gesucht^). Wie mir Godard's Lehrer, Prof. Ch. Robin erz-
ählte, sind diese Köpfe mit dem Zeichnenprisma angenommen und nach
den Originalen getreulichst copirt worden. Dieselben gewähren ein nicht
zu unterschätzendes Material für die afrikanische Anthropologie.
Die wenigen v. d. Decken's Reisewerke beigegebenen ostafrikani-
tthen Rassenbilder sind mit Sorgfalt ausgeführt worden ^) und bilden neben
oben erwähnten anderen den brauchbarsten Stoff für diese Gegenden.
Eine Anzahl neuerer Reisewerke über Südafrika bringen auch Ab-
bfldimgen von ^-.Böit/M, Khci-Khoi-n u. s. w., so diejenigen von Living-
ttone, Andersson, Grout, Gardiner, Baines, Chapman u. A.
Leider rind fiast alle diese Illustrationen, wie übrigens auch diejenigen, welche
raSpeke und Grant, Baker u. s. w. gehören, nur in Bezug auf Tracht,
Hewafihung und Geräth benutzbar. Die zwar steifen ungeschickten, aber,
wie es doeh den Eindruck macht, sehr genauen Abbildungen in Gamitto's
Muata Cazembe sclieinen von Seiten des Fr. Travassos Valdez, sowie
Livingstone's vielfach benutzt worden zu sein, ohne dass des beschei-
imen Capitäo Mör dabei mit gebührender Anerkennung gedacht worden
wire. Die Illustrationen zu Baine's Werk über Südafrika sind zwar keine
ethnologischen Musterdarstellungen, allein dieser geistreiche Künstler verfugt
wenigstens über ein wahrhaft gigantisches Material an Aquarellstudieu, und
babc ich durch Freund E. Mohr's Vermittelung ganz vortreffliche Gruppen-
bfld«r von Matabele u. s.w. gesehen. Ein Theil der Baine's eben Aqua-
rellen hat dem Rev. Y. J. G. Wood zur Herstellung einiger besseren Holz-
schnitte von A'BäfUu für seine Natural History of Man gedient. Dass
ibrigens in Wo od 's Illustrationen der ihnen dargebotene, zum Theil sehr
1) Egypte et Palestine etc. Atlas.
2} »Bei dem nach gaten photographisohen Vorlagen geieichneten Bilde ITomoro -Typen
rtep die Köpfe dreimal in Holi geschnitten werden, ehe sie einigermassen befrie-
digten« Keraten a. a. O II, S. 410
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110 I. AbschniU. VI. Kapitel.
gute Vorrath an Photographien (m^t von der geschickten Hand eines
Mr. Kesh) nicht immer mit zu wünschender Sorgfalt benutzt ist^ lehrte eine
Vergleichung mit den vorgelegten Originalen. Hatte nun G. Fritsch in
seinem »Drei Jahre in Südafrika« eine Beihe sehr gelungener in Holz
geschnittener Bassenbilder veröffentlicht, so hat er in den seinen »Einge-
bornen Süd-Afrikas« beigegebenen in Kupfer gestochenen oder in
Holz geschnittenen Bassenportraits mit das Reste geleistet^ was der beutige
Standpunkt unseres Könnens in dieser Beziehung überhaupt zuiässt. Unser
Beisender hat als äusserst geschickter Photograph durchgängig gerade Pro-
jectiofien, hat von den Köpfe« inmier die Vorder- und Seitenansicht ge-
nommen und auch vervielfältigen lassen. Seine Bilder »bringen (um roh
Fritsch 's eigenen Worten zu reden) <len Typus der. Stämme in ausreiehender
Weise zur Anschauung und erlauben auch bequem Messungen , welche am
liebenden wegen Beweglichkeit und YerschiebbarkBit der Weichtheile kaum
mit der Sioharheit ausgeführt werden können ^) .«
Ich selbst habe des herrlichen Hülfsmittels der Photographie auf unserer
verhältnissmässig kurzen und drangsalvollen Reise leider entbehren müssen.
Vielmehr hatte ich mich, ein rein autodidaktischer, dilettirender Zeichner,
damit zu begnügen, unter Zuhülfenahme eines in München angefertigten
Prisma, eine Anzahl (einige 40) Bassenköpfe aufzunehmen und einen klei-
neren Theil derselben mit Pastell und Honigfarben aucJi colorirt zu zeichnen.
Selbst dies war nicht immer leicht ausfuhrbai*. Den Satzungen des bläm
zufolge soll Niemand Bilder von Ticbendigen anfertigen, besonders nicht
Statuen, welche Schatten geben. Beim jüngsten Gericht soll der Zuwider-
handelnde seinem Bilde Leben einhauchen und da di^s ein Unding» so soll
er für seine Vermessenheit längere Zeit im Ge&ofmimy in der Hölle, schmoren.
So passirte es denn auch, dass mancher Bechtgläubigß darüber skandalirte,
sobald ich ihn selbst oder sobald ich in seiner G^^nwart andere Kinder
des Isiäm zum »Sitzen« zu bewegen suchte. In meiner Verzweiflung darüber,
mir hier und da einen interessanten Bassenkopf durch bornirten Fanatismus,
kindischen Aberglauben oder mohanmiedanischen Pfaffentrutz ei^ehen lassen
zu müssen , griff ich manchmal zu Gewaltmassr^geln. Ich Hess in solchen
Fällen wohl die vor einer Abconterfeiung sicli entsetzenden Fung, Abü-Böf
u. s, w. durch Mannschaften unserer schwarzen Militärbedeekimg greife^, fest-
halten und zeicliuete sie dann volens noleus. Unsere stets zu rohen Spässen
angelegten nigritischen Kriegsknechte des Statthalters iu Cuiro zeigten sich
höchst willfährig, mir Material fiir jene m^ne Zwecke zwangsweise zu be-
sorgen. War Urnen meine Absicht einmal kundgethan, so Statuten sie aiih
wie Jagdhunde unter den wilden Kriegsrufen ihrer Stämme auf den bezeich-
neten Nomaden oder Ackersmann, auf Weib oder Kind. Unter gellendem
I) Zeitachr. f. Ethnologie, 1872. Vürhandlun^^n der HerHn. anthropol. Geaellsch. da-
HM für I «7 1—72, S. 12
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üebcr bildliche Darstellungen von Afrikanern und insbesondere von Nigritiem. i\t
GelSditer und satanischem Gr^odel wuTde dann das unglnckliche Opfer,
welches wohl stets sein letztes Stündlein gekommen glaubte und ein W^Al-
tidd imd ein La ütähä lä iU Aüah etc. über das andere herausstöhnte und
kerausplärrCe^ vor Aem. Zeichner geschleppt. Letserem aber ivard es jedesmal
schwer^ bei solcher Sachlage den Stift zu führen^ er musste an sich halten,
am nicht vor Lachen über das Hochkomis4^ des Augenblicks schier sii
bersten. Eine unvergfeichliche Genugthuung war es dem Reisenden sdiliess-
lieh, dem Gequält^i durch ein passendes Geschenk zu vergelten, zu höien,
wie seine Angstrufe sich in laute S^enswünsdie verwandelten, anzusehen,
wie das eben noch in Thranen des Kummers gebadete Auge vor Freude
hei] aufleuchtete. Rühmend hervoHieben muss ich es übrigens, dass auch
manche gd)ildetefe Ostafrikaner, von allerhand NationaUtät, dem Heispiele
der aufgeklärten Yicekönige aus Mohammed-^ AK s Hause folgend, einer höf-
lich und freundlich ausgespivochenen Bitte, sich zeichnen zu lassen, ohne
Weiteres nachgaben und darin die Engherzigkeit der vDihin erwähnten Gläu-
bigen beschämten. ' Einzelne Frauenzimmer schienen sogar eine Ehre darin
zu finden und kokettirten bei solcher Gelegenheit nicht wenig mit vorhan-
denen oder eingebildeten Reizen. Ganz verständig benahmen sich in jener
Hinsicht die äusserst rdhen, splitternackten Denqa aus den Landschafttcn
am Nemafi und Defafän. Dr, Schweinfurth erzählt mir übrigens, dass
er bei anderen DenqaStSxmxsiBa die gegendieilige Erfahrung gemacht habe,
indem diese Wilden in ihrer Dummheit geglaubt hätten, das Abzeichnen
bringe ihnen den Tod ^) .
Die obenerwähnten und noch msmche andere nicht immer spassig Uei-
bende Verhältnisse und Vorkommnisse nöthigten mteh äbrigens^ die Geduld
der freiwill^ oder zwangsw-eise mir als Modelle dienenden Personen nicJit
allzusehr auf die Probe zu s(3eUen. Ich musste mich daher in den meisten
fSk^ damit begnügen, nur eine einzige Vorder- oder Seitenansicht zu
zeichnen. Einigemal freilich kam ich in die Lage, von einer augenblicklieh
einge&ommenen Stellung eines einzelnen Individuums Nutzen ziehen und den
Küpf in unvolbtAndiger Vorderansicht aufuehm^i zu müssen. Indem ich
nun das Unvollkommene der angewandten Darstellungsmethode anerkenne,
wollte ich trotzdem die Veröffentlichung einee kleineren Theiles der von mir
angenommenen Portraits bei dieser Gelegenheit nicht verabsäumen. Denn
einerseits mussten mir diese Zeichnungen beim Mangel anderer bildlicher
Vorlagen zur Erläuterung mdner eigenen schrifdichen Aufzeichnungen und
zur Belebung meiner ^genen Erinnerung an die physiognomischen Eigen-
thümlichkeiten der besprochenen Stämme dienen. Andererseits aber glaubte
i) Ein hier and da auch bei anderen Völkern verbraiteter Abciglaube. Man erinaere
sich, dass als O. Catlin die Jfai»dan- Indianer malen wollte, die »Squatonti derselben er-
klirten, der Maler raube den rothen M&nnem einen Theil ihres Lebens, um es mit in das
Umd der weissen lieute zu nehmen, und wenn sie stürben, so würden sie keine Ruhe im
Grabe haben.
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112 ^' AbschniU. VI. Kapitel.
ich auch den Lesern dieses Buches es schuldig zu sein^ ihnen irgend ein
ikonographisches Material über in ihrer nationalen Stellung noch so wenig
bekannte, bisher selten oder nie abgebildete Afrikaner, wie z. B. Baqäray
Denqay Fung, zur Orientirung, auch Vergleichung bieten zu müssen. Es
hiesse ja mit kleinlicher Pedanterie ver&hren, wollte man Handzeichnungeu
deshalb gänzlich zurückdrängen, weil noch keine entsprechenden (unzweifel-
haft genaueren) Photographien zur Hand sind. Daher habe ich auch gern
von Herrn Adolf von Harnier's freundlicher Erlaubniss Gebrauch ge-
macht, einige der von seinem verstorbenen Bruder Wilhelm vonHarnier
am weissen Nile aufgenommenen Aquarell- und Bleistiftstudien hier durch
Lithographie direct nach dem Originale wiedergeben zu dürfen. Ferner
wurden zwei sehr interessante, mit Bleistift skizzirte Rassenköpfe des Hm.
W. Gentz benutzt. Wie ich denke, wird man selbst aus diesen auf Hand-
zeichnungen beruhenden Abbildungen immerhin Einiges lernen können.
Es kam mir nun darauf an^ hier auch gewisse allgemeine Verhält-
nisse im Aeusseren der Nigritier zu schildern. Zur ikonographischen Er-
läuterung derartiger einem grösseren Gesichtskreise anheimfallender Betrach-
tungen glaubte ich aber unbedenklich manche gute mir gerade zugängliche
Photographie, selbst wenn der Volksstamm des aufgenommenen Individuums
nicht genau oder gar nicht sich nachweisen liess, benutzen zu können. In
anderen Fällen gelang es, zuweilen mit Herbeiziehung Reisender, die Natio-
nalität eines photographirten Individuums sicher oder doch annähernd sicher
festzustellen. Einige der z. B. von W. Hammerschmidt photographirten
Individuen aus Cairo habe ich persönlich gekannt. Ein gutes Theil der
benutzten photographirten Portraits ist dem Aufiiehmenden mit vollkommener
Sicherheit als dieser oder jener Nationalität angehörig bekannt gewesen,
über nicht wenige Individuen besitze ich sogar genaueres Nationale. Ich
bin daher in die Lage gekommen, auch eine ganze Anzahl typischer Rassen-
portraits nach Photographien und zwar zum Theil in genauer Vorder- und
Seitenansicht geben zu können. In dieser Hinsicht stehen die auf meine
persönliche Anregung und nach meinen Instructionen von Herrn
Dammmann in Hamburg *) photogn^hisch aufgenommenen Zanzibarer-
Portraits, so wie die vom Hm. Prosector Dr, Paul Langerhans (zu
Freiburg i. Br.) in Jerusalem photographirten und mir freundlichst zur Ver-
öffentlichung überlassenen Afrikanerköpfe obenan.
Noch muss ich einer Anzahl Männer gedenken, welche mich durch Zu-
wendung von Photographien afrikanischer Eingeborener in zuvorkommendster
Weise unterstützt haben. Hr. Dr, jwr. Graf Adam Sierakowsky übei-
lies mir eine Anzahl zum Theil vom Herrn Baron von Maltzan recognos-
cirter in Algier aufgenommener Typen. Hr. I>i\ Otto Kersten stellte
1) Hr. Dam mann überlässt diese aberaus instructive Sammlung von photographischen
Q^<;^f^lfiufnahmen für einen verhältn 188 massig billigen Preis.
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Ueber bildliche Darstellungen von Afrikanern und insbesondere von Nigritiem. 113
mir einige höchst interessante von ihm selbst photographirte Zanzibar-Typen
zur Verfiignng. Hr. Lamprey in London gewährte mir Gelegenheit, einige
der von ihm so wunderschön photographirten Nigritier copiren lassen zu
können. Durch die Herren Schweinfurth und P. Langerhans erhielt
ich eine Menge der schönen James'schen Aufnahmen aus Nubien und
vom weissen Nile. Aus Herrn G. Rohlf's photographischem während seiner
letzten Reise (in Cyrenaica u. s. w.) durch E. Salingri zusammengestelltem
Album konnte ich etliche wichtige Köpfe benutzen. Hr. Solch in Ingol-
stadt beschenkte mich mit seinen sehr charakteristischen Photographien von
berberischen und nigritischen Turcos^), Hr. Edward Mohr und eine mir
bekannte Dame verschafften mir eine Reihe von Photographien der A-Bäntu,
welche der Vollständigkeit willen ich zum Theil behufs anzustellender Ver-
gleichung habe auf den Stein übertragen lassen.
Manche der diesem Werke beigegebenen Lithographien und Holz-
schnitte machen nur auf rein ethnographische Verwendbarkeit Anspruch.
Um nun die ohnehin bedeutenden Kosten des Verlages nicht über-
mässig zu vermehren, habe ich den meist sehr umständlichen und mühe-
ToUen Weg betreten, in mancherlei populären Blättern von mir selbst
illustrirte, nigritische Verhältnisse berührende Aufsätze zu veröffentlichen
und habe ich die Originalholzstöcke oder die Cliche's der durchweg nach
meinen Originalzeichnungen gearbeiteten Illustrationen hier wie-
der zum Abdruck gebracht.
Uebrigens wolle man in dem Illustrationsverzeichnisse alles die ikono-
gmphische Seite vorliegenden Werkes Betreffende noch näher einsehen.
Vn. KAPITEL.
üeber Enltorpflanzen , Aokerbaa und Eoltnrthiere der Afrikaner.
Die Denkmäler der Aegypter gewähren uns mit ihren scharf und sicher
contourirten, naturgetreuen Malereien und Reliefdarstellungen einen höchst
sicheren Anhalt zur Feststellung der in ihrer Zeit angebaueten Pflanzen und
der damals gezüchteten Thiere. Todtengaben an Früchten u. s. w. in den
Gräbern und Thiermumien vermehren unser Material in dieser Richtung
und erlauben uns wiederum genaue Kontrole über Das, was die Alten von
1) Vergl. Zeitschr. f. Ethnologie 1871, S. IH.
U»rtiD«nii, Nigritier. S
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114 I- Abschnitt. VII. Kapitel.
wilden und Kultur-Früchten, von wilden und Haus-Thieren gemalt, in Stein
gehauen und, hieroglyphisch, geschrieben haben.
Die ebenfalls naturgetreuen, stylvollen Malereien und Bildwerke der
Erbauer von Babel, Niniveh und Persepolis, die vollendeteren künstlerischen
Erzeugnisse der Griechen und Römer bieten uns einen wichtigen Stoff für
die Erweiterung unserer Kenntnisse auch von den in Afrika angebaueten
und in den Hausstand übergeführten Pflanzen und Thieren. Dürftig und
zum Theil unsicher dagegen ist in dieser Beziehung alles Dasjenige, was
uns die rohen Malereien und Bildwerke der Garamanten, Kordüfaner,
Gttin^a- Schwarzen, A-Bäntu und Buschmänner zeigen.
Im Nachfolgenden soll es unser Bestreben werden, diejenigen organi-
schen Wesen in Kürze aufzuführen, welche Afrikas Bewohner ihren
Zwecken dienstbar gemacht haben. Es gehört nun aber zu den schwierig-
sten Aufgaben, deren unser Geist sich zuzumuthen vermag, das Woher
und das Wie jener Gegenstände menschlicher Pflege zu ergründen. Ja wäre
es uns möglich, gleich überall die organischen Beste früherer Erdepochen
aufzudecken und an ihnen die natürlichen Bedingungen zu erforschen, unter
denen sie sich entwickelt, unter denen sie ihre Form auf spätere Genera-
tionen fortgepflanzt haben, mit und ohne Veränderung, dann würde es uns
schon leichter werden, auch jene oben erwähnten Hauptfragen zu erledigen.
Aber wie äusserst wenig hat uns die Palaeontologie darin bis jetzt zu er-
schliessen vermocht! Und trotz dieses sehr Wenigen müssen wir uns noch
ängstlich daran klammern, wollen wir überhaupt den Weg der inductiven
Forschung innehalten. Danach aber haben wir zunächst den Weg der
geschichtlichen Forschung zu verfolgen, welchem sich derjenige der
sprachlichen Forschung unmittelbar anschliesst. Wir fühlen uns genö-
thigt, nach den urthümlichen Pflanzen- und Thierformen zu suchen,
welche unter der Hand der Menschen für Zwecke weniger Individuen und
der grossen Gesammtheit, für Familie und Staat gesammelt, eingefangen,
angebaut, gezähmt, gepflegt, gemodelt worden sind. Wenn wir uns freilich
die Kulturpflanzen und Kulturthiere einfach als von Oben für unsere Zwecke
ausdrücklich geschaffene Wesen denken wollen, so eröffnen wir damit dem
menschlichen, der Gottheit ganz unmittelbar nahestehend sich dünkenden
Egoismus Thor und Thür, wir ersparen uns weiteres Nachdenken, wir
brauchen doch nur oberflächlich nachzusehen, was etwa aus den gebratenen
Tauben geworden sein könnte, die uns Ebenbildern Gottes gelegentlich
einmal in den Mund geflogen wären.
Allein bei derlei seichten Speculationen darf die Wissenschaft nicht
stehen bleiben. Hart und mühselig, wie jede gründliche Geistesarbeit, ist
auch die Erforschung unserer Kulturpflanzen und Hausthiere in Bezug auf
ihre ursprünglichen Stammgewächse und Stammthiere, in Bezug auf ihre
Pflege, ihre Veredlung. Wenn wir uns nun auch gestehen müssen, dass
dermalen eine grosse Anzahl Fragen über jene Dinge zur Beantwortung
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Ucber Kulturpflanzen, Ackerbau und Kulturthiere der Afrikaner. 115
noch nicht reif sind, so dürfen wir doch nicht müde werden, dieselben
immer wieder von Neuem anzuregen. Auch hier wollen wir einmal sehen,
wie es imi angebaute Pflanzen und um domesticirte Thiere in einem Fest-
lande steht, dessen Naturverhältnisse aus oben und anderwärts ^) entwickelten
Gründen vorzugsweise geeignet erscheinen, uns über die uns beschäftigenden
Gegenstände aufzuklären. Aus räumlichen Gründen kann es sich im Nach-
folgenden übrigens nur um eine Art von Katalogisirung Dessen handeln,
was der Nigritier und auch der Berber in der Erzeugung und in der
Pflege von Kulturpflanze]:! und Kulturthieren ungefähr geleistet
haben und etwa noch leisten. Eine erschöpfendere, kritischere Behand-
lung des Stoffes muss ich mir für eine besondere Gelegenheit vorbehalten.
a) Enlturpflanzen.
Innerafrika zeigt uns die Anpflanzung verscbi edener Arten von ess-
bare Früchte hervorbringenden Gewächs-en. Obenan steht auch
hier der Pisang oder die Banane, von welcher Musa paradisiaca und
M, sapientum, letztere im Innern wohl vorzugsweise, angebaut werden.
Die Kultivirung beider Arten findet in Aegypten, im Mayreb, in Nubien
und Sennär nur in beschränkter Weise statt. In Ostafrika, namentlich in
JT'Gandäy wird Musa sapientum behufs Erzeugung von Pombe- oder
Pisang- Wein angepflanzt^). Kersten's Schilderung der üppigen Bananen-
Pflanzungen in Kilimä betrifft wohl Mu sa paradisiaca^). Letztere ,
sowie Musa sapientum, werden auch in verschiedenen Gegenden
Abyssiniens cultivirt, wie dies aus Roth 's Angaben und Bernatz* Ab-
bildungen *) hervorgeht. Ich selbst zeichnete in einem bei Sennär befind-
Kchen Garten eine angeblich aus Donqür stammende Banane mit lang-
gestielten, auf der Unterseite der Mittelrippe purpurnen Blättern, die ich als
Musa paradisiaca var. rubropetiolata aufnotirte. Heuglin's wenig
deutliche Abbildung einer Pisang-Pflanzung im JFgina-Thale in Semien ^)
scheint doch Musa Ensete betreffen zu sollen, von welcher letzteren uns
Bruce eine so lapidare Beschreibung und ganz hübsche Abbildung ö) hin-
terlassen.
Im MombutU'lj9ü[iAe Centralafrikas bildet Pisang die »Basis aller Nah-
rung« ') . Man verzehrt daselbst die Frucht im unreifen Zustande zerrieben
1) Annalen der Landwirtbschaft 1864. — Zeitschrift f. Ethnologie, 1872. S. 88.
2) Speke Journal, p. 648.
3) V. d. Decken, Reisen, I, S. 269.
4) Scenes in Ethiopia, II, tab. VI. XI.
5} Tagebuch einer Reise von Chartum nach Abyssinien, S. 87.
6] VergL femer: Courtis Botanical Magazine, III. Ser., No. 193, tab. 5223. 5224.
Eine sehr schöne Abbildung der Bnzit liess femer Prof. Alex. Braun nach einem Pracht-
exemplare des berliner botanischen Gartens anfertigen.
7] Scbweinfurth in Zeitschr. d. Ges. f. Erdk. V. Bd., S. 247.
8* ■
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116 I. Abschnitt. VII. Kapitel.
oder gebacken und gekocht; reife werden getrocknet. Die meisten hiesigen
Pisang-Bäume haben die Eigenthümlichkeit, dass das junge Laub mit pracht-
voll purpurnen und violeten Flecken gezeichnet ist und dass die Blattstiele
der älteren Blätter am Rande und die Mittelrippe untererseits geröthet er-
scheinen. Letzteres deutet offenbar auf die Abstammung von Musa Ensete
hin. Im iVam^a;?a-Gebiete ist die Pisang-Kultur *) nur zerstreut, in West-
central- und Westafrika dagegen ist dieselbe äusserst verbreitet.
Die schon erwähnte Enzet der Abyssinier [Musa Ensete) mit der dun-
kelrothen Unterseite der Mittelrippe des colossalen Blattes, welches an seiner
Basis eins das andere scheidenumfassend den kurzen Stamm bildet, findet sich
wild in SnA'Sennär, in Där-Berdat, Där-Gumüz, bei den von berberini-
sehen Vagabunden sogenannten Gtcr-el-Feri und Gur - el -Foxänt ^) . Kul-
tivirt dagegen wird diese Pflanze in verschiedenen Gegenden Abyssiniens,
z. B. in Ifät, und in Crürügie. Südöstlich in Mängänga, im 3farai?i-Gebiete,
im Innern von U'-Gandä und nördlicher, auch wohl westlicher, kommen
noch andere Musaceen vor — Musa Livinff8to7iiiy M. Koba — , welche
noch wenig bekannt, wahrscheinlich aber von M, Ensete nicht specifisch
unterschieden sind ^). '
Für gewöhnlich pflegt man den Pisang als ein Geschenk Südasiens
zu betrachten. Auf ägyptischen Denkmälern haben Andere so wenig wie ich
eine bildliche Darstellung dieses Gewächses entdecken können. Es könnten
Musa paradisiaca und M. sapientum von Asien so gut nach Afrika
gelangt sein, als dies noch neuerlich mit Musa Cavendishii der Fall
gewesen ist. Indessen besitzt Afrika von jeher in Musa Ensete und deren
Verwandten jedenfalls auch einheimische^ wilde, zur Kultivirung ge-
eignete Arten, welche durch Variirung Formen hervorgebracht haben
dürften, wie solche nach Schwein furth und von mir (und vielleicht auch
nach Kirk?) oben erwähnt worden sind. Die Afrikaner würden dann doch
in die Lage gekommen sein, Pisang selbst aus wilder Stammform [Musa
Ensete] zu erziehen und überdies auch noch von fremdher eingeführte
Arten [M, paradisiaca, M, sapientum) zu cultiviren.
Ein Hauptkulturgewächs Nordafrikas ist die Dattelpalme [Phoenix
dactyliferd). Dieselbe gehört so recht dem Gebiete der Wüsten an, in-
nerhalb dessen sie in einem der Bewässerung zugänglichen Erdreiche ge-
deiht. Am Schönsten entwickelt sie sich in den zwar räumlich beschränkten,
aber sehr fetten Nil-Alluvien von Där-Sukköt y Där-Mahäs und Där-Don-
qolah, femer in Beled-el-Gerld. In Nachbarschaft der Gebal-Naurx und
Kirsbidah erzeugt dieser edle Baum die gut drei Zoll lange, süsse und aro-
1) Seh wein furth in Zeitechr. d. Ges. f. Erdk., VI, S. 247.
2) S. Hartman n, Reise S. 485.
3) Vergl. auch: Musa Ensete. Ein Beitrag zur Kenntniss der Bananen. Inaugural-
dissertation von L. Wittmack. Halle MDCCCLXVIl.
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Ueber Knlturpflaiizen, Ackerbau und Kulturthiere der Afrikaner. 117
matische *Sw&fö«i- Dattel. Sowie derselbe nördlich erst in der Breite von
El-Qandarah essbare Früchte hervorzubringen beginnt^ so trägt er deren
in Nigritien, südlich vom 13*^ N. Br., nicht mehr. Verwildernd giebt er
auch an seinen besten Standorten nur wenige und nur schlechte, herbe Frucht.
Es ist noch sehr dunkel, von wo dies Gewächs herstammt. Wilde Formen
ißT Phoenix finden sich sowohl in Südasien, als auch in Mittel-, wie
Südafrika, z. B. der Kjorn-kom [Ph. spinosa s. humilis) der Senegal-
Länder mit kleinen wohlschmeckenden Früchten und die im Habitus so
ungemein variirende Phoenix reclinata. Im Gebiete des oberen blauen
Niles beobachtete Kotschy eine wahrscheinlich mit letzterer identische
niederliegende Form. Auch wir hörten von einer solchen erzählen. Schwer-
lich dürften wir je ei^^nden, wess Volkes Kinder die ersten Dattelpalmen
angebaut haben, ob Afrikaner oder ob Asiaten, ob vielleicht die unver-
meidlichen Semiten? Manche möchten Mesopotamien für die Urheimath
dieses nützlichen Gewächses halten. Indessen scheint die Kultur dieses auf
den ältesten ägyptischen Denkmälern auftretenden Baumes am Nile doch
älter als am Euphrat zu sein. Wenn C. Ritter und nach ihm Helin^)
anfuhren, dass die ältesten Nachrichten unsere Palme npch nicht als Frucht-
baum kannten, so wird ein solcher Ausspruch durch einfache Betrachtung
der Denkmäler zu Theben (z. B. zur Zeit der XVIII. Dynastie) u. s. w.
widerlegt, auf denen die ausserordentliche dem hehren Baume gewidmete
Sorgfalt zu sehr in die Augen fällt, als dass es noch einer weiteren
Discussion zu bedürfen schiene.
Die durch ganz Afrika im wilden Zustande verbreitete 2)öw- Palme
Hyphaene thehaica) erfreute sich seit Alters und erfreut sich noch jetzt
weniger einer sorgfältigen nach agronomischen Principien geregelten An-
pflanzung^ als vielmehr eines gewissen Schutzes und einer systematischen
Ausbeutung ihrer Producte. Also wird es mit ihr in Obei*ägypten, in Nubien,
bei den sesshaften Bejah, den FuTig, Sillük, Detiqa, Berfä u.s.vf, gehalten.
Mau sehneidet hier die Blätter ab, um Matten u. s. w. daraus zu flechten,
man sammelt die Früchte zu den verschiedensten Zwecken des Verspeisens
und technischen Verwerthung. Nur selten lässt man sich dazu herbei, die
Dom -Plantagen noch künstlich zu bewässern. Wirklich gepflanzt und
sorgfältiger gehegt wird dies Gewächs nur an gewissen seiner eigentlichen
Heimath ferner gelegenen Gegenden, von Liebhabern.
Nicht anders, als es gewöhnlich mit der Z>ow- Palme geschieht, ver-
fahrt man mit der 2)öföÄ - Palme ^) (Borassus flabelliformis var.
Äethiopum)y die auch ganz ohne Pflege und Aufsicht über grosse Strecken
wild wuchert. Der Deläx, Delüx oder ^Argün [Hyphaene Argun] ge-
wisser Thäler Eibäy^s und wahrscheinlich verschiedener Gegenden Inner-
t) Erdkunde, XIII, S. 77] ff. Hehn, Kulturpflanzen und Hausthiere, S. 181.
21 Weniger richtig Juleh z\x schreiben.
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118 I. Abschnitt. VII. Kapitel.
wie Südafrikas mit ihren zwar ganz hübsch aussehenden^ aber auch erbärm-
lich schmeckenden Früchten lässt man nirgendwo Pflege angedeihen.
Die schöne und ergiebige Oelpalme (Elaeis guineensis) tritt in
dem nach Schweinfurth's begeisterten Angaben ein wahres irdisches
Paradies bildenden, überschwenglich-üppigen Momhütu-L^xiA.e in grossester
Menge auf. Es unterliegt keiner Frage, dass dieser höchst nützliche Baum
in Westafrika zwar vielfach wild vorkommt und selbst in diesem Zustande
ausgebeutet, daneben aber auch für bedeutende Strecken einem wirklichen,
rationellen Anbaue unterworfen werde. Bei seiner hohen Bedeutung für
den Welthandel wird diese Palme von Jahr zu Jahr mehr ein G^enstand
sorgfältiger Behandlung selbst in solchen Ländern der Nigritier werden,
in denen angesichts der mit allem Luxus Europas ausgestatteten Factoreien,
der Dampfboote u. s. w. der /«{;«- Mann seine Menschenopfer fordert und
wo die Abgottsschlange sich um den dunklen Leib ihrer sie pflegenden fana-
tischen Bonzen ringelt. Die Oelpalme Elaeis ist ein unanzweifelbarer
Gegenstand urthümlichen nigritischen Ackerbaues.
Es ist nicht immer leicht zu entscheiden, ob man es mit einem wirk-
lichen Kulturgewächse, einem absoluten Erzeugnisse menschlicher Acker-
baukunst, oder nur mit einem zwar durchaus wild wuchernden, aber gerade
in Nähe menschlicher Wohnplätze sich vorfindenden und hier nach Gutdünken
gepflegten, vor schwerer Unbill geschützten Gewächse zu thun habe.
Die von der afrikanischen Westküste durch Inner -Sudan bis in das
Mombütu- h&nd hinein und auch noch südlicher verbreitete Weinpalme
[Raphia vinifera) ist nur gelegentlicher Gegenstand einiger Pflege, etwa
wie Dom- und i>eföi -Palme.
Die Afrikaner bewirken hier und da eine Anpflanzung wildwachsender
Fruchtbäume, als iVieJöy, N,-el-Fll [Zizyphus Spina Christi, Z. abys-
sinicus), von Feigenbäumen [ürostiffma, Ficus), HegeUg {Balanites
aegyptiaca), Muymd [Cordia myxa) oder Wanze (C. abyssinica],
Hamrahf Kükä oder Dabaldieh (Adansonia digitata) , Tamr-hindi
(Tamarindus in die a] und zwar nicht immer etwa nur deshalb, um sich
den zweifelhaften Genuss der keinesfalls durchweg gu]tschmeckenden und
nicht einmal immer körperlich wohlthuenden Früchte bequemer verschaffen zu
können, sondern oft nur in der einen Absicht, den Schatten der betreffenden
Pflanzengebilde benutzen oder dieselben sich sonst noch dienstbar machen
zu können. So wird z. B. der hohle Stamm einer ungeheueren Adansonie
öfters als Ziegen- oder Schafstall, ja als Palaver- oder Rathsstube, als Grab-
stätte (z. B. für die senegambischen nGriots« oder Barden) benutzt und es ist
durchai|fi nicht immer der Zufall, welcher einen solchen Baumriesen an der
betreffenden Stätte erwachsen Hess. Der Kultur wirklich gewonnen ist da-
gegen der Gimmez (Ficus sycomorus). Höchst merkwürdig bleibt übrigens
das Auftreten eines Brodbaumes (einer Artocarpee) im ^amüam- und
Mombüiu -'La,nde, nach den Beobachtungen Schweinfurth's. Ob dies
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Uebcr Kulturpflanzen, Ackerbau und Kulturthiere der Afrikaner. 1 J Q
Gewächs hier spontan vorkomme ist ungewiss, denn es ist sehr wahrschein-
lich^ dass die in den unzugänglichsten Wäldern zu beobachtenden jungen
Exemplare durch die beim Verzehren der Frucht, verstreueten Kerne in ähn-
licher Weise vermehrt wurden, wie dies so häufig mit der Oelpalme geschieht*).
Ist das Gewächs hier einheimisch oder ist es aus dem fernen Indien, gar aus
Polynesien, vielleicht über Amerika nach Afrika gedrungen, oder ist der
Baum hier selbst einheimisch? lieber die Species sind wir noch nicht im
Sicheren. Würde die Frucht ohne Weiteres roh genossen, so dürfte dies
an Ärtocarpus integrifolia, die Jaka der Malayen, mahnen. Die
Brodbaumfirucht der Südsee [Art, incisa) ist im rohen Zustande wohl nicht
essbar 2).
Eine beträchtliche Zahl von den selbst im tiefen Innern von Afrika
gedeihenden Fruchtbäumen ist nachweisbar auswärtigen Ursprunges, so z.B.
der Human (Punica granatum], der Bertuqün [Citrus aurantium)^
Lenrnn [C. limetta, C, litnonum), der Tln [Ficus cartca), der Tln-iöql
oder Ttn-el-Soqah [Cactus Tuna oder Opuntia), die Qüdah [Anona
squamosa), der Gqndä oder Duküdza [Carica Papaya) u. a. Während
Granatbäume und Limonenpflanzungen noch die halb im Urwalde ver-
borgenen, üppig ins Laub sehiessenden Gartenanlagen von Roseres am
blauen Nile schmücken, und reichliche höchst aromatische Frucht spen-
den, wuchert häuserhoher Feigencactus mit wachsgelben Prickelfrüchten
massenhaft noch um Sennär, Die Qüdah lieferte selbst in den Missionen
des Marienvereins am Baher~el-Gehel ihre köstliche Frucht , der Gqndä
Carica Papaya) breitet seine langgestielten, candelaberähnlich abstehen-
den, bandförmigen Blätter über die Toqüle der Kandri, Häüsäüa'^), Fulän,
Simyäy, der Ethe, Yörubaner u. A. aus.
Die alten Aegypter cultivirten eine grossblätterige ^on-Staude [Ar um
Colocasia) und diese, arab. Qulqäs, findet sich noch heute bis nach Fäzoqlo
hin angebaut. Eine, wie Schwein furth angiebt, davon verschiedene Art
büdet die von den ^amfiam unter dem Namen Mausxi gepflegte sehr deli-
cate -4r(»i -Wurzel. Mehrere jetzt weltbürgerliche Gemüsepflanzen dür-
fen von uns mit grossester Wahrscheinlichkeit als Erzeugnisse urthüm-
lich-afrikanischen Ackerbaues betrachtet werden, so z. B. Lübieh oder
Qah-Aranqeq [Dolichos Lubia), Lablab (Z>. Lablab), der Fül-Därfört
oder F.'Kordü/anl, Auandö im Namnam [Arachis hypogaea), Qara^a
1) Zeitschr. d. Oesellscb. f. Erdk. VI. Bd., S. 245. Um Weiterungen zu meiden, sei
bemerkt, dass hier alles auf die Kulturpflanzen der Bonqo, Namnam und Mombütu Bezüg-
liche den a. o. a. O. veröffentlichten Angaben des gerade als Botaniker so sehr herror-
ngenden Schweinfurth zu verdanken ist.
2) Cf. Rumphius Herbarium Amboinense I, tab. 32.
3) Barth glaubt aus dem Häiisä-'^Kaien Gandä-Mä^r schliessen zu dürfen, dass
dieser Baum über den Osten, von Indien her, eingeführt worden sei. Bekanntlich ist
der Ursprung des Melonenbaumes ein tropisch-amerikanischer.
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120 I- Abschnitt. VII. Kapitel.
oder Flaschenkürbis [Cucumis lagenaria), welcher wild kleinfrüchtig
in den Urforsten Sennar^s lianenartig wuchert, übrigens bei sehr vielen Völ-
kern Afrikas zu ganz erstaunlicher Grösse und in der abenteuerlichsten
Foim (vergl. unsere Geräthetafel) herangezogen wird, die Wassermelone,
arab. Badlx (C. citrullus) ein in Steppe und Wüste gemeines, selbst hoch-
cultivirtes Gurkengewächs, der ^Agür (Cucumis Chate) und seine ver-
wandte, Btsande genannte ^arnüam- Form. Die Strauchbohne Qajän [Ca-
janus flatus) ist ein auch über Ostindien und das warme Amerika ver-
breiteter Kosmopolit, wird aber in Nubien und Sennär wirklich angebaut.
Wekah oder Bämieh (Hibiscus esculentus) ist eine gleichfalls in Afrika
angebauete und von da nach Amerika u. s. w. gebrachte Staude. Sesbän
oder Diqiabarän [Sesbania aegyptiaca] ist ägyptisch -nubische Wild-
pflanze, im Sennär gemeines Unkraut der Wälder, wird aber als Zaunpflanze
angebaut und dienen ihre Saamen als Volksmittel. Der Termis der Aegypter
(Lupinus Termis), Zwiebeln, Porreh, Mohrrübe, Lattich, Kohle, Kohl-
rüben, Salat, Rettig, Sauerampfer, Kresse, Bohnen, BuflFbohnen, Erbsen,
Kichererbsen, Platterbsen, lassen sich nicht als ausschliessliche urspriingliche
Anbauerzeugnisse Afrikas (Aegyptens namentlich ! ) nachweisen , wenn es
auch annehmbar erscheint, dass einige der genannten Kulturpflanzen dem
agronomischen Geschicke des ältesten Kulturvolkes ihre Entstehung, resp.
Erzeugung aus wilden Formen, verdanken. Zwei in Ost- Sudan so treffUch
gedeihende Solaneen, Bedingän ^) - ahmar [Solanum lycopersicum) und
B.'oswad [S. melongena)y sind von fremdher, aus Südamerika und Ost-
asien, eingeführt worden.
Es existiren nun noch einige andere wilde Krautpflanzen, die in
Wald und Flur eingesammelt, aber auch zuweilen nicht allein geschont,
sondern in kleineren Mengen regelrecht angebaut werden, z. B. die als
Grünzeug dienenden Melu%teh [Corchorus olitorius), Damläq [Gynati"
dropsis pentaphylla)^ Xubbezi [Malva verticillata), Sukurleh [Cicho-
rium Endivia) und Portulak. Diese Gewächse finden wir in Aegypten,
einem Ackerbaulande im wahrsten Sinne des Wortes, noch am meisten ge-
pflegt, in Nubien und Sudan weit weniger, hier geht man mehr den wilden
oder verwilderten Individuen (wenigstens von Malva veriicillata und
Cichorium Endivia) nach, die man sich ohne Mühe verschaffen kann.
Reis [Oryza sativa) wird in Aegypten, Algerien, in West- und Ost-
afrika cultivirt. Ostafrika besitzt eine wilde Form, Ruzz-el-Mä [Oryza
punctata), um die Sümpfe wachsend, deren Saamen den Kordüfanem
reiche Ernte golben ^) .
Den Aegypten bevölkernden und civilisirenden Berbern war es vorbe-
halten, einige der wichtigsten Brodpflanzen der Erde, vde Weizen [Tri-
1) Eine in Xardüm sehr gebräuchliche Variante lautet »Badlinjäm.
2) Th. Kotschy in Petermann's und B. Hassenstein's Innerafrika, S. 8.
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Ueber Kulturpflanzen^ Ackerbau und Kulturthiere der Afrikaner. i21
licum vulgare [aestivum] et turgidum) , sechszeilige Gerste
Hordeum hexasiichum), vielleicht zuerst anzubauen oder doch wenig-
stens den ihnen ii^endwie überkommenen Anbau zu gewisser Vollendung
zu bringen, den Producten jener Pflanzen dann auch im alten Europa Ein-
gang zu verschafien. Es ist hier zu erwähnen ^] , dass die AmKära und
Örma schon frühzeitig darauf hingewiesen zu sein scheinen, ihre ver-
hältnissmässig dürftigen Hochländer, z. B. die Degä von Semien und Söwä
biß zu 9000, ja 12000 Fuss Höhe und die zwar tiefeingeschnittenen, aber
doch immer noch hochgelegenen (der Walnor-Degä [4800 — 9000 Fuss hoch]
angehörenden) bach- und wiesenreichen Thäler mit sehr vielen Spielarten
(20 und mehr) von Sindt oder Weizen, von Sanaf-Kalo^ 2) oder Roggen und
Gehs oder Gerste zu bebauen. Man hat nun wohl geglaubt, diesen zum
abyssinischen Systeme gehörenden Ländern bei ihrer ausgesprochenen Isolirt-
heit die Initiative im Anbau jener ebengenannten, reichentwickelten Abän-
derungen jetzt weltbürgerlicher Brodpflanzen zuschreiben zu müssen. Allein
man wolle doch bedenken, dass jene Isolirtheit als eine nur illusorische
höchstens zeitweise stattgefundene betrachtet werden dürfe, dass Abyssinien
seihet im frühen Alterthume ein fremden Einflüssen geöffnetes Land gewesen,
dass hier sich Araber, Griechen, Türken, Indier, Portugiesen und andere
Europäer getummelt haben. Kann nicht diesen fremdländischen Bewegungen
auch ein gewisser Einfluss auf die Anbauung jener Kulturpflanzen zuge-
schrieben werden? lässt es sich beweisen, dass die Kultur jener Pflanzen
ein Eigebniss der Ackerbauversuche abyssinischer Eingebomer gewesen?
Sicherlich nicht, wiewohl es sehr möglich bleibt, dass Abyssinier und Gälä
aus den ihnen zugeführten Getreidearten durch Anbau verschiedene
Abarten erzeugten, was immerhin eine stattgehabte nicht unbeträchtliche
Sorgfalt und Umsicht im Feldbau voraussetzen Hesse.
Während Mais, Durrah-Säml der heutigen Aegypter, Mär-Matsüä der
Amltära ein jetzt allerdings durch ganz Afrika verbreitetes ^) Geschenk
Amerikas ist, scheint der Ackerbau der Nigritier im Anbau des Sirch-
Kornes, arab. im Allgemeinen Durrah oder ^Aes [Sorghum) einen
Triumph gefeiert zu haben. Diese vorzügliche Brodpflanze reicht jetzt, ab-
gesehen von einigen beschränkten Oertlichkeiten des mittäglichen Europa,
Yon Aegypten bis in die Kapländer hinein^). In O^t- Sudan finden sich
1} Vergl. Hartmann, Nil-L&nder S. 178 und Zeitschr. f. Ethnologie 1871, S. 94 ff.
Bekanntlich wurde in Europa von den Pfahlbauem Tr. turgidum und H. hexastichum
gebaut und sind dies nur zwei von den vielen Beobachtungen, welche auf die Beziehungen
jener alten Europäer zu Nordafiika hindeuten.
2) Besser vielleicht Sana/ -Gälä?
3] Mais heisst in vielen centralafrikanischen Idiomen der ägyptische [Masar im
Kanöriy Mdsarmi im Tedä, Masar käme im Sonyäy u. s. w.). S. Barth Vocabularien, 111,
S. 174.
4} Ihre Kultur ist den vorzugsweise Bananen bauenden Mombütu unbekannt.
Schweinfurth in Zeitschr. d. Ges. f. Erdk., VI, S. 240.
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122 I. Abschnitt. VII. Kapitel.
wilde Sirch-Formen, denn nur als solche möchte ich jene grosse Strecken
einnehmenden, den Habitus des Sorghum vulgare sie zeigenden dicht-
und hochaufschiessenden Gramineen ansehen, welche im Verein mit Barn-
busa, Phragmttes , Saccharum spontaneumy Andropogon, Pani-
cwm u. s. w. sich nicht nur in Sennar, sondern eingezogenen Nachrichten
(von Barth, Beurmann, Binder, T. Evangelisli, v. d. Decken)
zufolge, auch überdies in den abyssinischen Qwqlä's, im Gebiete des weissen
Nil, in den südlichen Zäcf- Ländern und westlicher bemerkbar machen.
Der Sennärier benutzt die Halme dieser von ihm ^Adär, Ginert u. s. w. be-
nannten wilden Sorghum-Axten oder /Sbr^Ät/m- Abarten als Viehfutter, schüt-
telt jedoch selbst ihre faden, wenig mehlreichen Saamen auf ausgebreitete
Zeuge aus, sobald Mangel an Erzeugung des cultivirten Sirches eintritt.
Es ist mehr als wahrscheinlich, dass die Afrikaner solche wilde Sorghum-
Formen angebaut und dass sie allmählich jene unendliche Fülle von Spiel-
arten hervorgebracht haben, deren man jetzt in Sennär Feterlteh oder Durrah-
beledl [Sorghum vulgare) , Durrah- ^uwegeh {S. cernuum) , Fürk^d
[S, bicolor), ^Anqolib , Wqgeri der Amhfära (S, saccharatumj, ^Aes-
ahmar [S. usorum) , Ximesi — Xamsef — (S, usor, forma glabre-
scens), sowie auch andere systematisch noch unbestimmte, als Qasab und
Qasab donqoläun, To-Frengly ^Ud-el-Fahl, Kurgt- ahmar, Muqöt u.s.w.
unterscheidet >) . Barth beleuchtet durch Aufführung zahlreicher Farben-
varietäten die grosse Mannichfaltigkeit von Äbr^Äe^m- Formen in Centrai-
Südän^) und Schwein furth hebt den Formenreichthum hervor, welchen
das Sirch'Kom auch im Boi^o-haxide darbietet 3). Auch von Doxn [Peni-
ciliar ia) baut man Sorten mit grösseren Saamen, D.-Kordüfam, D-^Don-
qoläwl und mit kleineren Saamen, D,-Berberaun und noch andere Formen.
Tief [Poa abyssinica) ist reines Anbauproduct der abyssinischen Hoch-
länder. Telbün oder Dagosa (Eleusine Coracana) wird nicht nur in
Abyssinien, sondern auch im ffamfiam- und im JtfiwnJwft^-Lande, sowie süd-
östlich vom Aequator durch weite Strecken zur Bereitung von bitterem
Brode und bitterlichem Biere reichlich angebaut. Es ist auch dies ein
ursprüngliches afrikanisches Ackerbauerzeugniss. Das JTiTwÄ- Koni der
Bonqo , Andehe der ^amüam [Hyptis apicigera) tritt nach Schwein-
furth in den Ländern der ^amfiam und der Mombütu nicht so häufig als
im Norden auf*).
In ganz Afrika hat der Anbau essbarer Knollen eine grosse Bedeutung.
Die Kultur der Batate [Batatas edulis) reicht von Guinea bis an die
westlich an Hamä grenzenden Provinzen Bormüsy bis zu den Miitü-Mädi,
1) Hartmann, NU-Lftnder, S. 179.
2) Centralafrikan. Vocabularien. III. Abth., S. 172, Anm. 2.
3) Zeitschr. d. Ges. f. Erdk. V. Bd., S. 121.
4) Zeitschr. d. Ges. f. Erdk. VI. Bd., S. 243.
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Ueber Kulturpflanzen, Ackerbau und Kulturthiere der Afrikaner. 123
nach dem nördlicheren Centrum, nach Südosten bis Zanzibar und nach dem
südlichen Innern. Die Hauptbrodpflanze Colombias, der Guianas und
Brasiliens, Aypim, Mandioca oder Cassave [Manihot utilissima) hat
auch in Afrika Eingang gefunden, wohl hauptsächlich über Angola und
Mo^arnHque her. Livingstone fand ihre Kultur neben deqenigen von
Mais, Sirchy Yams, Zuckerrohr, Aegyptischem Aron, Bataten, Kürbissen,
Melonen, Bohnen, Erdnüssen u. s. w. bei den Bäfleti (etwa 15® S. Br.).
Mandioca ist femer Kulturpflanze im Bäroze-Thale. Schwein furth traf
die Var. heterophylla Guineas sehr reichlich im iVöm^am- Gebiete an.
Hier ist sie noch giftig, dagegen zeigte sich im Momhütu-Gebiete eine völlig
unschädliche Sorte, deren y^Farinhaa freilich derjenigen amerikanischer Sorten
an Güte weit nachzustehen scheint.
Auch Yam«- Wurzel [Dioscorea) ist in verschiedenen Varietäten
durch das ganze äquatoriale Afrika von der Westküste bis zur Ostküste hin
verbreitet. In Angola und Zambezia ist ihr Anbau sehr allgemein. Aber
selbst tief im Innern findet man diese Pflanze, welche so recht das Ureigen-
thum der Nigritier zu sein scheint.
Afrikas Reichthum an solchen Pflanzen, welche vegetabilische
Fette liefern, ist sehr beträchtlich. Obenan steht in dieser Beziehung
dieOelpalme [Elaeis guineensis, S. 118). Vorzüglich ist auch der ÄSrö-
lengiy Lülü oder Sedr-el-^Araq (Bassia Parkii) , welcher vom Fäbah-
Sambil und Böri- Land bis zur Westküste reicht, wild wächst, aber auch
einen Gegenstand der Schonung bildet. Seine Saamen liefern ein schon bei
20* R. festwerdendes wohlschmeckendes Oel, die sogenannte Baumbutter,
in hmer-Südm St^a genannt. Aus der Rinde fliesst eine harzartige Masse
aus. Sesamum Orientale [indicum] bildet einen Gegenstand des An-
baues für sehr viele Länder Afrikas, von der Ostküste durch Sudan bis nach
den -4-Ban/«^Ländem und nach dem Westen hin. Das fette Oel arab. Slrig^
dieser Pflanze ist vielen afrikanischen Stämmen ein grosses Bedürfhiss.
Sesamum scheint aus Südasien zu stammen.
Ein sehr gemeines Product der afrikanischen Gebiete ist auch der
arabisch Xaru^a genannte Castor- oder Wunderbaum [Ricinus com-
munis], eine der ältesten Kulturpflanzen des Gebietes, welche Herodot
als SilKkyprion ^) unter den Ackerbauproducten der Aegypter aufzählte.
Man findet dies Gewächs wild an feuchten Stellen sowohl der Urforste,
wie der begrasten Thalgründe in Abyssinien (z. B. in Mensä, Sire), in
Sennär. Ricinus kann sehr wohl ein Erzeugniss afrikanischen Ackerbaues
1) Die Beschreibung dieser auf den Denkmälern sehr deutlich abgebildeten Pflanze
durch Herodot (II, 94) ist der Art, dass eine Verwechslung nicht gut möglich ist.
Es erscheint mir unbegreiflich, wie Pickering zu dem Ausspruche gekommen sein
kann: »The otXXtxuTrpia of Herodotus may be compared with the Elaeagnus angustifolia
which plant is said to yield the »zakkoum« oil of modern Palestine,« (Kaces of Man
p. 3b5.)
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124 l- Abschnitt. VII. Kapitel.
sein , es liegt keine Nachricht vor, welche eine . noch frühere Kultivirung
des Gewächses in anderen Ländern (Asien) darthät«.
Der Oelbaum (Olea europaea) wird in Aegypten angebaut und
findet sich in libyschen Oasen in einem so gut wie winden Zustande.
Letztere wilden Bäume liefern unscheinbare Früchte, die in Salz abgesotten
und so nach Qeneh, Astüd, Minleh u. s. w., nach Sfäqü, Benyäzl und Dernak
gebracht aber nicht zur Bereitung von Oel, arab. Zet, benutzt werden.
Schwein für th fand in Nähe des rothen Meeres einen wilden, im Bejäwi
^^Dädan genannten Oelbaum [O. europaea varJ nubica). Gewaltige
Wq^irä {Olea chrysophylla) streben, mit ellenlangen Bartflechten be-
hangen, an den abyssinischen Felsgehängen bis zu 80 Fuss Höhe empor.
Kein Mensch benutzt die Früchte der letzteren. Wie dem nun sein möge,
die Oelbaumzucht ist eine schon sehr alte und selbst zu homerischen
Zeiten in Griechenland sehr verbreitete, in Aegypten dagegen immer nur
untergeordnete gewesen. Sollte es sich wirklich noch herausstellen, dass
der Olivenbaum menschlicher Kultur in Afrika zuerst gewonnen worden,
80 liegt doch jedenfalls der Schwerpunkt seiner Hegung seit Alters nicht
im Pharaonenlande, nicht weiter im Süden, sondern vielmehr in den heissen
von der mittelländischen See gebadeten Felsgestaden Spaniens, Algeriens,
Griechenlands, der Levante. Die übrigen von Afrikanern angebaueten und
von ihnen ausgebeuteten Oelpflanzen, als Arachisy Mohn, Lattich, Hanf,
Flachs, Sonnenblumen, Guizotien u. s. w. spielen keine hervorragende Rolle.
Zur Herstellung von Geweben dienen verschiedene wirklichem Anbau
unterzogene Pflanzen. Flachs und Hanf waren schon bei den Aegyptem
Kulturpflanzen, in Sudan macht man von ihnen keinen Gebrauch. Selbst
in Abyssinien benützt man nur den Flachssamen zur Oelbereitung, nicht
aber die Leinfaser zur Herstellung von Geweben. Der Sudanese zieht Ge-
webe aus Baumwolle vor, benutzt höchstens schlechte, stark nrit letzterer ver-
fälschte amerikanische und englische Leinwand. Einheimische Baumwolle,
die Tuüa-Kqfay deren Fasern selten über ^4 Zoll lang und angeblich nur
schwer vom Samen zu trennen sind, wird allgemein in den zwischen Zam-
bezi und -ßä^öya- Bergen gelegenen Territorien gebaut, aber in neuerer Zeit
durch die bessere Tuüa-Maria oder eingeführte Baumwolle von ^4 Zoll Stapel
verdrängt (Kirk, Ch. Livingstone). Während hier die Baumwolle peren-
nirt und selbst nachdem sie niedergebrannt, im nächsten Jahre von Frischem
treibt, ist sie auf den il/ä;2^äw^a- Hochebenen nur jährig. Sie kann hier
im September und August gepflückt werden, indem verderbliche Regen nicht
zu fürchten sind. In den Wäldern O^t-SüdärCs findet sich die Qodn-el-
Fabah, wilde Baumwolle (Gosayptum punciatum), welche von den Ein-
geborenen eingeheimst wird. Es ist wahrscheinlich, dass in Afrika wüde
Gossypium-Foimen schon frühzeitig in den Kulturzustand übergeführt wurden.
Bereits Hamilton hat den Beweis zu liefern gesucht, dass viele sogenannte
Baumwollenarten nur Abarten seien, welche sich weniger von einander unter-
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Ueber Kulturpflanzen, Ackerbau und Kulturthiere der Afrikaner. 125
schieden als manche Kohlsorten. Es rühre einzig von der Behandlungs^eise
her, wenn die Pflanze bald eine einjährige, bald eine mehrjährige, ein Bäum-
chen mit holzigem Stamme, sei *).
Der Baumwollenbau ist in Aegypten sehr alt, und lässt sich wohl
vermuthen, dass viele der mit den Pharaonen in Berührung gekommenen
Nigritier sich baumwollener, selbst gemusterter Kleider bedient haben. Denn
einen anderen StoflF kann man zu jenen auf den Denkmälern abgebildeten
Nigritierkleidem (S. 96) nicht wohl benutzt haben, da Flachs den Schwarzen
nicht zugänglich, eine andere Gewebepflanze bei ihnen nicht allgemein ge-
brauchlich gewesen ist und da der sonderbare Schnitt und das Dessin vieler
jener Kleider eine ausschliessliche Annahme von Aegypten aus zu ihnen
importirter Waare 'nicht zulassen.
Die das Rindenzeug der Mombütu, Wäüöro und Wagandä lie-
fernde Urostigma" Axt Rokkoy wird mit Sorgfalt bei den Dörfern gepflegt.
Andere noch zu Geweben und Geflechten dienende Gewächse, so z. B. die
Dom-, Deleb- und i2a/7Ata- Palmen, Yä- gib -sang ort [Aloäs spec, var.)
werden nur geschont.
In Ausnutzung der Farbenpflanzen ragen die Aegypter wie in allen
Zweigen des Pflanzenbaues und der Verwendung pflanzlicher Produkte be-
sonders hervor. Auch jetzt noch bauen sie eine grosse Menge, deren Pro-
dukte sogar auf den Weltmarkt gelangen. Der Anbau des Indig [Indigo-
fera tinctoriay argenteä) ist in ganz Innerafrika von grosser Bedeutung.
In den Reichen der FtUän, in Sonyäy, Bornü, Där-Füry Wädäy, Bayirmi,
und südwärts, femer in Kordüfariy Sennär und Südnubien stehen die mit
NiUh oder Aliny Arm, Mogone hell- oder dunkel- bis schwarzblau gefärbten
zur Tob oder dem Hemde dienenden BaumwoUenstofie in hohem Ansehen.
Krapp, Fürah [Rubia tinctorum) vrird namentlich in Aegjrpten und
Nubien seit Alters gebaut. Abyssinien hat mehrere Farbstoffe, als den
rothen Beerensaft der AmWäru [Atropa arborea), die Wurzel der Gerkel
[Impatiens grandis) zum Rothfärben, Qentafe d. h. Rinde von Ptero-
lob iura laceratis zum Rothfärben, Meqmeqö, Wurzel von Rum ex ari-
foliuB zum Rothfärben, Berberis tinctoria zum Gelbfärben u. s. w.
Von den Mombütu und S!amtiam ^vird nach Schwein furth der Saft einer
Gartfewa-Frucht zur Bemalung der Körperhaut gebraucht. Die A-Bäntu und
Kkoi-Kkoi-n benutzen noch andere vegetabilische Farbstoffe, über welche
nian namentlich in F ritsch' Werk: Die Eingeborenen Südafrikas, die ein-
gehendsten und zuverlässigsten Mittheilungen findet.
Die Afrikaner bauen eine gute Zahl von solchen Gewächsen an, welche
wir sehr häufig far den reinen Luxusconsum zu verrechnen pflegen, obwohl
der Genuss ihrer Producte, physiologisch betrachtet, meist seine volle Be-
rechtigung hat, welche letztere selbst durch vegetarianische Logik nicht
1) Unn. Transact. XIII, 2.
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126 I- Abschnitt. VII. Kapitel. .
beeinträchtigt zu werden vermag. Obenan steht hier das Zuckerrohr (Sac-
charum), welches in Afrika in der Form des gemeinen Zuckerrohrs (S, offi-
cinarum) und des otahai tischen [S, tahitense) cultivirt wird, selbst bis
in das Mombüiu-Gehiet, wo es nach Schwein furth Natölu heisst, reicht,
auch bei Bälonda und Bäroze vorkommt. Es dient, wie die Zuckev-Durrah,
nur zum Zerkauen für Kinder und Erwachsene. Jene durch ganz Afrika
verbreitete Zucker -i>wrraÄ oder ^Anqolib (Sorghum saccharatum, vergl.
S. 122) liefert ebenfalls zuckerreiches Stengelmark unter dicker, holziger
Hülle. Auch Tabak ist in dem uns beschäftigenden Continente von
höchster Bedeutung. Es werden Nicotiana Tabacum und N, rustica
gebaut. Schweinfurth bemerkt, dass die ^atmiam eines der wenigen
Völker Afrikas zu sein schienen, welche ein eigenes Wort für Tabak be-
sässen, nämlich loGfundehn ^] , Sonst hat man in Westasien wie in Nord-
und InneraMka immer Taba, Töbüy Dabä, Tabdos , Tom, Tumbak, Ttm-
bekki u. 8. w. als Namen für Tabak, welchen der ägyptische Araber nur
Rauch — Dufon — zu nennen beliebt,
Uebrigens bleibt es nicht bei diesem Narcoticum, In Südafrika wird
Da%a (Cannabis indica var.f) trocken mit dem Tabak geraucht, wirkt
übrigens destruirend auf die Gesundheit der diesem Genüsse sehr ergebenen
Stämme, z.^B. der Buschmänner, unter denen alte Da^a- Raucher stete
Nervenunruhe verrathen 2) . Daxa wird von den Farmern, welche jene Leute
als Arbeiter benutzen wollen, angebaut, weil nichts die Buschmänner sicherer
an ihrem Platze erhalten kann, als wenn ihnen die Möglichkeit gewährt
wird, jener Leidenschaft zu fröhnen. Das im Morgenlande so verbreitete
Rauchen des HasU [Cannabis indica) ist übrigens etwas ganz Aehn-
liches. Die Denqa und andere Stämme des weissen Nilgebietes stopfen
die Köpfe ihrer gewaltigen Tabakspfeifen oft nur mit Holzkohlen ^) und
berauschen sich an dem ausströmenden Kohlenoxydgase, welches manchmal
noch durch aromatischen Bast oder durch aromatisches Heu dringt, bis zur
Sinnlosigkeit. Bei einem grossen Theile der Afrikaner, bei den Mensä,
Bö ff OS, Berfä, A-Bantu u. s. w. ist auch die Wasserpfeife in Gebrauch,
welche ihre höchste Raffinerie im Qcttiün der Perser und in dem aroma-
tischen Tumbekki von Slräz findet.
Behufs Würzung der Speisen macht man in Ost- und Cenixz\rSüdm
einen beträchtlichen Gebrauch von rothem Pfeffer oder Sidedah, Sededeh
1) Zeitschr. d. Ges. f. Erdk. VI, S. 243. In Donqolah, Sennär, den Ländern der
Namnam imd Mombütu zieht man die klein- und scharfblättrige N. rustica vor, stampft
sie frisch und formt sie zu Broden, Kegeln oder Kugeln, mischt auch wohl Rindsdünger,
Rindsharni Honig u. A. darunter. Die Moslemm Sudan' s rauchen Tabak weniger als sie
ihn schnupfen und kauen, und zwar meist zugleich mit Nadrün-abjaS-Där^Fün (Vergl
NU-Länder S. 345).
2) Vergl. G. Fritsch, Drei Jahre, S. 138.
3) Vergl. Hartmann, Keise, S. 555
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lieber Kulturpflanzen, Ackerbau und Kulturthiere der Afrikaner. 127
[Capsicum conicum) und yon Füßl-ahmar (C. frutescens)^ hierund in
Habei ganz gemeine Anbauprodukte, femer von Kammün [Cuminum cytni-
num)y Ktubareh [Coriandrum sativum), Hahbeh-mdeh [Nigella «a-
tiva)y Helbeh [Trigonella Foenum graecum) u. s. w. Zwiebeln und
und zwar Basal (Allium Cepa), Tom (A. sativum) und Xarät {A, Por-
rum) werden in ganz Nord- Ost- und Innerafrika reichlich cultivirt. Mit
Ausnahme des an manchen Stellen von Donqolah, Sennar und Kordüfän
auch spontan vorkommenden Capsicum conicum scheinen die sonst ge-
nannten Gewürzpflanzen von fremdher gebracht worden zu sein. Dagegen
erzeugt die Pfefferküste die bekannten einheimischen Paradieskömer oder
den Malaguetta-VieSer (Amomum Granum paradisi), welche ebenfalls
eine beliebte Speisewürze abgeben. Gürägie gilt als Heimath verschiedener
aromatischer Kinden und Khizome. In West-Central-Afrika erleidet der ein
berühmtes Analepticum, die JToÄi-Nuss, liefernde Baum (Sterculia acumi-
nata) aufmerksame Schonung. Kaffee wächst wild.
Es ist hier kein Raum vorhanden, um auf die zahllosen wilden Saamen,
Früchte, Blätter und Wurzeln eingehen zu können, welche von den Nigri-
tiera gesammelt werden und theils direct als Nahrungsmittel theils nur als
Gewürze dienen.
Nur wenige sesshafte Völker Afrikas treiben einen regelmässigen An-
bau von Viehfutter. Es sind dies hauptsächlich Aegypter, Mayrebm,
Abyssinier und einige Fufig, endlich auch gewisse Pferdezucht treibende
Stämme der Gälä, In Nubien wird die dem gleichen Zwecke dienende
HalfaA (Poa cynosuroides) geschont. In Sennär, Kordüfän, in Bornü,
Hwsä u. 8. w. giebt der oft sehr stark verholzende Halm — Qas — des
Sorghum das nährendste Futter für Pferde, Esel, Rinder, Schafe und
Ziegen.
Der Landbaa der Afrikaner ist im Vergleich zum unsrigen noch in
voller Kindheit, indessen ist er doch, wie schon Waitz ganz richtig be-
merkt hat ^), keineswegs so sehr zurück, so sehr vernachlässigt, als oftmals
behauptet wurde. Dass die Bewohner dieses Kontinentes mit Sicherheit
der Wildniss so manche Kulturpflanze abgerungen, lehrte uns die 'vorher-
gehende Betrachtung. Sehr wahrscheinlich wird sich die Zahl der ursprüng-
lich afrikanischen Kulturpflanzen mit unserer vorschreitenden Kenntniss
noch vermehren und wird alsdann die arische Kulturwiege unserer
Doctrinärs mehr und mehr ihrer ausschliesslichen phantastischen Herrlich-
keit entkleidet werden.
Unter allen Afrikanern haben die /md ja/ -Völker die grosseste Ge-
schicklichkeit und Kenntniss im Landbaue erreicht. Obenan standen hier
die alten Ägypter, die Erfinder der Saqteh oder des Wasserschöpfrades und
des Sadüf oder Schöpf eimerapparates zur Bewässerung des Landes. Als
1; Anthropologie, II, S. 82.
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128 ^' Abschnitt. VII. Kapitel.
dann später Berbern^ von arabischen Eindringlingen für den Islam ent-
flammt und durch die Sendboten der Kalifen verstärkt, nach Europa hin-
überzogen, da brachten sie das Schöpfrad, die Norta, nach Spanien. Von
hier gelangte diese segensreiche Erfindung durch die Conquistadores nach
Mexico, allwo in Sonpra, Cinaloa, Chihuahua, Zacatecas, in Yucatan u. s.w.
noch jetzt so manche Noria in eben jenen Höllentönen knarrt, (fie den
müden Wanderer in den sonst so wundervollen Nächten DonqolaKs um die
ersehnte Ruhe bringen können. Spuren regelmässiger Bebauung und Be-
wässerung findet man noch heut in Nubien und Nord-Ä^war, in den alge-
rischen Ridän, im ä^^- Lande am Gambia, bei den BagtCs am Nunez-
Flusse, bei Mandinka und Bämbara, Selbst anscheinend sehr rohe Völker,
wie z. B. die Bonqo und MambüiUy sind nach Schweinfurth's Zeugniss
recht fleissige Ackerbauer, derselbe Ruhm trifft die Mängänga, Mäkal*äka
und manche Bäsüto. Unter allen Ostafrikanem aber stehen die Gdqqa in
JSlimä mit ihren trefflich gehaltenen Pflanzungen und ihren ebenso kühn,
wie umsichtig gezogenen Berieselungsgräben in bestem Rufe.
Die Abyssinier haben sich stets durch die Ausdauer bemerkbar gemacht,
mit welcher sie ihre Kulturen bis in die hohe-, kühle Degä hinauf gefuhrt
haben, und durch ihr Geschick, überhaupt Kulturpflanzen zu erzeugen, die-
selben durch Anbau zu veredlen, den Formenreichthum derselben künstlicli
zu vermehren.
Komplicirtere Ackergeräthschaften haben nur die Aegypter, bei denen
freilich jetzt europäische Maschinerien Eingang gewinnen, wo Patentpflüge
und Dreschmaschinen nach neuester Prämiirung den ehrwürdigen alten Pflug
verdrängen werden. Hieir findet auch schon die Schwester des Ackerbaues,
das landwirthschaftliche Fabrikwesen, Eingang. In Metisü und Hoch-
Habesy Nubien, hat man noch den primitiven Pflug, die langgestreckte Sichel
— Mengil — , in Sennar schwingt man noch den MeKrät oder Düri, ein
quer an den gebogenen Holzstiel befestigtes Eisen, welches zugleich Holz-
axt und Grabscheit ist. In Kordüfän und im Gebiete des weissen Nil be-
nutzt man den hufeisenförmigen Molöt oder Hakäs, der zugleich Handels-
artikel,' zur Auflockerung des Erdreiches. Uebrigens ist im ganzen übrigen
Afrika jenes axtähilliche Instrument als Hacke im Gebrauch, dessen Modell
wir schon in dem in Hirschhorn und in dem in Holz gefassten Steinbeile
unserer Altvordern kennen gelernt haben. Dieses Geräth wird bei Mombuiu
und Fän, bei Angolesen und Londa, bei Bäfdqa und Be-tsuäna in An-
wendung gezogen. Unsere Geräthetafel wird das hier Gesagte illustriren.
Getreide wird mit Stecken ausgeschlagen, von Menschen und von Vieh aus-
getieten oder es wird ausgeklaubt. Zum Einheimsen dienen Körbe, zum
Aufbewahren diese und grosse bei Beräbra wie Be-tsuäna gebräuchliche
Lehmtöpfe, Pfahlbauspeicher (z. B. Bart) u. A.
Der Nigritier besteht bei seinen Landbaubeschäftigungen manchen
schweren Kampf mit Regeuniangel und wieder mit Regenüberfluss , mit
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üeber Kulturpflanzen, Ackerbau und Kulturthiere der Afrikaner. 129
gierigen Affen, Hippopotamen und Vögeln, letztere namentlich dem Finken-
geschlechte entstammend. Manchmal vernichtet eine durchziehende Ele-
phantenheerde die blühendste Saat. Die Wanderheuschrecke [Oedipoda
cinerascens] und mehr ständige Orthopteren von entsetzlicher Fressgier,
Acridium peregrinum für Sermär und Gryllus vastatrix fiii: Süd-
ostafrika, werden zur Landplage^}. Die Termiten [Termes desiructor,
T, bellicosuSy T. lucifugus^ Hodotermes ochraceua, Calotermes
flaticollis U.S.W.) gehen den grünenden und fiructificirenden Saaten, so
wie den eingeheimsten Körnern mit unverwüstlicher Energie nach. (Ameisen,
z. B. aus den Geschlechtern Formica^ Ponera^ sind dagegen als Vertilger
des Insecten-Schandzeuges 2) recht nützlich.) Ein Heer von Schnellkäfern
[Elater] stellt mehligen Ackerbauerzeugnissen nach. Die sonstige der Land-
wirthschaft schädliche Insectenwelt ist für Afrika noch sehr wenig bekannt,
mag aber noch ungemein zahlreiche und vielleicht auch sehr bösartige Formen
aufweisen, die mit denen Amerikas und Indiens wohl wetteifern dürften.
Die Afrikaner ergreifen in ihrer Einfalt und Indolenz nur wenige Vor-
kehrungen gegen die Feinde ihrer Landwirthschaft. Kinder der Berübra
verscheuchen unter gellendem Y^ayfi Y^axü, mit Schleudern Erdklöse und
Wüstenkiesel werfend, die Vögel. Hier und da nimmt man zu Lappen
seine Zuflucht, dies selbst noch im Innern von O^t- Sudan, Gegen die
Elephanten, Hippopotamen u. s. w: facht man Feuer an, schlägt man Trom-
melo, bläst in Homer u. s. w.
b) Kulturthiere.
Bereits vor einiger Zeit habe ich mich über die Wichtigkeit der wissen-
schaftlichen Erforschung der Hausthiere im Allgemeinen ausgesprochen. Ich
bemerkte damals, dass ich die Hausthierkunde selbst für die ethno-
logische Forschung von grossem Werthe halte, dass sie für letztere als
bedeutsame Hülfswissenschaft gehegt und gepflegt zu werden verdiene. »Wie
eng ist das Leben des Menschen an das seiner Hausthiere geknüpft! Wie
manchem noch in der Kindheit seiner Entwickelung begriffenen Völker-
stamme verleiht nicht ein mit besonderer Vorliebe und mit besonderem Ge-
schicke gezüchtetes Hausthier einen prägnanten Charakter, eine ganz beson-
dere Stellung im Verkehre mit änderen Nationen. Was war doch der ^aha
oder Skythe, was ist der heutige Steppenbewohner Innerasiens mit dem
Rosse, was ist der Araber mit seinem Kameel, was sind der Kaffer und
Mo-Usuäna mit ihrem Rind, was ist der Bergindianer von Pasco mit dem
Llama! Ganze Landstriche gewinnen eine besondere Physiognomie, ja eine
1) Ein schön getüpfeltes Heupferd [Poecilocera Calotropidia Mihi) verwüstet
fest ausschliesslich den zwar wildwachsenden, dem Berber und Nigritier aber doch vielfach
nützlichen iOmr {Cnlotrnpis procera).
2) Ich erinnere nur an die berühmte Driver Ant [Anomma arcens) Guinea'».
Hftrtmann« Nigritier. 9
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130 I- Abschnitt. VIT. Kapitel.
specifische Weltstellung , durch die vorwiegende Zucht dieses oder jenes
Hausthieres. So z. B. die Pampas durch die Rinderheerden und Pferde-
rudel, die Steppen Kordäfäris durch ihre Zebuschaaren, die Ebenen Austra-
liens durch die Schafe.«
»Die Alten haben den Hausthieren im Allgemeinen mehr Aufmerksam-
keit gewidmet als sehr viele Neuere. Die Gesetzbücher Jener, insoweit sie
überhaupt der Thiere gedenken , enthalten mancherlei Vorschrift über die
Haltung der, über den Verkehr mit Hausthieren, so z.B. die Institutionen
Manu 's, das Avesta, die alttestamentarischen Bücher. Wichtig sind daher
linguistische, sich auf Hausthiemamen beziehende Studien; wichtig sind
femer Studien über den Thierdienst der Völker. Selbst die Frage von der
Abstammung einzelner Nationalitäten lässt sich an Hand der Geschichte
ihrer vornehmlich sten Hausthiere erfolgreich mit behandeln ! So führen mich
die intensive Rinderzucht und gewisse sich daran knüpfende Gebräuche
(freilich nebst noch anderen wichtigen Punkten) dahin, den nationalen Zu-
sammenhang der 6rä/ä- Stämme Ostafrikas mit den St^ir und Bärl Inner-
afrikas, im Gebiete des Ktr, zu suchen ^j.«
Dass obige Aussprüche nicht in den Wind geredet worden, ergiebt das
seitdem stets sich mehrende Interesse, mit welchem noct andere, der Ethno-
logie gewidmete Blätter u. s. w. die Hausthierkunde behandeln. Es*
wird dies femer bewiesen durch unseres Freundes des Philologen Radi off
mit so grosser Umsicht und Gründlichkeit vom ethnologischen Standpunkte
aus betriebene Forschungen über die Hausthiere der Kiryjz, denen nun,
wie uns versprochen worden, noch andere Arbeiten über die Hausthiere
inner asiatischer Stämme folgen werden.
Als ich aber das Obenerwähnte niederschrieb, ahnte ich nicht, dass
schon vor mir Js. Geoffroy St. Hilaire, welchem wir so manche schöne
Mittheilung über Hausthiere verdanken, ziemlich ähnliche Ideen bereits
im Jahre 1837 ausgesprochen hatte. In einem später zufällig von mir be-
merkten und von der »Möglichkeit, die Naturgeschichte des Men-
schen durch das Studium der Hausthiere aufzuklären«, be-
titelten Aufsatze sagt Jener: »es sei augenfällig, dass der Einfluss der
Zähmung nur in dem bald directen, bald indirecten Einflüsse der Macht des
Menschen bestehe, welcher die in Bezug auf seine Ernährung, Gewerbe,
Vergnügungen nützlichen Thiere seinem Joche unterwirft und so für die-
selben Bedingungen schafll, die von der wilden ursprünglichen Lebensweise
sehr abweichen.«
»Aus diesem Gesichtspunkte in Betrachtung genommen, sind daher die
Hausthiere selbst eigentlich Werke des Menschen, sie bieten in allen Modi-
ficationen, welche sie von ihren primitiven Typen entfernen, ebenso viel
unläugbare Spuren menschlicher Einwirkung für die früheren Zeitläufe dar;
1) Zeitsehr. f. Kthnologie lSfi9, S. t»S.
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Ueber Kulturpflanzen, Ackerbau und Kulturthiere der Afrikaner. J31
sie sind, wenn man sich so ausdrücken darf, Denkmäler von solcher Dauer,
als irgend eines derjenigen, denen man für gewöhnlich diesen Namen er-
theilt. Hat nicht der Mensch wirklich den Hund, das Pferd, das Schaf
und so viele andere Typen, wie wir sie heut sehen, geschaffen, d. h. indem
er sie schon zu alten Zeiten unter sein Joch beugte, die nützlichen Arten
allmählich veränderte und in ihnen Fähigkeiten und Instincte entwickelte,
welche, wenigstens scheinbar, ihrem ursprünglichen Zustande fremd waren,
also ihnen so die Form und Kennzeichen ertheilte, die sie zur Zeit dar-
bieten, und sie von ihrer ursprünglichen Heimath aus über alle Länder der
civilisirten Erde verbreitet?«
»Der Mensch hat also bei den Hausthieren die Organisation, den In-
stinct, die Lebensweise, das Wohngebiet, mithin Alles verändert, indem er
überall die ursprüngliche Ordnung dem Gesetz seiner Bedürfnisse, seines
Willens, seiner Wünsche unterwarf; eine an sich und in ihren Ergebnissen
gewaltige Arbeit, der erste Beweis und die erste Grundlage der fast unbe-
gränzten Macht menschlichen Kunstfleisses. Aus diesem wichtigen Causal-
uexus zwischen der nach Zeit, Ort und Umständen verschiedenartig ausge-
übten Macht des Menschen und den verschiedenen Abänderungen der Haus-
thiere, aus diesen Beziehungen zwischen zwei Klassen von Handlungen und
Erscheinungen, welche man auf den ersten Blick als einander ganz fem
stehend betrachten konnte, entwickelt sich die volle Möglichkeit, das Studium
der einen durch dasjenige der anderen zu erläutern, und so gewinnen wir
abermals eine wichtige Quelle, aus der wir für die Anthropologie nicht
weniger nützliche Materialien zu schöpfen vermögen ^) .«
Es zeigt uns die ganze Haltlosigkeit einer nur vom Studiertische, nur
vom Katheder aus betriebenen ethnologischen Forschung, wenn selbst ein
Th. Waitz den folgenden Ausspruch thun konnte: »Von der Viehzucht der
Neger ist nicht viel zu sagen. Fast nh^ends sehen wir sie ihre Thätigkeit
dieser mit Vorliebe widmen, eigentliche Hirtenvölker giebt es unter ihnen
nicht. Das Hirtenleben, wo es unter ihnen vorkommt, ist fremden Ursprunges,
und vorzüglich sind es die Fulahs gewesen, die ihnen dazu das Beispiel
gegeben haben, ein Beispiel, das nicht einmal in grösserem Umfange Nach-
ahmung gefunden hat, hauptsächlich wohl deshalb, weil nicht leicht auf
längere Zeit ein dringendes Bedürfniss bei ihnen entstanden ist nach einer
künstlichen Vermehrung der Hülfsquellen, mit denen sie die Natur unmittel-
bar umgeben hat^).«
Waitz ist es unbekannt geblieben, dass ganz echte Neger in seinem
Sinne, z. B. ein Theil der Känembu, fast nur Viehzucht treiben, dass
unter den grossen Nigritierstämmen des weissen Niles, dass unter den nigri-
tischen Örma, Masäy^ A-BäntUy dass selbst unter den Khoi-Khoi-n die
Ij Comptes rendus Mai 1S37.
2^ Anthropologie, II, S. 84.
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_J
132 I- Abschnitt. VII. Kapitel.
Viehzucht hauptsächlichstes Lebenselement ist, hinter weichem
alle anderen Interessen des Landbaues, Handels u. s. w. zurückstehen,
dass unter allen Jenen ein fast ausschliessliches Hirtenleben existirt, wie
es energischer selbst der arabische Bedäwl nicht zu betreiben vermag, ein
Hirtenleben, um welches sich das ganze Sein und Nichtsein von Millionen
sogenannter Neger dreht.
Das hervorragendste Hausthier der Afrikaner, auch der Nigritier ist das
Rind [Bos taurus). Kaum existirt sonst noch eine Erdgegend, in welcher
sich die Variabilität dieser Hauptthierform in einem so hervorragenden
Grade bemerkbar macht, als Afrika. Welche ausserordentliche Menge von
Unterarten und Rassen zeigt hier das Hornvieh! Von den riesenhaften,
den sogenannten Primigeniusformon unserer europäischen Steppengebiete im
Habitus ähnlichen mit weitklaftemden Hörnern versehenen scheckigen Rin-
dern der alten Aegypter, bis zum falben und röthlichen Kurzhomschlage der
Mayrehln und dem ersteren ähnelnden riesig-behörnten Rinde der A-Bäntu,
auch Khoi-Khoi-n^ welche zahlreichen Uebergänge! Dann das ausserordent-
liche Variiren des Zebu, dieses typisch - afrikanischen Repräsentanten der
Bovinen, welchen ich mit Anderen*) vom gemeinen Rind, Linne's Bos
tauruSy nicht mehr artlich zu trennen wage und welcher in meinen Augen
nur eine jener vom gewöhnlichen Rinde abweichenden, sonderbare Eigen-
thümlichkeiten (u. A. Fetthöcker) darbietenden Varietäten darstellt, wie sie
grosse Konstanz erreichen können. Dies Thier, dessen Rückenhöcker eine
nach Rasse, Klima und Ernährungszustand ungemein veränderliche Bildung
ist, zeigt sich, wie ich schon früher nachgewiesen habe^), in kleinen ver-
kümmerten und in riesigen wohlgezüchteten Schlägen, bald hoch- bald niedrig-
gestellt, kurz- und laughörnig oder hornlos, einfarbig oder scheckig. Die
Abgrenzung der Zebu-Yorva gegen andere, dem eigentlichen Rindertypus
zugehörige Schläge Afrikas ist zum Theil sehr schwierig, nach dem Aeussem
und namentlich osteologisch jetzt nur schwer durchführbar. Betrachten wir
z. 1^. das verkümmerte Rind der ägyptischen und nubischen FelläX^n, wel-
ches bis auf den fehlenden oder höchstens andeutungsweise vorhandenen
Höcker so sehr dem mit deutlichem Höcker versehenen Zebu der Bejüdah-
Beduinen ähnelt. «Betrachten wir die ApisSchÄdel aus dem Serapeum zu
Memphis, welche Thieren angehört haben, denen die Alten in Malereien
und Statuetten sehr häufig den prägnanten Charakter des echten Rindes
der ungarischen Puszta, der Provinz Bologna, der Campagna di Roma, Sici-
liens und der andalusischen Königreiche zu verleihen gewusst. Es ähnelt
dieser Schädel bis auf ganz unbedeutende, sehr wohl nur für die Rasse, für
1) Z. B. Hermann von Nathusius. Vergl. dessen Vorträge über Viehzucht und
llassenkenntniss, I. Theil, Berlin 1872, S. 24.
2) Annalen der Landwirthschaft , Bd. XLIII. Settegast, Thierzucht, HI. Aufl.,
S. T(i.
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Ueber Kulturpflanzen, Ackerbau und Kulturthiere der Afrikaner. \ 33
das Tndividuum verrechenbare Einzelnheiten demjenigen langhömiger Zebu
der Gälä, Baqara u. s. w.
Durch die religiösen Anschauungen sehr vieler Afrikaner, mögen diese
nun im Allgemeinen klar oder unklar, stark oder wenig entwickelt sein,
geht ein Zug von Verehrung des Rindes. Die ausserordentliche Ver-
werthbarkeit dieser Perle aller Hausthiere hatte von jeher auch dem wilde-
sten Nigritier Achtung, ja Bewunderung einflössen müssen. Hatte doch
eine ältere jenenser Naturphilosophie das Rind seiner hervorragenden
morphologischen und wirthschaftlichen Eigenschaften wegen mit einem an-
deren hochgehaltenen Erzeugnisse menschlicher Mege, dem Apfel in Ver-
gleichung gebracht (sie!); warum sollte denn ein schlichter Sohn der Husch-
wälder Ost- Südän'Sy ein Sohn der A-Bäniu-Ebenen nicht darauf kommen
können, im Rinde etwas Verehrungswürdiges zu erblicken, in einem Thiere,
welches ihm Last-, Reit-, Milch- und Fleisch thier zugleich, ihm brauch-
bares Gehörn, Fell, Sehnen und Haare lieferte, welches seiner von Stuben-
Naturforschem so häufig verkannten Intelligenz, seiner Gutmüthigkeit und
Lenksamkeit wegen sich so vorzüglich zum Hausgenossen des Menschen
eignete. Und wenn der in einer reichen Symbolik speculirende alte Kultur-
mensch des Nilthaies im y^Aptsa, im ^Mnevisa einen Vertreter der Gottheit
selbst, wenn der rohe Nigritier, mehr greifbaren stofflichen Vortheilen hul-
digend, in diesem Hausthiere etwas wenigstens Hochachtbares erblickte,
so lässt sich dies auch ohne Zuhülfenahme von philosophischen Weiterungen
aus wohl fassbaren menschlichen Regungen ganz gut erklären. Der wilde
Denqävn trauert um eine ihm gefallene Kuh, indem er einen Bindfaden um
seine Hüfte knüpft. Mit liebenden Blicken mustert der Af/äb seine scheckigen
Rinder. Der Mäföqa züchtet eine kleine, ungemein zutrauliche Rasse. Von
der Liebhaberei der Mdkololo für ihr Rindvieh berichtet Livingstone.
Bekannt ist auch die Erzählung alterer Schriftsteller von den am Gefechte
theilnehmenden Rindern der Khoi-Khoi-n, Barth erwähnt, wie die Be-
wohner Mittelafrikas so viele die »Wichtigkeit des Rindes im Nationalleben«
bedeutende Ausdrücke haben, namentlich aber im ääüsäüa. Schwein-
furth konnte auf meine Anregung in manchen von ihm bereisten Gegenden
sehr wortreiche Vocabularien über alles auf das Rind, sein Aeusseres, seine
Wartung, seinen Nutzen u. s. w. Bezügliche sammeln. Es ist nichts Sel-
tenes, dass ein in Krieg und Jagd hervorragender Nigritier sich prahlerisch
mit dem Stiere vergleicht. Ist uns auch die Entstehung der afrikanischen
Rinder aus einer Stammform in ein vorläufig noch nicht zu durchdringendes
Dunkel gehüllt, so beweisen uns doch die Denkmäler des alten Reiches,
die Skulpturen der Garamanten (S. 40) und sonst aUch mancherlei Sagen,
mancherlei Ueberlieferungen, dass in Afrika die Rindviehzucht schon in das
allerfemste Alterthum hineinragt.
Dagegen lässt sich die Abstammung des in ganz Aegypten anzutreffen-
den zahmen Büffels {Eos bubalus) mit Sicherheit aus Asien herleiten, aus
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I
134 I- Abschnitt. VII. Kapitel.
welchem Erdtheile dies Thier mit den moliammedanisehen Zügen gekommen
ist. Von einer etwa stattgehabten Zähmung des Bos c äff er weiss man
nichts und Ruetimeyer's Annahme, es möchten in Afrika noch andere
Hüifelformen gezähmt vorkommen (wie B. bubalus), beruht auf irrthüm-
licher Auslegung der Zeichnung eines Be-tsuäna- Och&enschÄdeh in Anders-
so n's i>Nffami-See<i ^j. Rind und Zebu gedeihen vorzüglich im nördlichen
etwa zwischen 20^ und 12^ N. Br. sich ausdehnenden Steppengürtel {El-
Xälahy vergl. S. 1), ferner auf den abyssinischen Hochlanden und in den
Gäfö-Thälem, auf den Grasebenen des weissen Nil- und des Senegal-
Gebietes, in den weidereichen Ländern der A-Bäntu und Khoi-Khoi-n.
Streckenweise wird die Züchtung dieser Thiere durch Seuchen und durch
die Stiche der Tseise (vergl. S. 64) stark beeinträchtigt. Manche Völker
lunerafrikas, z. H. ^amüamy Mombüiu und gewisse sogenannte Gt?r-Stämme
treiben überhaupt keine oder nur beschränkte Viehzucht.
Afrika ist reich an Schafrassen. Schon auf den ältesten ägyptischen
Denkmälern ist dies Thier dargestellt worden. Kolossale Widdersphinxe
schmückten die Zugänge zu den Tempeln von Theben, Nqpata und Söbah,
Ueber die Urthiere der afrikanischen Schafe wissen wir nichts Bestimmtes,
obwohl Manches darauf hinzuweisen scheint, dass der Mähnenmuflon [Ovis
Tragelaphus) der nördlich vom Aequator gelegenen* bergigen Länder ge-
wissen Rassen dieses Kontinentes das Dasein gegeben habe. An der Bil-
dung anderer auch Nigritien bewohnender Rassen mögen längst ausgestorbene
Urthiere thcilgenommen haben, vielleicht auch einzelne jener noch heut in
Asien wild vorkommenden Formen. Denn dass Asien an Afrika gewisse
Schafrassen abgegeben habe und noch jetzt abgebe, das lehrt uns u. A. die
Betrachtung des jetzt allmählich von Persien nach Ostafrika eindringenden
Fettsteissschafes [Ovis aries steatopy ga]. Andererseits scheinen
die Merinos ihren Ursprung unter armen Berbergemeinden des Atlas ge-
nommen zu haben, um später über Spanien als ^Negretiisa ihren Eingang
in die Stammschäfereien des civilisirten Europa zu finden.
Die Nigritier züchten heut kurz- und langschwänzige Rassen, welche
in den heissen Tiefländern stets schlichte Haare statt der Wolle tragen.
Sehr verbreitet ist durch einen grossen Theil Afrikas das ungemein variirende,
in einer Menge von Spielarten auftretende Fettschwanzschaf [Ovis aries
platyura] mit im Allgemeinen gebogenem Nasenrücken, mit grossen zum
Herabhängen neigenden Ohren und einem zuweilen sehr langen, wirbel-
reichen, seitliche Fettpolster entwickelnden Schwänze.
Die Ziegenzucht ist in Afrika sehr alt und sehr verbreitet. Ziegen-
heerden sind ein häufiger Schmuck ägyptischer Denkmäler. Bei nur wenigen
Hausthieren ist die Variabilität eine so sehr grosse als bei der Hausziege
1) D. A. Band II, S. 53. Vergl. Ruetimeyer, Versuch einer Naturgeschichte der
Binder, U, S. &3.
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Ueber Kulturpflanzen, Ackerbau und Kulturthiere der Afrikaner. 135
[Capra hircus). Afrika allein besitzt eine grosse Menge von Ziegenrassen.
Unter ihnen finden sich sehr auseinanderweichende , indessen fehlt es auch
nirgends an verbindenden Zwischenformen. Manche Bässen afrikanischer
Ziegen mit Hängeohren und Bamsnasen haben Verwandte in West-, Inner-
und Süd-Asien. Aus letzterem Kontinente scheint die Ziege ursprünglich
herzustammen; man betrachtet jetzt ziemlich allgemein die Bezoarziege
[Capra aegagrus) als das hauptsächliche wilde Urthier jener.
Bereits an einem anderen Orte habe ich nachzuweisen gesucht, dass
das einhöckerige vom Nordrande der Sahara bis in die Nigritiergebiete
hiueiiureichende Kameel {Camelus dromedarius) aus Asien herstamme,
dass anscheinend eingeborene Tamähek- Namen desselben, L*rüm, El-
Füm, sich vom arabischen Gemel ableiten Hessen und dass die Afrikaner
vor der allerdings ins frühere Alterthum fallenden Einführung dieses unge-
mein nützlichen Geschöpfes sich hauptsächlich des Hornviehes bedient
hätten*). Südlich vom 12® — 10^ N. Br. kommt das Kameel im afrikani-
schen Binnenlande nicht gut mehr fort, wogegen es unter den Örma der
Ostküste bis zu den Ufern des Sqbaql hinab gedeiht.
Das Pferd erscheint erst auf den Denkmälern der 18. Dynastie, und
zwar zu zweien allein oder zu zweien vom und ebenso vielen hinten, vor
den Kriegswagen der Pharaonen und ihrer Hauptkämpfer geschirrt. Auf diese
Art der Verwendimg im Zwiegespann deutet sehr bezeichnend der hierogly-
phische Name Hetrq d. h. Zwillinge für Pferde. Nun existirt noch ein anderer
hieroglyphischer Name für Pferd, nämlich Ses-l, Ses-mut, eigentlich Stute,
welcher syroarabischen Stammes ist. Demnach könnte es scheinen, als hätten
die alten Aegypter ihre Pferde sich aus Vorderasien geholt. Auf den Denk-
mälem sehen wir zu Ournetr-Murräy einen Asiaten sein Boss führen, dessen
Exterieur sofort an jene schwerere syrische Basse, El -Samt, erinnert, wie
selbige noch heut in Aegypten bei der iW^äw-Cavallerie und bei den Bäsi-
Bo^-Hosän, ferner in Iräq-^Arabt bei den Howtah'^] beliebt ist. Dieser
Typus weicht, geringe ein entferntes Verwandtschaftsverhältniss andeutende
Points ausgenommen, immerhin nicht unbedeutend ab von dem edlen,
leichten jener vielgerühmten Wüstenrosse der Sammary ^Anezeh, V^Ibed
und anderer Beduinenstämme der Aj'alet Säm und Iräq - >Arabi. Die Mehr-
zahl der auf den ägyptischen Denkmälern sonst noch vorfindlichen Bosse
erinnern in ihrem Exterieur durchaus an dasjenige der edlen Donqolah-
Pferde jmd deren Mischlinge, auch an dasjenige der Barbs, der Berber- oder
1) Zeitschr. f. Ethnologie, 1869, S. 73. 74. 363. Meinen an der letztgenannten Stelle
gethanen Ausspruch, dass die vergleichende Sprachforschung, so wichtig ihre Mithülfe
auch bleiben werde, nicht den Anspruch erheben dürfe, über die Abstammung eines unserer
Hausthiere hauptsächlich oder allein entscheiden zu wollen, betoneich hier ausdrück-
lich noch einmal.
2] At^öm - Cayallerie entspricht der regelmässigen, Bern- Boxüq- Hosän und Howtah
entsprechen der unregelmässigen türkischen Heiterei.
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136 I- Abschnitt. VII. Kapitel.
Mayrebin -Vferde *), nur sehr wenig dagegen an jenes Exterieur, welches wir
aus aUer Erfahrung dem Negdt^ dem echten »Araberpferdea der Halb-
insel zuzuschreiben pflegen. Bekanntlich bezog Salomo Pferde und Wagen
aus Aegypten 2) und riefen die Israeliten in Kriegsnoth ägyptische Reiterei
zu Hülfe ^) . Es würde jedoch alles Dieses die Möglichkeit nicht ausschliessen,
dass doch ursprünglich Pferde aus Asien nach Aegypten ^) gebracht, daselbst
in guter Pflege gediehen und später wiederum nach Asien eingeführt worden
seien. Derartigen und ähnlichen Bewegungen begegnen wir ja auf allen
Gebieten des Viehhandels häuflg genug. Aber es dürfte doch die Frage
gerechtfertigt erscheinen, ob nicht die Donqolah-y die Amhära- und Örmct'
Pferde , die Rassen des innern und westlichen Sudan , nicht etwa auch
ursprünglich afrikanische sein konnten, allem Anscheine nach Abkömm-
linge eines weit verbreitet gewesenen, durchaus kosmopolitischen Stamm-
thieres, welches in vorweltlicher Zeit nicht allein auf Asien beschränkt
gewesen ist. Eine Entscheidung hierüber können nur spätere Ausgrabungen
auf afrikanischem Gebiete bringen, mit welchen bis jetzt doch erst kaum
ein Anfang gemacht worden ist, wie dieselben denn auch bei uns mitten in
Europa erst eines verhältnissmässig jungen Datums sind.
Höchst merkwürdig ist das wilde Vorkommen einer der über viele
Länder verbreiteten Poneyrassen, welche unter dem Namen Qomrah im
Süden von Marocco, in Fufa- Tora und in den nordwestlich vom unteren
G^ä/tJa- Laufe gelegenen Ländern schon seit Alters als Hausthier benutzt
worden ist. Es scheint dies eine primitive Rasse zu sein, welche sich
aus den Urzeiten auf die neueren fortgepflanzt hat und in verschiedenen
Gegenden der Erde, u. A. auch in West- und Inner- Afrika, für den Haus-
stand gewonnen worden ist. Fitzinger vermuthet, wohl mit Recht, dass
ein guter Theil der von den Nigritiem Guineas, der TVrfö- Länder und
Central -iS^rfä«'« gezüchteten Pferde den QjomraKs entstamme^].
1) Von diesen sagt D. Low in seinem classischen Werke über die britischen Haus-
thiere : »The country of the Barbs approaching in its geographical Situation to Europe, it
may be supposed that the horses, like the human inhabitants, approach nearer in their
characters to the Euiropean varieties. But this affinity has been increased by an adroixture
of races from early times. First by means of the Phoenician colonies; secondly by the
long subjugation of the countries of the coast to the ^Republik and Empire of Rome; and
ihirdly and far more extensively, by the conquests of the Arabs, who settled in great num-
bers in the country, and now form a large proportion of the inhabitants. Notwitb-
standing of this admixture, the character of the horses of Barbary in-
dicates distinctly their African lineage.« p. 472.
2) I Kön. Cap. X, Vs. 28 und II Chron. Cap. I, Vs. 16.
3) Jesaias Cap. XXXI, Vs. 1 ; Hesekiel Cap. XVII, Vs. 15.
4) Layard vermuthet, die Aegypter verdankten ihre Pferde den vom Eupbrat und
Tigris bespülten Ländern. Niniveh und seine Ueberreste. D. A., S. 372.
5) Naturgesch. der Säugethiere, III. Bd. S. 376.
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Ueber Kultuq^flanzen, Ackerbau und KuUurthiere der Afrikaner. 137
üebrigens werden Jahr für Jahr eine Menge edler und unedler arabi-
scher Pferde nach Afrika gebracht und viele Rassen des Innern tragen den
deutlichen Stempel stattgehabter Mischung mit dem Geblüte jener herrlichen
Geschöpfe, deren hervorragende Eigenschaften im KoKel sich potenziren.
üebrigens erleidet Afrika auch stete Zufuhr von europäischen, brasi-
lianischen und bonariensischen, ja selbst von indischen Pferden.
Im Allgemeinen sind übrigens die klimatischen Verhältnisse der periodischen
Regengüssen ausgesetzten Gebiete Nigritiens der Pferdezucht keineswegs
günstig. Die Thiere verkümmern hier leicht und erliegen vielerlei Krank-
heiten.
Esel zu cht ist seit sehr alten Zeiten durch ganz Nordafrika bis zu
den Aequatorialgegenden hin verbreitet. Hauptsächlich graue Esel mit
schwarzem Rücken- und Kruppenstreif treten uns schon auf sehr alten
ägyptischen Denkmälern entgegen. Es ist hier der Wüstenthäler und mehr
noch Grassteppen bewohnende, dem Asinus hemippus Inner- und West-
asiens nahe verwandte Wildesel [Äsinus africanus Fiiz,^ As. tae-
niopus Heuffl.), welcher das Material zur Züchtung einer Anzahl im
Durchschnitt sehr vorzüglicher Bässen von Hauseseln liefert. Die Zucht
schöner Maulesel und Maulthiere ist hauptsächlich unter den abyssinischen
und Gö/ä- Stämmen gebräuchlich. Diese Thiere gedeihen übrigens in den
heissen und feuchten Tiefländern nicht gut.
Viele nigritische und Be}ah-Stämme züchten auch Hausschweine.
Die Berfäy Funff, Nohah^ Baqara-Setimi u. s. w., zähmen ein wie es scheint
nördlich quer durch das tropische Afrika verbreitetes kleines, dem Torfschwein
der PfEdilbauten so ähnliches, von Fitzinger iÄ^wör- Schwein [Sus senna-
riensis) genanntes Wildschwein, wogegen man in anderen nördlichen Thei-
len des Festlandes das gemeine, auch in Europa und Asien vorkommende,
das Stammthier unserer Hausschweine bildende Wildschwein {Sus scrofa
ferus) in den Hausstand übergeführt hat. In gewissen Gegenden Ost-,
Inner- und Westafrikas sind auch wilde Pinselohrschweine [Potamochoerus
penicillatua , P, larvatus) zu Hausthieren gemacht worden, wogegen
man, so viel ich weiss, bis jetzt noch nichts von einer erfolgreichen Zähmung
des Warzenschweines (Phacochoerus) vernommen hat.
Es ist eine heut nur noch von einzelnen rabbulistischen Halbwissem
angezweifelte Thatsache, dass die Karthager und die ptolemäischen Aegypter
echte afrikanische Elephanten [Elephas africanus Blumenb,),
gezähmt und in den Krieg geführt haben, Thiere, deren Zähmbarkeit nach
neueren Versuchen derjenigen indischer Elephanten keineswegs nachsteht,
üebrigens deuten verschiedene dem Alterthume entstammende Berichte da-
rauf hin, dass asiatische Wissenschaft es gewesen, welche den Afrikanern,
nämlich reinen und gemischt berberischen, auch Bejah, die Abrichtung jenes
edlen und nützlichen Geschöpfes gelehrt habe. Die Nigritier scheinen da-
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138 .1- Abschnitt. VII. Kapitel.
gegen durchgängig und von jeher den Elephanten nur als Jagdthier be-
handelt zu haben ^) .
Die Afrikaner eines jeglichen Typus züchten Hunde schon seit Men-
.schengedenken. Führen uns doch die ägyptischen Denkmäler bereits viele
Hunderassen auf, unter denen das edle Windspiel noch heut seine schön-
sten Vertreter unter Imökay, Be/ah und Nigritiem zeigt, unter denen die
kurzbeinigen, spitzöhrigen, der Vertagral- Gruppe angehörenden Luxushunde
der Usfrtes^n sich unschwer im heutigen iVamÄaw- Hunde wiederfinden lassen.
Andere Rassen, wie die zuerst aus Sudan nach England^ in die Tower-
Menagerie, gelangten Bluthunde von Katzena sind uns erst neuerlich bekannt
geworden 2). Auch sogenannte nackte Hunde finden sich auf diesem Fest-
lande. Der Hund dient hier wie überall zur Jagd, und als Wächter des
Hauses, nirgends dient er, soviel mir wenigstens bekannt geworden, hier
zum Ziehen, wohl aber bei gewissen Berber- und Nigritierstämmen zum
Verspeistwerden. Die neuere Wissenschaft nimmt an, dass die unendHch
zahlreichen Rassen des Hundes aus mehreren wilden Stammthieren her-
vorgegangen sein müssten. An der Bildung der afrikanischen Haushunde
scheinen gewisse Schakalformen, vielleicht auch der hübsche schlanke W(Uki
oder Qaberü (Canis simensis) theilgenommen zu haben. Anderwärts
habe ich mich über die stattgehabte Zähmung des gemalten Hundes,
des Wqrahä oder Tekuelä [Canis pictus) bei A-Bäntu und Aegyptem
ausgesprochen '^.)
Auch Katzen sind in Afrika schon alte Hausthiere und wissen wir
jetzt ganz genau, dass die mumificirte Katze der alten Aegypter mit der
noch heut in Afrikas Nordhälfte wild lebenden kleinpfötigen Art [Felis
maniculata) übereinstimmt. Letztere lässt sich übrigens, wie neuere
Versuche darthun, sehr gut zähmen und wird dieselbe noch jetzt von den
Nigritiem des Innern als Hausthier gebraucht^). Durch den europäischen,
asiatischen und amerikanischen Handel sind übrigens auch andere Katzen-
rassen nach den afrikanischen Küsten importirt worden und haben sich hier,
z. B. am rothen Meere, auf Zanzibar, in Guinea u. s. w. vollkommen ein-
gebürgert.
Die Aegypter haben auch andere Arten der Feiina, z. B. den Stiefel-
luchs [F, caligata) und den Sumpf luchs [F, chaus), für heilig erachtet
und mumificirt, dieselben vielleicht auch gelegentlich zahm gehalten ^j.
1 ) Vei^l. meine ausführliche Darlegung in der Zeitschr. der Gesellsch. f. Erdk. Bd. III,
S. 405 ff.
2) The Menageries. Quadrupeds. I vol. 2 edit., London, Ch. Knight, MDCCCXXX,
p. 79. 80. lUustrat.
3) Zeitschr. der Gesellsch. f. Erdk. III. Band, S. 64. Hartmann in Duemichen
Resultate etc.
4) R. Hartmann, Annalen der Landwirthschaft, Bd. XLIII, S. 282 ff.
5) Ders. in Zeitschr. f. ägypt. Sprach- und Alterthumskunde, 1864, S. 11.
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lieber Kulturpflanzen, Ackerbau und Kulturlhiere der Afrikaner. 139
Der Grepard oder die Cifah [Cynaelurus guttatus), scheint uns in
Algerien *) in Aegypten ^j in Abyssinien ^) ganz wie bei Indiem zur Jagd
abgerichtet worden zu sein, wozu dies Thier durch seine Intelligenz und
sein zutrauliches Naturell besonders befähigt erscheint.
Zum Zwecke der Vertilgung schädlicher Nagethiere dienten schon im
Alterthume, und im Nilthale noch jetzt Ichneumonen [Herpestes] sowie
auch Wiesel [Mustela semipalmata). Diese Thiere dürfen nur als
domesticirte gelten. Dagegen wird die in einem grossen Theile Afrikas
wild vorkommende Zibethkatze [Viverra Citetta) in Käju, Inäryä, in
(jö/a- Ländern^ in Für, Borna, Kahnä, Sokotö u. s. w. als wahres Hausthier
^(ehalten. Man nimmt von dem Thiere das starkriechende Sekret seiner
Ihüsentasche und bringt dies als Zibeth, arab. Zabäd, oder als Moschus,
arab. Misk, in den Handel, wogegen der Driisenbeutel des asiatischen
Mosehushirsches [Moschus moschiferus) nach Sudan in Menge einge-
führt und hier Geläd genannt wird.
Man trifft unter den Afrikanern viele Thierfreunde und sieht daher in
den Z^iÄaÄV und Toqüle häufig zahme Affen, Springmäuse (Dipus), Renn-
mäuse (Meriones) , Löwen, Leoparden, Hyänen, Viverren, Antilopen,
Giraffen u. s. w., welche natürlich nur als domesticirte Luxus-, keineswegs
aber als Hausthiere im engeren Sinne gelten dürfen. Der Nigritier leistet
in der Zähmung solcher Geschöpfe oift höchst Erkleckliches und bezwingt
oft genug selbst das wildeste Naturell.
Während nun die Urbewohner Amerikas und Asiens der Vogel weit
eme gute Anzahl echter Hausthiere, als Truthühner, Haushühner,
Pfauen, Fasanen, Tauben, Moschusenten, die chinesische Schwanengans, die
canadische Gans, Hausgans, sowie eine Menge domesticirter Thiere,
z.H. Kormorane [Ha Heus chinensis), Trompetervögel [P Sophia], Hocco-
Hühner, (^ariemas [Dicholophus), Chavarias und Anhimas oder Camichis
[Palamedea]y Hoatzins [Opistholophus], abgewonnen haben, sind von
den Afrikanern nur die Haustaube, wohl aus der wilden Felstaube [Columba
Lteia], und das Perlhuhn [Numida Meleagris] zu Hausvögeln heran-
gebildet worden. Nun geht zwar Hühnerzucht durch ganz Afrika und
scheint die Zucht dieses Vogels eine alte zu sein, indem dieselbe zwar noch
nicht auf den Denkmälern erscheint, jedoch schon zur Zeit der Conquista
fast überall vorkommt. Es existiren auch in verschiedenen afrikanischen
Sprachen eingeborne z. Th. onomatopoetische Namen für das Huhn. In-
1) Die Grafen Dzialowsky und Sierakowsky bestreiten, auf eigene Anschauung
«ich stütiend, die von Brehm im illustrirten Thierleben, Bd. I, S. 307 und von mir in
der Zeilschr. d. Ges. f. Erdk. Bd. III, S. 57 wiedergegebene Nachricht v. d. Decken's,
der Gepard werde von den Bern -M^- Zab zu ähnlichen Zwecken benutzt. Es muss das
4och ein anderer mehr ein Beduinenleben führender Stamm des Mayreh sein.
2) Ders. inDuemichen, Resultate. S. 28, Taf. VIH, IX.
3) Heuglin, Reise, S. 23.5.
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140 ^- Abschnitt. VIII. Kapitel.
dessen deutet doch Alles darauf hin, dass dasselbe aus Asien wohl über
Iran nach Europa und Afrika sich verbreitet habe. Die Abstammung des-
selben vom wilden Ȁaw^itrac-Huhn, malayisch Ajem-Utan^), ist jetzt
namentlich durch Ch. Darwin als entschieden zu betrachten 2) .
Ausserdem findet man femer bei den Nigritiem "^eine Anzahl nur
gelegentlich domesticirter Vögel, deren Haltung kaum als solche von wirth-
schaftlicher Bedeutung angesehen werden darf. Eine Ausnahme macht
in letzterer Hinsicht höchstens der Strauss, welcher in manchen Orten
SüdärCs, z. B. zu Soknä, Wadün, femer am Senegal, Gambia, in Südafrika,
zahm gehalten wird, um alljährlich gerupft und von den Knaben der Familie
gelegentlich auch geritten zu werden.
Endlich haben die Afrikaner sich jener wilden Bienen formen für
den Hausstand bemächtigt, der Apis fasciata, A. Nigritarum und
A. Adansonit, deren specifische Uebereinstimmung mit der europäischen
Honigbiene und unter einander übrigens nicht mehr zweifelhaft sein dürfte ^) .
Die alten wie neuen Aegypter sehen wir wirkliche rationelle Bienenzucht
treiben, wogegen zu Qusäda zwischen Katzenä und Kanndy in Mmqü, am
Senegal, in Londä, in der Qwqlä von Westabyssinien u. s. w. eine halb-
wilde Zucht existirt. In anderen Gegenden z. B, in Sermär^ in den Kaffer-
ländern u. s. w. sammelt der Nigritier nur wilden Honig, wobei denn
der Honigweiser (Ouculus indicator) seine seltsame Rolle zu spielen pflegt.
VIII. KAPITEL.
Aeltere und neuere Industrien, älterer und neuerer Handel der Afrikaner,
besonders der Nigritier.
Auch Afrika hat seine Steinzeit gehabt. Neuere Nachfor-
schungen und Entdeckungen zeigen uns, dass die Bewohner auch dieses
Festlandes nicht gleich fertig mit dem Eisen in das Völkerleben eingetreten
sind, sondern dass auch sie sich ursprünglich noch der St ein Waffen und
Steingeräthe bedient haben.
1) Waldhuhn, zugleich Namen für andere hiesige WUdhühner, als Gallm varm,
G. Temminckn, G. SonneraÜi.
2) Das Variiren u. s. w., D. A., II, S. 29).
3) Vergl. A. Gerstftcker: Zur XI. Wander -Versammlung deutscher Bienenwirthe
zu Potsdam am 17., 18. und 19. Sept. 1862. Potsdam 1862. 8.
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Aeltere u. neuere Industrien, älterer u. neuerer Handel d. Afrikaner, besond. d.Nigritier. |41
Die Existenz einer Steinzeit in Aegypten wurde von Lepsius
und Ebers in Frage gestellt und zwar im Gegensatz zu den ein prähisto-
risches Alter und sogar das Vorkommen von Feuersteinwerkstätten im Nil-
thale behauptenden Angaben mehrerer Franzosen, der Arcelin, Lenor-
mant, Hamy. Allerdings scheinen die von französischer Seite beschriebenen
angeblichen Silex-Ateliers nicht auf künstlichem, sondern auf natürlichem
W^e, in Folge von Einwirkungen verschiedener Temperaturen und der
Atmosphärilien entstanden zu sein. Dass aber doch eine Steinzeit
selbst in Aegypten wahrscheinlich gewesen, hat Duemichen
aus sprachlichen Gründen auf eine sehr scharfsinnige Weise darzuthun ver-
sucht^)-. Im Mayreb steht eine Steinzeit ausser Zweifel. (Anhang f*.)
Um die Erforschung nigritischer Steingeräthe haben sich Dir.
Leemans und E. Friedel hervorragende Verdienste erworben. Das Ley-
dener Museum besitzt sehr schöne Funde, welche bereits ein hohes Alter-
thum haben müssen; denn zur Zeit der portugiesischen Conquista fanden
sich an den Küsten nur Eisensachen und es war daselbst keine Rede von
einer Tradition an das Bronze- oder Steinalter. Unter den von Director
Leemans an Friedel eingesandten Zeichnungen afrikanischer Stein-
geräthe fanden sich eigenthümliche a. a. O. unter Fig. I, II, IV, VII, VIll
abgebildete Typen, welche nicht an bekannte europäische, sondern eher an
Südsee- Typen erinnerten 2) .
Neuerdings beschrieb L üb bock Steingeräthe von der Goldküste, vom
Bio Voka, darunter Aexte, welche den kleineren westeuropäischen ähneln,
welche vielleicht nach der Schneide hin allmählich durch Gebrauch abgenutzt
sind, sich allmählich verkleinert hatten. Die Bearbeitung derselben scheint
eine sorgfältige zu sein 3). Durch Langham Dale haben wir ferner auch
eine Anzahl von Localitäten der Kapgegenden kennen gelernt, an welchen
steinerne Lanzen- und Pfeilspitzen, Schleudersteine, Kornquetscher, Schraper,
Meissel, Wetzer u. s. w. im Vereine mit Topfscherben gefunden worden
sind^). Und so werden sich voraussichtlich die Beweise mehren, dass auch
die Afrikaner Steinwaffen und Steinwerkzeuge in einer früheren Periode
ihrer Existenz geführt haben, in welcher ihnen der Gebrauch der Metalle
noch gänzlich unbekannt gewesen oder wo diese unter ihnen noch nicht
allgemeineren Eingang gefunden hatten ^) . Man hat in neuerer Zeit den
1) Zeitschr. f. Ethnologie, 1871, S. 67.
2} Da E. FriedeTs Aufsatz zur Zeit, in welcher ich dies schreibe, noch nicht ge-
druckt ist, sondern mir nur im Manuscripte vorliegt, so muss das genauere Citat desselben
im Literaturverzeichnisse eingesehen werden.
3) The Journal of the Anthropological Institute etc. Vol. I. p. XCV. PL I. II.
4) Ebendas. p. 347.
5; Hm. G. Ebers gänzlich auf blauen Dunst hin gethaner Ausspruch: »Es giebt
Völker, die gar keine Steinzeit hatten; so brauchen z. B. die afrikanischen Neger
heute noch kein Steingeräth« (Correspondenzblatt der deutschen anthropologischen
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142 I- Abschnitt. VIII. Kapitel.
Archäologen mehrfach das Recht streitig machen wollen, von einem Stein-,
Bronze-, Eisenalter zu reden, indem man die Erscheinung zu Rathe
gezogen, dass mit Bronze- oder Eisen waffen und Geräthen oder auch mif
beiden ^versehene Völker nebenbei sich nicht selten noch der (wohlfeileren,
leichter zu beschaffenden) Stein waffen und Steingeräthe bedient hätten, ja
dass ein ähnlicher Zustand noch jetzt bei gewissen Völkern andauere. Trotz-
dem aber schliesse ich mich denjenigen Forschem an, welche die Aufrecht-
erhaltung jener drei Perioden menschlicher Entwicklung befürworten, indem
diese Perioden sich auf wirkliche Beobachtungen einer nachweisbaren Auf-
einanderfolge gründen. Die Berechtigung dieser Perioden wird keineswegs
dadurch erschüttert, dass hier und da die frühere in eine spätere hineinragt.
Zwar haben die Helden vor Troja trotz metallener Panzer, Schilder, Speere
und Schwerter auch Feldsteine zum Werfen gebraucht, zwar haben ägyp-
tische Paraschisten unter den Kolchyten zu Zeiten, in welcher ein Pharao
über bronzegewappnete Krieger gebot, die zur Einbalsamirung bestimmten
Leichen mit Obsidianmessem geöffnet, es haben Südseeinsulaner neben
Feuerschlossprügeln auch Schleudersteine benutzt und es haben communi-
stische Mordbrenner ihre StrassenboUwerke ausser mit Chassepotgewehren
auch noch mit Pflastersteinen und Dachschiefem vertheidigt. Alldergleicheii
giebt aber keinen Grund, die vielverbreitete Annahme zu discreditiren , es
hätten der Ahn der trojanischen Helden, der Kolchyt, der Südseeinsulaner,
der Gallier nicht durch lange Zeiten ihrer Existenz hindurch nur Stein-
und höchstens Knochen-, wie Holzinstrumente, statt bronzener und eiserner,
benutzen gekonnt. (Anhang A.)
Der Eintritt einer Bronzeperiode in Aegypten unter den früheren
Dynastien (IV — V?) erscheint als sicher gestellt. Noch neuerlich bildet
Arcelin eine Anzahl altägyptischer aus Bronze verfertigter Waffen und
Geräthe ab ^) und die verschiedenen europäischen Museen w^eisen eine Menge
von solchen Funden auf.
Unter den Nigritiern hat man bis jetzt noch keine Spuren von Bronze-
arbeiten entdeckt; trotzdem scheint es mir verfrüht, die Möglichkeit eines
solchen Auffindens von vorn herein zurückzuweisen. Ob die Bronze phöni-
zischen, ägyptischen oder europäischen Ursprunges gewesen, ob diese Metall-
composition verschiedene Herde der Entstehung gehabt, ist zur Zeit noch
unsicher. (Anhang B.) Jedenfalls dürften die Aegypter eines der ältesten
Völker gewesen sein, welche sich überhaupt der Bronze bedient haben. Es
wäre aber nun immerhin möglich, dass die Bronze sich auf Aegypten, auf
die Berbergebiete allein beschränkt und sich nicht unter die eigentlichen
Gesellschaft, 1871, S. 9) entzieht sich nach Obigem jeder weiteren Discussion. Ebers
hat nicht einmal die Angaben der alten Schriftsteller zu prüfen für nöthig erachtet. (Vergl.
S. ()ü. 61.)
1) Mat^riaux pour l'histoire de Thomme. V. annee, pl. XIX.
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Aeltere u. neuere Industrien, älterer u. neuerer Handel d. Afrikaner, besond. d. Nigritier. 143
Nigritier verbreitet habe. Genauer nachweisen lässt sich dies indessen vor
der Hand noch nicht. Wir werden daher jedenfalls gut thun, die sich uns
ganz folgerichtig aufdrängende Frage, ob wohl die Nigritier aus ihrem Stein-
alter unmittelbar, ohne Vermittelung eines Bronzealters, in das Eisenalter
eingetreten, oder ob sie doch auch ein Bronzealter gehabt, als eine vorläufig
noch ofiene zu betrachten.
Nichts rechtfertigt nun die Vermuthung Einzelner, die Verarbeitung
des Eisens sei eine asiatische Erfindung und den anderen Nationen,
vomehmlich den Afrikanern, etwa wie ein Handelsartikel überliefert worden.
Alles deutet vielmehr darauf hin, dass die Nigritier Eisen selbstständig
darzustellen gelernt und dies Produkt den anfänglich nur Bronze führenden
Aegyptem übermittelten. Der oft gebrauchte Ausspruch, Alles weise auf einen
Gang der Kultur von Osten nach Westen, von Asien nach Europa u. s.w.,
wird in seiner Absolutheit überhaupt etwas hinfallig.
Die Eisenindustrie der Afrikaner ist eine ziemlich hervorragende.
Selbst die alten Aegypter haben, was auch Mariette-Bey und Andere
dagegen vorbringen mögen, Eisen gekannt und verarbeitet ^) , wenngleich
von ihnen der Bronze ein bedeutender Vorzug gegeben wurde. Unter den
Nigritiem mag Eisenindustrie bereits ein hohes Alter haben. Merkwürdig
ist die Uebereinstimmung der Form zwischen den Bronzewaffen pharaonischer
Ägypter und heutiger Nigritier in Für, Wädäy u. s.w., hinsichtlich der mit
Blutrinnen versehenen geraden Handwaffen.
Die Aegypter bedienten sich u. A. auch gekrümmter Handwaffen, die
denen der Mombütu 2) sehr ähneln. Wie sich noch jetzt gänzlich identische
«der doch sehr ähnliche Formen unter den Eisengeräthen der verschiedensten
afnkanischen Völker durch Nord und Süd vorfinden, werden wir später
genauer kennen lernen.
Afrika ist nicht arm an Eisenerzen. Man findet Roth-, Brauneisen-,
Späth- und Magneteisensteine, auch etwas Meteoreisen. Sehr gewöhnlich ist
die Verarbeitung des Brauneisensteines. Letzterer wird in dem meh-
rere Erzarten dieses Metalles producirenden Söwä vorgezogen. In Sen?iär
und in Kordüfan zeigen sich unter eisenschüssigem Sande Schichten von
Hrauneisenstein oder Sand- und Thonlager mit Eisenerz-Concretionen. Die
hiesigen Nigritier scharren Gruben von 6 — 12 Fuss Tiefe in den Boden aus,
klauben das Erz heraus und sammeln es in Körben, letztere gewöhnlich
vom Haste der Acacia mellifera und A. Verek verfertigt. An manchen
1) Vergl. u. A. Wilkinson: A populär account, II, p. 155, Arcelin: Mat^riaux,
V. Ann., p. 381 und Anhang C.
2j Dieselben wurden von Heuglin (Weiss. Nil Fig. 7. 8, Petermann, Innerafrika
I Abth. Fig. 2) und von Petherick (IL Reise I, p. 281 oben) fälschlich den Namnam
wgeRchrieben, welche letztere sie aber, wie Schweinfurth versichert, nur durch Handel
^on ihren eigentlichen Verfertigern, den Mambütu , erhalten. Dagegen ist der unregel-
missig zackige Trumhas in der That eine Waife der Nammm (vergl. Geräthedarstellungen).
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144 I- Abschnitt. Vm. Kapitel.
Oertlichkeiten wühlen die Leute nur die Erde in der Nähe von Bäumen
und Buschwerk der Xälah auf, wo ihnen dann besonders jene Rasen-
erzklumpen willkommen sind, welche man in Nähe von knorrigem, zäherem
Wurzelwerke findet, z.B. Yom Ktdr [Acacia mellifera)^ Sidr [Zizyphus
Spinae Christi) , vom Sabäh (Combretum Hartmannianum)^ vom
Quddäm [Grewia populifolia)y Bäbänüs (Dalbergia melanoxylon),
von Urostigmen u. s. w. Aehnlich scheint man in vielen anderen Gegenden
des Innern zu verfahren. In Sennür hörte ich das am Fusse der Inqamna-
Berge gewonnene Eisen besonders rühmen. In Kordüfän betreibt man
namentlich östlich von Barak viel Eisengewinnung, in Där-Für am Gebel-
Marrahy in Central -ÄMcfö» bei den MombüiUy in Manöärah^ Büban-Gidda,
Karmö u. s. w. Aber auch westlich in Senegambien und Guinea, sowie
südlich bei den A-Bäniu ist Eisenschmelzerei durchaus gewöhnlich^). Die
einfachste Art der Eingeborenen Nordostafrikas Eisen zu gewinnen, besteht
darin, dass man Gruben gräbt, in diesen die mit harten (Akazienholz-)
Kohlen gemengten und überschütteten Erze ohne Zuschläge wiederholt
schmilzt, bis man ein nicht völlig schlackenfreies, jedoch im Ganzen gutes,
wenig kaltbrüchiges Roheisen erhält, indem hier nicht desoxydirter Phosphor
in die Schlacken tritt. Etwas rothbrüchig zeigt sich das Eisen der Dar und
der Namnam. Unter den Nigritiem bedient man sich fast ganz allgemein
eines bei nur geringen Modificationen sich gleichbleibenden Anfeuerungs-
apparates, nämlich zweier aus Haut verfertigter, mit Düsen von Eisen, Thon
oder von Hörn und Thon versehener Blasebälge, welche oben durch Stöcke
ofiengehalten und abwechselnd emporgezogen und niedergedrückt werden
(vergl. Geräthedarstellungen). Dieser Apparat dient zum Schmelzen und
Frischen des Roheisens, sowie auch beim Schmieden desselben.
Bei Dör, Bämbaray Kuränko , Maravi u. s. w. findet man aus ge-
branntem Lehm aufgeführte Schmelzöfen, welche über Mannshöhe erreichen
können 2). Das Eisen der Nigritier wird zu Draht, Platten, Grabschaufeln,
zu dünnen , hufeisenförmigen Stücken , zu Messerklingen ^] und Lanzen-
spitzen zurechtgeschmiedet, ist alsdann meist weich, aber sehr zäh, wie aus
Plättchen zusammengeschweisst, bei manchen Stämmen allerdings auch härter,
stahlähnlicher. Im Gebiete des weissen Niles gelten der Haiäh, ein kleiner
Eisenspaten von beistehender Form J, und ein breiterer Molöt genannter
der Bari als gesuchte Tauschmittel. In äusserst geschickter und zierlicher
Verarbeitung des Roheisens zeichnen sich die Mombütu aus, von deren
Sichelsäbeln meine kleine Privatsammlung, Petherick's und H engl in 's
Abbildungen und namentlich Schweinfurth's im Königl. ethnologischen
1) Vergl. Fritsch a. a. O. 71. 172.
2) Vergl. Orazio Antinori in der Illustrirten Zeitung, Jahrgang 1862, No. tOl2.
Heuglin, Reise am weissen Nil. S. 197. 198, Fig. O Muata Cazembe, Estampa 2a.
3) Denham, Clapperton etc. engl. 8^ Ausgabe IT, p. 19. Eisengeld von Loqone.
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1
1
Aeltere a. neuere Industrien, älterer u. neuerer Handel d. Afrikaner, besond. d. Nigritier. 145
Museum zu Berlin aufgestellte sehr reichhaltige Collection den besten Ein-
druck gewähren. Die in vielen Gegenden Ost- und Innerafrikas, z. B. am
Baher-el-Gebely umherwandemden Schmiede bedienen sich des Blasebalges,
eines als Ambos und eines als Hammer dienenden Steines, einer rohen
Zange und einfacher Feuerung^). Die A-Bäntu und Senegambier be-
nutzen auch Eisenschlägel.
Kupfer ist ein in Afrika nicht gerade seltenes Metall. Den bronze-
bereitenden Aegyptem war dasselbe natürlicherweise wohlbekannt. Dieselben
gewannen ihr Kupfer, wie es scheint, an mehreren Stellen der arabischen
Wüste, z. B. an den Bergen von Haläiahy Omm-Teläb, Dar ah, pur am
u. 8. w. 2) . Die Kupfererze im Innern des portugiesischen Guinea, zu Ycmvo
n. 8. w. scheinen abbauwürdig zu sein, indess lieferte ihre Bebauung keinen
sehr nennenswerthen Betrag. Die Kaffem gewinnen gediegenes Wasch-
kupfer. Bekannt sind in Centralafrika die Kupfergruben des sogenannten
Behd'Hofrah der Für er, die HöfrcU-el-NaKüSy in Där-Fer^d etwa 10®, 5
N. Br. und 26® Ö. L. gelten. Es ist noch unsicher, ob hier das Kupfer
aus Erzen geschmolzen oder gediegen in Form von Gräupchen gewonnen
werde. Man bringt dasselbe in Form von kurzen Barren, von Klumpen,
Drähten und Ringen weithin in den Handel. Angeblich findet sich Kupfer
selbst bei den sogenannten Gür und den Nämbara. Die so industriösen
Jfomiö^-Kannibalen ragen auch durch Verfertigung von Kupfergegenständen
bervor. Schwein furth rühmt den stolzen Anblick vieler Hunderte blank-
geputzter Kupferlanzen beim Hofgepränge des Mambütu-Königs Mtmsa,
Blei findet sich zwar an manchen Orten und in verschiedenerlei Form,
wird aber von Nigritiem höchst selten selbstständig für eigenen Bedarf ge-
wonnen. Das zu ihren Gewehrkugeln nöthige Metall beziehen diese Leute
▼on auswärts. Ebenso Zinn, aus welchem sie einzelne Geräthe und Zier-
rathen verfertigten.
Gold ist für Afrika ein Hauptmetall. Es findet sich gediegen, in
inneren Erzen, in Quarz u. s. w., als Waschgold in AUuvien, in soge-
nannten Goldseifen, d. h. lockeren, goldhaltigen Sandablagerungen. Man
gräbt flache Gruben , tiefere Schächte und Abstiche , um die Seifen aufzu-
decken und zur Waschung zu gewinnen. Diese Auswaschung geschieht hier
auf die bekannte einfache auch in anderen wilderen Gebieten, bei Gambusinos,
I^gers u. s. w. übliche \xt mittelst eines Waschtroges. In Zambezia hat
man den Goldquarz mit Steinen zerquetscht und vielleicht, wie in den Berg-
wäßsem Brasiliens , über Felle laufen lassen •^) . Die Goldarbeit erfreut sich
in Afrika des höchsten Alters. Schon zur Pharaonenzeit verstand man aus
1) Vergl. die höchst charakteristische Darstellung eines Wanderschmiedes in W. v.
Harnier's Reise, Taf. 19.
2) Hartmann, NU-Länder, S. 64.
3) Vergl. A. Hü bn er in Zeitschr. d. GeseUschaft f. Erdk. V, S. 202.
HtrtMABii, Nigritier. 10
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146 I- Abschnitt. VIII. Kapitel.
diesem Metalle die zierlichsten Schmuckgegenstände ^) zu bereiten, und noch
gegenwärtig erregen die zu Sermär und Xardüm verfertigten reizenden
Fingerringe, namentlich die Abü-Oubbah genannten, die §aräf oder Tassen-
untersätze, die Sinijät oder Fräsen tirteller, die Halsgeschmeide und Arm-
bänder von höchst geschmackvoller durchbrochener Arbeit unsere gerechte
Bewunderung. Die Amnti verfertigen goldene Bilder von Thieren, Früchten,
ferner Fingerringe, Armbänder u. s.w. in Massif und Filigran von ausser-
ordentlicher Schönheit 2] . Unsere heutigen europäischen Goldschmiede, welche
arm an eigener Erfindungsgabe, so gern von den Ideen der Alten, der Cel-
lini u. s. w., der Meister der Rococcoperiode zusammenborgen, würden durch
Kopirung nigritischer Goldarbeit-Dessins Epoche machen.
Auch Silber findet sich in Afrika, zerstreut selbst wohl als Begleiter
von Bleiglanz. Indessen helfen sich der Abyssinier, Berber und Nigritier
bei der unter ihnen höchst beliebten Bearbeitung dieses edlen Metalles schon
seit Alters mit eingeführtem Material. Seit Peru's und Mexico's Coloni-
sirung ist es besonders der Colonnadenthaler, der Abü-Medfii>a des Suda-
nesen, welchen man umschmilzt und zu Arbeiten benutzt, die an Schönheit
und Zierlichkeit den aus Gold verfertigten nichts nachgeben. Im Uebrigen
hat der Afrikaner dem Mineralreiche nur wenige andere Schätze abzu-
gewinnen verstanden. Steinkohlenlager hat des Nigiitiers Ingenium
nicht abzubauen gewusst, Schwefel aber ward an einigen Punkten der
arabischen Wüste, in Söwä, im westlichen ^Adäjel- Gebiete u.s.w. aufge-
deckt und wird derselbe zur Pulverfabrikation benutzt. Steinsalz, dessen
Bearbeitung an offenliegenden Stellen nur wenig Mühe verursacht, wird hier
und da gehauen. Auch versteht man kochsalzhaltige Erden auszulaugen,
sowie aus Wasser, aus Efftorescenzen des Bodens, Erden, Excrementen und
Schutt mancherlei alkalische Salze durch rohe Processe zu sondern,
namentlich Nadrün-ahjad Dar- Fürt, weisses Natron aus dem Zä</-Gebiete,
ein merkwürdiges, einfach- und anderthalbfach kohlensaures Natron und san-
diges Bindemittel ^j enthaltendes Produkt , von welchem ein sehr ausge-
dehnter Gebrauch gemacht wird. Die wilden Bidduma des Baher-el-Züd
laugen aus Asche des Tündub oder Siwwaq [Capparis so data] Salz aus.
Nach den von Barth eingezogenen Nachrichten ist dies ein in Bornü schon
seit Alters herrschender Gebrauch (Anhang D).
Bausteine wussten die Aegypter und Karthager mit grossartigera
Geschick herzurichten. Sie vermochten auch die härtesten Gesteine zu
Zwecken der Skulptur zu behauen und zu glätten. Aber auch aüdere afri-
kanische Stämme scheinen Steinmetzarbeiten in grösserem Style ausgeführt
1) Wie dies z. B. der berühmte Fund Ferlini's beweist (Berliner Museum).
2) Vergl. Berliner Museum.
3) Nach des /)/•. Dietrich Analyse der von mir aus Bornü erhaltenen Proben.
S. Nil-Länder, S. 344.
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Acltere u. neuere Industrien, älterer u. neuerer Handel d Afrikaner, besond. d. Nigritier. 147
ZU haben (vergl. Kap. III). Die uns trotz K. Manch und A. Petermann
bis heuer noch unbekannten Erbauer der Zimbdoe^s haben grosse Werk-
steine zu behandeln verstanden. Im Uebrigen haben die Araber und Tür-
ken, später die Europäer die tektonischen Lehrmeister der Afrikaner, ins-
besondere der Nigritier, abgegeben. An den Moscheen und Königspalästen
in Sermäry Barnü, Smyäy^ in den Reichen der Häg-^Omar und Ftdün-
Herrscher findet sich ja vieles urthümlich- afrikanische »Element; indessen
sehen wir an solchen Gebäuden doch auch die Einflüsse asiatischer Tektonik,
wie sie Ispähän, Basraky Damasctis, IstambTd und Mekkah verschönten, wie
sie auf dem Bigisiän zu Boyärä-Serlf^ auf dem Bälä-äimr zu Kabuls am
Däg-MafuU zu Agrü und am Kitäb-Minäreh zu Delhi sichtbar sind.
Thonerde hat der Afrikaner von jeher seinen häuslichen Zwecken
dienstbar zu machen gewusst. Er formte den rohen Lehm- und Fluss-
schlammziegel, dörrte ihn an der Sonne und erbauete daraus sowohl kleine
erbärmliche wie auch grosse, hochragende Mauern und Häuser, letztere oft-
mals von einer Mächtigkeit, deren sonst nur Ba^aVs verfeinerte Diener in
Mesopotamien aufzurichten gewusst haben. Der Afrikaner schuf femer ge-
brannte Ziegel, wandte diese freilich nur in selteneren Fällen und selbst
dann nicht immer auf eigene Anregung an, sondern vielfach auf gelegent-
lichen Rath ausländischer Sachkundiger. Aber man machte in Afrika von
jeher feinere und gröbere Töpferwaaren. Wir sehen mancherlei formen
derselben von den zierlich gebauchten, mannigfach skulpirten und sorgfältig
bemalten Wassergefassen und Canopen der Aegypter bis zu den netten
Renkelkrügen der algerischen Berbern , den rohen durch ganz Nigritierland
rerbreiteten BwrmdKsy letztere von Form der zu des Connetable Karl und
des Wallensteiners Zeit gebräuchlichen Wurfgeschosse (vergl. die Abbil-
dungen der Geräthe). Während nun die /möiay- Stämme schon vor Jahr-
tausenden einen feinen Töpferthon herzurichten wussten, begnügten sich
die Nigritier allermeist mit einer groben, eingeknetete Gesteinfragmente,
Strohtheilchen u. 8. w. enthaltenden Masse, wie wir eine ähnliche unter den
Scherben in Europa's Pfahlbauten, Burgwällen u. s. w. auffinden. Selbst
neuerdings sind die Nigritier in der Töpferkunst nur wenig vorgeschritten
und lassen sich darin selbst von manchen (übrigens noch roheren) Urvölkem
des tropischen Amerika beschämen.
Hartes Urgestein liefert dem Nigritier noch heut den durch ganz
Afrika vom syenischen Katarakt bis zu den Kraals der Xosay vom Märeb-
Tbale bis zum unteren Ä^nt/e- Laufe verbreiteten Mahlstein, die Merhäqeh
des Sudanesen. Edelgestein, auch edle Varietäten des Quarzes u. s. w.
wusste man .^u allen Zeiten, im Alterthume namentlich in Aegypten und
im »elenden Liande Kuidy zu recht netten Schmuckperlen u. dergl. her-
zurichten.
Dem Thierreiche entnahm der Afrikaner seit Alters wichtige Er-
zeugnisse zum häuslichen Bedarf. Die Kunst Felle auf mannigfache Weise
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148 I- Abschnitt. Vin. Kapitel.
mit und ohne Haar zu gerben, war schon den Nigritiem der ältesten
Denkmäler bekannt und erfreut sich noch heut in Afrika überall, bei Bertä
und Zülü, bei Ftdän und Khoi-Khoi-n grosser Pflege, weiter Verbreitung.
Nicht blos das leichter zu behandelnde Fell des Panthers, des Rindes, der
Ziege, des Schafes u. s. w. fand Verwendung, nein, auch das ungefügere des
Rafferbüffels, des Elephanten, des Kjokodiles, der Schlange und noch an-
derer Thiere. Lederarbeiten gehörten schon zu den besseren des Alter-
thums. Diejenigen der Märkte von Inner - Sudan sind ebenso zierlich, wie
praktisch.
Wolle ward von den alten Aegyptem und westlichen Nachbarvölkern
gesponnen und zu derben Zeugen verwebt. Noch jetzt leisten das Besitz-
thum des Stadthalters in Masr und das Mayreb Erkleckliches in dieser In-
dustrie, wogegen der Nigritier in diesem Zweige nur Lehrjunge des Berbern
ist, und in den nördlichem Districten SüdärCs höchstens grobe, filzähnliche
Tücher aus Rameel- und Ziegenhaaren zu bereiten versteht.
Thiergehörn ist dem Afrikaner stets ein erwünschtes, gut zu bear-
beitendes Material gewesen, wie dies schon ältere Nachrichten (S. 61) und
Funde beweisen und wie es die Betrachtung modemer abyssinischer Sqtü-
(Säbel-) Griffe, gewisser Keulen der Nigritier am Baher-el-Gebel u. s. w.,
die aus Rhinoceroshom gedrechselten Kaffeetassen , Trinkbecher u. s. w.
lehren.
Elfenbein ward in Afrika zu allen Zeiten mit Vorliebe zu Zier-
rathen und Geräthschaften verarbeitet. Mag man nun so manches niedliche
Schnitzwerk aus Elephantenzahn an den langen Flinten der Mayrebin, mag
man die Löffel der A-Bäntu oder die mit Thierbildem geschmückten aus
je einem Zahne geschnittenen Kriegshömer der westlichen Nigritier, mag
man die äusserst einfachen elfenbeinernen Armreifen der i^ti/i^yi -Kinder be-
trachten (wie letztere der Markt von Hellet-Idrls zu 1 — 2 Kupferpiaster
das Stück darbietet, überall giebt sich das emsige Bestreben kund, diesen
berühmten kosmopolitisch-wichtigen Stoff technisch zu verwerthen. (Veigl.
Gerätheabbildungen.)
Vogelfedem, von den wehenden Steuerfahnen der Haushähne, Paradies-
wittwen [Vidua paradisea) und der Kafferkraniche [Grus paradised]
bis zu den Schwungfedern der Strausse, den Schulterfedem der Spomgänse
[Anas gambensis] und den Schwanzdeckfedem der Ibise etc. waren von
jeher Lieblingsputz der Afrikaner jeglicher Nationalität. Welche Rolle spielte
nicht die Straussfeder in der pharaonischen Welt! Man benutzte dieselbe
als Kopfschmuck, zur Verzierung von Wedeln u. s. w. Aber nirgendwo in
Afrika treffen wir jene sinnige, geschmackvolle Verarbeitung von Vogel-
fedem, welche Califomier und Azteken, den Gentio des lequitonhonha,
Ucayali, Solimöes, Caroni, Essequibo, den Kanaka von Hawäi, X>ahUy von
Nüka-Hiwa und Tahiti auszeichnen. Sonst hat man den Vögeln ausser
Fleisch und einigem Fett (Strauss) nicht viel zu entnehmen gewusst, höch-
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Aeltere u. neuere Industrien, älterer u. neuerer Handel d. Afrikaner, besond. d. Nigritier. j 49
stens noch 9 dass der Witz eines geldgierigen sennärischen Sensal darauf
verfiel, aus der Halshaut des Argala- oder 3faraJw- Storches einen Sen,
Beutel, namentlich gut für klingende Qerüs — Piaster — zu bereiten, oder
dass ein betriebsamer Danqäli, auch Buschmann, die ganze, noch von Federn
strotzende Haut eines Strausses über Kopf und Rücken warf, um derartig
vermummt den bei Leibe nicht so dummen Vogel zu überlisten.
Milch ist noch mehr als Fleisch ein Nahrungsmittel ganzer grosser
afrikanischer Nationen. Die Nigritier wissen mit etwas saurer Milch, oder
mit Omm-el- leben, d. h. dem im Kälber- und Lammmagen gewonnenen Pro-
ducta der Säugung nicht allein wiederum saure Milch herzustellen, sondern
auch guten Käse zu bereiten. Fleisch versteht man einzusalzen und so oder
ohne Salz an der Sonne, am linden Feuer zu dörren, ähnlich wie der Vaqueiro,
Peon und Gaucho ihr TasajOy Charque, Came seca, trocknen.
Auch vom menschlichen Leibe weiss der Afrikaner Einiges zu
ver^verthen. Mit ganzen Schädeln und mit Mandibeln liebt der Äsänti die
Kriegspauken zu verzieren; Menschenzähne reiben sich an Schnüren um
den Hals des Namüam, gleichwie Löwen-, Leoparden- und Antilopenzähne,
die beim Bewegen laut klappernden Hufe des Abü-Ma^arif oder Brindled
Gnoo (Catoblepas Gorgon) den Hals mancher anderer Nigritier schmücken.
Menschenhaar ist in Afrika weniger als Zierrath beliebt, wie beim Skalp-
bedürftigen Indianer, Dqjak oder Afipwda^a- Insulaner. Wenn Hr. Marno
die Aman ihre Schurzfelle mit Menschenhaar zieren lässt, so ist das schwer
zu denken angesichts der kurzen wollähnlichen Beschaffenheit der Haare bei
allen den Aman verwandten y>Sarikelm.
Aus dem Pflanzenreiche gewann der Afrikaner schon im frühen
Alterthume sehr wichtige Industrieartikel. Flachs wussten die Aegypter
zu ihren zum Theil sehr schönen -Bywo«- Geweben zu verspinnen *). Jetzt
ist diese Kunst südlich von Aegypten nicht mehr bekannt (S. 124). Da-
gegen ist die Baumwolle, wie wir schon früher (S. 124) gesehen haben,
ein äusserst wichtiges Product geworden, und unzählige schwarze Hände be-
theiligen sich auf primitiven Webstühlen an der Herstellung von Baum-
wollenzeugen. / Da sehen wir neben dem groben und einfachen Umhänge-
tuche, Ferdahy oder neben dem groben, langen Hemde, Tob, des Fungl die
in ihrer Art einzige Tekät-kat-n^-TeleU oder Perlhuhntobe im Tamäiey^)
aus Kannöy und aus Sudan noch eine Menge anderer, zum Theil recht guter
Stoffe, welche selbst auf den Tummelplätzen der crassen europäischen Mode
das Interesse flanirender und kokettirender Zierpuppen erwecken dürften.
Zum Weben dienen meist sehr einfache liegende Stühle, bei deren
1) S. O. Heer, Neujahrsblatt d. naturf. Ges. v. Zürich, 1872. Hartmann, Zeit-
schrift f. Ethnologie, 1871, S. 108. Verfasser fand unter Mumientüohem zweimal halb-
lernen, d. h. stark mit Baumwollenfäden durchschossenes Flachsgespinnst.
2} Barth, Reisen und Entdeckungen, Bd. II, S. 149, Fig.
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150 I- Abschnitt. Vm. Kapitel.
Handhabung die Fusszehen gelegentlich zum Feststellen und Halten benutzt
werden. Solche Apparate finden sich in Abyssinien, Nubien, Sennär und
unter libyschen Beduinen. Die Aegypter benutzten grösstentheils stehende
Webstühle und Spindeln von einer zum Theil noch heute in Nubien üblichen
Fonn. Ein in Theben abgebildeter Webstuhl hat entfernte Aehnlichkeit mit
dem vom Bandfabrikanten Paur in Zürich restaurirten der schw^eizer Ffahl-
bauer i). Einen dem ägyptischen (sowohl zu Bern -Hasan wie auch zu Theben
dargestellten) Stuhle sehr, dem Paur'schen Pfahlbau -Webstuhle dagegen
schon weniger ähnlichen der Fsoqqo bildete Du Chaillu ab. Baumwollen-
zeuge müssen bereits unter den alten Nigritiern in Gebrauch gewesen
sein (vergl. S. 125).
Manche Nigritier bedienen sich ausschliesslich der Zeuge von präpa-
rirter Feigenbaumrinde (S. 125). Auch dieser Gebrauch mag schon
ein sehr alter sein, wenigstens deuten auf ägyptischen Denkmälern gewisse
einfarbige, die braunen Kiditen umhüllende Bekleidungsstücke in ihrem
Schnitt auf die sorgfältig drapirten Rindenzeuge der Wägandä hin (S. 125'.
Während man ein Seide lieferndes Insect auf diesem Kontinent bis auf das
noch halb mythische, nach H. Barth im Tamarindenbaume lebende Seiden-
insect Kannö^s'^), nicht seinen Zwecken dienstbar zu machen verstanden,
hat man importirte verschiedenfarbige Seidenfäden in geschickter, geschmack-
voller Weise heimischen Baumwollenfabrikaten behufs lebhafterer Verzierung
einzuweben gewusst. Auch hat man aus fremden Wollenzeugen, Kattunen,
aus Sammet, Damast, Atlas und sonstigen Zeugstoffen Kleider von an-
muthigem Schnitt, Draperien, bequeme Polster, umfangreiche Schirmzelte
u. 8. w. herzurichten sich bemüht.
Grosses Geschick entwickelte der Afrikaner, auch der Nigritier von
jeher in der i^ereitung seiner, Thierhäuten und allen möglichen Pflanzenstoffen
entnommenen Flechtwerke, wie dies die Denkmäler und Grabstätten des
Alterthumes, ferner neuere Beobachtung lehren. Da sehen wir die schönen
Tragkörbe der Retu , die wasserdichten Milchkörbe der Befah, dunklen
SmCkela^ Kaffern u. s. w., die zierlichen Quffäf oder Geräthekörbe der
Beräbra, die buntverzierten Topfdeckel der Funff, die musterreichen Matten
der letzteren, der Denqa, die fa^onreichen Hüte der Ga^alin, Mambütu,
Fulän, Bämhara, Be-tsuäna, die Batlan- Schüde der Namnam u. s. w.
In der Holzschnitzerei lieferten die Afrikaner strichweise sehr
schöne Arbeiten. In alten Zeiten wussten sogar die Bewohner von Kuh
hübsche Möbel aus eingebornem Holz in ägyptischem Kunststyl anzufertigen
1) Mittheilungen der antiquarischen Gesellschaft in Zürich. 14. Bd., S. 21 ff., Taf. IV,
Fig. 1 — 4. Hartmann, in Zeitschr. f. Ethnologie 1871, S. 109. Ganz ähnlich dem
Paur'schen ist der Webstuhl von FaerÖe. (Vergl. Worsaae Afbildninger in det KongUge
Museum for Nordiske Oldsager i Kjöbenhavn. Das. 1854. Fig. 422.)
2) Barth a. o. a. O. S. 149 Anm.
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Aeltere u. neuere Industrien, älterer u. neuerer Handel d. Afrikaner, besond. d. Nigritier. 151
{S. 98), worinnen Pharao's Söhne grosse Meisterschaft bewährt hatten. Die
Fung und Abyssinier schnitzten Messer- und Säbelgriffe aus dem schwarzen
Kern des Holzes von Acacia laeta, die Nuwer machten schwere, riefige und
zackige Keulen aus schwarzem Holze des Bäbänüs [Dalbergia melano-
xylon), die SiUük, Bari, Mombütu u.s.w. verfertigten hübsche kleine Stühle
aus je einem Stück , die Dör haueten rohe phalliscbe Menschenbilder von
jeuem Style aus, dem man an Pfahl-Substructionen der Küsten Neu-Guineas,
auf den Moräfs der Inseln Sandtmch, Viti, Tonga, Tahiti, an den Stein-
bildern von Waihu begegnet. Bekannt sind auch die niedlich und nicht
ohne Geschmack ausgeschnitzten Holzlöffel der Be-tmäna, Kaffern u. s. w.
In den altägyptischen Gräbern fand man aus Holz sehr nett geschnitzte
Figuren, Kähne mit ihrer Mannschaft, selbst mit der auf Nilschiffen uneut-
l)ehrlichen Brodbäckerini), Kinderpuppen 2) , Hampelmätze 3) u.s.w.
Der Afrikaner wusste eine Menge Farbe Stoffe zu bereiten und zu
benutzen. Er gewann sie dem Mineral- und Pflanzenreiche (S. 125) ab.
Die Aegypter malten mit Gelb, Roth, Blau, Grün, Schwarz, Braun von
mineralischer Natur. Ihre Farben zeichneten sich durch Tiefe, Lebhaftigkeit
und Dauerhaftigkeit aus. Die Abyssinier färben Ijcder und Stroh schön
grün, roth und gelb. Zur Erzeugung einer angenehm braunrothen Leder-
farbc, der des Juchtenleders ähnlich, benutzt man in Ost- und Inner-Südän
das röthliche Periderm einer Durrahsorte. Der Indigo mag asiatischen
Ursprunges sein, wird aber seit vielen Jahrhunderten in Afrika in sehr
mannigfaltigen Schattirungen angewendet. Der Nigritier verfügt nicht über
80 blendende Farbstoffe wie Cochenille, Anilin, Krapp, Chrom u. s. w. Es
ist eine leicht zu beobachtende (wie ich glaube, schon früher von Lothar
Hucher ei*wähnte) Erscheinung, dass dieser Menschenschlag seine eigenen
Zeuge, Flechtwerke u- s. w. in einfacheren, stumpferen Tönen von Schwarz,
Gelb, Braun und Roth in allerdings nicht ungefälligen Mustern zu färben
pflegt, dass er zuweilen sogar die in jener Weise natürlich gefärbten Roh-
stoffe, als Binsenstengel, Strohhalme, Baumblätter, Lederstücke u. s. w.
mühevoll zusammensucht und auf sinnige Art zu wohlgemusterten Geräthen
verflicht. Die alten Aegypter, welche, wie wir gesehen haben, doch sonst
Farben kannten und liebten, lassen solches einfaches düsteres Colorit mehr
nur an naturfarbenen Erzeugnissen ihrer Industrie, an Körben, Matten und
an gewissen Zeugstoffen erkennen. Dagegen beobachtet man jene Ein-
förmigkeit bis auf wenige Ausnahmen wieder sehr allgemein an Baum-
wollen-, Rinden- und Wollzeugen, an Blätterschurzen, Lederarbeiten, am
Flechtwerk der neueren Imösay, Fung, Denqa, Bari, Gala, Ahänti, Kaffem
u.s.w. Und doch sucht der Nigritier an den ausländischen Zeugen,
1) Berliner Museum.
2) Ebendas.
3) Desgl.
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152 I- Abschnitt Vin. Kapilel.
welche er zu Staatskleidem, Sonnenschirmen, Zelten, Vorhängen und Tep-
pichen verwendet, die allerschreiendsten Farben, die oft höchstens unserem
schlechtesten Bauerngeschmaek zusagenden Muster! Der Nigritier leistet
einmal in mannigfaltiger Farbstofiproduction nicht das Entfernte des
Europäers.
Der Schiffbau lieferte bei den alten Ägyptern (S. 56) und bei den
mit phönizischer Kultur ausgestatteten Puniem die grossartigsten Resultate.
Ansehnliche Seeschiffe der Königin IVa-Makq Haüe-piu durchfurchten
bereits im 17. Jahrhundert v. Chr. Geb. das rothe Meer. Nekqu II soll
Trieren um Afrikas Küste gesandt haben (S. 55). Bei Artemistum waren es
ägyptische Linienschiffe, natürlich Galeeren, welche sich hauptsächlich aus-
zeichneten, und noch bei Salamis leisteten letztere kräftigen Widerstand.
Die Nigritier dagegen haben sich im Schiffbau niemals hervor-
gethan. Bei der einförmigen, an Buchten armen, ich möchte sagen aus-
gesucht kontinentalen Beschaffenheit des afrikanischen Küstengebietes sind
die schwarzen Afrikaner, SömäR des rothen, Süäheli des indischen Meeres
und K rumänner etwa ausgenommen, keine rechten Seefahrer. Auf ihren
kataraktenreichen Strömen und ihren grossen Landseen begnügen sie sich
mit einfacheren Formen der Barken und Piroguen. Plumpe den oberen NU
und seine Quellströme befahrende Neqer oder Qangeh mögen mit ihrem
spitzdreieckigen Segel und ihren ein Anrennen an die Felsen mildernden
Seitenbäumen schon Jahrhunderte lang ihre Form beibehalten haben. Sonst
geht man über den zierrathlosen Einbaum, das rohe Floss aus leichtem
Stoff (Rohr, >Ambaff u. s. w.) kaum in der gewöhnlichen südamerikanischen
Baha- oder Janffada- Form erbaut, nur selten hinaus. Jene unendliche
Mannigfaltigkeit in Grundform und Ausschmückung, welche insulare
Urvölker, Neuseeländer, Karoliner, Tahitier, Z^ö/öä; u. s. w. ihren gebrech-
lichen Piroguen verliehen, sucht man in Afrika allermeist vergeblich, höch-
stens bietet die den U^kerüa-Nänzä furchende Pirogue der Wägandä noch
etwas von der altägyptischen Widderbarke Uebriggebliebenes , nämlich eine
Bugverzierung *) , wie sie sonst noch vor etwa einem Jahrhundert auch an
jenen Admiralschiffen gefunden wurde, welche in ihrer rohen Pracht von
Eimeo y Papelü oder aus einem beliebigen Hafen Te-Wäi~Punamu^$ oder
T^-Ika - na -MauPs zum Kampfe wider maritime Feinde auszulaufen pflegten.
Zur Schifflfahrt gehören Seile und Segel. Erstere lernte der Amosay
frühzeitig aus Dattelblattfasern und aus Flachs, resp. Hanf drehen. Der
Nigritier benutzte vielerlei zähe Bastfasern zu ihrer Verfertigung. Im tiefem
O^XnSüdän sieht man noch jetzt zähes Strickwerk und Spagat, zu denen (uns
noch unbekannte) Pflanzen theile das Material liefern. Aus Asien erhielten
verschiedene afrikanische Küstengebiete die Cocospalme {Cocos nucifera],
deren Blattstielfasem den Cotr, einen sehr derben und dauerhaften Stoff zur
1) Speke, Journal p. 391 Fig.
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Aeltere n. neuere Industrien, älterer u. neuerer Handel d. Afrikaner, besond. d. Nigritier. \ 53
Seilerarbeit enthalten. Die Coir- Seilereien in der Stadt Mogambtque sind
natürlich neuerer Entstehung. Uebrigens war der Afrikaner nicht mit so
zahlreichen Gewebspflanzen bedacht, wie z. B. der Südamerikaner, der Poly-
nesier, aber jener wusste das Wenige, was die Natur ihm geboten, doch
recht geschickt zu verwerthen. Segel wurden aus Matten und groben Baum-
woUenzeugen verfertigt. War die Takelage der Aegypter schon recht com-
pUcirt, so zeigt sich diejenige der Nigritier desto roher. Nur die angeblich
kaschitischen, mit den Aegyptem unter der Ramessiden- Dynastie zu Wasser
kämpfenden Fikekero ^) hatten, wie man dies im Heiligthume des Matnpsinit
zu Medinet- Abu sehen kann, gleiches Takelwerk an ihren Pirogu^i wie
ihre Feinde.
Ganz Afrika hat schon seit den ältesten Zeiten grossartige Handels-
bewegungen erfahren.
Aegypten, die älteste Kulturwiege der Menschheit, die Stätte, auf
welcher die Industrien und die Künste sich entwickelten, ist schon
sehr frühe in diese Handelsbewegungen hineingezogen worden. Theils für
sich, theils unter Anregung und Vermittlung der Phönizier, später auch der
Griechen u. s. w. Unzweifelhaft haben uralte ägyptische Kunstartikel und
Handwerksarbeiten als Modelle für die Erzeugnisse anderer Völker gedient.
Man findet zahlreiche und deutliche Spuren ägyptischen Kunststyles z. B.
in altiränischen Resten. Die iranische Kultur ist ja auch jünger als die
igyptische 2) . Der Kunststyl des letzteren Landes übte seinen Einfluss auch
auf Niniveh und Babylon aus, wie dies so zahlreiche alte Darstellungen und
üeberbleibsel beweisen. Die Kulturstaaten am Euphrat und Tigris gaben
freilich wiederum an Aegypter und Phönizier Mancherlei zurück. Aber
selbst Europa erlitt ägyptische Einwirkungen. Die griechische Kultur
z.B. wurde sehr stark von der älteren des Nilthaies beeinflusst, wie sich
dies an unzähligen Einzelnheiten darthun liesse. Auch hat die Erforschung
alteuropäischer Wohn- und Grabstätten manche Bronze- und Eisenarbeit
aufgedeckt, selbst Gold- und Silberzierrathen, Schwerter, Paalstave, Lanzen-
und Pfeilspitzen, Messerklingen, Arm- und Halsbänder, Spangen, Schildchen
U.S.W., welche eine überraschende Aehnlichkeit mit Arbeiten nicht nur der
alten Aegypter und Meroiten, sondern sogar der heutigen FelläKin und
Sudanesen zeigen 3). Hiezu nur wenige Beispiele. Ein von Worsaae
a. a. 0. Fig. 120 abgebildetes Bronzemesser der Kopenhagener Sammlung
1) Es ist mir bis jetzt nicht gelungen, eine Beziehung dieses Stammes zu einem
lebenden aufzufinden.
2) Hartmann, in Zeitschr. f. Ethnologie 1869, S. 41. 42.
3) Wer, um sich von der Wahrheit dieser Angabe überzeugen zu können, nicht grosse
Museen zur Verfügung hat, vergleiche wenigstens, zur Gewinnung eines allerdings nur
schwachen Bildes des Gesagten, die Werke von Wilkinson und Lane mit denen von
Worsaae, Desor, Lubbock, Figuier, Staub, den Arbeiten von Keller u. s. w.
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154 l- Abschnitt. Vm. Kapitel.
hat als Heft eine nackte Figur, welche täuschend einem iVtttt?er- Mädchen
mit Rahady grossen Ohrringen und Burrnah (selbst einem Fungl- oder Kig-
Mädchen) ähnelt. (Vergl. die Geräthedarst eilungen und die Figurenerklärung.;
Ein zu Burg an der Spree aufgefundener und durch Virchow abgebildeter
vienädriger lironzewagen *) hat eine nicht zu verkennende Aehnlichkeit mit
einem altägyptischen des Florentiner Museums 2). Virchow versichert aber,
dass andere früher aufgefundene europäische Bronzewägen dem von Burg
ähnlich seien. Die so häufig in den Pfahlbauten ausgegrabenen steinernen
oder thönemen halbmondförmigen, ursprünglich für dem Mondkultus ge-
weihete gehaltenen Gebilde sind, wie dies C. Vogt^) schon öfters darge-
than, den steinernen oder hölzernen f/&, d. h. Kopfuntersätzen der alten
Aegypter und der heutigen Beräbra, auch Sudanesen identische, zur Scho-
nung der Haartouren dienende Geräthe gewesen. (Vergl. Geräthedarstellungen.j
Den vielerwähnten sogenannten Kommandostäben der Ureuropäer entspre-
chende Gebilde hat man in Aegypt^n beobachtet. Die Framea hat (wie die
Steinaxt) noch gegenwärtig ihr Analogon in den Hacken oder Aexten der
Nigritier *) . (Vergl. Geräthedarstellungen.) Es Hessen sich nun noch sehr
viele Beispiele solcher Aehnlichkeiten aufführen. Rein zufällig können die-
selben nicht sein, sie müssen vielmehr einem gegenseitigen Völkerverkehr
ihr Dasein verdanken, einem Verkehre, der ja nicht unmittelbar zwischen
alten Germanen oder Kelten und Aegyptem stattgefunden haben darf, son-
dern auch durch Phönizier, Etrusker, Griechen und andere Nationen ver-
mittelt worden sein kann. Mögen die Bronzen jener Orientalen und die-
jenigen der Europäer auch eine verschiedene Zusammensetzung zeigen, es
schliesst dies die Wahrscheinlichkeit nicht aus, dass jene doch irgendwo
erfundene Metallconiposition, von einem Volke dem anderen überliefert und
je nach lokaler Verfügbarkeit über diese oder jene als Zusatz taug-
lichen Metalle oder Erze modificirt worden sein könne. Es ist nun aber
nach Allem der Schluss gestattet, dass die Kulturbewegung des Alterthums
sich von Süden nach Norden ausgebreitet habe, nicht aber umgekehrt"^;.
Auch die Bronzeerfindung scheint ihren Weg von Süden nach Norden ver-
folgt zu haben. Ich kann mich Denen durchaus nicht anschliessen , für
welche eine sogenannte semitische, besser ägyptisch - phönizische Beein-
flussung alteuropäischer Kultur für problematisch erklären oder gar eine
solche gänzlich hinwegleugnen wollen. Denn es giebt ja auch noch andere
1) Congrfes international d' Anthropologie et d' Archäologie pr^historiques ä Paris 18ü7.
Paris 1868, p. 254, Fig. 51.
2) Wilkinson, Populär account I, Fig. 339.
3) Ohne von Vogt's Ansichten über diesen Gegenstand das Geringste zu wissen,
erklärten Di'. Schweinfurth und ich uns schon im Herbste 1867 in übereinstimmender
Weise über den Gebrauch jener angeblichen religiösen Symbole.
4) Vergl. S. 128 und Hartmann in Zeitschr. f. Ethnologie, 1870, S. 352. 1871, S. 95.
5) Hart mann, in Zeitschr. f. Ethnologie, 1870, S. 15.
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Aeltere u. neuere Industrien, älterer u. neuerer Handel d. Afrikaner, besond. d. Nigritier. \ 55
Vorkommnisse^ welche auf uralte Verkehrsbeziehungen zwischen Nordafrika
und Europa hinweisen. Da haben die Pfahlbauern des Steinalters gewisse
ihrer Kulturpflanzen dem Morgenlande entlehnt^), das kleinere Schwein
Sennär*s ist dem Torfschweine so ähnlich (S. 137J, die über Europa weit-
verbreiteten Dolmen finden sich massenhaft auch im Mayreh, Sicherlich hat
die schon frühzeitig blühende Seeschiffahrt der Aegypter und Phönizier zur
Ausbreitung eines solchen Verkehrs das Ihrige gethan. Dieser Seeverkehr,
von welchem schon im IV. Kapitel die Rede gewesen und über welchen
uns B. Graser 's oben erwähnte Arbeit so schöne Aufschlüsse verschafft
hat {S. 56), ward noch lebhafter, nachdem die berberischen Küsten durch
phönizische Kolonien bevölkert worden, von denen wieder grössere Unter-
nehmungen nach anderen Gebieten Afrikas ausgingen (Hanno's Fahrt, S. 65).
Ungemein üppig muss das Handelsleben der Phönizier und Aegypter
auch in Bezug auf Nigritien gewesen sein, wenn man z. B. bedenkt, welche
Massen von Elfenbein, Ebenholz, Getreide, Fellen, Balsamen und Sklaven
schon allein die ersteren von dort bezogen. Letztere aber hatten unge-
mein lebhafte Beziehungen mit dem Innern. Der Tribut der unterworfenen
Kusiten kann aber nicht allein die Magazine von Theben, Memphis u. s. w.
geiiillt haben, denn anders würden die Pharaonen nicht so viel Aufhebens
von ihren kleinen Balgereien mit Berabra und Nehmst gemacht haben (S. 48.
49 ff). Auch der Handel hat den Söhnen der Sonne jedenfalls so Vieles
geliefert, was das ägyptische Nilthal entweder gar nicht oder nur in geringer
Menge hervorbrachte. Hierzu gehörten Elfenbein, Straussfedern, Thierfelle,
Opferthiere (namentlich gezähmte Antilopen), Gummi, Ebenholz, verschie-
dene Früchte, z. B. Beeren von luniperus excelsa, Sehestenen aus
äabes, Mimusops Elengi von da, >Aldb- oder Balanites-FTÜchie,
Fruchte vom Sapindus senegalensis^), Natron, Quarze, Ochcrerde,
Gold U.S.W. Selbst Sklaven wurden aus dem Innern herbeigeführt. Dieser
phönizische und ägyptische Verkehr lässt ganz so wie der carthagische, auch
grössere im Innern Afrikas stattgefundene Handelsbewegungen voraussetzen.
Manche alte Wegeeinrichtung, manche Tradition und directe Nachricht der
alten Schriftsteller lassen auf einen sehr frühzeitigen starken Karavanen-
handel durch die Wüste nach Sudan schliessen. Dieser Handel muss zu
den Zeiten des Geographen Cl. Ptolemaeus ein bereits ungemein blü-
hender gewesen sein. Denn wie und woher sollte wohl Jener sonst seine
vielfach überraschenden Erkundigungen eingezogen haben (Kap. IV). Zur
Zeit des römischen Weltreiches und der Blüthe Meroe^s ist dieser Verkehr
in Innerafrika aber jedenfalls ein noch weit bedeutenderer gewesen als
später im Mittelalter und in der neueren Zeit (Kap. V).
1) Hartmann, in Zeit«chr. f. Ethnologie, 1871, S. 93.
2] Die beste Oelfrucht Senegambiens. Diese und andere der genannten Früchte finden
öch u. a. in altagyptischen Gräbern als Todtengaben.
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156 I- Abschnitt. IX. Kapitel.
In alten Perioden dieses Karawanenhandels hat man wohl die Köpfe
der Träger sowie die Rücken der Packochsen und Packesel zur Fortschaffimg
der Waaren benutzt, bis man im Kameele ein wundervolles Geschenk der
Natur erhielt. Trotz letzterem heisst es nach Obigem also etwas zu euphe'-;
mistisch verfahren, wenn man behauptet, der Samara -Gmtel zwischen Nil
und JVädi -Nun sei ohne das Kameel völlig unbewohnbar.
Viele ältere und neuere Handelsströmungen Innerafrikas hängen genau
mit den dort stattgehabten und noch immer vorkommenden Völkerzügen
zusammen, über welche uns das nächste Kapitel Genaueres bringen wird.
Wie lebhaft übrigens auch gegenwärtig noch die Verkehrsbestrebungen
in Afrikas Innerem sind, mag u. A. dadurch erhärtet werden, dass Solinger
Klingen bis tief in den Sudan hineingehen, dass ägyptische Müäjat (gewür-
felte Shawltücher) und Darabts (rothe Mützen) bis nach Timbuktü und Seqb
gelangen, dass Kaurischnecken ihren Weg bis zu den AdamätM, Kanörif
Bari und Denqa, venetianische Glasperlen bis zum ATätiämfo und weiter
finden u. s. w. u. s. w.
Manche von Waitz aufgeführte Industrien, z. B. die Bereitung von
Seife, Lichtem, Pulver*), sind den Nigritiem durch den Handelsverkehr
von auswärts überkommen.
IX- KAPITEL
Allgemeine Skizze der Völkerbewegungen, der Stammes- und der Kasten-
bildung unter den Afrikanern, vorzüglich den Nigritiem.
Aus kleinen Ursachen wird oftmals Grosses. Afrikas weite
Gebiete sind seit Alters von Völkerbewegungen heimgesucht worden, welche
hauptsächlich auf folgende ursächliche Erscheinungen zurückgeführt werden
dürfen: auf herrschende Reiselust, Handelseifer, Erwerbslust, religiösen
Trieb, auf Frauensucherei , Jagd , auf Krieg. Bei manchen Afrikanern ist
die Lust am Reisen zu einer vollständigen Charaktereigen thümlichkeit ge-
worden. Es betrifft dies sowohl Imösay als auch Nigritier. Rastlos wandern
die zum AfU-Tüäriq gehörenden Iföyas-ri Iqedäd umher, gleich den Vögeln
(Iqedäd), von Tasilt im Norden bis in den Sudan hinein, bald in Mitten
1) Anthropologie II, S. 96.
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Völkerbewegung, Stammes- u. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzQgl. d. Nigritiern. \ 57
der Tuäriq-Azqar, bald unter den Tüäriq von Ahlr lagernd. Sie berühren
im Süden die Gebiete der ihnen verwandten Tföyas-n^-Uqqirän^). Auch
die eingeborenen Mayrebin reisen gern und viel. Hauptsächlich sind
es in diesen westlichen Staaten die Meräbi^riy welche weite Reisen voll-
führen. Die Meräbid^n gehen aber sowohl aus Stämmen der Imohay als
auch der Nigritier hervor. Dieselben genügen nun einmal ihrer einge-
fleischten Reiselust und betreiben nebenbei auch Bekehrung^ sie
spenden Belehrung ^ gewähren Rath und Trost, verkaufen Amulete, heilen
Krankheiten und treiben Ehekuppelei u. s.w. Gewisse Mayrebin dehnen
ihre Handelsreisen bis tief nach den Gwtwca- Ländern, bis nach Kumäsi in
Aiänii oder nach dem Ewe- und Y<>r«5a - Gebiete aus.
Unsere mayrebiner Reisenden zeichnen sich nicht selten durch
Bildung, scharfe Beobachtungsgabe und durch Drang nach Erforschung der
Wahrheit aus. Manchen dieser tüchtigen Pioniere verdanken wir ganz vor-
zügliche Berichte über die von ihnen durchwanderten Länder. Abgesehen
von den grossen arabischen Geographen, welche u. A. auch Mayrebin zu
den Ihren zahlen, verdanken wir Einzelnen unter Jenen sehr brauchbare
Beisebeschreibungen (S. 83). Durchlesen wir die Berichte z. B. der Zen-
el->Abidln, der Mohammed -el-Tunsl u. s. w., so begegnen wir in denselben
stets der alten und immer wieder neuen Fabel von der angeblichen Ab-
stammung vieler solcher afrikanischer Autochthonenstämme (an welchen als
eifrigen Moslemln die gläubigen Verfasser besonderes Wohlgefallen gefunden
kaben), aus Higüz oder aus yOmän, Unter letzteren beiden Namen begreift
man nun aber im Innern von Ostafrika gewöhnlich die arabische Halbinsel
im Ganzen.
üebrigens aber finden wir unter den Schriftstellern der genannten Art
auch sehr genaue Beschreibungen des Gesehenen, manches gesunde Urtheil
und manche unsere Aufmerksamkeit erweckende, unseren Forschereifer an-
spornende Erkundigung. Wenn wir dann auch zuweilen wieder unrichtige
Auffassung und verfehlte Darstellung einzelner Gegenstände antreffen, so
rührt dies keineswegs von mangelnder Befähigung überhaupt, sondern viel-
mehr von einer im Vergleich zur abendländischen doch nur sehr einseitigen
und lückenhaften Vorbildung her.
Auch Aegypter unternehmen Wanderungen nach West und Süd,
diese jedoch seltener als ihre Berbervettern aus dem Mayreb aus reiner Lust
am Sehen fremder Länder, sondern schon häufiger aus Religionseifer und
Spekulationslust. Denn der echte Sohn von Beled-Mi^ neigt zum hab-
perigen Spekulanten, dem pecuniärer Gewinn meist höher steht als Ehre.
In ihm steckt weit weniger von dem beschaulicheren, religiöser Schwärmerei
sich hingebenden Wesen des Mayarbl oder von dem abenteuemd-kriegerischen
des stolzen, unruhigen Amösay im engeren Sinne, des Tarql.
\ Duveyrier: Touaregs du Nord p. 361.
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158 I- Abschnitt. IX. Kapitel.
In Nubien leiden namentlich die zum Näs-el-Ga^alln gehörenden Per-
sonen an einer wahren Reisemanie. Ein echter Ga^ati weiss tausenderlei
Vorwand für sich selbst, seine Angehörigen und Freunde hervorzusuchen,
um den Mahnungen seines Wandertriebes Vorschub leisten zu können. Er
nimmt für etliche Thaler Waaren und pilgert frisch darauf los, die schwer-
sten Gefahren, die härtesten Beschwerden wenig achtend, wenn er nur recht
tief in die Länder der Fung, Gälä u. s.w. eindringen kann. Unterwegs ver-
steht er sich unter den heikelsten äusseren Verhältnissen zurechtzufinden,
und überall Einlass zu gewinnen. Gern erzählt er Abends von seinen
Wanderungen und Erlebnissen. Er entgeht bei seiner Aalglätte leicht dem
Verdachte politischer Spion zu sein, er macht sich unentbehrlich bei Mos-
lemln, bei Christen und Heiden. In religiöser Beziehung begegnet er hier
nirgends jener stumpfsinnigen Bigotterie und stereotypen Heuchelei, welche
den Uüggt Innerasiens auf Schritt und Tritt umlauem und ihm das Dasein
verbittern. Tu Ostafrika kennt, begehrt man den herum wandernden Gahlt
überall. Er schachert soviel er kann. Gehen ihm unterwegs seine Waaren
oder Gelder aus, so schlägt er sich als Zwischenhändler, als Missionär,
Teufelsbanner, Wunderdoctor, Ehekuppler durch. Leicht weiss er sich in
den Geruch von Heiligkeit zu bringen. Zur Noth dient er auch als Soldat,
seiner Partei nicht selten mit Schlauheit, Muth und Hingebung helfend.
Einer dieser merkwürdigen Leute mit Namen ^üd-el-Hedrl zog (und
zieht vielleicht noch jetzt — in sailah — ) von Xardüm aus Jahr für Jahr
durch aller Herren Tiänder, bis Fädcm, El-^Ohed y Qäqä u. s. w. Er holt
hier diese dort jene meist vegetabilischen Mittelchen ^) zusammen, und steckt
sie in eine aus altem Dammür, Baumwollenzeug, gefertigte Muqlä/eh oder
Beutel, auch in die Girbeh (oder Schlauch) aus buntscheckigem Ziegenlamm-
fell verfertigt. Schon unterwegs, auch endlich zu Hause angelangt, reitet
der unverwüstliche Medizinmann auf geduldigem Eselein von Dorf zu Dorf,
von Haus zu Haus, recitirt einen Qwr^'äw- Vers, spendet seinen Segen,
spuckt bedächtig vor sich hin, murmelt halbdunkle Worte, lässt sich an-
rufen, einladen, er schnupft, trinkt Kaffee, erzählt sehr interessant und
spendet — natürlich nicht umsonst — von der Arznei, diese freilich nicht
eben genau dosirend. Er kümmert sich auch wenig um den Erfolg. Er
thut es also nicht besser und nicht schlechter als andere Naturheilkünstler
selbst unserer vorgescKrittenen Haupt- und Residenzstädte.
Die Ga^alln sind nun im Allgemeinen ein patriotisches, Unabhängig-
keit liebendes, energisches Volk, welches die ihnen gewaltsam aufgezwungene
ägyptische Herrschaft nur mit Unwillen trägt. Als vor Jahrzehnten ihr König
Näir^ genannt El-Nimr, d: h. Panther, zu Sendi sich unmittelbar nach ins
Werk gesetzter Verbrennung Isrnä^tl-Bäsä^s und seiner Getreuen gen West-
1) Z. B. Derdüs oder Süb-el-^ArMi gegen Ruhr, Qabdä gegen Gicht u. s. w.
(Nil-Länder 365).
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Völkerbewegung, Stammes- u. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiem. 1 59
Abyssinien zu Ras- ^ AU flüchtete^ gingen viele seiner Ga^aUn mit ihm. Es
folgten später noch mehrere, welche den rächenden Würgereien des schreck-
lichen Defterdär-Bey im AVeneß -Lande zu entgehen trachteten. Sie alle bil-
deten dann mit und um Melik Nimr einen neuen halb unabhängigen Staat
Där-Süfi oder Där-Saläm *) mit der Residenz Mai-Gwogwa. Nimr^ dessen
Sohn Melik -Woled' Nimr, und die zum Sex Abu -Boas haltenden Ga^altn
vollführten unter dem weithin gefürchteten Namen y^Maqädaa 2) häufige blutige
Einfälle in die Gebiete von O^t-Semiär bis selbst nach Fäzoqlo hin, stahlen
sich als den Aegyptern feindliche Emissäre durch die benachbarten Länder
und predigten hier zum Oeftem den Nationalkrieg wider jene Türken, »die
da mit Christen und mit Heiden buhlten und dem wahren Glauben ab-
trünnig geworden seien«.
Auch unter den Eingeborenen Nord-Nubiens findet sich ein
lebhafter Drang zum Reisen -machen und Wandern gen Aegypten, Sennär,
Kordüfafij nach dem weissen Nile u. s. w. Es ist nun nicht etwa, wie so
häufig angenommen wird, die absolute Armuth des Bodens allein, welche
jene Leute vom heimathlichen Herde hinwegtreibt; denn in manchen nubi-
schen Districten, in welchen das Alluvium grössere Flächenräume bedeckt,
könnte dies wohl noch besser urbar gemacht und sorgfältiger angebaut
werden 3), als bis gegenwärtig der Fall ist. Die Beräbra könnten noch zu
grösserem Wohlstande gelangen, wenn sie sich mehr der Industrie in die
Araie werfen wollten, zu welcher ihnen keineswegs die Anlage fehlt. Es
deutet Mancherlei darauf hin, dass zur Pharaonenzeit in diesen Geg'enden
eme nicht unbedeutende Kultur und eine erfindungsreiche Industrie ge-
herrscht habe^), Zeichen, dass selbst aus diesen jetzt anscheinend so bettel-
armen Districten Mancherlei gemacht werden könnte. Allein seit dem im
Allgemeinen milden Scepter pharaonischer Erpa-IiaVs, der Prinzen als
Statthalter und eingeborener Häuptlinge die wüste Türkenwirthschaft mit
Karbatsche und bodenlosem Steuersäckel '») gefolgt ist, seitdem wie schon
erwähnt Mohammed- Bey-el-Def ter dar Nubien verheert ß) (1823), seit der
1) Also spottweise von den TV/rco- Aegyptern genannt.
2) Maqäda bedeutet bei den Ost -Sudanesen im engeren Sinne die Länder Söwü, die
Gebiete der Gälü, Sidämä u. s.w., wird jedoch häufig auch für die rebellischen 6ahlin
und das übrige räuberische Volk des Sex iroied- Ntmr gebraucht.
3) Die älteren Versuche mit Fledermausguano aus dem Tempel von Denderah, den
Grotten von MaMdi'h und den thebaischen Königsgräbem, die mit Taubendünger (nament-
lich um Ennent] und die neuerlich mit mancherlei künstlichen Düngemitteln angestellten
Experimente haben bewiesen, dass der an sich so fruchtbare Boden des Nilthaies durch
Düngung in seiner Ertragsfähigkeit noch wesentlich verbessert werden könne.
4) Vergl. Kapitel IV.
5) Es hat Zeiten gegeben, in denen man dem Nubier für einen einzelnen Dattelbaum
2— 2V2 Piaster current abverlangte.
ß) Man sagt, dies Ungeheuer habe 30IM>0 Bt*räbi'a, meist natürlich völlig unschuldige
Leute, abschlachten lassen. (Vergl. Egypte au XIX sifecle, p. 'M2.i
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160 I- Abschnitt. IX. Kapitel.
Hungertyphus die schwerbedrückte Einwohnerschaft decimirt (z.B. 1824-27,
1840-42 ^), seitdem hat sich die angeborene Reise- und Wanderlust der
Berübra bis ins Abenteuerlichste verstärkt. Gehetzt und geschreckt durch
die widrigen Verhältnisse ihrer unglücklichen Heimath, verlassen sie diese
alljährlich zu vielen Hunderten. Die Ausgewanderten führen als Elephanten-
jäger, Sklavenräuber, Soldaten, Krämer, Kommissionäre und Diener ein
bewegtes Dasein. Sie dringen tief nach Innerafrika ein, gründen hier vor-
übergehende und ständige Niederlassungen. . Ihr Einfluss auf die neuge-
wonnenen Umgebungen ist ein sehr mannigfaltiger und in seiner Intensität
keineswegs zu unterschätzender. Man rühmt nicht mit Unrecht die Liebe,
mit welcher Nubiens Kinder an ihrem emst-grossartigen, felsen- und kata-
raktenreichen Lande hängen. Manche derselben suchen auch, sobald sie
sich in der Fremde einiges Geld erworben haben, das Heimathgebiet wieder
auf, bauen da eine Saqteh und bewässern mit ihr ein grösseres oder kleineres
Stück Feld. Vorragend patriotisch sind in dieser Hinsicht der SelläR und
Kensl, Der Donqoläwt dagegen ist schon leichtherziger, kosmopolitischer.
Nicht wenige Berabra bleiben freilich im Auslande, machen sich daselbst
ansässig, unterlassen es übrigens nicht, auch sogar von da aus ihrer Reise-
lust bei jeder sich darbietenden Gelegenheit zu fröhnen.
Mohammedanische Nigritier unternehmen aus purer Lust am Fremd-
artigen, sie Belehrenden nicht selten ganz ungeheuer weite Reisen. So
manche arme, aber doch sehr strebsame Häüsäüa, Kanori, Fürer, IVädäy-
Leute, Bewohner von Kordüfän, Sennär u. s. w. ziehen fast hungernd und
bettelnd aus dem fernen Innern nach Cairo, um hier in der gebenedeieten
Moschee Et-Azker, einer der Hochschulen des »reinen Glaubens«, ihre Studien
namentlich in Theologie und Rechtswissenschaft abzuleisten. Dr. Langer-
hans traf in Jerusalem mehrere Fürer, welche daselbst als Diener u. s.w.
ein Vermögen zu erwerben suchten, mit dem sie später nach ihrer Heimath
zurückzupilgem hofften. Dieselben befanden sich in protestantischen, grie-
chisch-katholischen u. a. Häusern 2). Auch Wetzstein rühmt die verhält-
nissmässige Gelehrsamkeit vieler Tekärine,, Der Maqäm-EJüb im Haürm
ist seit alter Zeit ein Hospiz für diese nigritischen Pilgrime, welche nament-
lich aus Dür-Für stammen. Dieselben besuchen zuerst Mekkdh und Medifiak
dann Damaskus und den Johs-Maqäm, Sie bleiben hier 20 — 30 Tage, wäh-
rend welcher Zeit sie täglich an der Johs-QxxeWe sich waschen, am Jobs-
steine beten und die übrigen Stunden entweder lesen oder den Bewohnern
des Maqäm bei ihren Feldarbeiten helfen. Bei der Abreise bekommen sie
ein Zeugniss und kehren oft zu Fuss über den Isthmus von Suwes, oft zu
Wasser, meist von Jäßi aus, mit dem österreichischen Lloydschiffe nach
Aegypten und von da in ihre Heimath zurück. Sie sind bescheidene,
1) Vergl. Hartmann, Medicinische Erinnerungen, S. 115.
2) Zeitechr. f. Ethnologie 1873, Heft II.
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Völkerbewegung, Stammes- u. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiern. 1 ß J
sdiweigsame Männer, die rüstig ihre Strasse wandern und denen man allent-
halben gerne Abendbrod und Obdach giebt ^) .
Ich will bei dieser Gelegenheit übrigens nicht unbemerkt lassen, dass
auch Asien, nämlich die Länder von Tiirkistän, Ilindtistän, selbst Java,
Ranka u. s. w. ihre Sendlinge für Cairo ^) hergeben ; denn auch dort scheint
die Reiselust eine vielfach rege zu sein. In Aegypten, Nordnubien und in
den afrikanischen Küstengebieten des rothen Meeres sieht man einzelne
Perser, Türkmen, Parsi's, Hindu's und Malayen, meist als Kaufleute oder
als solche Häfffft^Sy welche gelegentliche Abstecher unternehmen. Aber es
ziehen auch manche Derwis -hrnder aus Innerasien nach Aegypten, um da
mit ihrer Heiligkeit allerhand Unfug zu treiben. Namentlich scheinen die
Orden Naqsi-Bend und Saf et -Islam hin und wieder Gruppen der ihnen
Zugeschworenen über das Nil-Land zu verbreiten. Ersterer Z)^r?/n'i -Orden
hat seinen Sitz bekanntlich in Boxärä- Serif, jenem berüchtigten. Bollwerke
mofiammedanischer Bigotterie und Heuchelei. Wo der zweite eigentlich
existirt, weiss ich nicht sicher ^) .
Die Reisen auch dieser asiatischen Ordensmänner nach Aegypten hängen
grösstentheils mit dem Hägg , der vom Islam vorgeschriebenen Pilgerfahrt,
zusammen. Das Gebot des Hägg treibt ja selbst in Innerafrika den Gläu-
bigen von Haus und Hof, von Weib und Kind hinaus in die weite Welt.
Der Hägg bietet nun so rechte Gelegenheit, die Reiselust, den abenteuernden
Trieb des Nigritiers, zu befriedigen. Während der oftmals Jahre lang
dauernden Pilgerfahrten werden allerhand Abstecher und zwar sehr weite,
abenteuerliche unternommen. So geht man unterwegs in die grossen
Verkehrsplätze, u. A. nach Gentie, Timhukiü, Kannd, Xardüm, Siüd, Qeneh,
Vmoj Süäfüm, man besucht berühmte Krieger und Sti/üx des Islam, den-
^ Ahmed -el'Bekäy, den Sid^ el-Häggt-Ahsalom, den >Ahd-el-Qädtr, Bey
1) Biblischer Commentar aber das alte Testament, herausgegeben von C. F. Keil und
P.Delitzsch. IV. Theil, 2. Band: Das Buch Job. Leipzig 1864, S. 513.
2) In der öäma^-el-Azher existirt ein besonderer i2«U7ä^, d. h. eine Abtheilung nach
der Landsmannschaft , für öäwah, Indien und Südarabien. (Vergl. Krem er, Aegypten,
U, S. 279.)
3} Als ich eines Tages das Bäb-el-Ztikkarleh, eine der edelsten sarazenischen Bauten
CaMs, zeichnete, sah mir ein Bettel-T^eftm wohlgeföUig zu und knüpfte unter der höflichen
Phrase, »gesegnet sei Deine Hand, o äakim«, ein Gespräch mit mir an. Er achtete dabei
ni^t der Possen der Strassenjugend , welche ihn gelegentlich sogar mit Pferdekoth bom-
bardirte, nicht der rohen Spöttereien habichtsnasiger Qau>wä8ln aus einem nahen Wacht-
lokale. Er behauptete von Geburt ein Däglk und Dertois des Ordens Safet-Mäm zu sein,
der Pir oder Ordensprior des letzteren wohne zu Qarah-Kul im Xänät Boxärä. Die
Dtrwiie beider genannten Orden tragen eine spitze gewirkte, mit Marder-, Wolfs- oder
Fachspelz, oder mit Wollensträhnen verbrämte Kappe. (Durch Handel gelangen diese
Kappen übrigens in Besitz auch weltlicher Orientalen, selbst simpler nichts weniger als
religionseifriger FeüäTTm.) Ich besitze einige in Cairo aufgenommene Zeichnungen und
Photographien solcher Fanatiker mit ihren von den ägyptischen, so sehr abweichenden
GesichtszOgen.
HftrtnanD, Nigritier. H
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162 I- Abschnitt. IX. Kapitel.
von Mäsqarä, Häggl-^Omar oder «SW ARmedu, man schmarotzt beim Suldän
Bellö oder iSex yOmar-el- Känemmy , beim Stiidän Hoien-el-Fadl oder
Melik Hegib-Adlän, man scharwenzelt um den DaüdrüSy Ui/e oder Räs-
^AUy um den Mudlr in Donqolah-el-gedide oder um den Hakmdär zu
Xardüm herum. Mancher Tekrüri kehrt niemals nach Hause zurück^ bleibt
vielmehr als Fag^h an irgend einem Fürstenhofe, in einer Gemeinde oder
unterwegs bei einer Landsmannschaft zu ^Obedy Qalabät oder dergl. hängen,
ganz dem Wahlspruche huldigend, ubi bene ibi patria. Bei Gelegenheit
des Hägff werden übrigens auch Handelsgeschäfte abgemacht. Der Qur^
(II. Sure) gestattet dies ausdrücklich. Einzelne Pilgrime nehmen gesuchtere
Produkte ihrer Heimath mit von hinnen, JTöÄi-Nüsse, Zeuge, I^derartikel,
Waffen, Felle, Straussfedem , Salz, etwas Elfenbein, gelegentlich Sklaven,
und bringen dafür Produkte der Fremde: Papier, Spiegel, Messer, Nadeln,
türkisch Garn, gefärbte Seide, rothe Filzmützen, seidene gemusterte Tücher,
amerikanische Leinwand, Kattun, OibbeKsy Milq/ät (oder ägyptische car-
rirte Umschlagetücher), Glasperlen, Goldschmuck, Kohrfedem, feste Tinte,
Schreibzeuge, Kaffeetassen, metallene Kannen und Waschbecken, Kupfer-
und Messingdraht, europäisches Roheisen, Silberthaler u. s. w. zurück. Der
Gesellschaft und namentlich der bedeutenderen Sicherheit w^en thun sich
Häfffffs zu grösseren und kleineren Karawanen zusammen, sowohl für die
Hin- als auch für die Heimreise. Unterwegs weiss der vereinzelte Häggiy
den in moliammedanischen Ländern schon sein Pilgerthum heiligt, sid
überall einzuvettem, gleich jenem Ga^(d% (S. 158) den Missionär, den Bath-
geber, den Prediger, den Arzt, den Commissionär, den Ehekuppler, den
Märchenerzähler, . den Aufwiegler, den Anführer, den — wie ein Hanno-
veraner so drastisch sich ausdrückt — »angenehmen Schwerenöther« zu
spielen. Es zeigt alles dieses eine Beweglichkeit und einen Weltbürgersinn
an Körper und Geist, den wir in Europa selten verstehen und noch seltener
anzuerkennen wissen.
Natürlich dienen alle Reisen, wie sie der mohammedanischen Regionen
entstammte Afrikaner unternimmt, sei es um der früher charakterisirten
Lust zu fröhnen oder um des Hagg oder gewöhnlicher Handelsspeculationen
willen , beiläufig dazu (wie auch vorhin schon angedeutet worden) , den
wahren Glauben zu verbreiten. Der Moslim handelt ja seiner Vorschrift
getreu, wenn er jede sich bietende Gelegenheit benutzt, um Propaganda zu
machen. Starrt doch der Qur^an von directen und indirecten Aufforderungen
an die Istämten, die Lehre Moßammed^s zu verbreiten wie und wo es nur
angehen möchte. Der Moslim vollführt dies mit ungemeiner Schlauheit,
unter sehr sorgfältiger Berücksichtigung der örtlichen und zeitlichen Ver-
hältnisse. Derselbe findet um so willigeres Gehör, als er leichte Toleranz
übt, und als seine Satzungen, die Polygamie z. B., den Ideen und Einrich-
tungen des wilden Nigritiers sich schon anpassen können. Es steht dies
vorsichtige und dennoch nachdrückliche Verfahren des islamitischen Mis-
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VÖIkeTfoeweguiig, SUmmes- u. Kastenbildong unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiem. J63
aoaan nicht selten in beträchtlichem Gegensätze zu dem meist plumperen^
zelotischeren des christlichen Glaubensboten ^ der nur zu oft mit der Thür
ins Haus fallend, den Nigritier verletzt und gar dessen Widerstand heraus-
fordert Gerade jene stillen Sendlinge des Isiäm, jene Gelegenheits-Missionäre
and es, welche der Religion des Propheten schneller und weiter die Wege
nach Centralafrika hinein bahnen, als das selbst die Eiferer für GiMd und
die offenkundigen Sklavenjäger mit der brutalen Beweisführung ihrer Fazwah
nur Termögen.
Die nichtmofiammedanischen Nigritier unternehmen weite
Reisen nur aus Neugier und Speculationssucht. Denn der afrikanische
Gotzenanbeter zeigt im Allgemeinen kaum den Drang, seine nur selten be-
stimmter ausgeprägte, oft nur in ganz dunklen Vorstellungen sich haltende
Bdigion auf dem Wege der Ueberredung verbreiten zu wollen ^) . Es giebt
im Gebiete des weissen Nil, in Congo^ LoangOy Angola^ in Mogambiqtie, in
den Be-tkiäna-ljündem Leute, welche weite Entfernungen durchziehen. Von
geschichtlichem Werthe ist ja die Wanderung der beiden Pomheiros (einge-
bonien Handelsleute) welche aus Cassange nach dem Zambezi und zurück
gingen. Im oberen Nilgebiet und im Hinterlande der Ostküste sind es
hauptsächlich Wanderachmiede , Händler und Träger von Elfenbein, von
denen oft ungeheuere Distanzen durchmessen werden.
Auch die Jagd führt einzelne und zu mehrertn vereinigte Afrikaner
nidit selten weit ab von ihrer Heimath. Namentlich die Elephantenjagd,
welche neben beabsichtigter Gewinnung des Elfenbeins zugleich auch zu
Hindelsspeculationen benutzt wird. Nubische Söldlinge unternehmen, an-
gduhrt von desperaten europäischen, ägyptischen, türkischen, armenischen
und anderen Strolchen, in Barken ihre berüchtigten Piratenzüge auf dem
weissen Nile oder Gazellenflusse. Sie dringen von gemietheten oder ge-
kauften, gepressten nigritischen Trägem unterstützt, zu I^ande bis in das
Bens Afrikas hinein, von wo sie verpallisadirte oder umzäunte Lager bis
in die westlichen Nigritiergebiete vorschieben. Unterwegs und von den
Zmbai aus schiessen sie Elephanten und sammeln deren Zähne, erlegen
anoh anderes Wild, kaufen Elfenbein, Nahrungsmittel, Waffen, Geräthe und
mancherlei Rohprodukte von geringerer Bedeutung auf; sie kaufen und
rauben Vieh, kaufen und rauben Menschen, stehlen, plündern, morden,
loigen und brennen, bald nach Laune und Zufall, bald nach einem wohl-
durchdachten Systeme. Die Fürer unternehmen karawanenweise Züge nach
Süden in die i^aiw^am - Gebiete hinein, um Elfenbein zu gewinnen. Einer
ihrer Hauptelfenbeincommissionäre erzählte mir, er und seine Landsleute
brauchten von Qobeh aus 30 Tage, um in das Land jener Kannibalen zu
gelangen. Anfanglich lege man mehrere Tagereisen zu Kameel zurück,
dann lade man das Gepäck auf Ochsen und endlich marschire man zu Fuss,
1} Er appellirt dann, venn er zur Mission Lust verspürt, lieber an das Schwert.
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164 I- Abschnitt. IX. Kapitel.
weil das obere Gebiet sehr ungangbar sei. Das Elfenbein müsse zerschnitten
werden um transportabel zu sein.
Mancher berberische, abyssinische oder nigritische Jägersmann wandert,
auf sein meist primitives, aber durch lange Uebung in seinen Händen zu
einer tüchtigen Waffe gewordenes Feuerrohr bauend, weit umher und sucht
eine Beschäftigung, welche ihn direct nährt. In dieser Hinsicht sind mir
gewisse Beräbra, Fung^ Nöbahy libysche Heduinen, Ähü-Röfy Baqäray
Kababts y oukurleh, Hamrün und andere nubische Nomaden, namentlich
aber gewisse abyssinische den westlichen Qtro/a-Gebieten angehörende Jäger
von ganz besonderem Interesse gewesen.
In vielen Theilen Afrikas giebt es eine Art öffentlicher Sänger, eine
Art Barden. Am Senegal werden sie mit dem Namen »Griotst« bezeichnet.
Es giebt hier männliche und weibliche Personen dieses Handwerkes. Alle
Griots gelten als lüderliche, dem Trunk und der Völlerei ergebene Leute.
Sie besingen die Thaten und Erlebnisse ihrer Mitmenschen und machen
eine rohe Musik zu den lasciven Tänzen, welche die Nigritier Senegambiens
mit grosser Leidenschaft ausführen. Eine gesuchte aber doch verachtete
Klasse darstellend, werden ihre Todten nicht in der Erde begraben, sondern
es wird die Leiche in einen hohlen Baum, gewöhnlich Baobab y gelegt (S. 118).
In Sotimäneh bemerkte Gordon Laing ähnliche Griots, die für Miethe
sangen. Der Reisend« vergleicht dieselben mit den Barden der Gälä^].
Ganz Abyssinien starrt übrigens von solchen Leuten. Am Hofe des schlauen
SaKle - Seläsje von Sdwä spielten die Narren und zur Geige singenden Er-
zähler eine ebenso grosse Rolle, als bei ^Abd-el-Kertfriy dem biederen Nä^%h
der Samhüra, Professionelle Musikanten finden sich auch unter den ^am-
fiamy den Bälanda \x,s,w. Der Fazi oder musizirende Kuppler, welcher die
Fazieh oder öflentliche Tänzerin Aegyptens begleitet, sowie eine ganz ähn-
liche in Tripolitanien, Tunesien und in anderen Gebieten des Mayreb ope-
rirende Sorte erinnern durchaus an jene Griots. Auch die hier genannten
Arten von Musikern und Tänzern unternehmen zum Vortheile ihres Gewerbes
oft sehr weite Reisen. Vawäzi wandern z. B. von Esrie in Aegjrpten nach
Kordüfan und SennäVy ja man erzählt von Kunstreisen solcher Geschöpfe
sammt Zuhältern bis nach Där-Für und Wädüy hinein. Nubische auf der
Rebübeh oder Guitarre geübte Musikanten gehen bis nach der rosigen Adrinek
und nach dem heiligen Istämbüly um hier an der hohen Urdü'-Qapüy an den
Thüren der Läden zu Pera oder an den Gittern von Dolma-Bayiisi einige
Pärah zu erwerjben.
Der Afrikaner holt sich seine Weiber oft von weit her. Es giebt ver-
liebte Männer, welche gleich den minnebedürftigen Rittern der Kreuzzugs-
Periode keine Entfernung, keine Mühe noch Gefahr scheuen, um ein Mäd-
chen zu erfreien, von dessen Anmuth sie vielleicht erst aus dem zehnten
1) Voyage. Fr. A. p. 34J5.
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Völkerbewegung, Stammes- u. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiern. 165
Monde gehört haben. Es ist dies um so leichter in Ländern zu vollführen^
in denen man es mit Harim und Verschleierung wenig genau hält^ in denen
also eine Brautschau männiglich offen steht. Solche Hochzeitfahrten in die
weite Feme haben eine gewisse Romantik, der Weg ist ein ungewöhn-
licher, dies freilich nicht im Sinne unserer Heirathssucherei in öffentlichen
Hlattem mit so und so viel »Miller (sc. Mitgift) . Freilich feilscht und hökert
auch der fahrende afrikanische Liebhaber schliesslich um den Gegenstand
seiner ihn über Länder und Ströme treibenden Neigung, allein er besteht
behufs Erringung seines Zieles doch unterwegs auch Mühen, Entbehrungen,
selbst Gefehren. Er kreuzt sein Schwert mit demjenigen ifäuberischen Ge-
sindels, mit dem seiner Nebenbuhler und allzu habgieriger Verwandter. Es
wird ihm sauerer gemacht als bei uns, wo der »feine junge Mann von an-
genehmem Aeusseren und mit besten Referenzen versehena höchstens einige
Strassen weit pilgert, um Anträge heirathslustiger Damen (Photographien
erwünscht, Discretion selbstverständlich — sie) unter beliebiger Chifee ein-
zuheimsen.
Der Habir-f Kebtr-el-Qaflehy üäs-, Sex-el-Hamla, Räs-el-Gelläba
oder Kerwän-Bah y Karawanenführer und Oberster, selbst der wandernde
Krämer und der für Dienstreisen bestimmte Beamte (sie) haben manchmal
in dieser oder jener Stadt eine Frau sitzen, die sie alle Jubeljahre mit ihrem
Besuche erfreuen. Barth und Andere, auch wir, haben in dieser Beziehung
Wunderdinge erlebt und erzählen hören. El-Häggl Ba%%d-Abragän-rC-
Ttderil von den Tüäriq-Kel-UU gestand Herrn v. Herford und mir im
Vertrauen, er habe zwei Weiber zu Arüäriy eine in Dagänet, eine zu
Timbuktü und eine zu Geyo *). Er sehe eine jede fast alljährlich einmal,
wenn's nur irgend angehe.
Der Karawanenhandel hat in Afrika seit Alters grossartige Aus-
dehnung gehabt (S. 155). Werfen wir zunächst unsere Blicke auf die seit
Alters blühenden Gebiete Nordafnkas, welche durch das ungeheuere Wüsten-
terrain der Samara von den üppig fruchtbaren Ländern SüdärCs getrennt
werden. Es geht aber nicht allein aus den Denkmälern, sondern auch aus
den Nachrichten der Klassiker hervor, dass schon im grauen Alterthume
ein ungemein reger Karawanenverkehr gerade in den eben bezeichneten
Territorien stattgehabt haben müsse, ein Verkehr, auf dessen Wegen es
möglich wurde, Erzeugnisse des afrikanischen Innern den Aegyptem, Phöni-
ziern, Karthagern, Griechen u. s. w. zuzuführen. Durch das ganze Mittel-
alter und die neuere Zeit ging dieser Handel in im Allgemeinen blühender.
1) Geyo wohl Barth's Gögö. Der Mann war weniger ältlich als in harter Lebens-
aufgabe verbraucht und quälte mich, den äakxm, um Aphrodisiaca. Ich bedauerte, ihm
nicht helfen zu können, brachte ihn aber doch bei der Gelegenheit dahin, seine ehelichen
Verhältnisse offen darzulegen. Es möchte dies fast an den alten, noch von Barth er-
wähnten (mündlich, sonst Bd. II. S. 208) Xadida erinnern.
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166 I. Abschnitt. IX. Kapitel.
nur zeitweise durch elementare^ sociale und politische Einflüsse gestörter
Weise fort. Manche an gangbaren Karawanenstrassen haftende Tradition
deutet auf das hohe Alter ihrer Benutzung hin. Von einigen dieser Strassen
weiss man sehr genau ^ dass sie schon im Alterthume ganz gewöhnlich be-
gangen worden seien. Es lehrt dies nämlich eine einfache Vergleichung der
damaligen und jetzigen Stationsnamen. Einzelne der bereits früher benutzten
Strassen sind freilich im Laufe der Zeiten wieder eingegangen, sie sind ver-
lassen worden. Bald war zunehmende Unsicherheit, bald eine durch man-
cherlei Vorfälle, mancherlei commerzielle Conjuncturen und Speculationen
bedingte Veränderung der Handelswege, oder auch es waren Naturereignisse
(Flugsand, Zuschüttung, Erschöpfung der Brunnen, Bergstürze u.s.w.) Schuld
an der Verödung solcher Verkehrswege. Das Schauspiel einer leicht ein-
tretenden, wenn selbst nur zeitweiligen Sperrung oder einer gänzlichen Ver^
änderung der letzteren dauert noch in unseren Tagen fort ^j. Die durch
die Karawanen angeregten und geleiteten Handelsbewegungen machten sich
für zum Theil sehr bedeutende Dimensionen geltend. So vertreibt man jetzt
an manchen Emporien des Innern und der Küsten wie z. B. Genne, San-
sändi, Seqo y Karmoy Küka, Qobbeh, Soknä, El-^Obod, Xjordüm, Fäda^y
Wohniy Adüway Herer (Hurur), Aösäy Zela^y Toffuri u.s.vi. recht beträcht-
liche Waarenmengen. Man erhält an solchen Orten Dinge, von deren Exi-
stenz im fernen Afrika keiner unserer Speculanten sich träumen lässt, auch
manches treffliche Erzeugniss einheimischer Arbeit, welches in gehöriger
Weise auf den Weltmarkt gebracht, Glück haben würde.
In den südlich von der SaKarä sich ausdehnenden Ländern wird eben-
falls das Bild eines bewegten Karawanenhandels beobachtet. Hier ist zwar
nicht jene so eigenthümliche, so scharf charakterisirte Verkehrsweise mit
Kameelen und ihren Wasservorräthen. Hier ist nicht so sehr der Kampf
mit Sandtromben, Xamsln- oder Äimöm -Winden , mit Durst und Weide-
mangel ersichtlich, wie nördlicher im ganzen durch die Wüste eingenom-
menen Gebiete. Aber auch in diesen mehr ein wechselvolles landschaftliches
Bild — Wälder, Steppen, Prairien, wieder Wüsten, Hügelländer, Gebirge,
Hochpässe u. s. w. darbietenden Erdstrecken bewegt sich der Karawanen-
handel lebhaft einher. Da sehen wir lange Züge schwer beladener Rinder,
1) Beispiele aus neuerer Zeit: Dem Vicekönige Sä^-Bäsä von Aegypten gefiel es
im Winter 1858/1859 einiger zwischen seiner Regierung und den ^Abäbdeh ausgebrochener
Misshelligkeiten wegen, die von Qorosqö nach Ahü-äammed führende Wüstenstrasse zu
sperren und den von Dabbeh durch die ^e;ti<2a^- Steppe nach Xardüni fahrenden Weg als
den für grössere Waarentransporte und Regierungsdepeschen allein erlaubten zu bezeichnen.
(Hartmann, Reise S. 240). Die früher sehr gangbaren Wege durch die ^^^tMÜtiA- Steppe
von Ambuqöl über Blr-el-Bqfüdah auf die sogenannte VI. Katarakte zu oder von Abü-
Döm nach Omm-Dumiän oder durch die diVt/- Steppe über Bir-el-6aqadül waren 1859/60
so gut wie verlassen. Wie ich höre giebt man auch jetzt dem westlichen Wege von DMeh
über Bir-el-äegeh^, Bir-el-Qomr und El-Öeifrah nach Onm-Durman aus Nützlichkeits-
gründen (s. a. o. a. 0. S. 2-10) den Vorzug u.s.w.
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Völkcrbewegung, Stammes- u. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiem. \ 67
Koppeln bepackter Pferde, auch Maulthiere, unendliche Wagenkolonnen
oder ausgedehnte Linien von menschlichen Packträgem weite Ländereien
durchwandern. Hier geleiten zerlumpte ägyptische Kriegsknechte oder von
ihrem Rindenzeuge malerisch umhüllte Wäüoro die mit Provisionen, Muni-
tion und Handelsartikeln beladenen Zebu^s unter dem verschlungenen Luft-
wurzelwerk der banianenähnlichen Feigenbäume, den üppigen Festons der
kantigstengligen Saelantkus dahin, dort treiben Abyssinier ihre mit Getreide
bepackten Pferde oder Pferdebastarde die steilen, üppig begrasten Berg-
gelände auf und nieder. Ueber mit Fettpflanzen, Aasblumen und cactus-
ähnlichen Euphorbien bestandene, steinige Flächen rollt der schwere, von
einem Dutzend und mehr Ochsen gezogene Wagen des BoeVy zu Hunderten
im Indianerschritt einer dem andern folgend, winden sich die Träger von
Elfenbein u. dergl. durch das hohe Savannengras. Auch in diesen Theilen
Afrikas giebt es schon manche alte Strasse. Veränderungen sind selbst
hier nicht ausgeblieben. So wurde neulich von A. Bastian dargethan *),
dass sich der noch zur Zeit portugiesischen Einflusses in Congo und noch
späterhin geltend machende Hauptvertrieb des Elfenbeins aus dem Innern
nach der Westküste aus unbekannten Gründen allmählich mehr nach der
Ostküste gewandt habe. Manche neuen Strassen öflheten sich auch hier,
u. A. seit Aufblühen der Aianä und DaKomey des Palmölhandels in Guinea,
seit Constituirung der Republiken Transvaal und Oranje-Frijstaat, seit Fest-
setzung der Engländer in Natal, seit Aufarbeitung der Gold- und Diamant-
felder, seit Erschliessung der Herero- und Owamiö- Gebiete u. s. w. Gold,
Elfenbein, Straussfedem, Maräbufedem, Kupfer, Zibeth, Tamarinde, Gummi,
Indig, Ebenholz, vor Alleih aber Sklaven sind (zum Theil seit Alters) etwa
die Hauptgegenstände, welche durch den Karawanenhandel zur Ausfuhr ge-
langten. Ueber viele dieser Artikel ist bereits in früheren Kapiteln be-
richtet worden. Man ist nun, namentlich von abolitionistischer Seite, noch
neuerlich geneigt gewesen, den Fluch des Sklavenhandels den Euro-
päern allein aufbürden zu wollen. Sklaverei, Sklavenraub und Sklaven-
handel sind aber in Afrika wie anderwärts so alt »als die Welt steht«. Schon
oben wurde darauf hingewiesen, dass die alten Aegypter bei ihren Kriegs-
zagen gen Kus Leute einfingen und heimbrachten. Die bereits S. 50 citirte
Stele zfthlt 740 gefangene Beräbra auf u. s. w. In ihren häufigen Kriegen
gegen Asien fanden die JRetu öftere Gel^enheit, Sklaven zu erwerben.
Nach der durch Birch übersetzten statistischen Tafel von KarfMq bemäch-
tigte sich Tquudmes III (1625 — 1577) in einem Feldzuge gegen Mqkt'^q,
Megiddo, einer Zahl von 1796 männlichen und weiblichen Sklaven, die
Kinder nicht gerechnet 2), u. s. w. Der Frohnzwang für die Juden ähnelte sehr
einer schweren Sklaverei. Im ägyptischen Alterthume Hess sich das Sklaven-
1) Sitxung der Oeseilschaft f. Erdkunde zu Berlin vom 2. Nov. 1872.
3) Brugscb, Bist, p 99.
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168 ' 1- Abschnitt. IX. Kapitel.
thum überhaupt nicht leicht von der durch eine despotische Regierung an-
geordneten Verfügbarkeit über das Individuum der Unterthanenschaft trennen.
Dieser Zustand dauert nun bekanntlich, wenn auch für Perioden in genul-
dertem Grade, bis in die Neuzeit hinein fort.
In Folge einer rohen Sitte alter Zeiten wurden die nach Aegypten
geführten Kriegsgefangenen für den königlichen Dienst, zur Bauarbeit^ zum
Kanal- und Deichebau, zur Bestellung der Gärten und Aecker, zur Vieh-
wartung u. s. w. benutzt. Weibliche Sklaven fanden ihre Stellen in den
Familien. Viele ägyptische Malereien führen uns asiatische und nigritische
Sklaven vor, eine Darstellung zu Theben lässt uns Nigritier mit mächtigen
Haarperrücken und schwanzbesetzten Fellschurzen der Männer, die phanta-
stischen (noch jetzt üblichen) Haarschöpfe der Kinder und die schlappen
Brüste und Tragkörbe mehrgebährender Weiber erkennen. Diese ganze
ungemein charakteristische Darstellung deutet nach lloch-Sennär namentlich
in Bezug auf die Gesichtszüge der abgebildeten Persönlichkeiten. Aehnliche
Aufzüge sieht man auf noch anderen Denkmälern. Wir wissen aus der Bibel
und aus ägyptischen Documenten sdhr genau, dass der Sklavenhandel
etwas ganz Gewöhnliches im alten Morgenlande gewesen sei. Die Eutr
decker des 15., 16. und 17. Jahrhunderts fanden den Sklavenfang und
Sklavenhandel durchaus verbreitet an allen von ihnen berührten Küsten-
ländern Afrikas, und ihrem Vernehmen nach blüheten diese Einrichtungen
damals schon recht sehr auch im Innern des Continentes.
Die Römer haben grosse Zahlen von Berbern und Nigritiern als
Sklaven verwendet, namentlich zur Kaiserzeit. Viele Schwarze gelangten
auch als Wärter der für die Kampfspiele bestimmten wilden Thiere (S. 57j
nach Rom. Es existiren bildliche Darstellungen von Nigritiern aus der
Römerzeit, welche das Sklaventhum schwarzer Menschen in Rom bestätigen
(Anhang D). Später unter mohammedanischen Einflüssen ward die Sklaverei
in Aegypten mit besonderem Eifer gepflegt. Der Qur^än und die Sunmt
rechtfertigen die Sklaverei in Bezug auf diejenigen Nichtmo^ammedauer,
welche den Gläubigen hartnäckigen Widerstand entgegensetzen und von
ihnen keinen Pardon annehmen wollen. Jene Memlukeriy welche Jahr-
hunderte lang über Aegypten geboten, seit dem aus Xarezm stammenden
Memlüken Melik-el-Säleh bis zu denen Müräd-Bey^s und den auf Cairo's
Burg niedergemetzelten Widersachern des grossen Musir Mohammed- ^Ml-
Bäsä, waren ja Kriegsgefangene, Sklaven. Während des griechischen
Freiheitskampfes wurden von der vereinigten türkisch -ägyptischen g^eu
Scio, Morea u. s. w. losgelassenen Soldateska eine Unzahl weisser Sklaven
geraubt und u. A. auch nach Aegypten gebracht. Hierzu kamen durch
viele Jahrhunderte und Jahrzehnte unserer Epoche die massenhaft be-
triebenen Einfuhren von cirkassi sehen Sklaven beiderlei Geschlechts, nament-
lich freilich des weiblichen. Diese Einfuhr will jedoch nichts sagen gegen
die ungeheueren Zahlen von nach den türkischen Ländern eingeführten
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Völkerbewegung, Stammes- u. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiern. \ gQ
berberischen und nigritischen Sklaven aus Afrika. Hunderte und
aber Hunderte dieser Leute ^ namentlich Nigritier^ haben als Eunuchen in
den HartnCs der Reichen des Mayreb und Aegyptens ein klägliches HaUb-
leben gefristet, haben die Laubengänge der Moscheen, die Hofräume der
vornehmen Leute gereinigt, gegen Napoleon I , Desaix und Menou gefochten,
auch später noch gegen Smid^B Anhänger und des Pädiiäh MaKmüd-Xän
wie seines Nachfolgers ^Abd-el-Megid-Xän Truppen, gegen des schreck-
lichen Mosqob ' Imperator Garden, gegen Suidän Nasr von Teqeliy Sex El-
Nimr und viele andere St^'ü%-^As%ny Rebellenhäuptlinge, ihr Blut vergossen.
Wenngleich der Sklavenhandel in Ost -Afrika auch schon früher, zu
den Zeiten des Pater Krump und des Arztes Poncet (Ende des 17. Jahr-
hunderts), in Blüthe gestanden, so erreichte derselbe noch weitere Verbrei-
tung unter MoKammed->Alfs Regierung. Dieser kühne Gründer, Mehrer
imd Reformator des Reiches hatte zu seinen unaufhörlichen Kriegen viele
Soldaten nöthig. Seine zwangsweise massenhaft zusammengetriebenen Felr-
läJtm^ obwohl zwar tapfer im Gefecht, aber sudanischem Clima nicht hin-
länglich gewachsen, reichten nicht aus, um nach allen Richtungen hin mit
Aussicht auf Erfolg militärisch operiren zu können. Mohammed- SAU liess
deshalb viele Schwarze miethen, kaufen und einfangen, um mit ihnen
seine durch die Siege von Home, Belän und Nidb gelichteten Cadres aus-
fallen zu können. J. Pallme, Russegger, A. Brehm, P. Tremaux,
Lejean, Heuglin, Schweinfurth u. A. haben mit beredten Worten
die Gräuel der zur Sklavenjagd dienenden bewaffiieten Einfälle in das Innere
von Nordostafrika geschildert. Ich für mein Theil bin in dieser Hinsicht
bekanntlich nicht zurückgeblieben und habe mich sogar nicht gescheut,
Namen zu nennen. Es hat mir dies den bis zum Hochkomischen gestei-
gerten Hass des Gesindels und seiner Anhänger zugezogen ; indess was thut's
mir? Nur tapfer geschimpft, getobt und geeifert, Ihr Würdigen, es ist
mir nur lieb, dass meine Hiebe Euch tüchtig zerzaust haben. Ueber den
Sklavenraub und den Sklavenhandel in Central- und Westafrika berichteten
neuerdings Lyon, Barth, Vogel u. A. Die Raubzüge der bomuesischen
Truppen und der Beduinen Weläd-SoUrnän gegen Maiqü u. s. w. haben eine
Art geschichtlicher Berühmtheit erlangt.
Am grossartigsten aber ward der Sklavenhandel an der Ost- und
Westküste betrieben. Dank den Bemühurgen der Engländer, Dank der
Unterdrückung der Sklaveneinfuhr in sehr vielen Ländern der westlichen
Hemisphäre, ist jener abscheuliche Erwerb für Guinea jetzt ^in beschränkter
geworden. Dafür geht es jetzt an der Ostküste in den Besitzungen des Sul-
^ von SOmän (gemeinhin Lnäm von Masqat genannt) um so toller her.
Mo9ambique war eines der grössten Sklavenemporien des Festlandes. In
Südafrika übten nicht nur viele Stämme unter sich Sklaverei aus, sondern
selbst die holländischen Colpnisten im Kapgebiet waren eifrige Sklavenjäger
und Sklavenhalter .
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170 I. Abschnitt. IX. Kapitel.
Die oben geschilderte Reiselust, ja man könnte sagen, Reisewuth
vieler Afrikaner und der Hügg lehrt dieselben die Sitten und Gebräuche
anderer Völker kennen. Da kann es nicht ausbleiben, dass neugewonnene
Anschauungen und Eindrücke daheim auch manchmal zur Geltung ge-
bracht werden. So z. B. sieht ein PuUo von Seqo während seiner Pilger-
fahi-t Algier, Tunis, Cairo, Suwes , wohl gar Alexandrien, vielleicht Asiüd,
Qeneh, Quser, sicherlich Gidda, Der Mann nimmt ein geordneteres Staats-
leben wahr, erhält ein Bild höherer Kultur, als er bisher zu beobachten
gewohnt gewesen. Städte mit grossen, zum Theil prächtigen Gebäuden, ein
lebhaftes Volksgewühl, ein reich sich entfaltender Verkehr und Handel,
gleichmässig bekleidete, gedrillte Soldaten, grosse Seeschiffe, Bücher mit
Bildern, tausenderlei sonstige Erscheinungen und Bedürfhisse civilisirten
Lebens treten dem Tekrürl vor Augen. Im »edlen« Cairo, dieser Statte
morgenländischer Bildung, findet unser Mann noch Vieles, was sein in ein-
fältiger islamitischer Gläubigkeit gereiftes Gemüthsleben anheimelt. Die
grossen herrlich gebaueten Moscheen, die Mausoleen der XaUfat und Mem-
fi/^^n- Herrscher, die von morgenländischer Waare in schönster Auswahl
prangenden Bazare, die ehrwürdige faltenreiche Tracht der gläubigen Suju%,
die bunten Hochzeitszüge und die mit rituellem Pomp vollzogenen Begräb-
nisse, das sind z. B. Dinge, welche der Wanderer aus dem fernen Westen
zwar anstaunt, die ihm aber noch im Sinne des vom Gesandten Gottes er-
lassenen Gesetzes erscheinen. Dagegen bemerkt der Strenggläubige, selbst
der Fanatiker, wie ihrer denn auch viele unter den Tekärme einherwandeln,
wiederum eine gewisse Lauheit in der Befolgung der religiösen, vom kläm
gebotenen Vorschriften, er nimmt mit unmuthiger Verwunderung eine libe-
ralere Anschauung in divinis sowohl bei den gebietenden Türken, als auch
bei den gehorchenden FeüäKln wahr. Dann aber der Franke, der Christ,
der Ungläubige, Unreine, von welchem er nur aus der Feme ein Unbe-
stimmtes vernommen, was spielt der fiir eine Rolle, wie greifen seine poli-
tische Macht, seine geistige Ueberlegenheit so tief in alle staatlichen und
bürgerlichen Verhältnisse der civilisirteren in unablässiger Berührung mit
dem Abendlande stehenden Länder ein! Die Wahrheit jener türkischen
Redensart 's>Frenkler dunyädeh yälib sifüz^y d. h. »Ihr Franken seid Eroberer
der Welt«, wird unserem Pilgrim täglich klarer, so sehr sich auch anfäng-
lich sein eingeborner moslimitischer Hochmuth, sein gläubiger Abscheu vor
Anerkennung jenes Satzes sträuben mag. Einzelne kluge Köpfe lernen auch
das vom gebildeteren Abendlande Gebotene würdigen und hochachten. Der
Abstand zwischen ihrer niedrigen Kulturstufe und dem hohen Bildungs-
grade Europas wird solchen Begabteren einleuchtend. Natürlich giebt es
auch unter jenen beschränkte Menschen, welche nichts zu empfinden, nichts
in sich aufzunehmen vermögen. Voll von Eindrücken und nachsinnend über
das ungeheuere Empfangene kehrt mancher Tekrürl zurück. In den Lan-
dern des mohammedanischen Sudan ist man nun nicht bornirt genug, dem
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Völkerbewegung, Stammes- u. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiem. } 7 ]
ndgeieuten Heimgekehrten jenes tragische Schicksal zu bereiten^ was einen
edlen als Gesandten seines Volkes nach Washington gewanderten Assiniboin-
Indianer Namens Wei-dHun-dza traf. Zum heimischen Wigwam als halber
europäischer Stutzer sich zurückwendend^ überraschte und erschreckte er die
einfältigen Kinder der Prairien durch seine Erzählungen von dem durch ihn
in der grossen Welt Wahrgenommenen. Seiner Medizin^ d. h. seinen schein-
bar übernatürlichen Kenntnissen und Gebahren misstrauend^ verhängte sein
Stamm die Acht über ihn und er fiel unter der Kugel eines mit seiner Er-
mordung beauftragten Kriegers. Im Sudan wird vielmehr Alles mit voller
Andacht den Mittheilungen des ääg^l lauschen. Viele werden das Gehörte
in ihrem Geiste durcharbeiten und sich zu vorurtheilsfreieren Ideen bekehren.
Alle im Innern des moslimitischen Afrika Gereisten werden einzelne Be-
wohner wahrgenommen haben, die europäische Bildung aus eigener An-
sehauung kannten und schätzten, auch Andere, die davon gehört und für
wefche das Vernommene nicht verloren gegangen war. Solchen aufgeklär-
teren, gelehrteren Männern haben gewisse Reisende, die Cailli^, Lyon,
Bichardson, Barth, Oyerweg, Vogel, Beurmann, Duveyrier,
Rohlfs U.8.W., so manche Förderung, zum Theil sogar ihre Lebensrettung
zu verdanken gehabt. Ich selbst habe nicht wenige Häggfs angetroffen,
welche mit einer wahren Fülle von geläuterten Ideen über civilisirteres
Leben sich auf die Heimfahrt machten und laut den festen Vorsatz kund
gihen, die noch im Schoosse ihrer Nationen herrschenden Vorurtheile und
Abneigungen gegen uns zu bekämpfen. Mich über ihre Heimath in unge-
nrongenster Weise zu belehren, schien solchen Männern eine wahre Her-
zensfreude zu sein. Es darf uns nun keineswegs wundem, dass auch
mancher Häggi, nachdem er die Vortheile civilisirteren Lebens kennen ge-
lernt, mit um so grösserer Abneigung gegen dieselben zurückkehrt. Unter
diesen -Leuten giebt es vaterlandsliebende Männer, ängstliche Naturen, welche
die Ihrigen nicht für reif genug halten, grössere Bildung in sich auf-
nehmen und mit richtigem Verstöndniss sich zu eigen machen zu können.
Solche Leute furchten die Auswüchse der -uSuyl-beda^a^l-Frenjy der fränki-
schen Sache« (Angelegenheit, ^les fränk. Einflusses), erwarten aber keinen
Segen davon. Freilich sehen sie ja auch genug Auswüchse. Auch ihrem
doch wenig geübten Blicke konnte es nicht entgehen, dass unter den in
den türkischen Besitzungen in Afrika Verkehrenden, besonders Franken,
gar entsetzliche Lumpe mit ihrer sie gewissermassen hochstellenden Nativität
sich spreizten. Besonders aber in Xar^m konnten jene die abscheuliche
Verkommenheit einer hauptsächlich in Trunksucht, in geschlechtlicher Ver-
▼iehung und in gemeiner Grausamkeit excellirenden Gesellschaft wahr-
nehmen. Mancher Haggt der genannten Art möchte seinem rohen gläubigen
Volke die Einfalt seines Wesens erhalten wissen. Aber auch rein politische
Gründe bestimmen diesen oder jenen Häggi, den Einfluss einer höheren
Kultur auf sein eigenes Land als einen zur Förderung sich nicht empfeh-
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172 I- Abschnitt. IX. Kapitel.
lenden, ja als einen geradezu gefahrlichen zu betrachten. Ist er doch ge-
wohnt , als die Träger jener Kultur zunächst die Türken zu betrachten,
deren Pädüäh seiner Ueberzeugung nach die europäischen Mächte Vasallen-
dienste leisten müssen. Gilt ihm nun auch der Grossherr als oberster
Herrscher über die Gläubigen, so zeigt er doch wenig Pietät vor den BasSi^
Bey's und deren Kriegsleuteu. »Wo der Türk den Fuss hinsetzt, verdorrt
das Gras«, »Araberblut kocht nicht mit Türkenblut zusammen«, das z. B. sind
so landläufige Redensarten, welche die Abneigung der Eingeborenen gegen
die stolzen und tyrannischen Asiaten kennzeichnen. Die Unterwerfung Eor-
düfärCsy Sennär*8, Tägä^s und TeqelVs unter türkisches Joch, die Besitz-
ergreifung von Morzüq, das Eindringen in die Gebiete des weissen NUes,
mancherlei thatsächlich vollführte und manche zwar in Betracht gezogene,
jedoch nicht ausgeführte Anschläge gegen Abyssinien *) und andere afrika-
nische Länder, die tief nach Nigritien hinein gelangte Kenntniss von so
mancher erfolgreichen Fazwah der Türken gegen wehrlose Districte sind
für die Afrikaner warnende Begebenheiten geworden. Letztere selbst und
deren mögliche Consequenzen machen Staaten wie Där-Püry Wädäy, Bomü
u. s. w., in denen doch ein gewisses Vaterlands- und Nationalitätsgefühl
unverkennbar herrscht, für ihre Selbstständigkeit zittern.
Wenn also auch einerseits aus den Pilgerfahrten jener Tekärine eine
für allmähliche Verbreitung civilisatorischer Strebungen nach Innerafrika
günstige Bewegung erwächst, sq dienen dieselben auch andererseits wieder
dazu, dem Kulturfortschritte der afrikanischen Menschheit manche Hinder-
nisse, manchen Aufenthalt zu bereiten. Es berühren sich hierbei jene Gegen-
sätze der Anschauungen, welche die immer noch unklare Denkungsweise
und mangelhafte Vorhersicht unter vielen selbst einen gewissen Grad von
Gelehrsamkeit und grosses Streben nach höherer Bildung besitzenden moham-
medanischen Afrikanern, Berbern sowohl wie Nigritiem, charakterisiren.
Die hauptsächlichste Triebfeder für die in Afrika seit Menschengedenken
stattgehabten und noch gegenwärtig stattfindenden Völkerbewegungen war
und ist der Krieg. Wohl die grosse Mehrzahl jener vielen ursächlichen
Momente, welche die Geschichte der Menschheit uns hinsichtlich der Ent-
stehungsweise von Kriegen überhaupt hat kennen lernen, Hessen sich auch
in einer Geschichte selbst nur der bekannter gewordenen afrikanischen
Kriegsbegebenheiten wiederfinden. Andere Momente fanden freilich ihren
Grund in den specifisch afrikanischen Verhältnissen selbst. Manche der auf
diesem Festlande ausgefochtenen Kämpfe entspannen sich aus religiöser
Begeisterung und Bekehrungssucht, aus Handelsinteresse, namentlich zum
Zweck und wegen des Sklavenhandels, wegen der Sklavenjagd, femer aus
Streitigkeiten um Jagd- und Weidegründe, um Viehbesitz und Weibererwerb,
aus reiner Ruhmes- und Abenteuersucht, aus Lust an Menschenopfern und
1) Auch ausgeführte, z. B. Eliäs-Bey's und Munzinger's Züge nach JBogos.
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Völkerbewegung, Stammes- u. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiem. \ 73
Menschenfrassy in Folge von Völkerwanderungen. Letzteren dienten aber
wieder viele der oben genannten Beweggründe, öfter freilich noch politische
und gesellschaftliche Kedrängniss^ politischer Druck und Mangel an Unter-
haltsmitteln, zur näheren Veranlassung. Alle eben erwähnten Entstehungs-
weisen afrikanischer Kriege greifen aber vielfach in einander.
Das Gesetz des Gikäd, »für die Religion die Angreifer zu tödten«^),
spornte die Mofiammedaner dazu an, die nigritischen Heiden öfters mit
Krieg zu überziehen. Religiöser Eifer war zwar in der That eine mächtige
Triebfeder zu solchen Unternehmungen und mancher im heiligen Feuer er-
glühende Ascet des wahren Glaubens hat den Säbel geschwungen, um Allah
allein die Ehre auch unter afrikanischen Heiden geben zu lehren. Freilich
steckte hinter sehr vielen angeblich zu rein religiösem Zweck ange-
fachten" Kriegsuntemehmungen nur der gemeine Egoismus des fjechen Räu-
bers, des gierigen und eifersüchtigen Speculan ten, des berechnenden Krämers.
Das Plündern, das Erbeuten von Gegenständen, von Vieh und Menschen
haben für so manche angebliche Hiefolgung des GiKad als eigentliche ursäch-
liche Elemente gedient. Die Sucht nach Handelserwerb, vor Allem die
Sucht nach Gold, Sklaven, Elfenbein, diesen begehrtesten und kostbarsten
Artikeln des Afrika bewegenden commerziellen Getriebes, erschütterte schon
seit den ältesten Pharaonen die Gauen in Nord und Süd und färbte Wüste
wie Steppe, Wald wie Berg, Thal wie Ebene mit Strömen von Blut. Um
den Besitz von Weide- und Jagdgebieten gab es von je her manche Fehde.
Wie oft schlagen sich z. B. in nigritische Gebiete hineindririgende berberische
and JJ^aA- Beduinen mit den schwarzen Landesbewohnern um einige Gras-
platze. Wie häufig gerathen sich solche Beduinen selbst wegen Weidestrei-
tigkeiten in die Haare. Sein Jagdgebiet lässt sich ein dem Gethiere der
Wildniss eifrig nachstellender Stamm nicht leicht ungestraft schmälern. Wie
mancher auf Jagd ausgegangene Beduinentrupp ist nicht schon mit einem
anderen, wie manche nigritische Jagdpartie ist nicht schon mit Jenen oder
mit Ihresgleichen handgemein geworden , sobald man sich gegenseitig ins
Gehege gekommen war. Der Viehraub führte die mayrebiner Nomaden, die
Nigritier im Gebiete des weissen Niles, die Kaifem, Hottentotten, Busch-
männer, die weissen Ansiedler u. s. w. unzählige Male, die Waffen in der
Hand, gegen einander. Geschlechtliche Liebe hat in Afrika schon häufig
das Schwert in der Scheide locker gemacht und eine Entscheidung auf
leichenbedeckter Wahlstatt herbeigeführt. Mancher wildkräftige Häuptling
1) In der zweiten Sure des Qurian heisst es: »Tödtet für den Weg Gottes Die, so
Euch tödten wollen, jedoch beginnt Ihr nicht die Feindseligkeit, denn Gott liebt nicht
die Sünder. Tödtet sie, wo Ihr sie auch trefft, vertreibet sie, von wo sie Euch vertrieben,
denn die Versuchung ist schlimmer als Todtschlag u. s. w.« Die Sunneh- Gesetze haben
diese an sich nicht so blutige Aufforderung, den Feind zwar zu vernichten, aber doch
nur dann, wenn er angreift, noch etwas verschärft. Fanatismus und Eigennutz
haben die Vorschrift des öiKätl wohl auszubeuten verstanden.
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174 I- Abschnitt. IX. Kapitel.
oder Kriegsmann hat, um seiner Ruhmsucht zu fröhneu^ um einem Hange
nach ungebundenem Feld- und Lagerleben nachgehen zu können^ in das
Kriegshom stossen oder die Kriegspauke schlagen lassen. Die Bewohner
von DaR&me fuhren Krieg, um Material zur Ausübung ihrer »grossen Sitte«,
d. h. zur rituellen Abschlachtung von menschlichen Opfern zu gewinnen,
Fäfiy Anzicos, Mombülu dagegen thun desgleichen^ um ihre rohen Crast-
mähler durch frisches Menschenfleisch in ihrem Sinne verschönern zu können.
Auch Hunger und Kummer haben , wie schon flüchtig bemerkt,
das Ihrige gethan, um auf afrikanischem Boden Kriege zu erregen. Begen-
mangel und darauf folgender Misswachs ^ Stürme^ Heuschreckenschwänne
u. 8. w. veranlassten manche Stämme dazu , reichere Gebiete aufzusuchen
und deren Vorräthe mit gewafineter Hand zu erstreben.
Der menschliche Organismus bedarf des Chlornatrium au seinem
Wohlergehen. In Afrika sucht man tausend Wege auf, um sich dies mäch-
tige Reizmittel zu verschafien. Man gewinnt Salz aus Teichen 5 Salzefflo-
rescenzen aus dem Boden, man hebt Steinsalz in Blöcken, man laugt salz-
haltige Erden und salzhaltige Pflanzenaschen aus, man begnügt sich, wenn
nichts Besseres vorhanden, sogar mit Harn. Salzmangel erzeugt mancherlei
Emährungskrankheiten. Salzlager sichern in Afrika den dieselben umwoh-
nenden und dieselben hauptsächlich ausbeutenden Stämmen eine gewisse
handelspoli tische Obmacht. Andere Stämme müssen von jenen das Sab
erkaufen. Die Inhaber der Salzlager drücken die Preise beliebig in die
Höhe und nicht seltene Male hat man bei Streitigkeiten um den Cours des
auch als niedere Münze geltenden Blocksalzes einen Appell an die Waffen
gerichtet. Wie viel Blut ist nicht schon in Nachbarschaft des BaRr-Aial
und der Minen von Tüodemü geflossen! (Anhang E.)
Afrika ist seit je her von bedeutenderen Yölkerzügen heimgesucht
worden. Nicht wenige derselben haben erschütternde Begebenheiten im
Gefolge gehabt, haben einen bestimmenden Einfluss auf die Staaten- und
Hordengestaltung für Jahrzehnte, ja für Jahrhunderte geltend gemacht, haben
für lange Zeiten tiefe Spuren hinterlassen. Die ursächlichen Momente zu
solchen Zügen, welche sich zu vollständigen Yölken^'anderungen gestaltet
haben, fallen grossentheils mit derjenigen schon früher erwähnten der statt-
gefundenen und noch stattfindenden Kriege zusammen. Viele dieser Kriege
sind eben eine Folge von Völkerzügen gewesen. Die Einfülle z. B. d»
Hyqsoa nach Aegypten, der Mantaü in das i3^-^^na -Gebiet, der Beduinen
Welad'Sollmän nach Bornüy der Beduinen des Sex ^Omar-el-Müri nach
Dar "Für 9 sind wohl Folgen äusserer Anstösse, äusserer Bedrängnisse ge-
wesen. Solche Bedrängnisse sind jenen Hyqsos, jenen Maniok wieder
durch andere dieselben bekriegende Stämme zugefügt worden. Ruhmdurst
und Rachgier trieben den Perserkönig Kambyses nach Aegypten. Die
Einbrüche der Araber geschahen zunächst aus religiösem Fanatismus,
daneben machten freilich Ländergier und der Wunsch, neue Hei-
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Völkerbewegung, ßtammes- u. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiem. 175
mathen zu erwerben, ihre Rechte geltend. Die Sucht nach Gold
und nach Sklavenerwerb veranlasste die später sich zu wahten Völker-
xügen gestaltenden Unternehmungen MoXammed->Ali^s gegen Nubien^ Sennär,
Päzoqlo U.9.W. Gold- und Diamantensucherei veranlasst g^enwärtig
die verhängnissreichen Bewegungen in den südwestlichen Küstengebieten.
Eroberungslust spornte die Jaqqa und Ama- Zülü zu ihren verheerenden
Märschen an. Unzufriedenheit mit mancherlei Massnahmen der engli-
schen Colonial-Begierung trieb im dritten Jahrzehnt unseres Säculums die
Boers über die Grenzen in das Gebiet der jima-Zülü^ wo dann schreck-
liche Gemetzel zwisdben ihnen und den Kaffem für lange Jahre ihre Folgen
von Elend und Kunmier nach sich zogen ^} .
Unter Geschichtsforschern und Ethnologen spielen bekanntlich die in
ein Land stattgehabten Einwanderungen fremder Völker eine grosse
Rolle^ sobald es sich darum handelt, die noch dunkle Herkunft der Bewohner
eines solchen Landes irgendwo und irgendwie herzuleiten. In nur wenigen
Grebieten der Wissenschaft ist man wohl schneller mit Theorien zur Hand
gewesen, als gerade auf diesem eben genannten.
Gewisse wenn auch nur entfernte oder scheinbare, nicht immer glück-
lich getroffene Aehnlichkeiten im allgemeinen Baustyle, in der Ornamentik,
im äusseren menschlichen Habitus haben z. B. schon vielfach zu der An-
nahme geführt, die einst so hochkultivirten Gebiete von Anahuac, Tucatan,
Chiapas, Guatemala, Cundinamarca und selbst von Peru seien durch Asiaten
bevölkert und civilisirt worden. Man ist auf die Idee verfallen, die Ein-
wanderungen der supponirten Asiaten selbst über die so unzugänglichen
Schnee- und Eisgefilde der nordischen Meerengen und Länderstrecken zu
statten. Warum auch nicht? Ein »mongolischer« Eskimo, direct aus Nord-
ostasien herübergewandert — seine Kayak's tragen ihn ja leicht und sicher,
seine Hundeschlitten fuhren ihn weit hin — hätte allmählich schon zu einem
Irokesen, Fäni, Krähenindianer, auch zu einem Tolteken, Azteken, zu einem
Maya, Aymara, Ouarani, Arauco, Patagonier u. dergl. werden können, etwa
durch Transmutation oder auf anderen dunklen dem Erörterer selbst ganx
unbekannten Wegen. Oder auch es konnten Ostasiaten zu Schiffe nach der
amerikanischen Westküste gelangen und dahin ihre Bildung verpflanzen.
Manche Dschunken sind aus China imd Japan an die amerikanische Küste
geworfen worden, namentlich aber solche, welche neuerlich hin und wieder
Unfug auf offener See zu treiben versucht hatten und dabei etwas stark
gegen den At- und Off-shore-ground hin geblasen wurden. So gut nun
neuerdings mancher ehrenwerthe Theekrämer aus NankiH oder sonstwoher
aus dem himmlischen Reiche in S. Francisco, Guaymas, Acapulco, Guayaquil,
Payta, Truxillo, Callao, Lima u. s. w. seine »himmlische« Bildung pflegte,
80 gut konnten ja schon vor Alters sturmverschlagene Söhne des Reiches
1) Fritsch a. a. O., S. 489ff.
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176 I- Abschnitt. IX. Kapitel.
der Mitte auch Südamerikas XJreingebome zum Leben einer neuen Kultur
emporrütteln. So ist z. B. der Civilisator der Muyscas, Bochicay der Sage
nach ein Greis mit langem Barte gewesen. Liesse nicht schon aus dieser
äusserlichen Eigenschaft sich schliessen, dass wir in ihm einen jüdischen
Opferpriester oder einen buddhistischen Lama vor uns haben könnten ? Wären
Manco Ccapac und Mama Ocllo Huacö statt vom Titicacasee doch lieber
vom Meere bei Pisco, Chorillos oder Iquique gekommen! Da sie aber zu-
gleich eine Theokratie einführten, so lag trotzdem die Vermuthung nahe,
auch diese Civilisatoren Peru's möchten Brahmanen oder Buddhisten ge-
wesen sein. Markham begeistert sich stark für diese Annahme^). Sogar
Rivero und Tschudi behaupten »that Quetzalcoatl and Mango Capac
were both missionaries of the worship of Brahma or Buddha and probably
of difFerent sects« ^). Bei Markham lese ich sogar, ein gewisser Ranking
habe in gelehrter Weise darzustellen versucht, dass Manco Ccapac ein Sohn
des Kuhlay-Xän, ersten chinesischen Kaisers aus der Y«?;*- Dynastie gewesen
sei. Ja was erst das Hübscheste, Mr. Ranking lässt jenen asiatischen Welt-
stürmer Peru mit Hülfe einer Elephantenkavallerie unterjochen! Wenn
schon, denn schon! Dass Juden, Phönizier, Carthager, Armenier und
Aegypter bei der Civilisirung Westamerikas ebenfalls eine Rolle gespielt,
wenigstens im Geiste speculirender Weltweiser und Historiker, kann nicht
weiter Wunder nehmen. Alles schon dagewesen!
Selbst die wilden Söhne der amerikanischen Prairien hat man, ohne
auf ihren eingewurzelten und meist wohlgerechtfertigten Hass gegen die
»Blassgesichter« billige Rücksicht zu nehmen, mit solcherlei Einwanderungs-
theorien gedrangsalt. Ich hörte einmal, Kä-gl-ga-go-bü^ ein ehren werther,
wenn gleich etwas bigotter mÄ-Äc-trä - Indianer, habe sich 1850 auf dem
frankfurter Friedenscongresse höchst entrüstet darüber geäussert, dass man
seine Nation für Abkömmlinge der Juden ausgegeben An letzterer Theorie
sind hauptsächlich einige sonst sehr ehrenwerthe Bürger der vereinigten
Staaten, wie Adair und G. Catlin, schuld 3), welche ihre rothen
Männer denn doch etwas anders hätten beurtheilen sollen.
Grosse erkennt in Alt -Peru zwei coexistirende Rassen, »Fune, civili-
satrice d'origine asiatique, qui aurait occup6 primitivement les c6t^ de la
mer pacifique, et temporairement les plateaux des Andes ; l'autre, guerri^re,
venant des r^gions de Test et envahissant ces m^mes plateaux, y antentis-
sant une premiäre civilisation, pour se soumettre plus tard de nouveau aux
1) Travels in Peru.
2) Antigugdades Peruanas. Engl, bearbeitet von Fr. Hawks, New- York 1853, p. 20.
3) Wer hierüber Näheres lesen will, findet dies z. B. in folgenden Werken: G. Catlin:
Die Indianer Nord-Amerikas. A. d. E. von H. ßerghaus. Brüssel nnd Leipzig 1848, S. 32ß.
K. Andree: Nordamerika S. 17 und Anm. Rivero und Tschudi a. o. a. 0. S. 10.
W. V. Moore: Indian Wars of the United States, from the discoverj' to the present time.
Philadelphia 1860, p. 10.
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Völkerbewegimg, Stamme- u. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiem. 177
lois de la race asiatique civilisataice. Et ce qui semble^ en outre, appuyer
cette double origine^ c'est que^ d'apr^s Meyen^ les momies des plateaux
ataient la töte toumöe du cöt6 de la mer Atlantique^ et leur mode de con-
serration r^ondait ä Celles des Guanches^ tandis qu'ä Fouest des Andes^ la
töte des momies ^tait toumöe du c6t6 de la mer Pacifique (!)*). Es wird
Manches zur Hegründung dieser schönen Idee beigebracht und endlich 1. c.
pl. m fig. 8 die Abbildung eines goldenen Statuettenfiragmentes aus den
»catacombes de Bogota« gegeben^ »dont les traits rappellent ceux de la
race mongole«. Ich muss freilich gestehen, dass mir die Gesichtszüge dieser
Statuette weit mehr den Eindruck echt indianischer als irgendwie mongo-
lischer machen. Jene an der Statuette wahrnehmbare (künstlich erzeugte)
Abplattung des Hinterhauptes ist charakteristisch für viele Schädel aus
Pachacamac^ bei den Natchez, Tsinuks, zu Palenque u.s.w. 2).
Damit es übrigens nicht den Anschein gewinne, als habe ich hier die
Urgprungsfrage der Amerikaner a^war angeregt, dieselbe aber nur mit einer
allgemanen Betrachtung abzufertigen gesucht, lasse ich auch die eingehendere
Erörterung einiger einschläglichen Punkte folgen, wie letztere nach meinem
Standpunkte besonderes Interesse verdienen. Um z. B. den asiatischen
Ursprimg der Civilisatoren Mittelamerika's beweiskräftig darzuthun,
bat man auch die elephantenköpfigen Skulpturen des alten Mexico und
Mittelamerika in Betracht gezogen. Solcherlei Embleme konnten doch natür-
licherweise nur asiatischen Ursprunges sein, denn in Amerika leben ja
gar keine Elephanten und Asien war ja zudem Wiege der Mensch-
heit. Da hätten wir nun directe Nachbildungen jener die Gottheit Ganesa
darstellenden indischen Ungeheuerbilder, Seitenstücke zu den elephanten-
köpfigen Statuen und Säulenknaufen mancher unter- und oberirdischer
Hindu-Tempel. Eins der firaglich.en an einem Tempel in Honduras gefun-
denen Reliefs dürfte einen Tapirkopf darstellen — und zwar dies wegen des
deutlich ausgedrückten Tapirrüssels, wegen der bei diesem Thiere bemerk-
baren an der Rüsselbasis oberhalb der Maulspalte sich hinziehenden, ein
Oberlippenrudiment bildenden Hautfalte und der senkrecht stehenden Schnei-
dezähne. Andere Darstellungen, zu Palenque z. B., erinnern mit Rüssel,
Stosszähnen und Schlappohren durchaus an Elephantenköpfe. Humboldt bil-
det eine mexicanische Hieroglyphe ab, nämlich die Figur des mit einer
Elephantenhauptmaske bedeckten Opferpriesters, wie er das Opfermesser
schwingt und dem Geopferten das Herz aus der geöäheten Brust reisst^).
Humboldt selbst weist auf die Möglichkeit hin, dass die Bewohner von
Azdan Traditionen vom früheren Vorkommen der Elephanten in ihren Ge-
1) M^molres de la soci6t6 d' Anthropologie de Paris. I, p. 161.
2) Berlin, anatom. Museum, Sch&del No. 7351, 53, 54, 9910 u. s. w. Gosse 1. c. pl.
IL fig. 1. Retzius, Ethnologische Schriften 8. 125ff., T. V. Aitken Meigs, Catalogue
of human crania p. 79. 80, Fig. S. Morton , Crania americana auf verschiedenen Tafeln etc.
3) Vues des Cordilläres pl. XV.
HftrtBftBB, IßgritUr. 12
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178 I- Abschnitt. DC Kapitel.
bieten gehabt haben könnten. Es sind aber im Westen Nordamerikas Beste
mehrerer Elephantenarten entdeckt worden. Der postplioeäne Elephai
Columbi bewohnte u. A. auch Mexico. Im Verein mit Resten dieses
Thieres fand man Knochen eines Wisent (Bison latifrons) und des ge-
meinen Tapir [Tapir ua americanus) in Texas, des noch jetzt existirendwi
Pferdes in Mexico selbst, ausserdem übrigens Reste gegenwärtig gänzhcfa
erloschener Thiere *). Es sind nicht nur unzählige Funde aufgedeckt wor-
den, welche die Coexistenz des Menschen und des Mammuth beweisen,
sondern sogar solche, welche das Zusammenleben der Mastodonten und der
Menschen ausser Zweifel stellen ^) . Konnten nicht die Kulturbegründer der
südwestlichen Gegenden Nordamerikas die Tradition vom gleichzeitigen Vor-
kommen der Elephanten und der Menschen gehabt, unter sich erhalten und
auf ihre Nachkommen fortgepflanzt haben? Konnte dies nicht durch jene>
Art roher Thierzeichnungen geschehen, wie ihrer auch die Alteuropäer auf
Renngeweih, Ebur fossile j d.h. Mamm^uthelfenbein, Knochen, Schiefei^ge-
stein oder dergl.^) eingegraben hatten? Hervorragende Forscher, wie Pxescott
und Martins, machen mit Recht auf das wahrscheinlich sehr hohe Alter
jener Baudenkmäler aufinerksam, welche die Chichimecas und Aztecas bei
ihrer angeblichen Wanderung nach Anahuac bewundem gekonnt. Sind
diese Denkmäler nun wirklich Erzeugnisse einer Nation der Toltecas ? Weiss
man etwa so ganz Sicheres über diese letzteren, die sagenhaften berzuge-
wanderten aus dem mythischen Hue-Hue*TlapaUan? Hat nicht die Darstel-
lung unseres Martins Vieles fdr sich, welcher die ganze Geschichte der
drei angeblich aufeinanderfolgenden Einwanderungen der Toltecas, Chichi-
mecas und Aztecafi für gemacht erklärt? Wie Martins ganz unwider-
leglich beweist, sehen wir alles hierauf Bezügliche durch die Brüle der
aztekischen Volksanschauung. »Tultecatl« heisst in diesem (aztekischenj
Idiome: »grosser Baumeister, Werkfuhrer, Künstler«^). Diese »Tultecas«
lassen sich daher füglich mit den ebenfalls mythischen Teichines auf Greta
vergleichen. Das Wort i>Chichiineca« ist auch aztekischen Ursprungs und
bedeutet vielleicht »Blutsauger« u. s.w. ^j. Nun kann ich zwar die Ansicht
des trefflichen Martins von einem durchweg stattgefundenen Herabkommen
einer ehemaLs hochcultivirt gewesenen amerikanischen Menschheit ^) nur
bedingun^sw^e tbeüen. Ich glaube jedoch, dass einer mexicanischen sehr
1) Falconer, Palaeontological Memoirs etc., II, p. 21 2 ff.
2) Lyell, Alter des Menschengeschlechts. D. A. 1864, S. 149. 282. £. Hamy,
Paläontologie humaine p. 52 etc. etc.
3) Vergl. u. A. Hartmann, in Zeitschr. f. Ethnologie, 1870, S. 226.
4) Nach Sahagun, Historia general de las Cosas de Nneva Espafia, Mezko 1829,
Üb. I.
5) Zur Ethnographie Amerikas zumal Brasiliens. Leipzig 1867> S. 28 ff.
' 6) Eine von Marti us Tielfaoh verfoohtene Grundanschauung über die amerikaniaehs
Ethnologie.
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Völkerbewegang, Stammes- u. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzfigl. d. Nigritiem. 179
alten Kultur eingednmgeiie P^riemndianer zeitweise den Garaus gemacht,
und dass letztere auf Trümmern jener aUmählich erst eine neue, wenn audbt
dürftigere Kultur — diejenige Tezcuco's und Tenochtitlan's zur Zeit des
Feman Cortez — geschaffen haben. In den mythologischen Traditionen
sind jedenfalls yersehiedene Systeme durch einander geworfen, welche den
grossen Hauptvölkem von Mittelamerika angehörten^). So viel scheint
wenigstens festzustehen, dass jene amerikanischen Beste sehr, sehr alt
sein müssen. Und wenn Toltecas wirklich erst vor Ende des 7. Jahrhunderts
jene Gegenden cultivirt^)^ wenn sie und ihre Nachkommen die Elephanten-
köpfe an den Bauwerken und auf Hieroglyphenmalereien wirklich ange*
bracht 9 so konnten sie diese Vorwürfe für Sculptur u. s. w. dennoch den
Traditionen^ ja selbst den bildlidien Darstellungen ihrer Vorfahren ent-
lehnt haben'). Ich denke denn doch, unsere Herleitung jener elephanten-
köpfig^i Belieflnlder und gemalten Hieroglyphen aus dem urthümlich*küjast^
lerischen, auf wirkliche Naturanschauung gegründeten Schaffen der amerika-*
nischen Rasse habe mindestens das Gleiche für sich^ wie jene Annahme von
der directen XJebertragung ostasiatischen Kunststyles auf westamerikanisehen
Boden. Meine Ueberzeugung von der Wahrscheinlichkeit der hierorts aus-
gesprochenen Idee von &ner Urthümlichkeit der amerikanischen Kultur be-
fest^t sich nur noch mehr^ wenn ich genaue, wo möglich photographieche,
Darstellungen ^er Ruinen von Tempeln und Palästen zu CMchen-Jza,
Uzmal, Labndhy Paienque, Oopan, der TeocalU^s von Choloüan^ Tehuantepec
u.s.w. U.S.W, mit denen der Pagoden von Pekin, Yedo, BoAkoky Awa,
Banfftm, Ammerapura, Ankor^Wät u.s.w. vergleiche. Die Grundverschie-
denheit dieser Doikmäler pflegte übrigens schon vielen tüchtigen > mit der
Geschichte ihrer Kunst vertraueten Bauleuten einzuleuchten.
Nun hat man noch eine andere Angabe dazu benutzt, die Herkunft der
CiviHsatoren von Anahuac u« s. w. aus Asien abzuleiten. Der Govemador
von S. Jote de los Indiosl^) in Guatemala, Senor Ambrosio Tut, berich-
tete nämlich i. J. 1848 dem zur Untersuchung der Ruinen des Districtes
Pitm entsendeten Obersten Modesto Mendez, von ein^n angeblich gut
in Stein ausgeführten Stiere, dessen Dasein beweisen würde, dass jene alten
1) Martins a. o. a. O. S. 31.
2] V^gl. W. H. PreBcott, History of the Conquest of Mexico, Einleitung.
3) Manche, u. A. Stephens und K. Andree (dessen kritischen Betrachtungen über
den venneintlich asiatischen Ursprung der Amerikaner ich übrigens ungetheilten Beifall
zolle), glauben, dass die Ruinen in Yucatan u. s. w. noch zur Zeit der Conquista und
sogar noch nach derselben bewohnt gewesen seien. Dies würde aber die Annahme eines
hohen, von Martius yielleioht au hoch taxirten, Alterthumes jener Reste nicht aus-
iehUessen. Denn bewohnt sind auch die ägyptischen Bauwerke noch lange nach dem Ver-
fälle des Pharaonenreiches gewesen. Noch heut klebt mancher FelläK sein Lehmhaus an
^a Pylon eines Riesentempels , manche Lady bettet ihren süssen Leib in Theben's Kata-
komben u. 8. w.
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180 I. Abschnitt. IX. Kapitel.
Bewohner Rinderheerden gehabt. >) . Diese Angabe besagt freilich wenig genug,
auch hat Mendez^ übrigens, wie mir es scheint, begabter Beobachter^ diese
Darstellung nicht selbst gesehen, und ist es sehr möglich^ dass hier eine
Täuschung untergelaufen sei. Jedenfalls berechtigt jene höchst vage Angabe
nicht zu dem Schlüsse^ die alten Guatemaler könnten Rinder gezüchtet und
diese Kunst aus einer urasiatischen Heimath mit herübergebracht haben.
Für mich und manche Andere sind die Personen der altmexikanischen Denk-
mäler eingeborene Indianer im Federschmucke des Quezal [Trogon
resplendens), des Goldadlers [Aquila chrysa'etos) u.s. w., in Mocassins
u. dgl., wie ähnlichen die Rothhäute in Califomien^ am Yellow Stone, Mis-
souri u. s. w. u. s. w. getragen haben.
Nicht ohne Grund und nicht ohne Absicht habe ich diese amerika-
nischen Geschichten mit gewisser Ausführlichkeit in diese Arbeit einge-
flochten, welche doch der Ergründung afrikanischer Verhältnisse ge-
widmet sein soll. Es schien mir nämlich ganz angemessen^ auch an nicht
afrikanischen Vorkommnissen einmal nachzuweisen^ wie man doch bei
Speculationen in Bezug auf Besiedlung von Ländern und auf Einwanderung
von Völkern mit grosser Vorsicht verfahren müsse. Letzteres besonders
gegenüber einer gewissen Klasse von Forschem, denen zwar Hascherei nach
effectvoUen Theoremen zum Bedürfnisse geworden^ die sich aber trotzdem noch
immer nicht von den herrschenden Doctrinen loszusagen vermögen, welche
gem^ um diesen Doctrinen einen neuen Halt zu verleihen, ins Blaue darauf
los phantasiren oder älteres kritiklos nachschwajtzen. —
Soweit nun die Zeichnungen und Skulpturen auf den Denk-
mälern, soweit die Mumien und Mumienskelete, soweit endlich die
lebenden Physiognomien heutiger den (nachweisbaren) Typus der alten
Retu txzM bewahrender christlicher Kopten und mohammedanischer FeüäKin
einen anthropologischen Vergleich mit Syroarabem, d. h. mit den Einge-
bomen Syriens, Palästinas, Mesopotamiens und mit denen Nordarabiens (den
sogenannten Ismailiten], gestatten, mögen diese syroarabischen Eingebomen
ansässig oder nomadisch sein — soweit werden wir uns genöthigt fühlen,
das reine Aegjrptervolk für ein vom syroarabischen physisch verschie-
denes zu halten. An eine nähere Verwandtschaft des ersteren mit dem
letzteren könnte man nur in solchen Nachbardistricten Aegyptens, Palästinas
und der sinaitischen Halbinsel denken, in welchen eine zwischen den häu-
figer in nachbarlichen Verkehr mit einander tretenden Familien stattfindende
Vermischung sich annehmen liesse. Dass hier aber einzelne palästinäische
Beduinen eheliche Vermischungen mit Ihresgleichen auf ägyptischer Seite
eingehen oder dass solche Bündnisse zwischen Städtern und FelläKm beider
Gebiete öfters geknüpft werden, unterliegt keinem Zweifel. Daher sieht
man denn auch manche mit Dattelwurst, mit Schläuchen aus Gazellenfell,
1) Zeitschr. f. allgemeine Erdk. I. Bd., S. 167.
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Völkerbewegung, Stammes- u. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiem. |g|
Steinbock- und Gazellenhömem u. dgl. nach Aegypten kommende soge-
nannte Sinai-Beduinen, welche sich physisch nicht von demjenigen Theile
heutiger ägyptischer Stadt- und Landbewohner unterscheiden lassen, inner-
halb dessen der iJ^^t^Typus nicht rein ausgeprägt ist. Andere jener
syroarabischen Leute lassen sich dagegen auf den ersten Blick von den
reinen Ägyptern sondern. Jene sind aber jedenfalls Produkte stattgehabter
Bassenkreuzung , letztere sind freier von Vermischung mit Aegyptem ge-
blieben. Niemand wird ja läugnen können, dass der Einfluss namentlich
syroarabischer Einwanderung in das Nilthal den physischen Charakter der
Bewohner desselben vielfach alterirt habe. Indessen wird auch dieser Ein-
fluss von den meisten Seiten her übertrieben. Dank der Gewohnheit, der
Urtheils- und Kritiklosigkeit der Mehrzahl unserer Touristen. Von diesen
schreibt Einer vom Anderen ab. Einer schwatzt dem Anderen nach. Mangel
an Vorbildung und Unverstand finden auch wieder auf diesem Felde nur
zu reichliche Gelegenheit, mit doctrinär gewordenen Redensarten die eigene
Hohlheit zu decken. Irgend ein reicher Parvenü aus der industriellen Welt
Alt-Englands, ein französischer Stellensucher, ein italienischer Handlungs-
beflissener oder ein deutscher Hypochonder reist nach Aegypten und! macht
in dem althergebrachten Unsinn flott Veiter. Selbst Männer, welche wohl
ein richtiges Urtheil fällen könnten, wagen dies nicht, aus Furcht vor auf-
geblasenen Aegyptologen und noch aufgeblaseneren Dilettanten im Gebiete
der Ethnologie. So ist es denn, angesichts der ewigen Aufwärmerei eines
Themas, dessen Haltlosigkeit selbst einem massigen Verstände einleuchten
müsste, wirklich möglich geworden, für die Neuägypter die allgemeine Be-
zeichnung Araber oder Araber (bald als Proparoxytonon , bald als Properi-
spomenon gesprochen) zu erfinden. Diese Bezeichnung ist aber ebenso falsch,
als wenn man die Preussen Wenden, die Franzosen Britannier, die Spanier
Gothen nennen wollte. Müssen wir nun auch einestheils zugeben, dass in
vielen Aegypterfamilien der Jfc/w-Typus verwischt sei und sich in einen dem
syroarabischen ähnlichen Mischtypus verwandelt habe, dass unter dem Ein-
druck solcher Verhältnisse die Unterscheidung zwischen gewissen Aegyptem
und Palästinensern, Syrern, Arabern und Israeliten schwierig werden könne,
80 sind wir doch auch andererseits zu dem Schlüsse berechtigt, dass im
ägyptischen Nilthale noch sehr sehr viele Kopten wie FelläKin den alten
unverwischten Metu-Tyißus zeigen. ^)
Mariette hatte die Behauptung aufgestellt, in Niederägypten Hessen sich
Spuren der Hyqsos unter der eingeborenen Bevölkerung auffinden. Der
ägyptische Feltäh sei gross, schlank, leichten Ganges, habe einen ofienen.
1] Vergl. Hartmann in Zeitschr. f. Ethnologie, 1S69, S. 135 ff. Taf. und 1870, S. 88.
Vergl femer die i. Z. in vielen Photographien verbreiteten bildlichen Darstellungen von
0. Richter: FeüäKeh und ägyptische Mutter, von W. Gentz: Gebet in der Wüste,
Mihrchenerzähler, Schlangenbeschwörer, Todtenfest bei Cairo u. s. w. Femer vergl. Taf.
Vin, IX, X dieses Werkes.
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182 I- Abschnitt. IX. Kapitel.
lebhaften BUdL^ eine kleine gerade Nase^ einen wohlgeschnittenen lächelndea
Mund. Der Charakter der Basse präge sich hier in der Breite des Brust-
kastens, in der Magerkeit der Schenkel und in der geringen Entwicklung
der Hüften aus. Die Bewohner von San, Madariehy Memäleh und von an-
deren umliegenden Dörfern böten einen gänzlich verschiedenen Anblick dar,
sie machten anfänglich den Beobachter sogar etwas wirre. Diese seien hoch-
gewachsen, wiewohl stämmig, hätten einen stets etwas gebogenen Bücken
und stark gebauete Schenkel. Der Kopf zeige einen ausgesprochen semi-
tischen Typus und in jenen Leuten finde man sogar die Gesichter der
vier (von Mariette den Hyq$o$ zugeschriebenen) zu Tanis aufgefundenen
Sphinxe wieder. Des Amosis Kriege wider die äyqsoa hätten nicht sobald
die gänzliche Austreibung der letzteren zur Folge gehabt. Jene Semiten,
welche seit mehr als fünf Jahrhunderten den Norden Aegyptens bewohnten,
seien allmählich Bewohner der Nilufer geworden. Eine in das Friedens-
instrument zwischen Aegyptem und Hyqsos au%enommene Bestimmung dürfe
der Hauptmasse dieser Bevölkerung die damals von ihr eingenommenen
Wohnsitze gesichert haben ^).
Auch G. Ebers glaubt, dass nachdem es der 18. Dynastie gelungen
war, einen grossen TheU der Hyq$o& zu verjagen, die Bevölkerung der
Küsten als Unterthanen der Pharaonen au ihren gewohnten Sitzen geblieben
und dass diese es sei, welche der Autor der Völkertafd riKaphtorim^ be-
nenne ^j . An die Möglichkeit einer Austreibung derselben bis auf den
letzten Mann könne gar nicht gedacht werden. Untrüglidbe Zeugnisse be-
wiesen denn auch, dass viele der ägyptisireinlen Phönizier (sie!), welche
wir kennten, sowie der friedfertige Theil der in den Marschen ihre Heerden
züchtenden j^amu, im Delta zurückbleiben gedurft^).
A. V. Kremer hat aber die oben erwähnten Angaben Mariette's in
entschiedener und zutreffender Weise bekämpft. »Der bekannte Antiquitäten-
sammler Aug. Mariette wolle in der Bevölkerung des nordöstlichen Delt»
einen vorzüglich semitischen Charakter und die Abkömmlinge der Hyqsos
erkannt haben. Es lohne sich nicht der Mühe, das UnwissenschaftUche
einer solchen Angabe nachweisen zu wollen. Semitische Elemente seien
sicher vorhanden im Delta so gut wie überall in Aegypten, aber Hyqsoa mit
einiger Sicherheit erkennen zu wollen, gehöre in den Bereich des wissen-
schaftlichen Somnambulismus. Mit reinen Hypothesen sei besonders auf
dem Gebiete der altägyptischen Forschungen gar nichts gewonnen ^) . « (Sehr
richtig!) Ich selbst möchte hier zunächst von dem oben erwähnten, nichts
weniger als geschickten oder belehrenden Versuche einer physischen her
1) Revue arch6ologique, 1861, p. 106. Ferner das. 1865, 11, p. 173.
2) Aegypten und die Bücher M^e's. S. 183.
3) Das. S. 224.
4) Aegypten, I, S. 138.
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Völkerbewegung, Stammes- u. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiem. "[ §3
sdirabung vom Feltäh und venneintKchen Epigonen der Hyqsos dutch
Mariette gändich absehen. Dagegen fühle ich mich dodi zu der ßemer-
kung veranlaast; dass ich sowohl in und um Alexandrien, wie zu Keyüb^
Ks^'ZcgM^ Dandai und sonstwo im nördlichen Aegypten etwa gerade so
Tide den Jfe/M*Typu8 bewahrende und ihn nicht bewahrende FeüäHin be-
merkt habe , als anderwärts im Nilthale. Auch ich uuss daher jene An-
gaben Mariette's über Torherrschend semitischen Charakter ge-
wisser Niederägypt^ in den Bereich der Phantasmagorien verweisen.
Yicomte E. de Boug6 bemerkt^ dass die Denkmäler über den
Ursprung der Aegypter schweigen. Die^ eine äthiopische Abstammung
unseres Volkes behauptenden griechischen Zeugnisse können seiner Meinung
nach nur mit grosser Beschränkung anerkannt werden. Die Aethiopen selbst
oder das Volk von Kui^ verbähden sich sonst direct mit den Xamiten Süd-
asiens. Man könne die Ansicht von einem äthiopischen Ursprünge der
ägyptischen CiviKsation nur in dem Sinne adoptiren^ dass ein Theil be-
nachbarter^ einer und derselben Basse angehörender Familien zur selben
Zöt über den Isthmus, durch die Küstengebiete des rothen Meeres und das
Bab-el-Mandib nach Afrika gelangt seito. Nach dem 10. Kapitel der
Genesis seien XanCs Söhne Knls^ Misratm und Kanaan gewesen. Küi
bedeute bei Aegyptem und Hebräern die äthiopische Rasse. Kana^an
aber bezeichne in den hieratischen Texten nicht etwa die palästinäischen
Rassen im Allgemeinen, sondern nur eine Localität des Lcmdes, welche den
Aegyptem unter anderem Namen bekannt gewesen sei. Füt sei Benennung
fir Urarafaien (Arabie primüwe), ägyptisch PunL Die Monumente zeigten
Leute dieses Landes roth und ähnlich den Aegyptem, andere braun und
selbst negerartig schwarz. Gummi sei Haupterzeugniss ihres Landes. Der
Ifaone Migrakm habe sich in Aegypten noch nicht finden lassen. Ein in den
syrischen und assyrischen Sprachen auf das Nilvolk häufig angewendeter
Name könne aber von dieser exdusiven Nation recht wohl verworfen wor-
den sein. Ursprünglich sei Miaratm die Bezeichnung für mehrere andere
Nationen. Vers 13 des 10. Kapitds der Genesis führe unter Misralm^s Söhnen
auf: LehahUm, d. h. wohl Libu, Libyer, Kastux^fny welche unbekannt seien,
Kafhrim oder vielleicht Kretenser, und Filüttm, Philister. Der Name Mi^-
ralm habe sich auch über das Nilthal hinaus erstreckt. Es existirten aber,
der heüigen Schrift zufolge, noch vier andere Söhne Misratm^s. Unter
diesen Luditn, vielleicht identisch mit i^JRiuh der bekannten Völkertafel.
»T^uAx, in welchem Worte r und / wie im Altägyptiscben vertauscht werden
könnten*), bedeute Mensch im eigentlichen Sinne. Ein zweiter Sohn,
1) Etwas in afrikanischen Sprachen sehr häufig Vorkommendes. Im Hawaischen findet
rieh ein iwischen R und L stehender Laut: Ä, z. B. in Maüna-JRöa, Hbnorüi-ü, Kträu-
Bä XL. 8, w. Im Quasi-Dialekt von Lima, Peru , sollen R und L öfters «um Verwechseln
gespnehen wetden. Selbst Nubier, Gennaaen, Romanen u. a. Völker sprechen das B,
sobald sie dasselbe schnarrend behandeln, zuweilen fast wie Zt indem sie nftmlioh die
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184 I- Abschnitt. IX. Kapitel.
^Anantm, bedeutet wohl das -^m*-Volk, welches seit TJralters in Aegypten
wohnte, und seinen Namen An den Orten HeliapoUs, DeTiderah und Her-
monthis (letzteres An-rea d. h. An des Südens) verliehen. Die j^nu wären
bis nach Nubien verbreitet gewesen und hätten mehrmals gegen die Pha-
raonen gekämpft [An -ü- Kens), Dieselben hätten zugleich wichtige Punkte
der sinaitischen Halbinsel innegehabt, denn Anu seien von den Pharaonen
bekriegt worden, als diese sich der Kupferminen zu Wadü-Mayarah be-
mächtigen gewollt. HaioTy im Cultus von Heliopolia und DendercJi hervor-
ragend, sei auch Localgöttin in dem nach König Sn^ru^s Siege über die
sinaitischen Anu gegründeten Etablissement zu TVcuti-Mayärah geworden.
Unser Verfasser hält die Anu für eine Rasse, welche ihren Eigennamen nur
ausserhalb der ägyptischen Einheit bewahrt habe, aber stark an der Urbe-
völkerung des Nilthaies betheiligt gewesen sei *). Patrusim ist nach Roug^'s
Idee aus Pqtros, p-to^es, Südland, gebildet und würde die Oberägypter
darstellen. Naßuxim enthielte die Elemente der Benennung des Ptqh, des
grossen memphitischen Gottes, in nä-Ptqh d. h. »die des PiqXn oder nü-Ptah,
Stadt des Piqhy gleichwie Theben tm-Am^n Ammonsstadt genannt werde,
daher auch Naftuxim Leute aus PtqKs Stadt, d. h. also Memphiten bedeuten
werde. Man sehe nun, meint unser Verfasser, wie jene verschiedenen Völker
ein verwandtschaftliches Band zwischen ägyptischen und benachbarten Rassen
anerkannten. Unter letzteren sei Kana^an der Bruder MisralnCs. Auf der
berühmten Darstellung der vier bekannten Menschenrassen im Grabe S^ti I
finde sich eine merkwürdige Lesart. Die Erzeugung der Aegypter oder
Mut (Retu) 2) sei der Sonne oder dem Gotte IPay diejenige der Amu (Aamu
generischer Name für die syrisch-aramäische ^) Rasse in den Hieroglyphen)
dagegen sei der Göttin Pqxt, d. h. der Tochter der Sonne zugeschrieben,
deren Haupt cultus zu Memphis (äa-Meri-Ptah, Liebende des Ptqh) statt-
gefunden habe. Die Aegypter nennten also die Paxt Mutter der^^Lomtf und
hätten hiermit wohl eine ursprüngliche Verwandtschaft der syroaramäischen
Stämme mit den niederägyptischen andeuten wollen, bei welchen letzteren
der Pö^^Cultus in hohen Ehren gestanden 4).
Vic. de Roug6 bemüht sich also, wie wir sehen, im Vorhergehenden
eine nationale Verwandtschaft der .Ajcmu, unserer Syroaraber, in den Aegypten
Zungenspitze der Hinterfläche der oberen Schneidezähne zu stark nähern, statt dieselbe
gegen den harten Gaumen zu drücken und statt die Luft zwischen diesem und der Zungen-
spitze unter der letzteren hindurch zu treiben.
1) Vergl. S. 50, wo Anu {Aanu, ffannu, Hannü, Hqnnu) als unzweifelhafte Berdbra
aufgeführt werden.
2} Ich behalte diesen Namen Retu als einen zur Allgemeinbezeichnung der alten
Aegypter sehr bequemen bei.
3) d. h. syroarabische, semitische Rasse.
4) Kecherches sur les monuments qu'on peut attribuer aux six premiäres dynasties
de Man6thon. Paris MDCCCLXVI. §. 1.
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Völkeibewegung, Stammes- u. Kastenbildang unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiem. 185
benachbarten asiatischen Getreten ^ mit den Aegyptem^ namentlich den
Niederagyptem, nachzuweisen. Vieles von dem, was unser gelehrter For-
scher über die alte Namengebung und deren Beziehungen zu alten Stämmen
berichtet, scheint mir einleuchtend zu sein. Dagegen beweist uns sein
ganzes Baisonnement gar nichts für eine Annahme, die Niederägypter
könnten Syroaraber, Syroaramäer oder Semiten sein. De Boug6
sucht beim Schlüsse seiner oben entwickelten Betrachtung uns davon zu
äberaeugen, dass Kana^an, d. h. doch eine Personificirung von Syroarabem,
und MürtHm, d. h. Personificirung des i2e^ -Volkes, eine Urverwandt-
schaft besässen. Set, Typhon, des Osiris Gregner, Repräsentant der Ober-
herrlichkeit Niederägyptens im Gegensatze zu derjenigen Oberägyptens,
welche im Horu9 personificirt wurde, fand seine Identification mit Sety
Sutexy Bakd der Heia oder Chetiter, wfur also eine Niederägyptern und
Syroarabem gemeinschaftliche Gottheit. Indem nun Boug^ noch beson-
dre Versuche macht, aus dieser angeblich gemeinschaftlichen StUe%' oder
Bo^l- Verehrung durch niederägyptische Retu und palästinäische ^amu uns
eine nationale Verwandtschaft zweier von uns für grundverschieden erachteter
Völker zu demonstriren, verschafft er uns für die rein anthropologische, d. h.
entscheidende Seite jener Frage durchaus keine Belehrung.
Diejenigen, welche die alten Aegypter aus Asien stammen lassen,
haben stets nach einer Verwandtschaft zwischen jenen und den Völkern
Vorder- wie Innerasiens gesucht. Man hat auf die »Wiege der Menschheit«
lungewiesen, ohne diese freilich bis jetzt genauer bezeichnen zu können,
wenn auch sich nicht läugnen lässt, dass die schneeigen Hochgebirge
Centralasiens für die meisten unserer Paradiessucher bis jetzt eine ganz
besondere Anziehungskraft besessen haben. Wollt Ihr nun den directen
Vergleich zwischen Retu und AryäA^)^ zu welchen letzteren Ihr doch auch
1) Der Sammelname Aryäs, Arier hat nur noch für Philologen Interesse und sollte
in der Anthropologie anderen Namen Platz machen, welche für die geographische Um-
grenxung oder die wirklich nationale Verwandtschaft der zu behandelnden Völker West-
and Innerasiens bezeichnender wären. Ein alter tüchtiger Forscher von anatomischer
Bildung, Prof. Mayer in Bonn, thut folgenden höchst beherzigenswerthen Ausspruch:
■Ich habe (daher) auch immer die Idee des Ursprungs der Bewohner der Erde aus Asien
oder ihre Abstammung von den sogenannten Ariern, die ich als eine Erfindung der
Studirstube und als kein Urvolk betrachte, bekämpft. Dieses Urvolk der Arier soll von
den unwirthlichen Schneegebirgen des Hindu-Kusch herabgestiegen sein und sich sogar bis
über Europa verbreitet haben. Und doch kennt Niemand dieses Eden oder Paradies, und
kein Reisender hat bis jetzt es uns aufgeschlossen. Den Namen Arier und Arejer kennt
Herodot, aber nicht als Urvolk, sondern als Neben-Tribus im Heere des Xerxes, und der
Name Arier bei den Hindus bedeutet auch keinen Menschenstamm, sondern nur eine
höhere Rasse, welche die zwei oberen Kasten der Autochthonen Hindostans, der Brahminen
und Xürya bilden. Lassen selbst (Indische Alterthumskunde S. 511) muss eingestehen,
dass sich keine Andeutung finde weder in der pragmatischen noch in der fabelhaften Ge-
whidite Indiens von Einwanderung eines fremden Stammes. Es geht dem Namen Arier
wie dem der Pelasger und Kelten, für deren Abkunft aus Asien und deren Wanderung
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186 I- Abschnitt. IX. Kapitel.
HindusimCs Kinder rechnen wollt, unternehmen? wollt Ihr die umnittelbaie
Abstammung der ersteren von den letzteren zu beweisen versuchen? Nun
dann lasst uns doch zunächst einmal auf die osteologi sehen Verhältnisse
der Bewohner Hindusiän^s und Aegyptens eingehen. Schon Pruner-Bey
hat darauf hingewiesen, dass der Schädel des i^Hindm >) das vollkommenste
Oval darstelle, während derjenige des Aegypters hinten beträchtlich er-
weitert erscheine. Beim Hindu verschwinde das Antlitz so zu sagen vor
der majestätisch sich emporwölbenden Stirn, beim Aegypter dagegen be-
haupte jenes eine gewisse überwiegende Grösse, namentlich Breite. Bdbn
Aegypter verrathe der mittlere und untere Theil des Antlitzes die Hinnei-
gung zum Sinnlichen, beim Hindu zeige sich das Gegentheil. Einige Spuren
von Prognathismus und die sehr häufig cyKndrische Form der Schneidezähne
entfernten beiderlei Nationalitäten ebeniBlls von einander 2). Die Aegypter-
und der Htn(^- Schädel, welche Pruner a. a. O. abbildet, zeigen sich
in der Vorder- und Seitenan^ht verschieden genug; es bleibt nur zu be-
dauern, dass die Soheitelansicht {Norma verticaKa) derselben nicht mit dar-
gestellt worden.
Pruner berechnete den grossesten Längsdurchmesser dies Schädels der
dem »feineren Typusa angehörenden Aegypter (an 7 Männersc^ädelnj zn
176 Millim., denjenigen des »groben Typus« (an 4 Specimina) zu 180,8 M.,
den eines l^^^iä^- Schädels zu 190 M., den der Hindus (an 5 Stück ge-
messen) zu 179,6 M. 5).
Auch in Blumenbach's Decades I, T. 1, D. VI, T. 42 und in
Retzius »Ethnologisdien Schriften«^) tritt uns der Unterschied zwischen
keine Beweise und nur Scheinbeweise vorliegen« u. s.w. (Reichert und Dubois-Rey-
mond: Archiv für Anatomie et«. Jahrgang 1864, S. 700. Vergl. auch Mayer: A^ypteos
Vorzeit und Chronologie in Vergleichung mit der West- und Ost-Asiatischer Kulturvölker.
Ein Prodromus zur Ethnologie des Menschengeschlechts. Bonn 1862, S. 61 Anm.). Die-
jenigen welche uns nöthigen wollen, den Namen der Art/äs als einen wohlbezeich-
nenden anzuerkennen, bedenken leider nicht, dass sie damit zugleich eine Menge von
Völkerschaften zusammenwerfen, welche die physische Anthropologie zu sondero
genöthigt ist, Völker, bei denen eine (häufig zu beobachtende) Anwendung &hnlioher
Idiome nicht im Einklänge steht mit ihrer Abstammung und daher anderer Erklärung be-
darf, als die dem Philologen nur zu leicht, dem Anthropologen nicht allein genügende
Sprachverwandtschaft. Welcher Anthropolog möchte es z. B. rechtfertigen (wie es
doch aber von anderer Seite so häufig geschehen) , den Däfik mit dem Dtirdm, den Selük'
mit dem Qöhd, Köl , ffiUa oder Görka etc. ohne Weiteres als Aryä$ zusammenzu-
fassen. Hofientlich bringen uns die Eroberungszflge der Russen nach Innerasien in dieser
Beziehung eine gründlichere Aufklärung, als sie uns englische Bemühungen nach dieser
Richtung hin bis jetzt zu schafl^en vermiocht haben.
1) Wir verstehen hier unter Hindu die dem Gebiete der sogenannten »Dramda-
Sprachen« angehörenden Stämme und die Gäur-Bangäl.
2) M^moires de la soci^t^ d* Anthropologie, T. I, p. 411.
3) L. 8. c. Tableau I.
4) Oesammelt nach dem Tode des Verfassers. Stockholra 1864.
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Völkerbewegung, Stammes- n. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiem. 187
dem abgebildeten Hindu -Schtidel (Taf. I Fig. IV) und dem Altägypterechädel
(das. Fig. V) recht klar vor Augen.
Ich selbst fand an von mir untersuchten Schädeln unter Leuten höherer
Kaste [Eäjjpuir-Of&iiex, Brähmän von Metwar) den von Fr un er beschriebenen
Charakter. Der Schädel eines unter dem Wagen von Gagannäta zu Tode
geräderten Faqn'g der eines Seapay von Pandichiry, diejenigen zweier zur
Zeit des grossen Aufetandes bei AUähähäd hingerichteter Seapoys und der
eines im Spital zu Skenderabäd [Sekundrabad] verstorbenen Unteroffiziers^
alle dem Anscheine nach zu niederen Kasten gehörend ^ zeigten dag^en
eine niedere, hinten zurückgebauete Stirn. Ihr langer, mit gewal^
tiger Hinterhauptsprotuberanz versehener Schädel zeigte sich in der Gegend
der Scheitelhöcker schmaler, als die Schädel von Memphis und diejenigen
heutiger FelläXm. Ihr Schädd war höher, gewölbter, weniger prognath als
der Schädel jener, selbst thebaischer Aegypter. Der Antlitztheil erschien
bd Bindu^s höher, breiter als derjenige von Alt- und Neuägyptem. Der
Eindmck jener indischen Crania war ein durchaus anderer als der von
den ägyptisch^i hervorgebrachte. Pruner findet übrigens den Haupt-
unteischied zwischen A^gyptem und Indiem in den mit Weichdieilen be-
deckten Körpern, und hierin pflichte ich ihm vollkommen bei. »Die Haut-
&rbe des Hindu« , sagt unser VerÜEisser, »variirt von den Schattirungen des
Russschwarzen {bieire) bis zum Dunkelbronzefarbenen, ohne sich, soviel idi
weiss, mit Roth zu mischen. Die Augenlidspalte ist bei jenem stets gerade.
Er hat dünne Lippen und ein weder vorspringendes, noch zurücktaretendes
Kka. Der Ausdruck seiner Physiognomie hat etwas Mystisches und Tief-
triumerisches. Sein Haarwuchs endlich, dieser für die Fragen nach dem
Trsprange und der Verwandtschaft der Menschenrassen so wesentliche Cha-
rakter, ist lang, seidenähnlich {soffeux) und von jenem goldigen, durch die
indisdien Dichter so viel gerühmten Schiller. Der Querdurchmesser des
ladktrhaares ist regelmässig -oval und kleiner, als derjenige des Aegypters.
Indem man nun zugeben muss, dass der schöne Typus {type beau, iype ßn)
der alten A^^pter nach einigen Gesichtspunkten sich dem arischen nähert ^),
eutfemt er sich von demselben nach anderen, und wenn man zuweilen in-
dividuelle Aehnlichkeiten gefunden hat, so muss man doch zugeben, dass
die Rasse der Mizraimiten niemals den arischen Typus geziert habe 2).«
Mag man die verschiedensten Typen Vorderindiens von den eigent-
lichen Himb^Sy den Maräfh, Rägputy SiiAy Gäi bis zu den Qö^^, BHUay
KU, Garräu u.a.m., so weit dies eine unbeirftchtliche Autopsie, das Studium
vun rielfach fsirbigen, selbst von indischen Künstlern angefertigten Zeich-
1) Praner hatte nSailich früher angegeben, dass man aiif den ersten Anblick eine
gewisse Aehnlichkeit zwischen Hindu und Aegypter wahrnehme, den kleinen ovalen Schä-
^\j die eleganten, harmonischen Linien an Rumpf und Gliedern, Feinheit der Hände und
der Fü«e.
i) L. s. c. p. 411.
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188 I- Abschnitt. IX. Kapitel.
nungen und von Photographien, so weit es femer die Urtheile vorurdieik-
freier Reisender gestatten, in näheren Betracht ziehen, so findet man unter
ihnen nichts von den physischen Eigenthümlichkeiten des Aegypters. In
dem grossartigen photographischen Prachtwerke der Herren J. Forbesund
J. W. Kaye: »The people of Indiaa, finde ich selbst unter den Darstellungen
der üTharooa von Nepal und der Taray von Rdhüqofid^ höchstens die Manner
in ihrem Gesichtschnitte den alt&gyptischen Darstellungen entfernt ähnlich.
In den photographischen Aufnahmen, welche 1867 die indobritische Abdiei-
lung der pariser Weltausstellung zierten, in den noch reichhaltigeren der
Herren Capt. Lyon und Waterhouse, fand ich nicht ein einziges Por-
trait, welches mich an dasjenige eines Altägypters, Kopten oder FeüäS hätte
erinnern können. Eben so wenige Anklänge vermochte ich in einer vollstän-
digen Serie der berühmten Schlagin tweit'schen Gypsmaskensammhing
indischer Typen zu beobachten.
Wenn man altindische Skulpturen z. B. zu Ellora, Elephantine,
unter den ausgedehnten Bildwerken von Agunta oder Ägajantay Afbdja^
B*atgäün, Hämiseram , Gagannata u.s.w. u. s. w., selbst auch von Bm-
Buddur (Java) betrachtet, so imponiren wohl die melonenförmige Tiara,
welche dem Sxeni, das Perlenhalsband, welches einem solchen Schmuck der
Pharaonen einigermassen zu ähneln scheinen. Das bartlose Antlitz der alt-
indischen Götter, die schlanken Glieder, ihre steife, würdevolle Haltung in
den Steinbildnissen scheinen für den ersten Eindruck an die altägyptischa
Königs- und Götterbilder zu mahnen. Aber es ist dies alles nur schein-
bar, und es gehört die ganze Naivität eines doctrinären Stubengelehrten
dazu, hieraus reale Uebereinstimmung heraustüfteln zu wollen.
Der eigentliche Hindu ist, wie schon Pruner hervorhebt*), kleiner
als der Felläh, Er ist auch weit schmächtiger, ein dürftiges, überaus sveltes,
u. A. von V. Jacquemont und Edward Warren vortrefflich gezeich-
netes Geschöpf. Da nimmt sich denn doch ein RetUy ein Kopte, ein RUik
in seiner Gesammterscheinung weit stämmiger, fleischiger aus. Ein gtit-
genährter Feltäh, welcher den i2«^ -Typus sonst möglichst rein bewahrt hat,
überragt in seinen Umrissen auch den fettesten und behäbigsten Vorder-
indier. Ich konnte diesen Unterschied so recht wahrnehmen, als ich 1860
einige ältere, gutsituirte OuggerätCs in Nähe des Qa^-el-Nil bei Cairo
dicht neben jungen (17—19 Jahr alten) jRjflaÄ^- Soldaten SäHd-Baia's sah.
Der Unterschied war ein so grosser, dass Dr, Bilharz, Vicekonsul von
Herford und ich dadurch auf das tiefste betroffen wurden.
Nun darf man aber die Aegypter, alte wie neue, keineswegs mit
anderen fälschlich manchmal auch indische genannten Stämmen ver-
gleichen, wie die BeUik\ Qörka, die Bewohner von Kagmtr, die Böfa, Ich
habe zur Probe auf Taf. XII verschiedene der von Sir Charles Napier
1) L. 8. c. p. 411.
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Völkerbewegung, Stammes- u. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiem. 189
bezwungenen ^Omrä von Sindht abbilden lassen, welche > wenn sie auch
keineswegs als ganz reine BetüK betrachtet werden dürfen, doch jedenfalls
die Verschiedenheit des in BeluKisHan herrschenden Typus vom ägyptischen
daizuthun geeignet sind. Sollte sich nun Jemand mit seinen Einwanderungs-
ideen gar nach Iran oder Afydarmtän verirren, so rathe ich dem Betreffenden,
da ein solches Verlaufen ja doch höchstens im Gedanken, vom Studier-
st&bchen aus, stattfinden könnte, zum Folgenden: So bethaner Forscher
blättere doch in einem Werke über die Skulpturen von Persepolis nach,
wenn auch nur in Sir Robert Ker Porter's bekanntem Reisebuche ^),
beschaue sich daselbst femer das Bild des Fed-^Mt-Sah und ^Abbäs-Mirza,
oder dasjenige von Nür-e^-IHn'-Xän bei Brugsch^) oder von Dost-Mo^
tammed, MoJiammed-Akbar und anderen ^^än -Häuptlingen bei El p hin-
stone, Atkinson und Rattey^). So ein wilder Oäm vom Eingange
der ffölan-Vässe oder ein kriegerischer Duräni aus OelläUäbäd sieht doch
etwas anders aus, als ein Hermotybier der IVamses u.s.w. Wer nun gar
in die Lage geräth, sich etliche der so schön ausgeführten in den Buden zu
Teheran und Ispahän verkäuflichen Aquarellbilder von Fersertypen oder noch
besser Photographien von letzteren verschaffen zu können — der möchte
denn doch baldigst zur Umkehr nach Afrika bewogen werden. Ich glaube,
dus solche kleine Mittelchen schneller und gründlicher helfen würden , als
illes hochgelahrte Studieren nach Verwandtschaft des Altägyptischen mit
<lem Indoeuropäischen und ab alle Gedankenflüge zur »Wiege der Mensch-
bnU. (Idi nehme hier natürlich Solche aus, die absolut nicht sehen
wollen oder nicht sehen können.)
Man hat sich sogar nicht gescheut, die alten Bauwerke der Vorder^
und Hinterindier mit denen Aegyptens in styl-verwandtschaftliche Beziehung
bongen zu wollen. Gehört aber nicht eine grosse Leichtfertigkeit, ein
Hangel an jedem Formensinn, an aller Vergleichungsgabe dazu, die zum
Theü in Urwäldern versteckt Uzenden Tempel KamhyclBy Birmc^Sy die
Pagoden von G€iff€mnäta u. s.w. mit den Tempeln von Denderah,^ Lttqsor,
Fülae u. a. in Parallele zu stellen? Etwa beispielsweise deshalb, weil sowohl
Asiaten als auch Aegypter Säulen gebauet oder weil beide Völker die ihren
Gewässern entspriessenden Lotosblüthen als Modelle für Ornamente benutzt
haben? Wird nidit jedes sich über die erste primitive Architektur erhebende
Volk Säulen errichten, die solidere Nachahmung des senkrechten Stütz-
balkens eines jeden Wigtoamy eines jeden Toqül oder Wüstengezeltes?
Haben nicht selbst die Mayas und Jhccis säulenähnliche Pfeiler in Anwen-
1} Tratels in Georgia, Persia, Armenia, Ancient Babylonia. London 1822. 4.
1) Reise der Kdnigl. Preussiachen Qeaandtschaft nach Persien. Leipzig 1863, I. Bd.,
'Htalblatt.
3) Elphinstone, KabauL London. 4. Atkinson, Sketches in Afghanistan,
l'oadoii. Folio. Ratte y, Costumes and scenes of Afghanistan. Lond. Fol.
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190 I- Abschnitt. IX. Kapitel.
dung gebracht? Und was die OmamentatioQ anbetrift, so wird &n ban-
beflissenes Volk jedesmal aus seiner natürlichen, namentlich aus seiner pflanz-
lichen , Umgebung Vorwürfe für die Herstellung von Verzierungen mit Vor-
liebe auswählen. So dürften die Griechen au ihrem Aoanthus, die Aegypter
xmd Indier unabhängig von einander auch zu ihrem Nelumbium und Uirer
Nymphaea LotoSy die Juden zum Granatapfel, die Römer zum^PimenzapfeD
gekommen sein. G. Erbkam, jedenfalls der erste lebende Kenner des
ägyptischen Bauwesens, will die Architektur der alten Nilanwohner in steten
Zusammenhange mit dem Charakter des Landes betrachtet wissen. »Denn
wenn sonst schon bei der Entwickelung jeglicher Kunst eines Volkes, Tor
Allem aber der der Architektur, eine nothwendige Bedingung die Kenntniss
des Bodens ist, auf dem sie gewachsen, so ist dies hier in noch viel höherem
Masse der Fall. Die Baukunst der Aegypter ist von ihrem heimathUdi^
Boden nicht loszureissen ; in fremder Erde gebettet erseheint sie eine räth-
selhafte Sphinx, dem Verständnisse des Beschauers unzugänglich ; aber um
so klarer redet sie im eigenen Lande. Unser Interesse wird nicht allein
geweckt durch das Gefühl der Ehrfurcht bei dem Anschauen yon Denk-
mälern, die gewissermassen den Urzeiten menschlicher Civilisation aoge-
hören, sondern es wächst, indem wir erkennen, dass hier eine Kunst ist,
welche das Siegel der Ursprünglichkeit an ihrer Stirn trägt. Als ob Jalu^
tausende hindurch nur dieses eine Volk allein gelebt hätte, ist ihre Kiuct
unbanihxt geblieben von der Einwirkung anderer Völker. Kein fremder
Gedanke mischt sich in die verständliche Form ihrer Säule, kein auswiur-
tiger Lehrmeister überlieferte ihnen die Gresetze und Regeln der Skulptur,
kein Muster des Auslandes stand ihnen zu Gebote bei der eigenthümlichen
Darstellung ihrer Bildwerke, aus dem eigenen schöpferischen Geiste
entsprang hier Kunst wie Wissenschaft, und beide wurden zu Trägern
der Kultur und Gesittung für gleichzeitige und nachkommende Vöike^
sdiaften ^) .a
Durch J. A. N. Perier ist neuerdings die Frage vom Ursprünge der
Aegypter auf ein noch anderes geographisches Gebiet hinübergespielt worden.
Der gelehrte Franzmann nämlich sucht, leider auch wieder vom Schreib-
pulte aus, die Aegypter am oberen Nile, von wo auch Syroaraber oder
Semiten entsprungen sein sollen ^) . Es liegt zwar dieser Speculation einigee
Wahre zu Grunde, aber doch nach anderem Sinne, als Perier dies gemeint
hat 3). Es ist jene Sache im Grunde nicht neu, denn man wolle sich nur
1) lieber den Gräber- und Tempelbau der alten Aegypter. Ein Vortrag, bearbeitet für
die Versammlung deutscher Architekten in Braunschweig im Mai 1852. Besonders abge-
druckt aus der Zeitschrift für Bauwesen, Heft VII, VIII, 1852, Berlin, S. 13.
2) MSmoires de la soci^t^ d' Anthropologie de Paris, I, p. 499 ff.
3) Die »Wiege der Menschheit« am ariden Moqren bei Xardüm suchen heisst gerade
BO interessant verfahren, ab dieselbe auf den Schneegefilden am Oäuri-Sänkar oder O^amä-
läri ertOfteln.
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Völkerbewcgung, Stammes- u. Kasteobildung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiem. J 91
eiinnem, wie der Gihon der G^iesis^ nach Eimgen GehüH oder Araxes^ von
Anderen mit dem Nile in Verbindung gebracht wurde , ohne dais übrigens
diese letztere Ansicht sich für unsere Frage irgend forderlich erweisen
gekonnt
Wenden wir uns nun zur Betrachtung jener Lehren, welche die doctri^
näre Aegyptologie über das sogenannte ursprüngliche Semitenthum der
alten Nilanwohner au&ust^en sieh gemühet bat.
Unt«r den neueren Aegyptologen sucht G. Ebers am lebhaftesten
für die Herkunft der Aegypter aus Asien einzustehen. Derselbe führt
geschichtliche, sprachliche und sogar — anatomische Gründe für sich in
die Schranken. Namentlich wird Czermak's Arbeit über die Zergliederung
zweier (!) Mumien citirt^]. Vor allen Dingen dürfen die Aegypter nach
Ebers keine Neger sein. Da haben wir's wieder — ja die Neger, die
Neger! Nun wird die Eigenthünolichkeit des Körpers der alten Aegypter
nach der von Czermak untersuchten erwachsenen noch, dazu weiblichen
und der Knaben -Mumie (!),. nach den Oi^gansystemea sowie nach ver-
einzelten Angaben von Morton, Betzius, Priohard und Cuvier in
Reihenfolge aufgeführt und die »ursprüngliche Eigenthümlichkeit« der Neger-
rasie nach Waitz' Anthropologie (wörtlich) g^enübergestellt. Ein-
gestreut sind einige selbeigene anatomische Beobachtungen des Prof. Ebers.
Zum Schlüsse heisst es: »Diese übersichtliche ZusammenstcdUung bedarf,
denke ich^ keines Commentares.«
Meiner eigenen Ansicht nach bedarf aber eine derartige Behand-
Ingsweise eines verwickelten anthropologischen Stoffes vor allen IKngen
keines weiteren Conunentares.
Erst ganz neuerlich hat Ebers diese Geschichte wieder ang^^ und
zwar bei Gel^enheit eines im Vereine für Anthropologie zu Leipzig gehal-
tenen Vortrages. Gegen die Abstanmiung der Aegypter aus dem Herzen
Afrikas spreche das jüngere Datum der äthiopischen Monumente, die Ab-
neigung der Aegypter gegen die »iVaAiwi« und die elenden ^Kuach< (Neger),
die Göttersage, nach der die Verschwörung der Bösen gegen die nationale
ägyptische Gottheit im Süden vor sich geht, und besonders die Sprache
U. S, W. 2).
Ich führe hier femer noch das Schlussresum6 von Ebers über die
Herkunft der Nilbewohner aus seinem Werke »Aegypten und die Bücher
Mose's« (S. 53) an: »Die Aegypter waren von kaukasischer Herkunft und
wanderten, wie dies die Völkertafel andeutet, mit anderen Stämmen, deren
Haut sich wohl erst später unter einer glühenden Sonne dunkler färbte, aus
1) Beschreibung u. mikroskopische Untersuchung zweier ägyptischer Mumien. (Sitzungs-
beridite der mathem. naturwissenschaftlichen Classe der kais. Akademie der Wissensch. su
Wien, IX. Bd., S. 427 ff.)
2) Correspondens- Blatt der deutschen Gesellschaft für Anthropologie u. s. w. Jan.
1^71, S» 10.
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192 I- Abschnitt. IX. Kapitel.
dem Zweistromlande 9 wahrscheinlich über Arabien^ in den Nordosten des
afrikanischen Continentes ein. Vielleicht sonderte sich eine Schaar der
Emigranten ab und schlug freudig ihre Zelte in den gesegneten Fluren der
Arabia feliz auf. Derjenige Zweige welcher dem Nil begegnete^ ÜEisste an
den Ufern dieses wohlthätigen Stromes, bis in die heisse Zone hinein^ festen
Fuss« U.S.W. ^).
Ich bemerke auf Obiges nun zunächst^ dass es Niemand mehr ein-
fallen könne, die obernubischen Denkmäler für älter als die ägyptischen
zu halten. Jedermann weiss, dass erstere nur mangelhafte Kopien der
letzteren sind (vergl. S. 98). Indessen hat dies mit der Abstammungsfrage
der Aegypter gar nichts zu thun. Denn die Bevölkerung von Nqpqtq war
bekanntlich bei den Aegyptem in die Lehre gegangen und nahm das dort
Gelernte einfach in die Heimath mit zurück. Die Bevölkerung von Mero'e
dagegen ist jedenfalls durch ägyptische Missionäre in ähnlicher Weise für
den Sonnendienst u. s. w. der Pharaonen gewonnen worden , wie später
durch Sendboten des hläm für die Religion des Propheten. Es schliesst
diese Nachahmung der ägyptischen Kunst, diese. Annahme der ägyptischen
Religion durch Bewohner von Kui keineswegs die Wahrscheinlichkeit aus,
dass die Aegypter selbst nubische Kirnten gewesen, sich aber von den
Ihrigen getrennt, und dann unter günstigeren Lebensbedingungen, im Be-
sitze nicht nur eines weit fruchtbareren Schwemmlandes, sondern auch einer
Meeresküste, unter dem Schutze eines gemässigteren, gesunderen Klimas, in
Berührung mit sehr culturfähigen , namentlich syroarabischen Nachbarn
eine Civilisation geschaffen, welche an sich eingeborene, doch aber auch
fremde, vorzüglich asiatische Elemente in sich aufgenommen habe, wie die-
selbe denn auch wieder sehr Vieles an die nordöstlichen Nachbarn abge-
geben hat. Ich werde aber im Verlaufe dieses Buches beweisen, welche
Fülle echtafrikanischer Institutionen, Sitten und Gebräuche sich in den
ägyptischen wiederfindet, Erscheinungen, welche zwar in Libyen, Sudan,
bei den Guineavölkem und A-Bäntu wurzeln, [dagegen weder in Syrien
noch in Mesopotamien, weder in Iran noch in Hindtcsiän ihre Analogien
haben. Dass, wie Ebers ganz richtig angiebt, die Aegypter grosse Abneigung
gegen die Nqh^d und die Bewohner vom elenden Kus gezeigt, beweist eben-
falls nichts gegen die Annahme einer Abstammung der Sonnensöhne aus
Afrika selbst. Die Retu^ einmal im Besitze ihrer Civilisation imd ihres
Cultus, zu einer in sich abgeschlossenen^ stolzen und thatkräftigen Nation
erblüht, lernten im Laufe der Zeit imd mit dem Wachsthume ihrer politi-
schen Macht, die hinter ihnen zurückbleibenden Beräbra u. s. w. verachten.
Als letztere nun aber ihr Felsenland muthig gegen die Pharaonen verthei-
digten, da kam bei Jenen der politische Hass zur Nichtachtung hinzu. Die
Pharaonen mühen sich ab, um mit allerlei Redeprunk die Bewohner des
1) Aegypten u. s. w. S. 53.
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Völkerbewegung, Stammes- u. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiem. j 93
elenden r>Ku8v zu schmähen, welche an die göttliche Majestät der Ammon-
liebenden nicht recht glauben mochten und diesen durch Jahrhundert« jede
Zollbreite Boden streitig machten. Ist es denn jetzt in den Grenzländern
der ägyptischen Besitzungen etwa anders? Sehen wir nicht auch da ent-
schieden und nachweislich stammverwandte , ja ganz identische, aber in
einzelne Horden gesonderte Völker mit einander in nimmer endende blu-
tige Fehden verwickelt? Erfahren wir nicht, wie diese einander schmähen
und auf das grimmigste hassen? Wie furchtbar z. B. ist die gegenseitige
Abneigung vieler D^wja- Stämme, vieler Berfä gegen einander^). Dass die
schöneren, civilisirteren Retu die ihnen nicht einmal unmittelbar stamm-
verwandten, körperlich schlechter entwickelten eigentlichen Nigritier des
Sudan, als diese ihnen in der Sklavenkette zugeführt wurden, besonders
missachten lernten, ist ganz natürlich. Die Bewohner des Südlandes Kuk
aber als Berahra zu betrachten, lehren nicht nur die alten Benennungen
ihrer Wohnsitze und Stämme (Kap. IV), sondern auch die Völkerdarstel-
lungen auf den Denkmälern selbst, auf denen wir Kenüs, Danäqla u.s. w.
unverkennbar abconterfeiet sehen, endlich die Vergleichung der alten Bilder
von Retu und der Itetu-TA\im\exi mit den heutigen Berahra. Ebers' Be-
trachtungen leiden eben wie die seiner meisten übrigen specielleren Berufs-
geuossen daran, dass von ihnen die Begriffe Neger und Negerrasse viel zu
enge gefasst werden. Wir kennen nicht den Aegypter unmittelbar dem
Neger der Autoren gegenüberstellen, sondern haben erst jene Zwischenfor-
men durchzugehen, welche immer noch unter unserer wie ich denke ganz*
natürlichen Rubrik Nigritier passiren können.
Das Sprachliche unserer Frage werde ich später ausführlicher er-
örtern. Ebenso das Anatomische, für welches letztere ich mit anderen
Zahlen aufwarten kann als Retzius und Czermak. Waitz und vor
Allen Mariette kommen hierbei gar nicht in Betracht, denn diesen Beiden
gehen anatomische Kenntnisse völlig ab. Williamson's, Pruner's,
Paidherbe's^ und B, Davis' Arbeiten scheinen Ebers nicht bekannt
zu sein. Morton aber, auf welchen der Leipziger Forscher sich so gern
beruft, hat bekanntlich seine älteren Ansichten über den Ursprung der
Aegypter noch am Abende seines arbeitsvollen Lebens gänzlich geändert '•*) .
1) Finden wir nicht auch in anderen Continenten, ja »elbst in Europa, dass ursprüng-
lich stammverwandte Völker in wildem Hass, in grenzenloser Verachtung gegenseitig auf
einander platzen, eins das andere zu verdrängen, zu überwinden suchen? Dergleichen Er-
scheinungen nehmen ihren Ursprung theils in der Politik, weraen künstlich angefacht
und unterhalten , theils aber auch in einer sich schneller oder langsamer ausbildenden,
namentlich durch verschiedenartige Entwickelung der Kulturleistungen bedingten, wirk-
lichen nationalen Antipathie.
2) Vergl. darüber Ausführliches bei Hart mann in Zeitschrift f. Ethnologie 1S69
S. 23. 135, 1870 S. 86 ff.
3) »My later investigations have confirmed me in the opinion, that the Valley of the
Nile was inhabited by an indigenous race, before the invasion of the üamitic and other
Et rtmann, Nigritier. 13
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194 I. Abschnitt. IX. Kapitel.
Wie Ebers sein oben angeführtes Schlussresum^ , in welchem er die
Abkömmlinge aus Asien gleich den Insassen der Arche Noae in alten Hilder-
bibeln nach einander aufinarschiren lässt, eigentlich rechtfertigen will, ist
mir bis heute unverständlich. Eben solchen Eindruck gewährt mir sein
Schluss, es scheine, dass mit den Aegyptem auch die sogenannten »schönen«
Hassen Ostafrikas — er meint wahrscheinlich ^ho, Süho oder Säho (S. 3),
Abyssinier im Besondern, Gälä, Danäqil, Sömäli — aus der semitischen
Wiege gewandert sein möchten *) . Später mehr hierüber.
Ich bemerke nun ausdrücklich, dass ich diese Polemik nicht als eine
persönliche, gegen Ebers gerichtete betrachtet wissen will. Uazu schätze
ich diesen Forscher, dessen Schriften mir sonst vielfache Belehrung, Anre-
gung und selbst ästhetischen Genuss gewähren, viel zu hoch. Meine An-
griffe sollen vielmehr gegen ein ganzes, von Ebers und seinen Fachge-
genossen vertretenes System gerichtet sein. Dass ich hier aber unter Vie-
len gerade Ebers herausgreife, geschieht deshalb, weil er seiner Fahne mit
vorzugsweise feuerigem Eifer und mit Geist zu dienen sucht.
Es ist Zeit, dass die neuere Anthropologie, wie ich dieselbe ver-
treten wissen möchte, gegenüber solchen wichtigen Fragen, wie die alt-
ägyptische, Stellung nimmt und sich klar wird, in welcher Weise sie
einer althergebrachten IJehandlungsweise beikommen müsse, die eine be-
queme Phraseologie über sachliche Untersuchung stellen zu können glaubt.
Wir haben bei den für die asiatische Doktrin schwärmenden For-
. Sehern häufig genug die Redensarten: »altägyptische und semitische
Physiognomiena gewissermassen als Waffen für die Behauptung ihrer Lehr-
sätze gebrauchen sehen. — Wie ist denn aber eigentlich eine altägyp-
tische, wie ist eine sogenannte semitische Physiognomie beschaffen?
Halten wir uns hier zunächst an das die Volkseigenthümlichkeit am schärf-
sten charakterisirende männliche Geschlecht. Construiren wir uns einen
alten Aegypter nach dem uns vorliegenden Materiale an Mumienresten, nach
den Denkmälern und nach den heut lebenden, reineren Nachkommen, so
erkennen wir in jenem einen schlankgebaueten Mann mit ziemlich schmalem
Langkopf, massig hoher, ein wenig zurückgebaueter, seitlich comprimirter
Stirn, mit langgeschlitzten, von wenig nach oben und aussen convexen Brauen
Asiatic nations ; and that this primeval people, who occupied the whole of Northern Africa,
boxe much the same relation to the Berber or Berabra tribes of Nubia, that the Saracens
of the middle ages bore to their wandering and untutored, yet cognate brethren, the
Bedouins of the deRert.« (Transactions of the American Ethnological Society, vol. II, p.215.}
Ferner : »>Seven years of additional investigation , togethev with greatly incrased materials,
have convinced me that they (seil. Egyptians) were neither Asiatics nor Europeans, but
aboriginal and indigenous inhabitants of the Valley of the Nile or some contiguous region,
peculiar in their physiognomy, isolated in their institutions, and forming one of the pri-
mordial centres of the human family.« (Nott & Gliddon Types of Mankind, p. 318.
Vergl. Hartmann, Zeitschrift f. Ethnologie, 1869, S. S).
I) Correspondenz-Blatt a o. a. 0.
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Völkerl^ewegung, Stammes- u. Kaslenbildung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiern. 195
überwöU^n Augen, mit stark hervorragender, häufiger sanft gebogener, an
der Spitse ziemlich rechtwinklig in die Scheidewand umbiegender, in den
Flügeln breiter Nase. Die Kiefergegend vorragend, die von den Nasen-
flügeln zu den Mundwinkeln verlaufenden Linien ausgeprägt, die Lippen
sehr fleischig, das Kinn zart, länglich, die Wangen ziemlich breit. Der
ganze Gesichtsschnitt zwar etwas stumpf, dem specifisch Afrikanischen, soge-
nannten Negerhaften vielfach sich nähernd, aber doch nicht typisch nigri-
tisch, dabei anmuthig, der Gesichtsausdruck mild, intelligent, an den Götter-
und Königsgestalten sogar von kaum beschreiblicher Hoheit und Güte. (Taf.
VIII, Fig. 1, 2, 3, 4), Taf. IX, Fig. 1.)
Alt-syroarabische oder wenn wir mal wollen altsemitischc, Physiogno-
mien kennen wir zunächst aus den Denkmälern von Niniveh. Die Menschen
auf diesen Monumenten erscheinen mit massig hoher, gewölbter Stirn, mit
grossen, mehr oval geöffneten Augen, mit sehr vorragender, meist stark
gebogener, an der scharfen Spitze öfters fast hakenförmig nach abwärts ge-
richteter Nase, deren Flügel breit; mit dünnen Lippen, rundlichem Kinn,
wenig breiten Wangen. Sehr üppiges Lockenhaar und starker lockiger
Schnurrbart, namentlich aber sehr langer lockiger Kinnbart verleihen diesen
Köpfen *) ein durchaus charakteristisches Aussehen, welches den grossesten
Unterschied von demjenigen eines Pharaokopfes darbietet. Während a*usser-
dem die Altägypter mit breiter lernst, aber mit sehr schlanken, nicht sehr
fleischigen Gliedmassen, eher kleinen als grossen Jländen und Füssen er-
scheinen, sehen wir die Ninivitcn weit gedrungeneren Baues mit kräftigeren
Extromitäten, vorzüglich mit muskulöseren Armen und Waden, mit grösseren,
plumperen Händen und Füssen, Während nun die bei Kujunsik, NimrTid
U.S.W, zu Tage geforderten, altmesopotamischen Menschendarstellungen
manche Uebereinstimmung mit den altlränischen von Persepolis, Behi-
stüfiy NaM-l-Rustany Naks-l-Regib und Taxt-l-Bostän zeigen, wie uns solche
durch die Darstellungen Sir Robert Ker Porter 's ^j und Anderer^) be-
kannt geworden, erweisen sich dieselben als grundverschieden von
denen der ägyptischen Denkmäler. Wie sehr aber die im heutigen Per-
sien so massenhaft lebenden Türk -Völker von den Aegyptem abweichen,
bedarf wohl keiner weiteren Auseinandersetzung. Die heutigen Aegypter
bieten, so weit sich dieselben innerhalb des reinen ifcÄ^- Typus erhalten
haben, den echten alten Habitus in selten völlig ebenbürtiger, sondern in
mehr verschlechterter, ausgearteter Weise dar. Ich meine hiermit, dass der
heutige Felläh oder Kopte, wo er immerhin als lebendes Abbild der Alten
dienen kann, dennoch einen verhältnissmässig längeren Kopf, eine stärker
1) loh hebe namentlich hervor das bartlose Riesenhaupt von Kujunsik^ einen Giganten-
kopf von Nimrüdf die Köpfe daselbst gefundener geflügelter menschenköpfiger Löwen und
Stiere, einer Sphinx, eines Kunuchenk riegers und eines Königs von dort u. s. w.
2) Travels in Georgia, Persia etc.
3) Rawlinson, Norris, Flandin, Westergaard, Saulcy, Brugsch.
13*
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196 I- Abschnitt. IX. Kapitel.
vorragende und gebogene , an den Flügeln noch breitere Nase , einen mehr
schnutenförmig vorragenden Mund^ noch fleischigere Lippen darbietet als
der Altägypter. Selbst der Schädelbau der Neuägypter scheint für diese
Ansicht zu sprechen. (Taf. IX, Fig. 2, T. X).
Der Neuägypter, politisch und social tief niedergedrückt und physisch
meist verkommen, ist also nicht völlig der Retu von ehedem. Jener hat
vielmehr einen weit plumperen, bäuerischeren Habitus angenommen. Den
feineren Aegypter der Pharaonen bewegte ein anderes Geistesleben, er half
die oft sehr lebhaften Regungen innerhalb der eigenen Nationalität unter-
halten, er schuf beträchtliches in Künsten, Wissenschaften und in der In-
dustrie, er war Träger eincjr aus seinem eigensten Wesen herausgebildeten,
die ganze alte Welt beeinflussenden Kultur. Auf dem damals blühenden,
so Vieles reichlich hervorbringenden Boden Aegyptens, bei grosser Wohl-
feilheit der Lebensweise , entwickelte sich der Sohn des Nilthaies zu einem
in seiner Gesammterscheinung anmuthigeren Menschengebilde. Er kam
jedoch allmählich unter dem Einflüsse der Fremdherrschaft herab, physisch
wie moralisch. In heutigen Tagen duldet der Aegypter unter der Brutalität
und Habgier seiner Bäm^s und Bey*s, er sieht eine abendländische Kultur
auf sich eindringen, die ihm zwar imponirt, die er aber nur schwer ver-
steht und für welche er sich noch immer nicht genügend zu erwärmen weiss.
Zudem fehlt es den Vermittlem dieser sich ihm aufdrängenden, fremd-
ländischen Bildung grossentheils an der nöthigen, theoretischen wie prakti-
schen Befähigung und an der Würde, der Integrität des Charakters, welche
allein dauernden Erfolg gewährleisten und welche civilisatorischen Bestre-
bungen erst den rechten Erfolg, die echte Weihe sichern können. Es tritt
uns im heutigen Kopten und Feüäh das beklagenswertheste Halbgebildc
entgegen, welches vergeblich nach einer erträglichen Existenz zu ringen sich
bemüht ^) . Vielfach geschmäht und getadelt , sollten diese Menschen nicht
gänzlich unserer Sjrmpathie verlustig gehen, indem dieselben, trotz der
schrecklichen Stürme, von denen sie durch Jahrhunderte erschüttert wurden,
doch immer noch gewisse bessere Eigenschaften ihrer grossen Ahnen mit
bemerkenswerther Zähigkeit bewahrt haben. Trotzdem nun, wie ich oben
angeführt habe, die heutigen reiner gebliebenen Aegypter in ihrer physischen
Beschajffenheit sich verschlechtert zu haben, noch nigritischer geworden zu
1) Vergl. darüber meine Reisebeschreibung, die Skizze der Nilländer, A. v. Krem er
Aegypten, G. Ebers durch Gosen zum Sinai und H. Stephan das heutige Aegypten.
Es hat mich eigenthümlich berührt, dass der Verfasser des letztgenannten vortrefflichen
Buches meine eigenen Arbeiten über das ägyptische Nilthal gänzlich übersehen hat, Ar-
beiten, aus denen sich doch, wie ich denken sollte > noch mancherlei Belehrung hätte
schöpfen lassen, zumal gewisse andere Literaturerzeugnisse von sehr zweifelhaftem Werthe
(z. B. Clot, About) durch den Verfasser mit Eifer citirt worden sind. Es überrascht
mich dies um so mehr, als nicht wenige der von Herrn Stephan gefällten Urtheiie mit
(Jen von mir ausgesprochenen die erfreulichste Uebereinstimmung zeigen.
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Vülkerbewegung, Stammes- u. Kastenbildung miter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiern. ] 97
sein scheinen als die alten Reiu, so unterscheiden sich erstere doch noch
•beträchtlich von den Stadt- und Landbewohnern, auch den Nomaden der
benachbarten Gebiete Palästinas, Syriens und Arabiens. Hierauf
will ich später, wenn ich zur Betrachtung der geschichtlich verbürgten
Einwanderungen asiatischer Stämme nach Afrika übergehen werde, ausführ-
licher zurückkommen.
Hören wir nun erst noch einen der ausgezeichnetsten Kenner des
Alterthums, den unvergleichlichen Movers. Er sagt u. A. : »Die Religion
der Phönizier ist zugleich die des grossen semitischen Volksstammes, die
sich wieder vielfach verwandt an jene der indopersischen Völker anschliesst.
Namen und l^egriffe von Gottheiten, Symbole, Cultusweisen und manche
religiöse Vorstellungen sind schon in alter Zeit von Indien an über Assyrien,
Babylonien, Aram bis nach Kleinasien verbreitet, und finden sich ebenso in
Phönizien, aber auch in Aegypten wieder. Man hat also, um einen Er-
klärungsgrund für derartige Uebereinstimmungen anzugeben , entweder alle
vorderasiatischen Religionen in Abhängigkeit von der ägyptischen zu brin-
gen, oder dem Semitismus insbesondere durch Phönizien Einfluss auf
Aegypten einzuräumen. Die erstere Ansicht ist bekanntlich sehr beliebt.
Aegypten gilt den Mythologen und Alterthumsforschem als die Heimath
aller Religion im Westen und Osten. Man pflegt wohl mit Indien eine
Ausnahme zu machen und nimmt hier den Ausgangspunkt alles religiösen
Glaubens und Wissens an. Von Indien her haben sich zur See Priester-
kolonien zuerst nach Meroe begeben, die dann nach Aegyi^ten übersiedelten,
von wo sie Missionen weiter ins Innere Asiens bis an die Grenze Indiens
veranstalteten. Diese Hypothese ist aber zu sehr Chimäre, als dass man sie
im Ernste widerlegen dürfte, und es genügt,* ihr die einzige Thatsache ent-
gegen zu stellen, dass der Gang der Cultur und die Verbreitung religiöser
Ideen, auch jener der alten Völkerwanderungen von Osten nach Westen
nicht rückwärts ist ; andererseits aber, dass eine Cultivirung Aegyptens
unmittelbar von Indien her, oder auch von dort über Aethio-
pien, mindestens gesagt, völlig unerweislich ist, und aus einer
Verwandtschaft indischer und ägyptischer Religion, die sich bei allen asia-
tischen nachweisen lässt, nicht folgt. So lange also der Satz sich bewährt,
dass Religion und Cultur ihren Gang nach Westen nahm, sind wir, um
das Problem einer Verwandtschaft der asiatischen Religionen zu lösen, an-
gewiesen, den ältesten Völkerwanderungen nachzuspüren, wie es hinsichtlich
des semitischen Volksstammes von Babylonien bis ins Innere von Aegypten
von uns geschehen ist. Um nun hier festzustellen, welchen Einfluss von
dort her der Semitismus ausgeübt hat, wäre der primitive Charakter semi-
tischer und ägyptischer Religion anzugeben, und wofern sich beide wesent-
lich unterscheiden, würde dann im Allgemeinen mit Sicherheit die Ermit-
telung der fremden und später hinzugekommenen Elemente geschehen können.
Die Religion beider Völker war aber Naturdienst, jedoch darin ihrem Grund-
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198 I- Abschnitt. IX. Kapitel.
wesen nach verschieden, dass die eine auf Thierdienst, die andere auf Ver-
ehrung der Gestirne basirt ist; denn die Grundlage der Religion der Aegypter
kann um so sicherer für Thierdienst ausgegeben werden, da sie einem Volks-
stamme angehörten, dem afrikanischen Negerstamme, der von Alters her
sich auf dieser Religionsstufe erhalten hat. Da nun hier, an der Scheide
zwischen asiatischen Völkerschaften und afrikanischen, sich das, was das
Wesen der Religion bei beiden ausmachte, mit einander vermischt hat, in
wie fern die Gottheiten der Aegypter in Thieren und auch in Gestirnen
verehrt wurden, so lässt sich im Allgemeinen annehmen, dass siderische
Elemente von Phönizien her erst in die ägyptische Religion eingedrungen
sind u. s.w. ^).«
Ich dächte, wenn unsere Alterthumskundigen, vor allen unsere Aegyp-
tologen sich die Mühe genommen, das classische Werk ihres hervorra-
genden Fachgenossen einmal zu prüfen, selbst nur obige Stelle durchzu-
lesen, so würden dieselben doch schwerlich so blindlings und leichtsinnig
mit ihren Einwanderungstheorien umgesprungen sein. Gewöhnlich sind es
Naturforscher gewesen, welche das Autochthonenthum der Retu gegen
Archäologen uud Philologen vertheidigt haben. Ungemein charakteristiscli
aber für die Sachlage, bezeichnend für die wurmstichige Beschaffenheit des
von der anderen Seite aufgerichteten Gebäudes ist es, dass einer der be-
deutendsten Alterthums- und Geschichtsforscher aller Zeiten selbst an den
Grundlagen jenes Gebäudes mit so starker Hand rüttelt^).
Auch ich habe schon früher meine Ansicht über die Herkunft der
Aegypter aus Nubien, dem heutigen Beled-el-Berdbra^ zu entwickeln ge-
sucht. Zu einer Zeit, in welcher die heutige §aRarä noch ein Meer gebildet
hatte, sind die zwischen dem W und 18® N. Br. sich erstreckenden festen
Ländereien jedenfalls schon von Menschen bewohnt gewesen, welche ver-
wandtschaftliche Beziehungen zu den Nöbah in Kordüfän und den die inner-
sudanischen Südrande der Sahara innehaltenden Eingeborenen gehabt hatten.
Die Bildungen Obemubiens sind grossentheils älter als die ausgedehnteren
Unternubiens und Aegyptens. Nachdem nun die aus den (heut innerafrika-
nischen) Bergen in das Ä'aÄarä-Meer sich ergiessenden Xüär oder Wildbäche
und Ströme Massen von Schweramproducten , Sand, Schlick, Steine hinein-
gewälzt in die salzige Fluth der grossen vom Atlas nordwestlich begrenzten
^aÄarä-15ucht, konnte sich allmählich vor die Einbuchtung eine neerung-
artige Landmasse absetzen, »ein Geschenka der oberen Wildbäche, des nubi-
schen Niles u. s. w. Diese Laudmasse wuchs unter dem Einflüsse der Strö-
mungen mehr und mehr, schloss sich endlich und verwandelte das gegen
die mittelländische See nunmehr abgesperrte Saharü-M.&ßx in ein brackiges
1) Die Phönizier. I, S. 40. 41.
2) Movers* Arbeit enthält übrigens noch viele auf Obiges bezügliche, meine hier
vertretenen, Ansichten bestätigende Stellen.
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Völkerbewegung, Stammes- ii. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiern. \ 91)
schlammreiches Binneiiwasser. Unter dem Einflüsse einer höchst intensiven
durch Sonnenhitze, heisse Winde, Dürre bedingten Verdunstung aber
trocknete das Binnenwasser allmählich aus und verwandelte sich dies zum
grossen Theile in eine dürftig bewachsene Wüste, jene lebensarme Erd-
strecke, welcher die durchglühete Hochebene der Hammädah, die »Wüste
der Wüsten« das selbst im Gedanken eines abgehärteten Amosay und Bedäwi
grauenvollste Bild der Oede, des Abgestorbenseins schafft. Dieser Wüsten-
boden der eigentlichen Sahara ist so rechtes Produkt allmählicher Ablage-
rung aus dem Meere. Derselbe zeigt sich auf ungeheuere Strecken von
Gyps gebildet, welcher eine mehrere Zoll dicke , öfters in Scherben ausein-
ander klaifende Kruste darstellt und von Sand, Gries, Rollsteinen überlagert
wird. Im ^5/* oder Süfy der von Ttiqurd sich bis nach Tunesien erstreckenden
Sandwüste, finden sich bei 20 und mehr Fuss Tiefe mächtige Lager von
zum Theil grossen die Gypsform charakterisirenden Krystallen, in denen
man ausser 37% Quarzsand noch 41,40% Gyps beobachtet hat^).
»Die SaXarä zeigt übrigens eine Menge Reste von Weichthieren des
Meeres. Man bemerkt da vorzugsweise Herzmuscheln [Cardium edule),
femer Austern, Kammmuscheln, Flügelschnecken, Thurmschnecken , KruU-
schnecken u. s. w. Eine grosse Zahl von Resten der Süsswassermollusken
deutet auf das ehemalige Vorhandensein nunmehr längst versiegter Bäche
und Ströme hin, deren Wasser vom Erdreiche aufgesogen wurde. Ja es
finden sich heut noch directe Ueberreste dps früheren ÄJÄarö-Meeres. Es
sind das die ood oder Salzteiche des Innern ^j und die Küstenseen , unter
letzteren ausgedehntere Bildungen, wie BuKeret-Marlüd, B,-Burollos, B,-
Memäleh, In diesen ägyptischen Küstenseen leben noch jetzt ausser Ilerz-
und Venusmuscheln auch Meerschnecken (Nassa neritea, Cerithium
t>ulgatum)y sowie Süsswassermollusken, z. B. Ampullarien [A. obovata),
Lanieten [Lanistea carinalus), Physen [Physa contorta), Paludinen
(Paludina bulimoides) u.s.w. Femer Wasserskorpione von bedeutender
Grösse [Beloatoma), Ruderwanzen [Noionecta], Wasserkäfer [Dytiscus]
U.S.W. In den uatronhaltigen Seen des Innern leben Schaaren von Mücken-
larven, von Cypriden, Daphnien u. s. w. See- und Süsswassergebilde treffen
hier zusammen ^) .
1) Desor: Aus Sahara und Atlas, S. 8. 24. Martins von Spitzbergen: Zur
Sahara. D. A., U, S. 279 ff.
2) Einige derselben sind sehr bedeutungsvoll. Einstmals, zu Ftolemäus Zeit, gab es
8. B. eine Verbindung zwischen Sod-el-kebür und Nefzäwa oder Triton-See, S.-el-Uend
oder Pallas- See f und ^.-el-Melyiy oder libyschem See. Zu Herodot's Zeit war das
Alles ein ungeheuerer See, der des Triton. Gegenwärtig findet man diese Sod im Sommer
zum Theü trocken, im Winter voll Wasser, aber auch selbst in der trockenen Zeit strecken-
weise tief morastig. (Duveyrier Touareg, p. 42.)
3) Hartmann, Reise, S. 12, Nü-Länder S. 204ff. Ed. v. Martens Uebersicht
der Land- und Süsswasser-Mollusken des Nilgebtetes. (Malacolog. Blätter 1865). Nassa
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200 I- Abschnitt. IX. Kapitel.
O. Fraas bemerkt, dass die Ingenieure unter dem ägyptischen Cultur-
boden einen losen, schwimmenden Meeressand fänden, über welchen sich
erst der zarte Nilschlick ausgebreitet habe. Wo nur seine Barke das Land
gewann und Steine am Ufer ihr Zeugniss ablegten, hatte man nur altes
krystallinisches Gebirge unter den Händen oder modernen Meeressandstein
und Riffkalke. Gleich die Bucht von Suwes werde, ehe das miocäne Isthmus-
Gestein anfange und sich bis zum Durchstich von El-Kisr an den Fuss der
eocänen Felsen lagere, von einem jüngsten Tertiär, sogenanntem modernen
Meeressandsteine, begrenzt, dessen Felsen 10 — 12 Fuss über der Fluthmarke
lägen. Im Norden der Ä^tre«- Bucht, bei der Einmündung des maritimen
Kanals breche man zur Ebbezeit einen zur Fluthzeit unter Wasser gelegten
harten Felsen aus, der aus I^ollstücken und Meermuscheln zusammengesetzt
sei. Die Arten der Muscheln, die Fraas beobachtete, würden noch heut
von der Fluth an den Strand geworfen und gehörten zu der jetzigen
Fauna des rothen Meeres*).
Die Sahara zeigt stellenweise eine Depression unter den Spiegel
des Mittelmeeres. Ohne mich hier in eine weitläufige Auseinandersetzung
dieser Erscheinung einlassen zu können, will ich aber doch einzelne Beob-
achtungen auf diesem Gebiete hervorheben, um den uneingeweihteren Leser
einigermassen von der erwähnten Sachlage unterrichten zu können; Eine
etliche 20 Meter betragende Depression zeigt z. B. die SaKarä an ihrem
nördlichen Saume am Sod- Melyl'^, Zwischen der Kette der grossen Salz-
seen, die sich gegen Osten hinzieht, und dem Meerbusen von Qabs kommt
keine wesentliche Bodenerhebung mehr vor und bedürfte es nur einer ge-
ringen Senkung, um das Mittelmeer mit dem grossen Sod-el-Gerid in Ver-
bindung zu setzen, somit aber ein weites Feld der Wüste wieder in ein
Binnenmeer zu verwandeln 2) . Jener ungeheure Rest des ^aÄara- Meeres,
der See Fegeg liegt nur noch 16 Kilometer vom Meere entfernt; bräche diese
Landenge durch, so würde die Sahara wieder ein Meer, ein Arm des Mittel-
ländischeü Meeres ^) . Im östlichen , das Nilthal begrenzenden Theile der
Saharäy in der sogenannten libyschen Wüste, hat Rohlfs eine beträcht-
liche Depression aufgefunden, die um jene Oasen her sich zieht, welche
von der Südost-Bucht der grossen Syrte bis zum sogenannten Nilrücken *),
d. h. einer im Westen des Nil sich hinziehenden, sich in die Länge deh-
nenden Platcauerhebung, reichen. Rohlfs berechnete diese Depression an
einer Stelle bis 107 Meter unter dem Meeresspiegel [Btr-Hesäm) ^). Ugilah
neritea sass im November 1859 in zahllosen Mengen an dem die Marschen um den
Mureotis-See bedeckenden blühenden Epilohium hirsutnm. (H. Reise. S. 12.)
1) Aus dem Orient. Geologische Beobachtungen u. s. w. S. 180.
2) Desor a. a. O. S. 43.
3) Martins a. o. a. O. II, S. 277.
4) DaKeret-el-mi
5) Von Tripolis nach Alexandrien. Bremen 1871, II, S. 43.
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Völkerbewegung, Stammes- u. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiern. 201
befindet sich etwa 52 Met., IVät-elStwah befindet sich etwa 34 Met. unter
dem Meeresspiegel. Das Depressionsgebiet erstreckt sich nach Rohlfs
wahrscheinlich über das ganze sogenannte, im Westen erst vom Gebet-
Harüg b^renzte Syrtenmeer *). Auch der Birket-el-Oarn, das sogenannte
Ba/ier-belah-Mäy welches letztere von Ost nach West und Nord streicht,
und die Natronseen liegen tiefer als das Mittelmeer, sind also gleichfalls in
das grosse Depressionsgebiet der Sahara mit einbegrifien 2) . Wät-el-Bahrteh
soll 156, W.-elr-Fajjüm 11 pariser Fuss unter dem Meeresspiegel befindlich
sein 3). Russegger hatte angenommen, dass der im Depressionsgebiete
der libyschen Wüste gelegene Oasenzug (-Rjy'öm, Stwah, BaKrlehy Daxcl,
Xargeh) als das Strömungsthal angesehen werden müsse, welches sich zwi-
schen dem Nilrücken und den ihm parallelen westlich-libyschen Höhenzügen,
Riffen des ehemaligen ^^rä- Meeres, erstreckt habe. Innerhalb solcher
Riffe, die im libyschen Meere sich ähnlich verhalten haben müssten, wie die
Korallenbänke im rothen Meere, sei dies Wasser gewöhnlich tiefer als an
der äusseren Riffseite ^) und rühre daher die längs der Küste stärkere
Depression des Meeresbodens *) . Es bliebe nun zu untersuchen , ob An-
gaben, wie Russegger sie für die libysche Wüste gemacht hat, auch "für
sonstige Depressionsstellen der westlicl^en Sahara stichhaltig sein dürften.
Nach Allem erscheint übrigens RohlTs Idee, die Sahara durch einen
kühnen Gewaltsakt, eine Durchstechung des Landes von Bir- Besam aus,
wieder in Meer zu verwandeln, dadurch aber eine bis jetzt verödet liegende
Wüstenstrecke dem Völkerverkehre zu eröffnen, die fruchtbare Cyrenaica
in ein wirkliches Inselland umzuschaffen, es erscheint mir jene Idee nach
Obigem theoretisch nicht so unpraktikabel, als Mancher wohl denken
möchte. Schreiber dieses begiebt sich übrigens hier jedes Urtheils über die
praktische Ausführbarkeit eines so grossartigen Vorschlages, hin-
sichtlich deren Zenker auf scharfsinnige Weise seine wohlbegründeten
Bedenken geltend zu machen sucht®). —
Die Aegypter können nun von den obemubischen Districten aus erst
ganz allmählich ihr späteres Hesitzthum oecupirt haben, indem dies nur
nach und nach unter steter Landbildung dem Nile sein Bett bereitete.
0. Fr aas sagt in jenem bereits erwähnten mit eben so tiefer Sachkenntniss,
als mit Anmuth geschriebenem Werke: mitten hinein in dies eocäne Ge-
birge am Nil sei der riesige Spalt gesprungen, der dem rothen Meere parallel
1) Vergl. die gelehrte und übersichtliche Auseinandersetzung dieser Verhältnisse in
W. Zenker's Arbeit: lieber das Depressionsgebiet der Libyschen Wüste. Zeitschr. d.
GeseUsch. f. Erdk. Vin, S. 209—219.
2) Hartmann, Nil-Länder S. 77.
3) Hartmann a. a. O. S. 57. 58.
4) Wie es sich allerdings auch an anderen Riffbildungen der Meere verfolgen lässt.
5) Reisen, II, 1. Th., S. 277 ff.
6) A. a. O. S. 214.
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202 I. Abschnitt. IX. Kapitel.
laufe und in einer ähnlichen Breite wie das rothe Meer mit dem Nilgmnde
au8gefullt und vom süssen Wasser des Sudan gespeist werde ^). Es rollte
der Nil schon seit Jahrtausenden^ vom rascheren Ba^r-el-azroq , vom trägeren
BaKer-el- Gebet, vom periodischen Atbärah unterhalten, aus den centralen
Tafelländern niederwärts. Er hespülte jene Gebietsstrecken, in denen zur
Miocänzeit die Wälder einer Sterculiacee? [Nico Ha aegyptiaca) er-
blühten, eines Haumes, dessen Spuren man von der Gegend Magdah^s in
Abyssinien 2) schon bis zum Gebel-Hasab unfern Cairo ^) verfolgt hat. Ver-
kieselte Stämme einer den Araucarien verwandten Baumart [Dadoxylon
aegyptiacum) verfolgte man von Abü-Hammed und Ddbbeh aus bis Aegyp-
ten^). Gern wollen wir den Ansichten von Fr aas Vertrauen schenken,
welcher nachweisen will, dass Aegypten in den älteren Zeiten seiner Exi-
stenz wasserreicher gewesen, als später, dass die Wüste anfangs nicht jene
Herrschaft geübt habe, wie jetzt, und dass erst allmählich das Klima ein
anderes, die ganze Bodenbeschafienheit und das Menschenleben im Nilthale
änderndes geworden sei. Wir mögen ferner zugeben, dass es nicht statthaft
sei, aus der Mächtigkeit der Culturreste bergenden Nilschlammlagen mit
annähernder Genauigkeit so und so viele Jahrtausende herausrechnen zu
wollen ^) . Andererseits hat aber auch^ das Culturleben im Nilthale seine
Grenzen durch die Thalufer gefunden. Während der auf das alte Reich
folgenden Dynastien mag es mit den gepriesenen Äo/irf-Wäldem (Acacia
tiilotica) nicht mehr so gut gestanden haben, als zur Zeit der Pyramiden-
erbauer, aus deren Periode die dem Eber (Sus Scrofa ferus) Schutz ge-
währenden schwer durchdringlichen aSo/*^ -Dickungen bei Saqärah und im
Fajjüm Ueberreste bilden*). Ich bin doch überzeugt, dass die thebaischen
Herrscher ihre Gräber mit Absicht in jene stille Wüste verlegt, welche da-
mals vielleicht nicht so öde, nicht s o vegetationsleer gewesen , wie heute').
Auf diesem Boden nun, dessen Entstehung ich oben zu skizziren ver-
sucht habe, entstand jene poetische Götterlehre, welche dem ägyptischen
Alterthume ein zwar eigenthümlich lokales, aber auch desto reizvolleres
1) Aus dem Orient, S. 113.
2) Sitsungsberichte der mathemat. natunrissenschaftl. Klasse der Wiener Akademie,
Juli 1866.
3) Fraas a. a. O. S. 158flf. Vergl. die interessante nach einer Photographie ange-
fertigte lithographische Abbildung des versteinerten Waldes im Atlas zu Tr6maux'
Voyage. pl. 52.
4) Hartmann, Nil-Länder S. 70.
5) Hartmann, Zeitschr. f. Ethnologie, 1869, S. 36.
6) Hartmann a. o. a. O., 1871, S. 108 Anm.
7) Ich erinnere daran, dass es ja noch heut am Saume der ägyptischen (libyschen
wie arabischen) Wüste grössere Strecken giebt, denen Mengen von ffedysarum,
Cassien, Acanthodtum, Aerua, Fagonia, Bunias, Chrt/aoconia, ^phedra,
Calligonum ^ Pergularia, Cucumis ^ Trigonellüt Crotalaria, Zilla, Mori-
candia, CrozophorUf Artemisia u. s. w. u. s. w. eine gewisse Aomuth verleihen.
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Völkerbewegung, Stammes- u. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiern. 203
Wesen verlieh. Hier sehen wir die Entwicklung eines reinen Naturdienstes,
die pietätvolle, geist- und gemüthreiche religiöse Anerkennung und Vereh-
rung jener regelmässig wiederkehrenden grossai tigen Naturerscheinung, welche
Ägypten zu einem unerschöpflichen Honi ewiger Fruchtbarkeit macht. Auf
diesem Boden waid Osiris erdacht, d. i. das befruchtende Nilwasser, Isis
dessen Gattin, das davon durchtränkte befruchtete Erdreich. Typhon, des
Osiris Bruder, welcher jenen mordet, personificirt die das frische organische
Leben beeinträchtigende, der Nilüberschwemmung folgende trockne Zeit vor
dem Xartf oder der Schwellung des heiligen Stromes, namentlich auch jene
verdorrenden, heissen, Kibli, Xanrnn, Samümy Harmadän genannten, aus
der Samara her wehenden Luftströmungen *) . Horus, des Osiris und der Isis
Sohn, welcher den Typhon besiegt, ist Symbol des sich erueueniden Xarif,
Selbst die Beziehungen des Typhon zur Nephthys, die Gewaltthat des
Horus gegen seine Mutter Isis, scheinen doch ein weiterer Aus<lruck für die
obigen Wechselerscheinungen in der nilotischen Natur zu sein. Das Meer
galt zwar als Thräne Typhon's, ward aber trotzdem von den Aegyptem
eifrig befahren (S. 55). Wenn Ebers bemerkt, dass die Verschwörung der
Bösen gegen die nationale ägyptische Gottheit im Süden vor sich gegangen
sei (S. 191 2) ), so bringt uns gerade dies auf eine ganz richtige Spur; denn
von Süden her, aus dem oberägyptischen und nubischen Theile der libysch-
arabischen Wüste, aus der Bejüdah-Ste\>yie und aus den Steppen von Kor-
düfafiy Sermar und Täqä her wehen jene verderblichen vorhin erwähnten
Sudwinde über Aegypten hin. Sie sind es, welche die gegen das gute Princip
Aegyptens verschworenen Bösen repräsentiren. Eine früher charakterisitte,
allmählich ausgebildete nationale Feindschaft der Aegypter gegen Kus (S. 193)
mag dazu gekommen sein, der schönen Symbolik noch einen gewissen realen
und zwar gehässigen Hintergrund zu verleihen, indem man überhaupt alles
Böse dem Süden zuschrieb. Freilich ist der Sudan im Vergleich zu
Ägypten und Berberinerland ein böses Gebiet, der Erzeuger tödtlicher
Fieberkrankheiten, das Land undurchdringlicher Wälder, wilder giftiger
Thiere und barbarischer Menschenstämme. Noch jetzt geht ein Zug ganz
natürlichen Abscheues gegen Beled- Sudan durch das Aegyptervolk. Man
betrachtet es ja als eine Art Verbannung, von Beled-Misr aus als Beamter,
Soldat u. s.w. nach Där-Sennär, Där-Kordüfan oder dgl. gesendet zu werden.
Höchst abenteuerliche Gerüchte über den Südäfi circuliren zudem in Cairo,
Alexandrien u. s. w. nicht allein unter Türken und Aegyptem, sondern auch
unter gebildet sein wollenden Europäern. Ich erinnere mich aus unserer
Zeit noch manches tollen, mit dem eben Gesagten im Zusammenhange
stehenden Spasses. Ich könnte ein kleines Anekdotenbuch mit derartigen
Erinnerungen füllen. Man möge nun solche Verhältnisse doch wohl be-
ll Hartmann in Zeitschr. f. Ethnologie, 1809, S. 45.
2) Correspondenz-BIatt a. o. a. 0.
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204 I- Abschnitt. IX. Kapitel.
TÜcksichtigen^ wenn man die das Verhältniss des Nordens zum Süden
betreffenden Punkte in der altägyptischen Götterlehre in den Bereich kriti-
scher Untersuchung ziehen will. Auch der während der iTyj'WW-Herrschaft
sich entwickelnde Gegensatz zwischen dem von Fremden besetzten Norden
und dem durch eingeborene Häuptlinge gehaltenen Süden Aegyptens mag,
wie oben angedeutet worden, in die Osirissage mit hineingespielt, dieser
letzteren noch eine bestimmte politische Bedeutung verschafft haben.
Ebers bemerkt nach Ausfuhrung der plutarchischen Darstellung der
Osirissage, dass »wenn auch diese Mythe das vegetative Leben der Natur,
die Bahn der Sonne und die Schicksale der Menschenseele in gleicher Weise
personificire , dennoch auf ihrer Beziehung zu dem Leben nach dem Tode
der Hauptnachdruck zu ruhen scheint. Das war ja ein merkwürdiger Zug
des ägyptischen Wesens, dass das diesseitige nur als Vorbereitung für das
jenseitige Leben aufgefasst wurde. Ihm angemessen hat es kein Volk ge-
geben (die Anhänger der reichen Lehre des Zoroaster nicht ausgenommen),
das seine Vorstellung von den Schicksalen der Seele über das Grab hinaus
so tief ins Einzelnste hinein ausgebildet hätte, als die Aegypter u. s. w. ').o
Obiges gern zugegeben , dürften doch die Erscheinungen der a Ujähr-
lichdn Nilüberschwemmung, des Xarlf, und der Heda, trockenen Zeit, als
das der Osirissage zunächst zu Grunde Liegende anerkannt werden müssen.
Wie bei so vielen Culturvölkern, welche eine Geschichte gehabt, geht
auch bei den Aegyptem den historischen Zeiten eine frühere mythische
voraus, ier Hor-sesUy bei welcher die Götter regierten, Horus selbst die
Zügel hielt. Das »vom Nile geschenktea Land war uranfänglich in kleine
Ländchen zersplittert. Die Priester scheinen damals eine Hauptrolle gespielt
zu haben. Gewöhnlich gilt Menes, M§na, als ältester der Pharaonen.
Dieser Menes, welcher von TMs, Thinis oder Tqni, aus dem Hauptorte des
abydischen Gaues gekommen, war kein etwa nach Aegypten gelangender
Fremder, sondern ein eingeborener Stammeshäuptling, welcher die sehr
vereinzelten, ihre Specialdynastien, ihre Duodezfürsten besitzenden Reiu-
Stämme des Nilthaies erst zu einer einigen Nation verschmolz. Von
Menes gehen die Pharaonen der ersten Dynastie wohl über 5000 vor der
christlichen Aera nach Lesart der eine geschichtliche Reihenfolge streng ein-
haltenden, durch Mariette zu Tage geforderten 2) Kartuschen, nämlich
l) Mena, 2) T^t^y 3) Atetq, 4) At^y 5) Tqt^q-üy 6) Meribüau [Miebidos],
7) [Atif)y 8) y>Kabuhmy 9) Bufau (Boethos), 10) Kqkqü (Kaiechos) , ii) Bin-
nuter y 12) Utnqs, 13) Senta, 14) (T^^*.^), 15) Neb-hq^ 16) Sqrsa^ 17) Tetq,
18) Sqtesy 19) Nef^-Kqrq, 20) Sn^fru^ 21) Xufu, 22) R'a-tqirfy 23) Safri^,
1) Durch Gosen zum Sinai, S. 477.
2} Auf einer im grossen Abydostempel aufgegrabenen Tafel B^i des /. und seines
Sohnes E'atnses bezeigen Beide 76 Herrschern rite ihre Ehrerbietung.
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Völkerbewegung, Stammes- u. Kaslenbildung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiem. 205
24) Mfnieray 25) Ases-Kef^). Mfna schuf also, indem er die Hierarchie
beschränkte^ einen mehr militärisch-bürgerlichen Staat, welcher mit Unter-
brechung der JETy^^o«- Herrschaft und der sogenannten Priesterdynastie, der
21., bis zum Einfalle des /rän«r-Königs Kambyses dauerte^). Jene oben
angedeutete Zersplitterung Altägyptens in kldne von besonderen Fürsten
regierte Ländchen, welche erst durch Mqna unter einen Hut gebracht wur-
den und Yon welcher die Gauverfassung des Einheitsstaates noch gewisse
Anklänge bewahrt zu haben scheint, findet — und ich glaube, dies verdient
unsere volle Beachtung — ihr Analogon in der älteren Verfassung des Beled-
el-Beräbra. Auch Nubien zerfiel in zahlreiche kleinere Staaten , anderen
Spitze je ein zugleich priesterliches Oberhaupt stand, welches bald als MeUky
König, oder als Sex, Häuptling, Souveränitätsrechte in Anspruch nahm, bald
als Näsir oder Käsif im Schutze eines mächtigeren Nachbars seine Existenz
fristete oder wirklicher Vasall eines solchen war. Im Mittelalter lebten viele
nubische Häuptlinge in Abhängigkeit vom Könige in Dtmqolahy als letzteres
noch ein christlicher Staat war, so wie südlichere in Abhängigkeit vom
Herrscher des ebenfalls christlichen ^Aloah. DanqolaKs Herrschaft ging
unter wiederholten Angriffen ägyptischer und nordnubischer MosKmtn zu
Grunde, namentlich aber durch den Kriegszug des Säf-el-IHn ^Abd*allah
d-Nasr. Das Reich >Aloah erlag den Schlägen der Fung zwischen 1499
und 1530. Nach dem Untergange DonqolaKs gelangten eine Anzahl Häupt-
Imge zur Unabhängigkeit, einzelne derselben, wie die Molüi von Arqö,
Donqolah, Där-ISeqxehy Där-Itobadät, Dür-Sendi gelangten sogar zu einiger
Macht. Die Aufrichtung des i^t^j^ -Reiches brachte alle diese Beräbra-
Staaten zwar wieder in die Abhängigkeit von den Herrschern zu Sennär,
indessen blieb solches Vasallenband doch nur ein sehr lockeres. Die nubi-
schen Kleinfürsten lebten trotzdem ihre Welt fiir sich und gefielen sich
Jahrhunderte lang in Schindereien und Plackereien der durchziehenden
Reisenden. Jedes der auf sein Herrscherrecht pochenden Oberhäupter ver- .
langte von Karawanen, einzelnen Händlern, Abgesandten u. s.w. besondere
directe und indirecte Zölle, expresse Geschenke u. dgl. Lagen aber gar
zwei solcher Herrlein mit einander in Fehde, dann waren Handel und Wan-
del lahmgelegt und zwar oft für Jahre. Die allmählich schlaffer werdende
souveräne Regierung in Sennär schaffte nur höchst selten vorübergehende
Abhülfe für die Auswüchse jenes erbärmlichen Particularismus. Erst der
türkisch-ägyptische Einbruch und die Einverleibung von Beled-el-Berabra,
Sennär u.s.w. in die Staaten des Vicekönigs zu Masr-el-Qähirek machten
jenen Königen und Königlein ein Ende, indem Säbel und Karbatsche von
nun an über Hoch und Niedrig längs des oberen Niles funkelten und sausten.
Ein wirklicher Einheitsstaat wurde gegründet, und zwar einer fester
1) De Roug^ Recherches p. 12—18.
2) Hartmann in Zeitschr. f. Ethnologie 1869, S. 38.
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206 ^ Abschnitt. IX. Kapitel.
basirt und besser zusammengefügt als irgend ein anderes afrikanisches Reich
der älteren und neueren Zeit^ ein Beich von Alexandrien bis nach Fäzogh,
von Gebet -Abu' Sinmln bis zur Insel Mamah reichend.
Die Neigung zur Isolirung in kleine Gemeinwesen findet sich über-
haupt sonst noch bei vielen sesshaften Befah, Imosay und Nigritiern Nord-
Ost^ Afrikas in charakteristischer Weise ausgeprägt. Ich erinnere nur an die
Zerrissenheit der Tüäriqy Nordabyssinier, der Berfäy Nöbahy Denqa u. s. w.
Grösseren und festeren Staatsverbänden begegnet man erst unter den ISiUük,
Teqeläwm, in Dar- Für, Wädäy, Bayirml u. s. w., überhaupt mehr nach
Westen hin. Jene Zersplitterung sesshafter Eingebomer ist aber meines
Eraohtens nach ursächlich wohl zu trennen von der gewissermassen als
Natumothwendigkeit sich ergebenden nomadischer Horden. Das Sich-
isoliren der Sesshaften entspringt hier aus der äusseren politischen Lage der
Gesammtheit, auch aus dem Eigenwillen einer Anzahl von Individuen,
namentlich der angeseheneren Classen. Das Zerfälltsein in kleinere Par-
teien bei den Beduinen dagegen ist einfache Folge der unstäten, bald
diesen bald jenen Platz einnehmenden Lebensweise und des unter ihnen
allein gültigen Wesens zweckgünstiger Viehweidung.
Man hat, wie hier schon vielfach angegeben worden , in älterer und in
neuerer Zeit von vor Olims Walten nach Afrika stattgehabten Wanderungen *)
ausländischer Völker gesprochen. Es wurden deren phantastisch ersonnene durch
unsere Doctrinärs aufgeführt, die in unbekannten Zeiten aus unbekannten lün-
dern namentlich Asiens nach Afrika vollfuhrt sein sollen. Lassen wir nun dief^e
Nebelländer und Nebelzeiten, diese A- priori -Schöpfungen speculativer Ge-
schieh ts- und Sprachgclehrter gänzlich bei Seite. Lassen wir Fictionen,
welche uns bis jetzt verzweifelt wenig genutzt haben, welche uns auch in
Zukunft wenig oder gar nicht zu fördern versprechen. Wenden wir uns
lieber zu jenen Einwanderungen asiatischer Völker nach Afrika,
welche sehr wahrscheinlich vollbracht sind und auch zum Theil geschichtlich
sicher verbürgt erscheinen.
Eine der bedeutendsten Einwanderungen, welche in alten Zeiten
nach Ostafrika stattgehabt, eine wahrhafte Völkerwanderung unzweifelhaft
südwestasiatischer Stämme, ist diejenige der schon mehrfach erwähnten soge-
nannten äyqsos gewesen. Zu Beginn der 14. Pharaonendynastie soll es
nämlich geschehen sein, dass nomadische Völker von Asien her nach
Aegypten einbrachen, die Fürsten dieses Landes zurückdrängten, die be-
wohnten Ortschaften niederbrannten , die Tempel zer8tör;tcn , die Männer
abschlachteten, Weiber und Kinder zu Sklaven machten 2) . Die Eindring-
\) Vergl. S. 175.
2) M. Duncker's Ausführung, dasR das mit der Eroberung Aegyptens verknüpft
gewesene Wüthen der Hyqsos im Laufe der Zeit sich gemildert und in einen mindestens
erträglichen Druck übergegangen sei, däucht auch mir eine sehr annehmbare t\x sein;
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Völkerbewegung, Stammes- u. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiem. 207
Unge ernannten einen der Ihren, woM einen Kriegshäuptlingy den Sq-lq-li,
Salatis, zum Könige. Dies^ schlug seine Residenz zu Memphis auf und
legte Besatzungen in die festen Plätze des Landes. Er zog Tribut vom
Ober- und Unterlande ein. Derselbe Salatis soll später eine neue zu Teil-
et- Her in Nähe von Pelusium gelegene Hauptstadt Avaris, hieroglyi)hi8ch
Hau-ar^ griechisch Auapu; ^) Tän, Tanis? erbaut haben. Ein Nachfolger
des Salatis, der ^^^«o^-König Ra-Apepf-Aaea hat nun, wie Chabas uns
lehrt, im ägyptischen Pantheon eine Gottheit aufgefunden, welche gewisser-
massen die Herrschaft von Nordäg)rpten über Südägypten personificiren sollte,
nämlich den Gegner und Mörder des Osiris, den Typhon, Set. Mariette habe
die Verehrung des letzteren Gottes von der 5. Dynastie ab zu Memphis ent-
deckt. Apepj habe Set, den starken und furchtbaren Sohn der Göttin iVw,
unter der augmentativen Bezeichnung Suie-^ zum Landesgotte eriioben^).
Man betrachtet diesen Gott als einen »semitischen«, als einen mit Ba>al-
Molox identischen, zumal Sutex sich in Gesellschaft der Astarie in der Xe(a-
Religion wiederfindet. Bekanntlich ward der Sutex- Cultus auch nach Ver-
jagung der äyqsos eine Zeit lang durch Pharaonen (z. B. K*amses II)
wahrscheinlich aus politischen Rücksichten gegen verbündete und unter-
worfene Syroaraber fortgesetzt.
Die Hyqsos haben ihrem asiatischen Ursprünge und ihren asiatischen
Gebräuchen dadurch Ehre gemacht, dass sie in Aegypten gleich den phöni-
zischen Anhängern des scheuslichen itfofo^- Dienstes Menschen opferten.
Wir erfahren aus Plutarch, dass die Aegypter später, nach Austreibung
der Fremdlinge, ihren grossen Abscheu gegen die Befleckung njimentlich
der Osirisgräber mit Menschenblut auf allerlei Weise kund gethan haben.
Die Aegypter huldigten, so weit unsere heutige Kenntniss reicht, der Men-
schenopferung nicht, wenigstens nicht in späterer Zeit, als der importirte
&«^- Dienst wieder in Verfall gerathen war (vergl. S. 100). Ebers er-
wähnt zwar, dass die Opfersiegel das Bild eines gebundenen Mannes mit
dem Schwerte an der Kehle getragen. Dies kann sich jedoch, wie uns der
leipziger Aegyptolog selbst zugiebt, nur auf die Zeit des Sei- oder Sutex-
Cultes beziehen ^] .
iOeachichte des Alterthums, 1, S. 97). Moters ist überhaupt der Meinung, dass die
Hyqsoi nicht so roh gewesen seien, als man gewöhnlich anzunehmen pflegt (Phönizier,
1, S. 37).
1) f{a-uär^t (Ebers). Die Entscheidung, ob Avaris und Tanis identisch seien, über-
lassen wir gern den Aegyptolc^en. (Vergl. Brugsch Tanis und Avaris. Zeitschr. f. allgera.
Erdkunde N. F. Bd. XII. Ebers, Aegypten u. s.w. S. 213. Ders. Durch Gosen zum
Sinai, S. 78. 499.)
2) Im Papyrus Sallier, Brit. Museum, heisst es: »Und der König Apefij erwählte
sich den Gott Set (Sutex) zum Herrn , und er diente keinem anderen Gott , welcher in
Aegypten war.« Ebers, Aegj'pten und die Bücher Mosis I, S. 205. (Brugsch, Hist.
p. 7S. Mariette, Revue arch6olog. 1861, p. 99).
3) Aegypten u. s. w. S. 246. Durch Gosen zum Sinai, S. 495.
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208 I- Abschnitt. IX. Kapitel.
Jahrhunderte lang dauerten Aufenthalt und Herrschaft der Hyqsos \i\
Aegypten. Diese ursprünglich rohen Nomaden hatten allmählich die sdion
damals weit vorgeschrittene ägyptische Civilisation angenommen ^ vielleicht
unter Vermittelung der im Nilthale bereits angesessenen^ ihnen stammver-
wandten Phönizier, und sich zu einem vollständig sesshaften Leben bequemt.
In diesem ihnen von Hause aus fremden Elemente scheinen sie nach und
nach ihre ehemalige Energie eingebüsst zu haben. Noch unter ihren ersten
Herrschern wurde wohl die alte Thatkraft gepflegt, man war damals bemüht,
ein geübtes Heer auf den Beinen zu erhalten. Später jedoch scheint der
kriegerische Sinn der Hyqsos abgenommen zu haben.
Die Versuche der äyqsos, das nationale Leben der von ihnen unter-
worfenen Aegypter zu vernichten , erwiesen sich übrigens als erfolglose.
Denn gerade die ägyptische Nationalität hat von jeher bis auf den heutigen
Tag unter den verschiedenartigsten Fremdherrschaften eine ausserordentliche
Zähigkeit bewährt. Eigenliebe und Hass der Reiu gegen Fremde, auch
Asiaten, stählten sie in ihrem Ausharren wider die Eindringlinge. Die
Macht der Pharaonen war zwar durch die Hyqsos gebrochen worden, unter
deren Joch Nieder- und Mittelägypten seufzten. Trotzdem hielten, in Ober-
ägypten patriotische Ä^/w- Häuptlinge die Fahne ihres Volkes. Dieselben
zeigten sich sogar bemüht, in ihrer Umgebung einen gewissen kriegerischen
Geist zu pflegen. Eines dieser ägyptischen Oberhäupter, dessen Andenken uns
ein Papyrus bewahrt, umgiebt sich z. B. mit Soldaten, während der gleichzei-
tige Hirtenkönig nur Schreiber in seinem Hofbereiche besoldet. Uebrigens
scheinen die oberägyptischen Häuptlinge in einem Abhängigkeitsverhältnisse
zu den Hirtenkönigen gestanden zu haben ; wenigstens werden jene ia ihren
Beziehungen zu den letzteren stets als ^Hqqq d. h. Gouverneure des Süd-
landes« bezeichnet. Allmählich an Macht und Einfluss gewinnend, arbei-
ten die oberägyptischen i2e/t/-HäuptHnge an der gelegentlichen Wiederherstel-
lung ihrer nationalen Unabhängigkeit.
Roug6, Brugsch, Chabas, Ebers u. A. haben uns aus dem er-
wähnten sehr interessanten Papyrus (Pap. Sallier I) mitgetheilt, wie ein
Hirtenkönig Äpepj von Avaris aus eine Botschaft an die »siegreiche Sonne«,
Seken^ H^a Tq-qa^ Tq der Grosse, einen Hqqq des Südlandes, ausrichten
lässt. Dieser Aegypter scheint dem Usurpator gegenüber bereits eine von
diesem anerkannte achtunggebietende Stellung eingenommen zu haben. Von
patriotischem Hasse gegen den Fremden durchglüht, zeigt sich Sqk^nen'R^(^
über die Botschaft vor Grimm wie gelähmt, wie seiner Spraclie beraubt.
Er versammelt seinen Kriegsrath und beginnt dann jenen langen fürchter-
lichen Befreiungskampf, welcher durch Menschenalter unter niemals nach-
lassender Erbitterung geführt, endlich mit Vertreibung der Hyqsos vom
ägyptischen Boden endet. Nachdem Pharao R^a^neb-pehonii Aa^aKtnes
[Amosis I) die Hyqsos aus Memphis verjagt und nachdem einer seiner Nach-
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Völkerbewegung, Stammes- u. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiem. 209
folger, Tquudmes III *) endlich Avaris gewonnen , ziehen die Hyqsos nach
Palästina ab. Mariette zufolge kann dies aber nur sehr allmählich ge-
schehen sein. Es haben ja seiner Meinung nach jene Hirten dauernde
Spuren ihrer Anwesenheit im Blute gewisser Kreise der niederägyptischen
Bevölkerung zurückgelassen ^j . Ebers schliesst sich diesem Ausspruche in-
80 fem an, als er behauptet, die Fischer und Landleute in der Umgebung
des MemälehSee^ seien in ihrem Glieder- und Gesichtsbau von den ägyp-
tischen Fellahin wesentlich unterschieden. Ihre Statur sei gedrungener und
das Profil der Männer weniger fein als das der Bauern im südlichen Delta,
in Mittel- und Oberägypten. Ihre Aehnlichkeit mit den JTy^^o^- Sphinxen
(s. später] könne kaum geläugnet werden (vergl. S. 182)^).
Auch nach ihrer Verjagung aus Aegypten haben zwar die JSyqsos noch
hin und wieder Einfälle in das Nilthal unternommen, ohne jedoch durch
diese die neuerwachsene Macht des Pharaonenreiches irgend wesentlich be-
einträchtigen zu können.
Wer waren nun jene JSpqsos? Nach Brugsch' Darstellung hat die
altägyptische Bezeichnung iSasu, wandern, ziehen, ihre Verwandtschaft im
Koptischen tSoSy Hirt. Sqq^ Sqqq ist identisch mit dem manethonischen
Eye (ox) und bedeutet Haupt eines Stammes, einer Familie , daher Hqq-
SasUy äqqu^Sasu^ Anführer, König der äasUy Hirtenkönig. Also scheine
das Wort äycsoSy Hyqsos y Hyqhos entstanden zu sein^). Chabas führt
aus, dass das aus Avaris verjagte Volk in der Inschrift des Kapitäns der
ägyptischen Nilflotille A^ahmes auch i>Men-Sati<i oder uMen-ii-SattV genannt
werde. Beide Namen zeigten sich von einander unabhängig, in Anwendung
gebracht. Der Name i^Men-tu hätte wohl diejenige älteste Ägypten be-
nachbarte Bevölkerung charakterisiren sollen, welche ohne Aufhören den
Nordosten des Landes beunruhigte. Könne man übrigens den durch Josephus
beigebrachten Zeugnissen Manetho's Vertrauen schenken, so erscheine das
durch icoi(Aiv8c wiedergegebene ägyptische Wort unter der Form 2Q2, sos.
Es sei aber kein derartiges hieroglyphisches Wort bekannt, das Koptische
indessen habe das durch die griechische Umschreibung aox; wiedergegebene
gmc, pasiar aufbewahrt. Leider habe der jüdische Geschichtschreiber das
Aegyptisdie nicht verstanden und konnten daher sprachliche Irrthümer
J) Es kann uns nicht Wunder nehmen, dass lange Zeitläufe zwischen den Kämpfen
um Memphis unter Amosis I, seinem Flussadmiral ÄaMmes Sohn Älnmd% (S. -18) und der
Einnahme von Avaris vergangen sein sollen. Man denke nur an die damalige langwierige
RriegfQhrung überhaupt, vor Allem an die Umständlichkeit einer grösseren Belagerung.
2) Selbst in demjenigen des Grossen R'amsea, welcher »semitischer« Herkunft sein
soll (Mariette in Revue arch6ol., 1865, p. 172. Ebers, Durch Gosen u. s. w. S. 501.)
Wie dem nun sein möge, für mich bleiben die Bilder dieses grossen Pharao Muster -
darstellungen des echten Retu-Ty^xis (Vergl. Taf. VIII, T. IX, Fig. 1).
3) Durch Gosen u.s.w. S. 504.
4) Hist. d'Egypte. p. 77.
Hartnftun, Nigriiier. '4
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210 I. Abschnitt. DC. Kapitel.
nicht vennieden werden. Manetho habe zwischen Anwendung von »Königa
und »Gefangenera für die Sylbe »Hika in r>Hyksosü nicht stocken dürfen.
Man würde sonst doch die Zusammensetzung eines Namens nicht verstehen
können, dessen eine Sylbe der heiligen, dessen andere einer Art Vulgär-
sprache entnommen worden, ein Name, der doch selbst im alten Reiche
gebräuchhch gewesen. Möchte nun Hik König oder Gefangener *) bedeuten,
es bliebe nur die Sylbe Sös übrig, um damit den Begriff der Hirten zu be-
zeichnen. Man fönde aber weder diese noch die Zusammensetzung laHik-Bösfi^
in den die Hirtenepoche bezeichnenden Originaldocumenten. Das hiero-
glyphisch Sasu [Shasu des Originals) genannte Volk dürfe nicht mit den
Hyqsos verwechselt werden, Manetho habe vielmehr nach der Ausdrucks-
weise der heiligen Bücher mit nHyk-shösu, d.h. schofele Könige, die Fürsten
der Eindringlinge, mit i^Haq-shösa, schofele Gefangene, deren Volk, beeon-
ders nach ihrer Niederwerfung^ ausdrücken gewollt. Jeden£atlls s^en die
Hirten ein Theil der asiatischen, »Mentia oder tSati<i genannten Völker
gewesen ^) .
Da uns nun die reine Sprachwissenschaft, selbst die der anerkannt
besten Aegyptologen, hier im Stiche zu lassen scheint, wo es sich um Auf-
kläiung der nationalen Herkunft jener Hyqsos handelt, so wollen wir uns
diese auf anderem Wege zu verschaffen suchen.
Von einer etwaigen Stammverwandtschaft dieser Fremden mit den
Meiu konnte zunächst keine Rede sein. Die Aegypter hassten die Hyqsos,
welche sie ja doch ausdrücklich als die Fremden bezeichnen, noch Jahr-
hunderte lang nach deren Vertreibung. Sie identificirten den Namen der
Hirten mit demjenigen von t>Aafn Unglück, Verderben, indem sie sich dem
vollen Hasse gegen ihre vormaligen Unterdrücker hingaben. Josephus
nennt nach Manetho die Hyqsos Leute von gemeiner Herkunft.
Sie waren eben den ungemein nationalstolzen Aegyptem gegenüber Fremde,
also Barbaren, als solche ihnen schon von Hause aus ein Abscheu, und nun
waren sie ihnen noch dazu Hirten, d.h. Leute des gemeinen Haufens,
der niederen Kaste. Es heisst nun öfters, die Hyqsos seien aus Puni,
Arabien oder Phönizien (Punien) gekommen. Josephus erklärt sie gie-
radezu für Juden. Mit den in Mesopotamien damals herrschenden Nqhq-
rinq der ägyptischen Inschriften, namentlich mit den Sutfn oder Luffn
[Retermu] oder Assyrem konnten die Hyqsos ebenfalls keine engere natio-
nale Gemeinschaft haben. Josephus bemerkt ja ausdrücklich, Salatis habe
bald nach der durch seine Landsleute vollzogenen Eroberung Aegyptens die
östlichen Theile des neuerworbenen Gebietes am meisten in der Voraussicht
befestigt, die gerade zur damaligen Zeit sehr mächtigen Assyrer könnten das
'».i Les Pasteur« en Egypte. Amsterdam 1868, p. 14. 24—27.
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Völkerbewegung, Stammes- u. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorztigl. d. Nigritiem. 211
neugegrimdete JSLeich mit Krieg überziehen. Auch hatten die Assyrer und
Bal^lonier geordnete Staatswesen. Das Hirtenthum spielte bei ihnen, die
wir grossentheils als Landbauer und Kaufleute kennen, nur eine untergeord-
netere Rolle. Jenes lag viel eher in den Händen der Nomaden, welche wir
ab Dromedarreiter, Führer von bactrischen Kameelen, letztere z. Th. in der
Tradit von Kjryiz u. s. w, abgebildet sehen. Auch in Trän wird ja das Hirten-
tluim hauptsächlich von umherschweifenden Türkmen ausgeübt.
Ueber die eigendiche Herkunft jener nomadischen Eindringlinge weiss
uns nun selbst Chabas nichts Anderes zu berichten, als dass die Ver-
wandten der »3fen-/i'a und y>SaH(i wahrscheinlicherweise umherschweifende
Stämme der Sinaihalbinsel ^ des steinigen und wüsten Arabien gewesen.
Ebers nimmt an, dass sich in ältester Zeit, längst vor den jäyqsoSy Phöni-
ai» an der Delta-Küste und Semiten in den Marschen von Unterägypten
medergelassen hätten^ welche manchmal den Aegyptern gefährlich geworden
und sich, wahrscheinlich gegen ihren Willen, mit den Palästinäem und
Arabern vereinigen gemusst, die vor 2000 Jahren in das Delta eingefallen
wären. Die Hyqsos, welche in ägyptischer Kunstart semitische Gottheiten
dargestellt, welche die Hieroglyphenschrift angenommen, sich die Titel der
Pharaonen angeeignet und verschiedene Gestalien des l^ptischen Pantheon
adoptirt, würden alles Dies unmöglich so schnell und vollständig haben aus-
fuhren können, wenn rohe Hirten mit dem Uebermuthe der Eroberer nur
auf ein ihnen ganz fremdes Kulturvolk gestossen wären. Hier hätten Mit-
telspersonen vorhanden sein müssen, und solche hätten thatsächlich in den
halbägyptisirten Phöniziern an der Delta-Küste (den Kaft-^lr) existirt, deren
Städte Hemar und Tanis nun die Wohnungen der neuen Ankömmlinge ge-
worden wären. Heide seien Brüder eines Stammes gewesen, hätten einander
verstanden und bald wäre das vorgeschrittene Geschlecht zum Lehrer und
Führer des zurückgebliebenen geworden. Wenn auch im ersten Sieges-
taumel grosse Unbill von den Eroberem gegen das Land der Geschlagenen
geübt worden sein möge, so sei Manetho's Bericht doch so übertrieben,
wie alle Nachrichten, welche Aegypter selbst über die Schädiger ihres Landes
gegeben (S. 206). Schon der Umstand, dass sie die Pyramidengräber und
die alten Anlagen des JYgA- Tempels geschont, dass sie den Moerissee und
das zugehörige Kanalsystem erhalten, dass sie das mit den Denkmälern der
12. Dynastie geschmückte Tanis nicht nur conservirt, sondern sogar ver-
schont, zeuge eben so kräftig gegen die rohe Zerstörungswuth der äyqso$,
als die befremdliche, aber durch Inschriften sicher gestellte Erscheinung,
da«8 Könige der mächtigen 19. in Oberägypten residirenden Dynastie nach
Vertreibung der Fremden zu Tanis dem äyqsos-Gotte gehuldigt.
Was die so zu sagen eigentlichen JSyqsos, d.h. arabische und palä-
stinäische Stämme angehe, so spreche für deren zeitweilige Herrschaft in
Aegypten u. A. das Zeugniss des Manetho bei Josephus, eine freilich
Äur mit Vorsicht aufzunehmende arabische Sage , das Wesen der in Süd-
14*
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212 I- Abschnitt. IX. Kapitel.
Palästina umherschweifenden Äww, denen der josephinisch - manethonische
Name Hyqsos seinen Ursprung verdanke (vergl. S. 210). Femer spreche
dafür der eigentlich ägyptische Name für Fremde, nMena-Uik^ der an das
koptische Axoone pascere erinnere und den griechischen Namen noifieve^ er-
kläre. r^Menaa umfasse die Gesammtheit der Scharen, die als asiatische
Nomaden zu den im Delta sesshaften Phöniziern gestossen seien u. s. w. *).
Knoetel hatte den Versuch gemacht, die Identität des Hirtenkönigs
Ase^ und des Pyramidenerbauers Xufu zu beweisen. Er hatte nachzuweisen
gesucht, dass Ases und seine Nachfolger die Hirtenkönige gewesen , dass
Süitis oder Phüitis als Personificirung eines über Aegypten herrsehenden
Semitenvolkes zu betrachten sei, welches die Dynastien bis einschliesslich
der XII geliefert habe 2). Allein ich wüsste nicht, dass irgend Jemand bis
jetzt Grund gefunden hätte, sich dieser Ansicht anzuschliessen '^j . Nun sind
neuerlich durch Mariette zu San (Tanis) vier Sphinxe in einer zum äWc%-
Tempel führenden Allee aufgefunden worden, deren Züge sich nicht als
die gewohnten ägyptischen zeigen, sondern einen ganz besonderen Typus
darstellen. Nach Mariette's Beschreibung sind die Augen klein, die Nase
ist kräftig, gebogen und doch abgeplattet, die Wangen sind stark und knochig,
das Kinn ist hervorragend, der Mund in den Winkeln abwärts gezogen.
Das durchaus roh gezeichnete Antlitz erhält durch die buschige Bemähnung
des Kopfes einen ganz absonderlichen Ausdruck. Die Inschriften, welche
an diesen Monumenten gefunden werden, lassen keinen Zweifel darüber, dass
dieselben aus der Hyqsoa- Zeit stammen und ein Abbild des damals herr-
schenden von asiatischem Geschmacke beeinflussten Kunststyles gewähren.
Mariette hält die Köpfe der Sphinxe von San für ein Konterfey von
echten Hyqsoa ^) . Noch andere Monumentfiguren von Tanis zeigen die den
Sphinxen ähnlichen Züge, einen starken geflochtenen Bart, in dicken Sträh-
nen gedrehtes Haar und Ringe am Unterarme ^) . Bei Betrachtung der von
Mariette veröffentlichten angeblichen Äyj^o« - Bilder, welche ich auf Taf.
VU, Fig. l und 2 habe copiren lassen, drängt sich mir Folgendes auf: Der
en face abgebildete Kopf (Mariette 1. c. Taf. 4) unsere Fig. 6 auf Taf. VIII,
ist in seinem Nasentheil nicht gut getroffen, in dieser zu flach gezeichneten
Gegend mit der Seitenansicht (Mariette Taf. 5 ; Fig. 7 unseiißr Tafel) nicht
recht in Einklang zu bringen^ und hat dieser Uebelstand schon Manchen zu
der Annahme verführt, man habe es hier mit zwei, gänzlich verschiedenen
Typen angehörenden Köpfen zu thun. Hält man sich nun an Mariette'»
1} Aegypten und die Bücher Mose's, S. 220 ff. Andere von Ebers a.a.O. ver-
suchte Belege, z. B. für muthmassliche Einführung äes Pferdes durch die AyqaoSy erscheinen
mir zu vage, um sie hier weiter auszudehnen.
2) Cheops der Pyramidenerbauer und seine Nachfolger. Leipzig 1861,
3) Hartmann, Zeitschr. f. Ethnologie 1869, S. 38.
4) Revue arch^ologique 1861, p. 104 ff., pl. IV, V.
5} Ebers, Aegypten u. s. w. S. 209.
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Völkerbewegung, Stammes- u, Kastenbildting unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiem. 213
jeden&Us gelungenere Seitenansicht, so erkennt man an dieser in der That
die gebogene Nase und den hervorragenden, wenn auch nicht aufgeworfenen,
nicht wulstigen Mund und den eigenthümlichen, listig-lauemden und imper-
tinent-forschenden Habitus und Ausdruck, wie sie so vielen Palästinäem und
Syrern, sowohl Städtern als Landbauem, auch Beduinen, eigen sind (vergl.
auchTaf. VII, Fig. 14—17).
Alles über die Hyqaoa bekannt Gewordene zusammenfassend, ihre in
den Tanis- Sphinxen doch sehr wahrscheinlich ausgedrückte Physiognomie,
die Nähe ihrer Ursitze an Aegypten, ihre npmadische Beschäftigung, ihre
Namengebung u.s^w. i), gelange ich zu der Ansicht, jene Eindringlinge für
Vorfünren von Beduinen der syrisch-arabischen Wüste, wie z. B. ^Anezeh,
Semtnar, Bem-^Adtoäny Gebür, zu halten. Vielfach bedrängt von den sess-
haften Phöniziern der Handelsstädte und von den politisch mächtigen Be-
herrschern Mesopotamiens, verstärkt durch sinaitische Beduinen, selbst
durch brodlose Ackerbauer und Stadtbewohner, konnten jene »Leute von
gemeiner Herkunft«, auf ihre Zahl und wilde Energie vertrauend, eine neue
Heimath in Aegypten gesucht haben. Dass aber die Hyqsos in grossen
Zahlen erschienen, ist durch die Alten genugsam bekannt geworden. Hat
doch Salaiis angeblich 240000 Soldaten nach Avaris hineingelegt, und als
die Eindringlinge geschlagen und gebeugt Aegypten wieder verlassen mus»-
ten, sollen sie immer noch 240000 Mann stark gewesen sein. Selbst wenn
wir aber diese Ziffern als viel zu hoch gegriffen ansehen, so würden doch
immer noch beträchtliche Mengen Jener anzunehmen bleiben.
Kraftvoll und muthig müssen wohl di^ Hyqsos gewesen sein, als sie
den Kampf gegen die für jene Zeiten gut gerüsteten und wohl disciplinirten
Heere der Pharaonen eröfiheten. Noch gegenwärtig machen jene oben er-
wähnten syroarabischen, keineswegs so rohen, nicht im mindesten unintel-
ligenten Nomadenstämme, welche ich für die Nachkommen der Hyqsos zu
halten mich gedrungen fühle, den Truppen der Vicekönige und der Grosse
herm viel zu schaffen, selbst wenn sie Gegner vom Schlage eines MoKammed^
Bäiä-Eri^'Öylü, IbraXim-Ayä-Gürgl-Öylü und Iskender-Bey (Ilinsky)
vor sich gehabt, die in Mesopotamien so viel und mit Schrecken genann-
ten Padficatoren.
Obwohl nun die Hyqsos der Geschichte nach Aegypten durch fünf
1) »Die HalbinBel des Sinai«, sagt Max Duncker. »das nördliche Arabien, die
grosse syrische Wüste, die sich vom Sinai bis zum Euphrat erstreckt, beherbergte in den
Amalekitem, denEdomitem, den Midianitem zahbeiche, durch das Wüstenleben und ununter-
brochene Fehden abgehärtete und kriegerische Stämme, denen Aegyptens Fruchtfülle ein
unaufhörlich lockender Anreiz sein musste. dessen Drang in demselben Maasse wuchs, als
die Kopfzahl der Stämme sich mehrte, dessen Stachel unwiderstehlich wirken musste, wenn
es den Oasen der Wüste längere Zeit an ausreichendem Wasser, wenn besonders heisse
Sommer es dem spärlichen Ackerbau dieser Stämme an Ertrag fehlen Hessen. Die Ueberlie-
ferung der Araber gedenkt einer Herrschaft der Amalika (Amalekiter) über Aegypten und
nennt Atcar als den Sitz dieser Herrschaft.« (Caussin de Perceval, Essai sur l'histoire
des Arabes I, p. 13. 19. Duncker, Geschichte des Alterthums I, S. 96.)
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214 J- Abschnitt. IX. Kapitel.
Jahrhunderte beherrscht, so ist dennoch ihr Einfluss auf die physische Beschaf-
fenheit der Iteiu jedenfalls gänzlich unbedeutend gewesen. Wir finden keine
erkennbaren Spuren der Einwirkung dieser asiatischen Eindringlinge auf die
Physiognomie- und Körperbildung der üetu nach Wiederherstellung des
Pharaonenreiches (vergl. S. 209). Wäre aber die nationale Beschaffenheit der
Reiu durch die Hyqsos wirklich modificirt worden, so hätten die in ihrer nai-
ven Wiedergebung des Charakteristischen im Habitus so hervorragenden ägypti-
schen Maler und Bildhauer eine solche Umwandlung auch bildlich darzttstellen
gewusst. Es wäre dies selbst ^nter dem Einflüsse des tief gewurzelten Hasses
gegen die Hyqsos geschehen. Denn die alten Künstler im Nilthale folgten
in ihren Darstellungen absolut nur ihrem Hange zu einer zwar unplastischen,
unperspectivischen aber dennoch in der Umrissgebung getreuen Nachbildung
des Vorliegenden (vergl. S. 96 ff.). Es ist nun hier und da noch ein Ver-
such gemacht worden, die JHyqsos mit innerasiatischen, zu Eroberungszügen
ausgerückten Nomadenvölkem in Verbindung zu bringen. Man hatte es
u. A. für schwierig erachtet, in den Namen der Hirtenkönige uSaUUia (ÄilYt«),
Bnon {Bedn)y Paknan {Apaklma8)y Staan, Arkhles, Apcphtsa u. s. w., Bezie-
hungen zu Kanaanitem und Ismailiten zu finden. Man hatte geglaubt, die
eben erwähnten Namen hätten eine eigenthümliche Physiognomie, wie sie
nicht recht zu syroarabischen oder syroaramäischen Sprachen passe ^) . Zum
Glück wissen Lauth und Ebers hier wenigstens in Etwas Bath. Salatis
ist echt semitisch und mit Regent zu übersetzen. Bedn, ebenfalls semitisch,
würde »Sohn des Augesa oder «Lieblingssohna bedeuten *). Ohne natürlich
irgend eine Garantie für diese Angaben bieten zu können, scheinen Jene
doch zu beweisen, dass es mindestens bedenklich sei, eine nicht syro-
arabische Abstammung jener Namen ohne Weiteres zu läugnen.
Nach Knoetel hat man den Mannlöwen und Kriegsgott, den Qott
der Tageshälfte Ägr-wi-^w^) für den Stammvater der äyqsos -Könige ge-
halten. Derselbe Forscher sucht durch höchst gelahrte Deductionen nadi-
zuweisen, dass dieser Hqr-m'X^ genau der arische Gott Manu gewesen,
von welchem sich die indischen Könige und Krieger ableiteten. Cheops
und seine Nachfolger müssten von arischem Stamme und zwar von dem-
selben Stamme gewesen sein, wie die indischen Könige, zumal die aus
ihrem Geblüte entsprossene Nitocris rothwangig und blond voii Haaren
gewesen ist. Arier seien also das herrschende und führende
Volk, wogegen die Anubispriester mit Hundekopf, die mondanbetenden
Thothpriester mit Affenkopf für Abkömmlinge kuschitischer Sehmmaka^s
und Kapjds zu halten seien, die » habichtsköpfigen Sonneinpriester
wenn nicht für Brahmanen, so doch für semitische Sabaeer aus Babylon.«
1) Chabas, Les pasteurs, p. 27.
2) Ebers, Aegypten u.s.w. S. 203, Lauth, Manetho $. 230,
3) Sphinx von 6%zeh, S. 50.
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Völkerbcwegung, Stammes- u. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiem, 215
Was die Sprache der Öyqsos betreffe, 80 müssten wir mindestens eine drei-
fidie annehmen, nach den drei nachgewiesenen Yölkerstämmen :
\) babylonisch -semitische,
2) arische,
3) kuschitische (d. h. eine Sprache der schwarzen Inder).
Darober sich zu yerwundem sei nicht weiter nöthig, denn die Hyqsos seien
ans Babylonien gekommen, jenem Lande^ in welchem »die Verwirrung der
Sprachen stattgefunden« hatte, wo Berossos um jene Zeit Fürsten aus zoroa-
stiischera Gesehlechte (also Arier) herrschen lasse. Die ägyptischen Hirten
seien also jedenfalls ein gemischter Haufe von Semiten und Chamiten (Ku-
sehiten), über welche Könige und Fürsten aus japhetitischem Stamme, d. h.
Arier geboten. Sie hätten aber vielleicht damals schon zum grossen Theile
die semitische Sprache angenommen, die in Babylonien gesprochen worden ^) .
Doch genug hiervon. Denn falls wir etwa mit Knoetel also weiter
steuern wollten auf dem Meere der Hypothesen, dann geriethen wir wohl
am Ende in Begleitung all der möglichen wie unmöglichen Miten, Sohlten
und Iten in den Bereich jenes gefährlichen Magnetberges in »Sindbads«
Reisen, der Alles an sich zieht, aber auch schliesslich Alles aus Niet und
Nagel gehen lässt.
Eb hat endlich selbst nicht an Versuchen gefehlt, die Hyqsos von jenen
asiatischen Stämmen herzuleiten, welche im Alterthume als Skythen, Saken,
Massageten, Hyrkaner, Derbikker, Parther u. s. w. so viel von sich reden
gemacht. Zwar haben die Aegypter in der That Leute abgebildet, welche
?on ihnen auf ihren asiatischen Zügen siegreich bekämpft worden und deren
Gesichtsschnitt an türkisch-tartarisches Volk, ja an wirkliche Kazak erinnern
könnte (Bed-el-WöH); allein dergleichen Begegnisse können nur voriibeiv
gehend gewesen sein. Es lässt sich meines Erachtens kein irgend genü-
gender Grund auffinden, jene Hyqsos mit oben genannten asiatischen
Stämmen in Beziehung zu setzen.
Man hat auch viel von den Einwanderungen der Phönizier, der
Punq, Punt mancher Aegyptologen, nach Aegypten gesprochen. Wie die
Geschichte uns zeigt, hat jenes merkwürdige syroarabische, mit hoher
Intelligenz begabte Volk von Fabrikanten, Kaufleuten und Schiffern, im
Lande Canaan, d. h. in den an die Mittelmeerküsten grenzenden niederen
Strichen schon zur Zeit des Einfalles der aus Aegypten ausgewanderten
Juden in hoher Blüthe gestanden. Movers lehrt uns sidonische Phö-
nizier, deren Nachbarn gegen Norden als Syrophönizier, die im Süden
als philistäische Phönizier kennen. Bei dem regen Verkehr, welcher
ridi zwischen Phöniziern und Aegyptem namentlich zur höchsten Machtzeit
der letzteren entwickelte, konnte es nicht fehlen, dass auch Kolonien der
ersteren im Nilthale, namentlich in dessen nördlicheren dem Meere benach-
1) A. o. a. O. S. 118. 120. 129.
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216 I- Abschnitt. IX. Kapitel.
1) Vergl. darüber Mover 8, Phönizier II, 2, S. 178 ff. G. Eber«, Aegypten S. 127 ff.
Ders. , Durch Oosen zum Sinai S. 310.
2) Unser Staunen erregen die in thebaischen Gräbern und anderwärts aufgefundenen
chinesischen Gefässe mit nationalen Inschriften. Wären auch dieselben echt, so würde
u. A. dies auf das sehr hohe Alter der chinesischen von der ägyptischen so grund-
yerschiedenen Kultur hindeuten. Freilich ist die Vermuthung ausgesprochen worden, jene
Gefösse könnten von arabischen Kaufleuten aus China nach Aegypten gebracht und hier
(in den Katamkomben ! ? ) niedergelegt oder verloren worden sein. Mir erscheint letrtere
Erklärung sehr gezwungen und das hohe Alter jener asiatischen Kulturreste damit wenig-
stens noch nicht widerlegt zu sein.
3) A. o. a. 0. in, 1. S. 3Uff.
harten Theilen, sich hildeteni). Die ägyptische Seeschififahrt (S. 153) scheint !
zum nicht geringen Theile durch Phönizier unterhalten worden zu sein^ auch
gaben letztere theilweise die Vermittler für den Zwischenhandel nach Grie-
chenland und nach anderen auswärtigen Gebieten ab. Dass der Handels-
verkehr des damaligen Aegypten mit anderen Ländern ein höchst reger ge-
wesen sein müsse, beweisen unendlich viele Nachrichten, Inschriften, Bilder
u. a. Alterthümer ^) . Dass die Phönizier grossen Einfluss auf die Aegypter
übten und vielerlei Einflüsse von diesen wieder empfingen , haben wir eben-
falls kennen gelernt. Aus alten Berichten, aus den Funden von NaKer-el-
Kelh u. 8. w. geht hervor, wie ägyptischer (namentlich religiöser) Baustyl
vielfach nach Phönizien übertragen wurde, wie denn die Phönizier von
Aegypten u. A. auch die Beschneidung entlehnt haben. Femer, als unter
Apries und Amosis das palästinäische Gebiet nebst Cypem pharaonisch ge-
worden, wie alsdann ägyptische Keligionsgebräuche unter den Phöniziern
immer mehr Eingang gefunden. Andererseits lässt sich wohl nachwräen,
dass der aus Mesopotamien stammende Dienst des Ba^dl-MoloXy weniger
der vielleicht ursprünglich west- iranische der Astarte, theils durch Sidonier
selbst, theils durch äyqsos und durch Israeliten, nach Aegypten übertragen
wurde, dessen Religion für Zeiten merklich Dchaldaisirt« erscheint. Die
grossartigen Erfindungen und industriellen Schöpfungen der (namentlich
sidonischen) Phönizier sind zu bekannt, als dass es nöthig wäre hier aus-
führlicher darauf zurückzukommen. Ob freilich alle ihnen zugeschriebenen
Entdeckungen die ihrigen gewesen, ob dieselben nicht wenigstens zum Thefl
in Aegypten oder sonstwo erlernt worden, das bleibt vor der Hand minde-
stens fraglich. Movers entwickelt uns ein lebhaftes Bild vom Handels-
getriebe der Phönizier in dem pharaonischen Gebiete, dessen i>flei8sige,
genügsame und wenig bedürfende« Bewohner vielerlei sehr wohlfeile Fabri-
kate anfertigten und denen Jene wieder mancherlei zubrachten ^ .
Dem grossen Einflüsse, welchen die phönizische Kolonisirung des
westlicheren Nordafrika ausübte, werden wir später noch ausführlichere
Betrachtungen widmen.
Als ich oben (S. 37ff.) meine Ideen über das salomonische Ophir
zu Papiere brachte, ahnte ich nicht, dass ich mich schon wenige Monate
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Völkerbewegung, Stammes- u. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiem. 217
später genöthigt fühlen würde , auf jene FiBge ausfuhrlicher zurÜGkEukom*-
men. A. Petermann nämlich sucht die Ophirfahrten jetzt wieder ge-
g^i Lassen und Kiepert mit der. SofdUa-Knste in Verbindung zu brin-
gen , hauptsächlich wohl Hm. C. Manch zu Gefallen^ dessen in Briefen
nach der Heimath eingesandte Entdeckungen von salom^onischen Tem^
peln^ libanotischen Cederbalken» Bundesladen, Hohenprie-
stern u. 8. w. u. s. w. u. 8. w. uns- in die spassigste Stimmung versetsen
mussten^). Manch hat, wie schon oben erwähnt, angeblich die Ziffh-
hioe wieder aufgefunden. Ich vermag nicht daran zu zweifeln, dass jener
schwäbische Goldsucher und Forschungsreisende wirklich die alten Ruinen
des De Barros u. A. (S. 26 ff.) vor Augen gehabt habe 2).
ibZimbäoem oder ^Zimbahye^ liegt nun in dem Berglande zwischen
Limpapo und Zamhezi etwa 40 deutsche Meilen landeinwärts von SofdUa,
nach C. Manch unter U^ 48' L. und 20» 14' Br. Vor etwa 40 Jahren
sollen hier die Bäroie gewohnt haben, dann aber nach Norden geflächtet sein.
Dieselben sollen die Ruinen für heilig gehalten haben; noch jetzt sollen
hie und da Leute kommen, um darinnen zu beten. Zur Zeit halten sich
hier Mak^laka auf (S. 37). Von Allen wird fest angenommen, dass weisse
Menschen einst in diesen Gegenden gehaust hätten, immer noch sollen
Spuren von Wohnungen und eisernen Geräthen vorgefunden werden, die
nicht von Schwarzen verfertigt werden konnten. Wo diese weisse Bevöl-
kerung geblieben, ob sie verjagt oder an Krankheit gestorben sei, weiss
Niemand zu sagen.
Die Ruinen lassen sich nach Mauch's Angaben in zwei Abtheilung^i
1) Es thut mir fast leid, hier die ganze Ophiige8<?hichte und die Naohrichten von der
Zimbäoi noch einmal auftischen zu müssen. Allein in einem Buche, irelches, wie das vor-
liegende, zugleich die Entwicklung unserer Kenntnisse von den Afrikanern
verfolgen soll, dürfen derartige Wiederholungen, ja es dürfen selbst breitere, pedan-
tischere Ausführungen nicht vermieden werden.
2) Es geht aus Petermann' s Angaben über die Mauch'schen, schon oben (S. 37)
4m Auszuge berührten Untersuchungen hervor, dass die Mission&re A. Merensky und
A Nachtigal im Jahre 1861 den Versuch gemacht hatten, nach den Ruinen vorzudrin-
gen, jedoch durch eine Pockenepidemie zur Umkehr gezwungen worden sind. Bähäy
erz&hlten den Missionären, ihr Volk verehre die alten Gebäude, es dürfe dort kein leben-
des Wesen getödtet, kein Baum daselbst vernichtet werden, da solche Dinge dort für heilig
gehalten würden. Ein zahlreidier schwarzer Volksstamm, der den Gebrauch der Feuerwaffen
kenne, habe dort früher gewohnt, sei aber vor etwa 50 Jahren nordwärts gewandert wegen
der zunehmenden Dürre. Die »Makoapa [Knobneäzen)« pflegten verschiedene Gegenstände
aos den alten Gebäuden zu entnehmen ( — welche , war nicht zu ersehen — ) und hielten
ihre Stelle deshalb geheim. ITmselekäiis Leute suchten »Tsepev [Zebe)^ Metall, wohl eiserne
Oeiäthe, verloren gegangenes Eigenthum der alten Goldgräber, bei den Ruinen. (Mitthei-
gen 1872, S. 121 Anm.) Ueber sonderbare Gerüchte hinsichtlich der Ruinen, welche dem
Missionär Nachtigal diurch Kaffern zugetragen worden sein sollten, berichtete ich auf
8.36. AUe meine späteren Bemühungen, Herrn Nachtigal um nähere Angaben über
^ese Gerüchte anzugehen, scheiterten an der Unerreichbarkeit dieses mir stets als sehr
gebildet und sehr umsichtig geschilderten Glaubensboten.
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218 I- Abschnitt. IX. Kapitel.
bringen: die eine auf einem etwa 400 Fuss hohen Granitfelsenkopf, die
andere auf einer etwas erhabenen Terrasse^ Beide sind getrennt durch ein
flaches Thälchen und der Abstand beträgt etwa 300 Yards. Der Felsen-
kopf besteht aus einer länglichen Granitmasse von abgerundeter Form, auf
dem ein zweiter Block und auf diesem wiederum kleinere, aber immer noch
viele Tonnen schwere Trümmer liegen mit Spalten und Klüften und Höh-
lungen. Am westlichen Theile dieses Berges nun und zwar den ganzen
Abhang von der Spitze bis zum Fusse einnehmend, befinden sich die Trüm-
mer. Da Alles verschüttet und grösstentheils eingefallen ist, so ist es für jetzt
noch nicht bestimmbar, zu welchem Zwecke die Auffuhrungen dienten; am
wahrscheinlichsten noch dürfte es eine zu jener Zeit uneinnehmbare Festung
darstellen, worauf die vielen Gänge^ jetzt aber aufgemauert, und die runden
oder zickzackförmigen Directionen der Mauern hindeuten. Alle Mauern ohne
Ausnahme sind aus behauenen Granitsteinen ohne Mörtel angeführt, die
weniger oder mehr von der Grösse unserer Backsteine abweichen ; auch sind
die Mauern von verschiedener Dicke, am sichtbaren Fusse derselben 10,
an der eingefallenen Spitze 7 bis 8 Fuss. Die merkwürdigste Mauer findet
sich auf dem Rande eines Felsenabsturzes und ist sonderbarer Weise noch
ganz gut erhalten bis zu einer Höhe von etwa 30 Fuss. An manchen
Stellen stehen noch Steinbalken von 8 bis 10 Fuss Länge aus dem Mauer-
werk hervor, in welchem sie einige Fuss tief festsitzen, denn sie können
kaum bewegt werden. Sie haben höchstens 8 Zoll Breite bei 3 Zoll Dicke
und bestehen aus sehr festem, metallisch klingendem Gestein von grünlich-
schwarzer Farbe. Manch fand einen im Durchschnitt ellipsoidischen Stein-
balken von 8 Fuss Länge, an welchem Verzierungen eingeschnitten waren.
(S. a. a. O. die Abbild.). Unter einem grossen Felsblocke fand derselbe eine
zerbrochene Schüssel von der Form der hölzernen Kaflferbakjen, aus talkigem
Gneiss, sehr weich, 18 Zoll im Durchmesser und 3 Zoll Höhe bei 1^ Zoll
Steindicke am Rande, ^ Zoll Dicke am Boden. Am besten erhalten ist die
Aussenmauer eines in der Fläche befindlichlBn Rondeau's von etwa 150 Yards
Durchmesser. Es ist etwa 600 Yards vom Berge entfernt und war wahr-
scheinlich durch grosse Vorwerke mit dem Berge verbunden, wie die
Schuttmauem anzudeuten scheinen. Diese Ellipse hat nur einen einzigen,
etwa 3 Fuss breiten und 5 Fuss hohen Eingang auf der nördlichen Seite,
d. h. dem Berge zu, gehabt, der aber aufgemauert worden und später zum
Theil wieder eingefallen ist. Die Ursache hiervon mag der hölzerne morsche
Querbalken gewesen sein, der ein zu grosses Gewicht zu tragen hatte.
Ausser dieser sind noch zwei Oeffiiungen entstanden durch Einfallen. Im
Innern ist Alles, mit Ausnahme eines ganz gut erhaltenen Thurmes von
nahezu 30 Fuss Höhe, verfallen; so viel lässt sich aber erkennen, dass die
engen Gänge labyrinthisch angelegt worden waren. Dieser Thurm ist aus
ähnlich behauenen Granitsteinen zu 10 Fuss Höhe cylindrisch, dann bis zur
Spitze konisch erbaut , der Durchmesser am Fusse ist 15 ^ an der Spitze
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Völkerbewegung, Stammes- n. Kastenbüdung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiem. 219
8 Fqs8, nirgend zeigt sich eine Spur von einem Eingang. Er steht zwischen
der äusseren und einer ihr nahezu parallelen Mauer ^ welche letztere einen
schmalen Zugang gehabt hat. Dieser Zugang hat in Mannshöhe vier Dop-
pellagen yon ganz schwarzem Gestein^ abwediselnd mit Doppellagen von
Granitgestein. Die äussere Mauer zeigt einen Versuch ^ die Granitsteine in
Y(»rzieningen zu legen (s. die Abbildung). Dies Ornament findet sich
20 Fuss vom Boden und ist auf einem Drittel der südlichen Mauer zu beiden
Seiten des Thurmes nur auf der Aussenseite angebracht. Sonst ist Alles
Schutt und Trümmer und dichtes Gebüsch. Eiüige grosse Bäume von 3 Fuss
Durdimesser erheben ihr Laubdach fiwt zum Doppelten der Höhe der erhaU
tenen Mauer^ und viele etwas rasch wachsende Bäume haben solche Granit-
gesteine ganz in sich verwachsen, was wohl einen Schluss auf das Alter
erlaubt; nämlich: die Portugiesen , die nicht vor dem 16. Jahrhundert hier
einen befestigten Handelsplatz gehabt haben^ müssen diese Gebäude bereits
vorgefunden haben.
Nach Petermann*s Ansicht schiene nur so viel festzustehen, dass die
Ton Manch entdeckten Ruinen die üeberreste einer Factorei seien ^ die in
sehr alter 2jeit von Fremden zur Ausbeutung der in unmittelbarer Nähe be-
findlichen Goldfelder angelegt worden wären. Einem südafrikanischen
Volksstamme sei es niemals in den Sinn gekommen, massive Mauern und
Thürme zu bauen; selbst die »Kaiser von Monomotapa«^ welche sich die
Gegenstände zur inneren Einrichtung ihrer Gemächer aus Persien und In-
dien hätten kommen lassen und deren fürstlichen Luxus selbst die Portu-
giesen bewunderten, hätten nur in den landesüblichen Hütten aus Lehm, Holz
und Stroh gewohnt (S. 27). Von den Portugiesen seien diese Reste schon als
solche vorgefunden. Diese Nation aber sei wahrscheinlich niemals selbst
zu Bauwerken gelangt, sondern hätte ihre Kenntnisse von ihnen durch
Hören gewonnen (S. 26) . Es sei mindestens unwahrscheinlich, sie den älte-
ren Arabern zuzuschreiben, da sich sonst wohl UeberUeferungen bei ihnen
erhalten haben würden. Die Ruinen rückten somit in ein hohes Alterthum
hinauf und bei der bisherigen Unmöglichkeit, sie mit einem bestimmten Volke
in Verbindung zu bringen, sei man sehr natürlich darauf gekommen, sie von
den Ophirfiahrten Salomon's herzuleiten, zumal die Geschichte keine Nachrichten
über eine anderweitige Ausbeutung von Goldländem an den Ufern des in-
dischen Ozeans aus alter Zeit aufbewahrt habe.
C. Ritter, welcher die Ophirfrage in gewohnter scharfsinniger und
gründlicher Weise behandelt hat, setzt uns aus einander, wie die schon früher
erwähnten Produkte Ophir's im Hebräischen mit indischen Namen be-
nannt worden seien. Ueber Elfenbein, lAlmuggim, s. weiter oben (S. ^
Anm.). Ritter übersetzt ^^Anu^^tm oder i^/^t^mmün mit Sandelholz, statt
mit Ebenholz (S.38), welche letztere Version wir Luther verdanken. Eben-
holz würde sich meiner Meinung nach besser zu Geländern und zu Omamen-
teji für musikalische Instrumente eignen als Sandelholz, aus welchem mun viele
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220 I. Abschnitt. IX. Kapitel.
Kästchen und dgl. feinere Geräthe verfertigt, welches femer, von Ozeanien
bis nach Centralafrika hinein, zu Käucherungen benutzt und den Hautsal-
ben zugesetzt wird. Freilich könnte man mit lAlfMtggim auch eine belie-
bige andere kostbare Holzait gemeint haben. Hinsichtlich der Pfauen
vergl. das S. 38, Anm. 3 Gesagte^). Affen konnte man auch aus Asien
beziehen, namentlich die bei den Alten schon so bekannten Macacus-
Arten.
Silber, an welchem Afrika arm ist (S. 146), wird in Indien schon
häufiger gewonnen (zu Udipür u. s. w.). An Edelsteinen ist Afrika ent-
schieden ärmer als Asien. Gold konnte ebenfalls aus Indien bezog^i
werden (S. 38, Kiepert), wiewohl eingestanden werden muss, dass dieses
edle Metall in Afrika unstreitig massenhafter vorkommt, als in Asien.
Auf den ehemaligen Goldreichthum dieser Gegenden ist nun schon
oben in Kürze hingewiesen worden. Welche Ausdehnung aber die Gold-
felder des Hinterlandes, der Küste Mogambique allein im Districto de Setma
gehabt, möge Folgendes beweisen. Im Jahre 1500 etwa fand man im
Districte von JUanica (S. 28) ein Minengebiet von 340 Legoas^) Ausdehnung,
mit den besonders bezeichneten Oertlichkeiten y>Maceque8e, Dtua^ Chüondue,
Macambaca, Chiromie, Mucaza, Marassa, Marandoy Nafforno, Mururo, Zmire,
Nhahunday NhampanarUengo, Nhangombe, Samagtiende, Tucarume, Marondo^
Umponda, Nhanguy Mticombuey Däar, Mananze, Uengo und Ourarmumza.^
Zu Munene im Districto de Vumba existirte ein etwa zu derselben Zeit
entdecktes Minengebiet von 40 Legoas. Zu Manhengeiros , Dütricto de
Orobes, betrug das 1500 entdeckte Minenfeld 240 Legoas; das Gold wurde
hier aus dem Muttergestein genommen. Zu Santua, Districto de Binrey gab
es ein' 1500 aufgefundenes Goldfeld von 40 Legoas, In demselben Districte
hatte das Minenfeld zu Macomo « 2 Legoas, das von Mtichauacha = 240
Legoas Ausdehnung. Die Minen von Uoszey Districto de Böxa, hatten 2 L.,
die schon erwähnten von Surocuro hatten 4 L.y die im letzten Oör<w-District
bel^enen von Nhamucamba hatten 40 £., die von Guenze 4 L. Ausdeh-
nung. Auch für die letztgenannten Goldminen gilt das Entdeckungsjahr
1500. Man wusch das Gold 3) in Nachbarschaft der Flüsse. Gegenwärtig ge-
winnt man nur sehr wenig aus Mangel an Händen, denn alle diese Minen
sind wegen der Einfälle der Landins {Amch-ZüUi) verlassen worden. Die
Häuptlinge der Golddistricte waren dem Könige von nChangamirani (S. 28)
tributpflichtig. Gegenwärtig aber lebt das durch Verrath vertriebene Ober-
1) Im Sanskrit ^ikhi, 8. Qikhim mit deyänischer Aussprache. TaJcai ist (^ikhi im
Malabarischen (a. o. a. O.); ^Jüdm ist Pfau auch im Kam'äta u. s. yt. (Ritter a. a. 0.).
2) Eine Legoa s= \ geographische Meile.
3) Kupfer soll man ebenfalls 1500 zu ^Danga, PeneUco«, Eisen zu »Bucutay Ueza,
Ddze, ChtmocOf Panda , Nhariquique, Sonzo^ Nhacasapa, Nhamandoy Bussanha, Nhampueat
Nhampuoaia, MastdSa, Tucarumef Mucombue, Nhagamo' gefunden und gewonnen haben.
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Völkerbewegung, Stammes- u. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiern. 221
haupt als Flüchtling in »Vyfafyam [WMäfia) , Gebiet des Häuptling »Garn-
Uzati. Der y^Uatua Mezircaze^]^^ hat das weite Land im Besitz 2).
Auch die portugiesische Besitzung zu Vüla de Sofdüa oder Sofdla war
in früheren Zeiten als Goldemporium bekannt genug. Die einst berühmte
Fartaleza de Säo Caetano deckte diesen viel besuchten Platz. Gegenwärtig
befindet sich derselbe freilich in tiefem YerfaUe, namentlich seit Ama-Zülü
ihre Raubzüge bis in die Nachbarschaft ausdehnen^ welches Volk im Jahre
1S36, 10000—12000 Mann stark, sogar Stadt und Festung berannte. Bei
dieser Gelegenheit hielt zwar die kleine Besatzung Sofilla^s mit ihrem
CapÜäO'Mor Jo9e Marquez da Coita unter verzweifelter Gegenwehr den
PlatZy ging jedoch dabei zu Grunde 3). %
Noch zu Anfang dieses Jahrhunderts soll die Goldausfuhr von Senna
drca 130000 Cruzados (Kreuzthaler) pro Jahr betragen haben. Die Minen
von Teie galten schon damals für erschöpft. Die Presidios de »Zimbäoe
(S. 28} , de Manamtäapavy de Manica (nicht de Zumbo) sind längst verlassen
worden. Uebei* den gegenwärtigen dürftigen Zustand der alten Goldfelder
vergl. S. 28. Wie verderblich aber jetzt in diesen reichen, ehemals fester
mit der Krone Portugal verbunden gewesenen Gebieten die Amasällü [McUa^
hele) hausen, beweisen u. A. die Schilderungen Livingstone's^), v. d.
• Decken's Erzählungen^) und die neueren Nachrichten aus Mogambique^).
Bei Berücksichtigung jenes früheren nicht zu bezweifelnden Goldreich-
thumes in Ostafrika möchte man es allerdings unseren Forschem kaum ver-
argen, wenn sie die Worte des zweiten Buches der Chronica (Kap. 19, 13):
»Des Goldes aber, das Salomo in einem Jahre gebracht ward, war sechs-
hundert und sechs und sechzig Centner (14), ohne was die Krämer und
Kaofleute brachten« u. s. w., gänzlich oder doch hauptsächlich auf die gold-
haltigen Districte des gesammten heutigen Generalgouvernements Mo-
gasnbique beziehen wollen. Möglicherweise dürfte ja wohl ein Theil des
dem israelitischen Herrscher zugeflossenen Goldes direct oder durch Zwischen-
1) Unzweifelhaft ü^mselekäli, König der Matabile (S. 30).
2) Boletim e Annaes du Conselho Ultramarino, Lisboa 1863, I^. Serie No. 31, p. 187.
3) Zu Ende des Jahres 1860 betrug die Bevölkerung des Districto de Sofdlla 1394
Einwohner. Es gab da eine Schule mit 18 Alumnen. Die KOstenschifffahrt wurde unter-
halten von vier Lanchas (Schaluppen), einem Eaealer (Schooner?) und 35 Coehea ^ letstere
eine Art Floss, ähnlich den brasilischen Jangadas, Unter Erzeugnissen und Ausfiihrge-
geoständen, als: Elfenbein, Flusspferdzfthnen , Wachs, Orseille, Reis, Mais, Tabak, Erd-
nüssen (S. 119), Sesam und Weizen, geschieht des Goldes keine Erw&hnung. (Bo^
letim e Annaes do Conselho Ultramarino. III. Serie. No. 10. Lisboa 1862, p. 88.)
4) Neue Missionsreisen I. Band, 1. Kap., wo erwähnt wird, dass die Landim alljäbr-
Heh lu Chupanga und Senna Tribut erheben.
5) V. d. Decken erzählte mir, dass als er 1863 in Jfocam^igti« gewesen, ein portugie^
siaehes Kanonenboot Inhambane gegen streifende und plündernde Kaffern durch lebhaftes
Feuern mit Granaten habe schützen müssen.
6) Vüla de Senna ist erst 1806 von den Zülü überfallen und zum Theil zerstört wor-
den. (Vergl. Fritsch a. a. O. S. 123.}
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222 I. Abschnitt. IX. Kapitel.
handel aus ostafrikanischen Minenfeldern gebracht worden sein. Wei-
tere Folgerungen aber hinsichtlich Ophir^s und etwaiger phönizischer
Niederlassungen an jene Bibelstelle knüpfen zu wollen, müsste ich fiir ver-
fehlt erachten.
Uebrigens yerdienen Manch' s Angaben jedenfalls mehr Vertrauen,
als jene mährchenhaft aufgeputzten Berichte Walmsley's, welche ich im
III. Kapitel zu . grösserer Vollständigkeit ausführlich mitgetheilt habe. Letz-
teren mögen ja immerhin wahre Begebenheiten zu Grunde gelegen haben,
denn manche von Walmsley dargestellte Einzelheiten müssen einem jeden
mit afrikanischem Leben Vertrauten beweisen, dass eine reine Erdichtung,
ein reines Gebilde der Phantasie hier ausgeschlossen werden müsse. (Vergl.
S. 30). Aber auch Manch 's Schilderung der ZimbdoS^'Reste, möge sie
noch so getreu sein, wird durch das phantastische, geist- und witzlose Bri-
werk von Folgerungen in ihrem Werthe auf das Schwerste beeinträchtigt
Auch ist es zu bedauern, dass M auch 's bisherige Berichte von so wenigen
und so ungenügenden bildlichen Darstellungen begleitet wurden^).
Wollte man nun Manch 's Darstellung mit derjenigen phönizischer
Reste vergleichen, so würde man in einige Verlegenheit gerathen, indem von
letzteren leider nur sehr wenig vorhanden ist. Aber selbst wenn man dieses
Wenige in Betracht zieht, z. B. den Tempel von Marathos, die Thürme da-^
selbst, den Venustempel zu Graulos (Gozo) , die Ruinen von Hhagiar Sim,
Marsa Scirocco und Mnaidra auf Malta, die sicilischen Nuraghen oder Nur-
haffy deren phönizischer Ursprung kaum mehr anzuzweifeln ist 2), so findet
man keine näheren Anklänge an die von Manch beschriebenen Ruinen.
Die am Gtiulostempel und zu Hhagiar Kim entdeckten Ornamente haben
keine Aehnlichkeit mit den von Manch a. o. a. O. S. 123 abgebildeten. Man
könnte sich nun wohl versucht fühlen, den von Manch erwähnten, bis aa
10 Fuss Höhe cyKndrisch, dann bis zur Spitze konisch erbauten, Thurm
der Zimläoi mit jenem Thurm zu Marathos zu vergleichen, welchem Ger-
hard (nebst anderen mit abgerundeter Spitze versehenen) ohne Grund eine
»phallische« Form vindicirt^). Aber ein solcher Vergleich scheint mir denn
1) Sollten sich die durch Mauch eingesandten Beste von Holzbalken auch wirklich
als der Hb an on Ischen Ceder entstammende und nicht etwa als von Widdringio-
nien oder anderen einheimischen Bftumen herrührende erweisen, so würde selbst dies für
einen sicheren Zusammenhang der Zinibdo^ mit den salomonischen Ophirfahrten
wenig genug ergeben.
2) Vergl. u. A. Gerhard, Ueber die Kirnst der Fhöniiier. Abhandlungen der Kdn.
Akademie der Wissensoh. in Berlin, 1846, S. 679 ff., Taf. A. Leith Adams, Notes of
a naturalist in the Nile Valley and Malta. London MDCCCLXX, Taf. A. Della Mar-
mor a, Voyage en Sardugne, Atlas archöologique.
3) Wozu, trotz aUes Feuerdienstes und trotz aUerPhalli'schen Beziehungen, eine be*
liebige., aus jedwedem Kunstbestreben zu erklärende, cylindrische , rundlich oder kegel-
förmig endende Form eines Thurmen, eines Obelisken u. s. w. ohne Weiteres mit dem
männlichen Oliede in symbolische Verbindung bringen?
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Völkerbewegung, Stammes- u. Kastenbildung unter d. A/Hkanern, vorzügl. d. Nigritiem. 223
doch mehr wie weit hergeholt zu sein. Die schon erwähnten Nuraghen
dürften nach Della Marmora's und Gerhard's Annahme Grebäude so-
larischen Götterdienstes ^ Feuertempel, bilden. Schwein furth verglich,
wie wir oben (S. 15) gezeigt hatten, mit ihnen die von ihm am Gebel^Ma-
man entdeckten Mauern. Im Anhange 11. habe ich auszufuhren gesucht,
wie gross diese Aebnlichkeit in der That sei. Mich meinestheils mahnen
freilich jene Mamänr-gvBbeT ebenso sehr an einzelne tSex'gTdib&r (S. 23] und
in die Darstellungen gewisser algierischer v^Marabotiis^y sowie selbst mancher
Qiür der Samara. Es würde aber höchst ungereimt sein, die Bauart aller
genannten Werke von den Phöniziern ableiten zu wollen. Analogien der
Nuraghen und der 3famän-Denkmäler mitMauch's y^Zimhabyeik lassen sich
meiner Ansicht nach nicht herausfinden. Für die B^ründung einer Iden-
tität dieser Ruinen mit phönizischen Goldgräber-Bauten fehlt uns
zur Zeit noch jeder sichere Halt.
In Manch 's Darstellung ist nirgends von den durch andere Beobach-
ter bezeichneten Inschriften die Rede (Kap. III).
Sollen wir nun die Zimhdoe^a für Bauten alterer Araber erklären?
A. Petermann's Angabe: wenn dies der Fall sei, so würden sich bei eben
genanntem Volke Ueberlieferungen erhalten haben (S. 219), lehrt uns nicht
genug. Es ist nun wohl bekannt, dass die Araber namentlich zur iAbbä-
siden-Zeit sehr lebhafte Verbindungen mit den Kästen von Agan, Zanguebar
und Sofaiah (S. 38) unterhalten haben. Auch C. Ritter macht auf den
Goldyerkehr der Araber mit SofcUah aufmerksam. Seiner Meinung nach
könnten die Zimbdoffs wohl dem späteren, schon im 10. Jahrhundert \ye^
standenen, Dgoldsuchenden Araberverkehr« zugeschrieben werden ^). Die oben
angezogene Beschreibung der ' Ruinen nach Manch, namentlich die-
jenige des Thurmes (S. 218), stände der Annahme eines arabischen Ur-
sprunges jener Bauten nicht im Wege. Bekanntlich finden sich an vielen
Plätzen der Ostküste arabische Steinhäuser, zum Theil von ansehnlichen
Dimensionen, zu denen man auch nicht selten recht grosse viereckige Werk-
stücke verwandt hat. Einige dieser Häuser reidien bis in frühere Ji^hun-
derte hinauf. Solche verschobene, um einander her laufende Vierecke mit
centralen Rosetten, solche Parallel- und Zickzacklinien aber, wie ihrer
Manch an seinen Steinbalken dargestellt^ sind zu weit verbreitet, als dass
■lan aus ihnen direct auf die Herkunft jener ZimbdoffM schliessen könnte.
Es finden sich deren unter älteren arabischen Ornamenten 2); femer unter
denen der Mexicaner (z. B. zu MiÜa) , der nordamerikanischen Indianer, der
Australier, Neuseeländer, Marquesaner u. s. w. Derartige Lineamente gelten
uns eb^i als Erzeugnisse sowohl roheren, wie feineren Kunstotyles, selbst
1) Erdkunde von Asien, VIII, 2, S. 375.
2) Dagegen scheinen in der neueren arabischen Ornamentik mehr die veracblungenen,
sich vielfach kreuzenden Lineamente beliebt zu sein.
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224 I- Abschnitt. IX. Kapitel.
noch so heterogener Bevölkerungen^ freilich im Ganzen mehr des ersteren,
denn letzterer würde meist mehr auf Herstellung zusammengesetzterer Ver-
zierungen^ d. h. sehr verschlungener Linien , wirklicher Blumen , Blätter,
Ranken, Thiere u. s. w. verfallen. Hätten nun Araber diese Gebäude er-
richtet, so wären von ihnen freilich auch wohl Inschriften angebracht
worden.
Soll man die Zimbdoe*8 den Portugiesen zuschreiben? De Harros
und Andere haben dieselben freilich als zur Zeit der Conquüta bereits in
Ruinen liegend geschildert (S. 26). Lusitanische Erbauer würden auch nicht
ermangelt haben, jene Bauten mit Ornamenten aus der (zur Conqtmia^Z&t
üblichen) früheren Renaissanceperiode zu schmücken. Vor Allem würden
sie aber Inschriften und Kreuze ^ Wappen oder ähnliche Embleme ange-
bracht haben, von welchen Dingen man genug an sonstigen altportugiesi-
schen Bauten längs der Ostküste, z. B. zu Mambäsah, Malindi, Maqubbah,
wahrnimmt ^) .
Soll man nun die Ruinen für Werke eines früher mächtig und halb-
civilisirt gewesenen, mit Eisen-, Kupfer- und Goldgewinnung vertrauten
A'BäfUur-Stammes (S. 38) halten? Auch hierfür fehlt uns das entschei-
dende Moment. Trotzdem würden, so glaube ich, diese letztere und jene
oben berührte Idee von der muthmasslich arabischen Abkunft der be-
regten Bauten noch das Meiste für sich haben (Anhang Ö).
Auch Südarabien ist von mehreren Seiten für das salomonische Ophir
gehalten worden. Duemichen macht auf die Aehnlichkeit der von einer
ägyptischen Flotte aus Arabien gebrachten Erzeugnisse (S. 55) mit denen
Ophir's (die Pfauen ausgenommen) aufmerksam. Meiner eigenen Ueberzeu-
gung nach bleibt die kulturgeschichtlich so höchst interessante Ophirfrage
immer noch ungelöst. Die schon früher versuchte Identificirung von Ab-
hira (Indien) mit Ophir (S. 38) ist meiner Meinung nach unwiderl^. Ich
möchte bei dieser Gelegenheit noch folgende Aussprüche C. Ritter's zur
Beherzigung empfehlen: »Dass aber durch die gründlichsten Sprachforscher
entschiedene Verwandtschaften durch die Sprachstämme nicht nur ethno-
logisch, sondern auch durch die Völkerstämme ethnographisch, und
durch die Localitäten historisch und physikalisch günstig für Indien
im Obigen nachgewiesen sind, wird nicht geläugnet werden können^).«
Später spricht unser grosser Geograph von dem Uebergewicht, welches die
Historie selbst, die Sprachforschung und die Natur der Länder wie
ihrer Productionen darbieten, das salomonische Ophir in Indien zu
suchen 3) . .
Nun bliebe freilich möglich, dass jener Name Ophir von den Alten als
1) Vergl. V. d. Decken, Reise I, Abbüdg.
2) A. a. O. S. 406.
3) Das. S. 414.
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Völkerbewegung, Stammes- u. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiem. 225
Allgemeinbezeichnung für verschiedene^ die oben genannten kostbaren
Ausfuhrartikel liefernde Küstengebiete des indischen Ozeans gebraucht
worden sei. Dies nämlich vielleicht in ähnlicher Weise, wie das bekannte
Wort Eldorado, das ehemals in die Guyanas verlegt i)^ also auf räumlich
begrenztem Gebiete entstanden war, aber schon von den späteren Zeiten
der spanischen Conqtdsta ab bis auf unsere Tage zur KoUectivbenennung für
ii^end welche an Gold und sonstigen werthvoUen Erzeugnissen reiche Ge-
genden geworden ist. Jene allgemeinere Verwendung des Namens Ophir
brauchte die lokale Entstehung desselben aus Abhira nicht auszuschliessen.
Die pharaonischen Denkmäler machen uns mit einer zur Zeit der 12.
Dynastie stattgehabten Einwanderung von Asiaten nach Aegypten be-
kannt. Das Grab Nqhqra-st-Xnumhotep's zu Bent-Hasan zeigt uns nämlich
einen feierlichen Aufzug von 37 A^amu unter Führung des Abü-oq, welche
mit Weib und Kind^ Wehr und Waffe, Leier und Korb, unter Zuhülfe-
nahme kräftiger Esel fürbass rücken. Eingeführt durch den königlichen
Schreiber N^er-hotep, bringen sie dem Inhaber des Grabes allerlei Produkte
ihrer Heimath, z.B. das Cosmeticum Messern '^), einen zahmen Steinbock
[Capra sinaiiica), eine Gazelle (Antilope dorcas) u. s. w. dar. Unsere
Aegyptologen haben nun in ihren Ansichten über Nationalität jener Ein-
wanderer sehr wenig Einklang verrathen. Champollion machte aus
ihnen Griechen. Allein woher sollten diese wohl jene Thiere direct be-
zogen haben? Auch widerspricht einer solchen Annahme die Physiognomie
der Einziehenden. G. Wilkinson hielt dieselben für Gefangene. Allein
letzteres ist deshalb nicht gut annehmbar, weil jene bewaffiiet und Geschenke
bringend auftreten, ein Umstand, auf den Lepsius aufmerksam gemacht
hat. Lepsius selbst aber hält jene Aamu für eine einwandernde Hyqsos-
familie, welche um Aufnahme in dem gesegneten Lande bittet und deren
Nachkommen den stammverwandten semitischen Eroberem vielleicht die
Thore geöfihet haben. Brugsch dagegen hält sie weder mit Champol-
lion für Griechen, noch mit Lepsius für die ersten Spuren einwandern-
der HyqsoSj sondern lediglich für die Gesandtschaft eines unterworfenen se-
mitischen Stammes^). Ebers scheint doch wieder Vorläufer der Hyqaos
im Sinne zu haben, indem er die Einwanderung jener Aamu in die Mitte
der 12. Dynastie verlegt, welche zwar mit Vorsicht, aber doch im Ganzen
gutwillig den von Osten her an die Thore des Landes klopfenden Fremden
selbst in die Heptanomis Einlass gab. In der folgenden Generation erschei-
nen grössere, mächtigere Volksschwärme arabischer Herkunft und reissen^
1) Vergl. Reisen Rob. H. Schomburgk's in Guyana und am Orinoko. Leipzig
1841. Vorwort von A. v. Humboldt, S. 11 ff.
2) Brugsch, Hist. p. 63. 64. Abbildung dieses Aufzuges u. A. in Ebers, Aegyp-
ten u. s. w., S. 100.
3) Reiseberichte aus Aegypten. Leipzig 1855, S. 9S.
Uftrimftnii, HigriUer. 15
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226 ^- Abschnitt. IX. Kapitel.
im Blinde mit ihren Stammbrüdem im Delta y das Scepter der Phamonen
an sich*). Syroaraber sind jene Äamu jedenfalls. Ihre Physiognomien ver-
rathen Jüdisches.
Wir finden überhaupt auf altägyptischen Denkmälern , besonders auf
den en rdief so meisterhaft typisch-individuaUsirten Völkertafeln des grossen
Reichstempels zu Karnaq, mehrmals Darstellungen von Asiaten, welche
einen ausgeprägt hebräischen Gesichtsschnitt zeigen, einen Gesichts-
schnitt, wie wir ihn noch heut so vielfttch selbst unter den gebildetsten Ver-
tretern der jüdischen Nationalität wahrnehmen. (Vergl. Taf. VIII, Fig. 8
mit Fig. 1—4 daselbst).
Die Uebersiedelung der Juden nach Aegypten bildet einen höchst
wichtigen Beitrag zur Frage von den asiatischen Einwanderungen nach
Nordostafrika. Bekanntlich existiren wenige Völker der Erde, über deren
muthmasslichen Ursprung nationaler Stolz und religiöser Hochmuth so viel
Mythen verbreitet haben, wie das auserwählte des Herrn. Nachdem die
Erzväter und deren Nachkommen ihre nach unseren Begriffen allzu lange
Lebensdauer vollendet, nachdem das Geschlecht Israels sich mehr von der
Gottheit abgelöst und rein menschlicher geworden war, nimmt dasselbe, der
Sage nach, seinen Wohnsitz in Chaldaea, dessen Boden dasselbe doch jeden-
falls entstammt war. Jener ehrwürdige Patriarch Abraham der Bibel
scheint uns nur die stricte Personification eines chaldäischen Beduinenhäupt-
lings zu sein. Es ist dies einer jener Männer, wie das Haartuchzelt in der
Wüste ihrer manche geboren hat und noch jetzt gebiert. Die Eigenthüm-
lichkeit der sandig- steinigen pflanzenarmen Natur mit den beweglichen Ele-
menten des Pferdes und Kameeies, mit ihren zahlreichen Heerden in West-
asien drückt sich so gänzlich in der Eigenart der zum grossen Theil als
Hirten lebenden Erzväter der abrahamitischen Zeit aus. Es ist diese Weise
im Allgemeinen diejenige des öde Wildnisse durchschweifenden Nomaden,
sie findet sich, allerdings mit gewissen durch örtliche Verhältnisse bedingten
Abänderungen, zunächst wieder beim nubischen und mayrebiner Beduinen.
Unter Stämmen, um welche der Islam sein einigendes Band schlingt, wie-
derholt sich so manche Lebenserscheinung in übterraschender Weise. • Es er-
zeugt sich hier eine Gemeinsamkeit der Anschauungen, der Sitten und Ge-
bräuche, welche wahrhaftig nicht, wie Manche geglaubt haben, nur Ausfluss
eines gemeinsamen nationalen Ursprunges sind, sondern welche durch Ge-
meinsamkeit des Glaubens, durch Befolgung der religiösen Vorschriften,
wie der Monotheismus der Israeliten und Mohammedaner sie bieten, erzeugt
worden sind. Das nomadische Leben allein zeigt uns ja gewisse allgemeine
Anklänge unter Völkern noch so verschiedener Nationalität, noch so ver-
schiedenen Glaubens, unter Kazaken Mittelasiens, unter Beduinen Pal&-
Aegypten u. s. w. S. 256.
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Völkerbewegung, Stammes- u. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiem. 227
stina'sy denjenigen Nubiens und Inner-Südän^Sy unter Tüäriq, Llaneros, Ser--
ttm^'as, QuaycunSsy Gauchos , unter Rancheros und Prairie- Indianern etc.
Solcbe Anklänge finden «ich aber namentlich bei denjenigen Nomaden*
Stämmen, deren Hausthierzueht sich hauptsächlich um die grossen Reit-,
Last- und Fleischthiere, nämlich Pferd, Esel, Kameel, Bind drdit.
Abraham gilt uns also, wie vorhin schon erwähnt worden, nur als ein-
faches chaldäisches Beduinenhaupt. Mag nun auch vom grünen Tische aus
versueht werden, in ihm ^ne mythische Person, einen allgemeineren ethno-
logischen B^riff zu suchen, für Jemand, der im Oriente gewesen ist, hat
jener biblische Patriarch gerade so viel Anrecht darauf, als eine reale
Erscheinung betrachtet zu werden, wie irgend ein anderer Anführer des aus-
erwählten Volkes. Auch A. Knobel, der grÜQdliche Untersucher der Völ-
keitafel der Genesis, betrachtet Abraham als »eine geschichtliche Per-
son«*). Die Juden aber für Chaldäer zu halten, fühlen wir uns durch ihre
Gnesichtsbildung und sonstige EjörperUchkeit, sowie durch ihre Sprache ver-
«ulasat. Niemand wird läugnen können, dass die ganze äussere Erscheinung
des Israeliten diejenige des Syroarabers oder Semiten in ausgeprägtester
Yfeu^e sei. Die Chaldäer, die Kinder iArfiiksad's'^]^ scheinen Ansässige und
Nomaden der nördlich^i Geüreh (Mesopotamiens) und der im Norden der-
selben gelegenen Gebiete, sowie der östlichen syrisdb-arabischen Wüste ge-
wesen 2u sein. Ihr nomadisirender Zweig mag ebensowohl Wegelagerei
getrieben haben, als dies ihre Nachkommen noch gegenwärtig zu thun
pflegen. Das Wort Haräml, Bäuber, gilt übrigens bekanntlich nur in Aegyp-
ten, Nubien und Sermär, nicht aber in Inner-Syrien, als ein Schimpfwort für
den Beduinen^). Die Chaldäer dürfen wir wohl mit Layard^) und mit
Anderen für Syroaraber halten, und können wir die skythischen wie slavo-
nischen Abstammungstheorien der Michaelis, Schlözer u. s. w. zu den Ak-
ten l^en.
Die Chaldäer, die X^€uiim der Bibel, tfaeilen sich nun in JoqianidBm
(nach Jeqton^ , welche das südliche Arabien occupiren, und in Pelegiden
(nach JPeleff), letztere wahrscheinlich nach der mesopotamischen Stadt Phalga,
0dlya (nahe der Einmündung des Chaboras in den Euphrat) , benannt.
Der Stamimvater Araham ist dem pelegischen Chaldäerzweige Ur-X^aedim
1) Die Völkertafel der Genesis, S. 169.
2) D. h. so weit die Phüologen hierüber bis heuer einig geworden ^nd.
S) »Der arabische R&uber (SQdwestasiens) betrachtet sein Gewerbe als ein ehrenToUes,
und dar Nane harämy ist einer der schiiMichelhaftesten Titel, welche man einem jangen
Helden nur beüegen kann.« (Burckhardt, Ueber Beduinen und Wahaby, D. A.,
8. 127). Nun raubt der afrikanische Beduine zwar auch, wird aber, wie ich selbst oft genug
erfahren habe, durch den Namen Aarämt in Wuth oder doch in Verlegenheit gesetzt. Hier
schafft ein etwas anderer ^deenkreis andere Wortauslegungen. Hier legt man dem Raube
umschreibende, gewissermassen die That moralisch gutheissende Bezeichnungen bei.
4) Layard H. Reise. D. A., S. 314 Anm.
15*
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228 ^- Abschnitt. IX. Kapitel.
im nördlichen Mesopotamien entsprossen. Derselbe zieht über äaram (Sy-
rien) nach Canaan*) (Kana^any vergl. S. 183). Es hat aber für uns nichts
Ungereimtes, Abraham als den Stammvater verschiedener Tribus zn be-
trachten. Sehen wir doch zu allen Zeiten, auch noch heut, namentlich
unter nomadisirenden Völkern Asiens und Afrikas, einzelne Familien vom
Hauptstamme sich lösen und, unter Führung ihrer Aeltesten, ihrer Sufüx,
wieder neue Stäfiime gründen. Auch wurden nicht selten ältere Stämme
durch Kriegsunglück, durch Auswanderung wegen Misswachses, wegen
Seuchen unter den Menschen , wegen Viehsterbens u. s. w. irgend anders-
wohin versprengt und gaben hier den Keim zu einer neuen Stammesbil-
dung ab. Ich werde weiterhin Gelegenheit finden, schlagende Beispiele zu
Gunsten dieser meiner Darstellung vorführen zu können. Abraham selbst
mag mit Gliedern seiner engeren und weiteren Familie, noch durdi Anhän-
ger verstärkt, in seine spätere Heimath eingewandert sein und sich hier
mit vorgefundenen eingebomen Bevölkerungselementen vereinigt haben.
»Durch solche Mischung verschiedener Stämme entstanden neue Bildungen
und Gestaltungen in Dialekt, Einrichtungen, Sitten u. s. w. Wie viel aber
davon den Anwanderem und wie viel den Vorgefundenen gehört, ist natür-
lich nicht zu ermitteln 2).« Ich bemerke übrigens, dass unter Tribus, Stäm-
men, hier nicht Gruppen heterogener Bevölkerungen, nicht Näs, Gins,
Xäliqy sondern nur Zweige einer Völkerfamilie, nur Horden, Qabl(;ai,
Fereq , Dalfe, verstanden werden sollen. Es heisst nun in der Genesis,
dass die von Abraham abstammenden Tribus zwar chaldäischer Herkunft
gewesen, aber die Sprache des Landes angenommen hätten, in welches sie
eingewandert seien. Die Juden hätten die canaanitische Sprache sich zu eigen
gemacht. Während Jakob dieselbe sprach, redete Laban aramäisch. Die
palästinaeische Umgangssprache wurde auch die Schriftsprache der Hebräer;
doch finden sich in der hebräischen Dichtersprache viele der Prosa fremde
Elemente, zum Theil aramäischer Art; welche sich wahrscheinlich aus der
alten Sprache der Horde Abraham's erhalten habend). Die Einwanderung
der Hebräer, der ^prthu der Hieroglyphen, nach Aegypten, ihre Ansiede-
lung in Gosen oder Gosen, der heutigen äerqieh, ihr hartes Bedrängnis«
als Unreine, als Frohnarbeiter der i2ß^-Herrscher ^ sind geschichtlich ver-
bürgt. Es liegt kein Grund vor, den grossen Gesetzgeber der Hebräer,
Moses, seiner realen Existenz zu entkleiden. Selbstverständlich verweisen
wir alles mythische, wunderbar erscheinende Beiwerk in den Bereich der
Mährchenwelt und überlassen es Fachmännern, den vermeintlichen Wundem
der Exodusperiode eine natürliche Ghrundlage zu geben ^) . Eine Erörterung der
1) Vergl. Knobei a. a. O. S. 169 ff.
2) Vergl. Knobei a. a. O. S. 175.
3) Knobei a. a. O. S. 176.
4) Unter Anderen hat M. Dunker das anscheinend Wunderbare jener berüchtigten
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Völkerbewegung, Stammes- u. Kastenbildung anter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiem. 229
ferneren Schicksale der Hebräer nach ihrem Uebertritte ins gelobte Land
gehört nicht in den Bereich unserer Betrachtungen. Nichts ist aber unge-
lernter^ als den Hebräern ägyptische Abkunft yindiciren, sie wohl gar für
aussätzige Aegypter halten zu wollen ^) . Die physische Beschaffenheit dieses
syroarabischen Volkes ist eine durchaus andere^ als diejenige der Beiu.
Hiervon kann man sich bei jedem Eselsritte oder Spatziergange per pedes
durch Cairo's Strassenchaos überzeugen. Wer eines solchen schlagenden
Beweismittels nicht theilhaftig sein kann, der suche sich doch mindestens
ein Album voll Photographien jüdischer Männer und Frauen zusammen und
wandere damit» Vergleiche anstellend, durch ein grösseres ägyptisches Mu-
seum. Finden sich wirklich einmal jüdische Individuen mit JS^^-Zügen
vor, so kann man das als Zufälligkeit ansehen, vide denn mauche Abkömm-
linge des auserwählten Volkes auch Mulatten germanischen Herkommens,
Ciolos, ChinoSy Mamalucos, Chinesen, Ltpplappen, Päm-Indianem, Äymaras,
Sandwichs-Insulanern u. dgl. u. dgl. ähneln können.
Die Abneigung, welche der Aegypter unserer Tage noch immer gegen
den Abkömmling der Mosaiten eihpfindet, wurzelt nicht allein auf religiö-
sem Gebiet. Denn letzteres kommt bei den heutigen au%eklärten politischen
und gesellschaftlichen Zuständen des vom Abendlande so stark beeinflussten
Nüthales nicht mehr recht zur Geltung, und so wenig vöe das Wort Noi-
röiti, ist zur Zeit das Wort Yehüdi bevorzugtes Schimpfwort, etwa rein als
Ausfluss von missverstandenen Qur^än-Satzungen. Vielmehr entstammt jene
Abneigung den Rassenverschiedenheiten, wie Aehnliches ja den Germanen
und Roman^i vom Hebräer zu scheiden pflegte. Es lässt sich nun keines-
wegs darthun, dass die hebräische Einwanderung in Aegypten einen irgend
erheblichen umstimmenden Einfluss auf den herrschenden Typus der urthüm-
lichen Bevölkerung des Nilthaies ausgeübt haben könnte. Diejenigen For-
scher, welche nun einmal durchaus für die semitische Einwanderung der
Civilisatoren des Nilthaies sich begeistern, gönnen den alten Retu nicht den
ihnen doch so rechtmässig und doch vielfach zuerkannten Lorbeer, eine sehr
alte, sehr fiühe Kultur geschaffen zu haben.
In neuerer Zeit ist durch Oppert und Andere darauf hingewiesen
worden, dass gewisse zu ür im ürsitze Abraham's gefundene Inschriften
älter als die Pyramiden seien. Es könnte demnach den Anschein ge-
winnen, als sei die assyrisch-babylonische Kultur der ägyptischen im Alter
noch weit voraus. Auch ich habe mich früher in die von den Alten an-
gestellten Berechnungen jener Jahrtausende und Jahrhunderte verirrt, nach
Plagen auf natürliche Weise zu erklaren versucht, imd zwar, wie mir scheint, mit gutem
Erfolge (Geschichte des Alterthums. I, S. 310 ff.).
1) Lepra mag unter den gedrückten, elenden jüdischen Frohnarbeitem des Memeph-
Uih wohl verbreitet gewesen sein, auch, nach der alten rauhen Sitte, zur gründlichen
laolirung dieser Israeliten das Ihrige beigetragen haben.
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230 I- Abschnitt. IX. Kapitel.
denen die Existenz sowohl, wie auch die Blüthezeit verschiedener Reiche
des Orientes bestimmt werden müsse ^). Wo nun in solcher Hinsicht ver-
bürgte geschichtliche Zeitbemessungen angenommen werden dürfen,
da möge man dieselben auch ohne Scheu in den Bereich kritischer Betradi-
tungen über Herkunft, Wanderung, Ansiedelung der Völker u. s. w. ziehen.
Aber man möge sich auch davor hüten, unbestimmten derartigen Zahlenan-
gaben mehr Werth beizulegen, als sie vernünftigerweise verdienen. Denn
man möge doch wohl im Auge behalten, wie Mythus, Rassenhoohmuth,
Heroenkultus, wie Religionswahn, Priesterdünkel und andere Verbältnisse
ihren schädigenden Einfluss auf die chronologische Sieherstellung so sehr
vieler Geschichtsepochen, namentlich aber bei den zu Unzuverlässigkeiten, zu
numerischen Uebertreibungen so sehr geneigten Orientalen, ausgeübt haben
müssen. Jedenfalls dürfen wir nicht ausser Acht lassen, dass ein paar Jahr-
tausende, ein paar Jahrhunderte früher oder später keinesfalls allein über
das Eingeborensein eines Volkes, einer Civilisation entscheiden können.
Eine Civilisation, welche sich, unsicheren Zahlenangaben zufolge, scheinbar
auch älter als eine andere, selbst benachbarte, herausstellen soll, darf nicht
gleich als Erzeugerin der letzteren angesehen werden, wenn nicht andere
Faktoren, z. B. Aehnlichkeit des Kunststyles, der Staatseinrichtungen, Sitten,
Gebräuche u. s. w. mit dafür sprechen.
Ueber das angeblich sehr hohe Alter der ägyptischen Kultur, eine
Sache, die immer von Neuem hier zu betonen ich mich genöthigt fühle,
hatte Homer eingehende Untersuchungen angestellt. Diese sind von mir
schon früher ausführlich besprochen worden ^j und hat über dieselben ein
1) S. Zeitschr. für Ethnol. 1869, S. 36.
2) Zeitschr. f. Ethnologie 1869, S. 36 ff. Homer bemerkt nun in den Phüosophical
Transactions of the Royal Society vol. 148, p. 77 noch Folgendes: »Es liegen hinl&ngliche
Gründe zu der Annahme vor, dass die ganze, jetzt von Alluvialablagerungen bedeckte
Fläche Unter- Aegyptens, das Nildelta, dereinst eine Bai des Mittelmeeres bildete, welche
im Laufe der Zeiten durch die, von künstlichen Eindämmungen nicht beschränkte, und
von den aus dem benachbarten Wüstenhochlande herabgewehten Sandmassen vermehrten
Ablagerungen aus den zahlreichen Armen des Nil nach und nach ausgefüllt wurde. Wir
sind femer anzunehmen berechtigt, dass zu einer Zeit, als die Küste dieser Bai in Folge
der an der Mündung des Nil abgesetzten Schlammmassen zunächst bis zu der Breite von
^Sigouin und »Besaouse« und später bis zur Breite der jetzigen Spitze des Delta vorgerückt
war, die oberhalb des letztem in den Strom gefallenen Ziegelfragmente und Bruckstücken
von irdnen Geschirren von dem letztern in die Bai geführt wurden. Offenbar hat dieser
Vorgang so lange fortgedauert, als die Ufer der Bucht nach Norden vorrückten» und zwar
noch bis zur BUdung der heutigen Küstenlinie; denn bei den von Hekekian-Bey im
J. 1854 in JtSa-el^Haffiaru, einem etwa 45 (engl.) Meilen oberhalb Kosette gelegenen Dorfe,
an dem Punkte, wo die alte Stadt Sais gelegen haben soll, sowie in der Nähe von Rosette
selbst ausgeführten Bohrungen wurden in Teufen von 19 und 20 Fuss (engl.) ganz ähn-
liche Reste von Gebilden manschlichen Kunstfleisses aufgefunden. Der Angabe des ge-
nannten Ingenieurs zufolge erstrecken sich diese Schuttablagerungen bis in beträchtliche
Tiefen , unter den Fundamenten von Steingebäuden hindurch, bis unter den tiefsten Stand
des Mittelmeeres und bis dicht an die Küste.«
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Völkerbewegiing, Stammes- u. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiem. 231
— — — ■ —
John Lubbock die nachfolgenden höchst interessanten kritischen Unter-
suchungen yeröffentlicht : »In dem grossen Werke über Egypten machte der
Verfasser den Versuch, die auf diese Weise hervorgebrachte Erhöhung des
Bodens zu bestimmen; dieselbe wurde für je hundert Jahre zu fünf Zoll
(engl.) angenommen. Diese allgemeine Durchschnittsangabe liess sich jedoch
nicht mit bedeutenden, an verschiedenen Punkten beobachteten Abweichun-
gen vereinbaren und deshalb glaubte sich Homer auch nicht zu einer
Anwendung dieser Angabe auf specielle Fälle berechtigt, selbst wenn ihm
die Beweismittel, auf die sie sich stützte, genügt hätten. Er zog es vor, die
Biächtigkmt der Sedimentablagerungen zu messen, welche sich an Monu-
menten von bekanntem Alter gebildet hatten, und wählte zu diesem Zwecke
zwei derselben aus: den Obelisk von Heliopolis und die Statue des
Königs Rhamses IL zu Memphis. Der genannte Obelisk ist, der all-
gemeinen Annahme nach, 2300 Jahre vor Chr. Geburt errichtet worden;
addiren wir nun zu dieser Zahl noch 1850, die Zahl des Jahres, in welchem
Homer seine Untersuchungen anstellte (im Juni 1851, also vor Eintritt der
grossen Ueberschwemmung dieses Jahres) , so erhalten wir die Anzahl von
4150 Jahren, ein Zeitraum, in welchem Sedimente von elf Fuss Mächtigkeit
abgesetzt wurden, entsprechend einem Absätze von 1,18'' Mächtigkeit im
Verlaufe von je einhundert Jahren. Indessen giebt Homer selbst zu, dass
die Richtigkeit dieser Folgerung nicht ganz unzweifelhaft ist, und zwar haupt^
sächlich deshalb, weil die zur Gründung der Stadt Heliopolis und ihres
Tempels gewählte Gegend möglicherweise zu einem Landtheile gehörte,
welcher ursprünglich etwas über dem Niveau des übrigen Theils der Wüste
lag. Aus diesem Grunde stützt er seine Ansichten bezüglich des Alters
jener Sedimentbildungen vorzüglich auf die Beweise, welche die kolossale
Königsstatue von Memphis an die Hand giebt. Hier liegt die jetzige Boden-
oberfläche 10 Fuss 6 3/4 Zoll über der Basis des Sockels, auf welchem die
Bildsäule stand. Nehmen wir an, dass dieser Sockel bei seiner Aufstellung
145/4 Zoll tief in den Boden versenkt wurde, so haben wir hier eine Sedi-
mentbildung, welche^ von der jetzigen Oberfläche des Bodens bis zu der ge-
dachten Tiefe hinab, 9 Fuss 4 Zoll mächtig ist. Nach Lepsius' Annahme
regierte Rhamses von 1394 bis 1328 v. Chr., demnach würde die Statue
ein Alter von 3215 Jahren haben und dem entsprechend würde die Sedi-
mentbildung oder Bodenerhöhung durchschnittlich in je hundert Jahren nur
3Y2 Zoll an Mächtigkeit zugenommen haben.«
»Nachdem Hörn er in dieser Weise einen annähernden Massstab für die
aUmälige Erhöhung des Bodens in diesem Theile des Nilthaies aufgestellt,
liess er mehrere tiefe Schächte abteufen. In einem derselben, der dicht an
der Statue abgesunken worden, fand sich in 39 Fuss Teufe ein irdner
Scherben — ein Fund, der bei Zugrundelegung der obigen Anhaltpunkte
auf ein Alter von etwa 13000 Jahren schliessen lässt.«
»Bei zahlreichen andern Ausgrabungen wurden Scherben von irdnen
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232 I- Abschnitt. IX. Kapitel.
Geschirren und andern von Menschenhand herrührenden Gegenständen in
noch grösseren Teufen gefunden; doch muss allerdings zugegeben werden,
dass verschiedene Umstände vorliegen, welche die obigen Berechnungen sehr
zweifelhaft machen. So z. B. ist es nicht möglich, mit Sicherheit die Tiefe
zu ermitteln; bis zu welcher der Sockel der Statue in den Boden eingesenkt
worden ist; Hörn er nimmt dieselbe, wie schon bemerkt, zu 148/4 Zoll an;
wenn diese Tiefe indessen um Vieles grösser war, so muss sich die Mäch-
tigkeit der Ablagerungen als geringer und das Alter derselben als höher
herausstellen. Wenn dagegen der Sockel nicht so tief in den Boden einge-
lassen war, so dass die Statue höher stand, so muss natürlich das Gregenthefl
der Fall sein.«
»Ueberdies ist nachgewiesen worden, dass die alten Aegypter die Ge-
wohnheit hatten, die Stätten, auf denen Tempel, Bildsäulen etc. errichtet
waren, mit Dämmen einzuschliessen, so dass das Nilwasser von ihnen fem
gehalten wurde.«
»Sobald nun«, sagt Ch. Lyell, »das Wasser zuletzt in eine solche De-
pression oder Bodenvertiefung einbricht ^ so führt es anfanglich mehr oder
weniger bedeutende Mengen des von den benachbarten steilen Ufern wegge-
waschenen Schlammes in den undämmten Raum mit sich hinein ^ so dass
sich binnen wenigen Jahren eine stärkere Ablagerung Inlden wird, als viel-
leicht in ebenso vielen Jahrhunderten auf der grossen Ebene ausserhalb des
tiefer gelegenen Gebietes der Fall ist, welches letztere derartigen störenden
Einflüssen nicht ausgesetzt ist. Indessen wird die Schnelligkeit der Abla-
gerung der vorhergegangenen Langsamkeit dieses Vorganges proportional
sein, und wird nur dahin wirken ^ dass diese tiefer liegenden Stellen, diese
Bodendepressionen zu gleichem Niveau mit der umliegenden G^end er-
höhet werden. Nehmen wir z. B. an, dass das auf der flachen Ebene von
Memphis vor 3200 Jahren errichtete Mhamses-Monuraent während der ersten
2000 Jahre seines Bestehens durch eine Umdämmung geschützt gewesen
und dass während dieser Zeit die ausserhalb dieser Einfriedigung gel^ene
Ebene nach und nach durch die Ablagerungen aus dem Nilwasser um 5 Fuss
10 Zoll höher geworden, und zwar in dem Verhältnisse von 3Y2 Zoll in je
hundert Jahren. Als die Eindämmung den Angrifi^en des Wassers nicht
länger Widerstand zu leisten vermochte, wurde der von ihr eingeschlossene
Raum sehr bald bis zu dem allgemeinen Niveau der Umgebung ausgefüllt,
und die in ihm abgesetzten Sedimentschichten konnten wohl nach Verlauf
verhältnissmässig weniger Jahre eine Mächtigkeit von 5 Fuss 10 Sioll er-
reichen, indessen mochte diese ausnahmsweise rasche Anhäufung nur die
Ergänzung des ihr vorhergegangenen ausnahmsweisen Mangels an Ablage*
rungen sein. Demzufolge kann, obgleich der die Basis der Statue bedeckende
Detritus, sobald die Sedimentbildung das Niveau der umliegenden Ebene
erreicht hatte, recht gut im Laufe der wenigen letzten Jahrhunderte, d. h.
seit Vernachlässigung jener Dammbauten, abgelagert worden sein; so kann
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Völkeibcwegung, Stammes- u. Kastenbildung unter d. Afirikanem, vorzügl. d. Nigritiem. 233
die Didie oder Mächtigkeit der abgelagerten Schichten doch immerhin als
Massstab für die allgemeine Bodenerhöhung dienen^ welche auf der umlie-
genden Ebene seit Errichtung jenes Monumentes Statt gefunden hat.«
sSelbst wenn jene Dämme bis zum heutigen Tage unverletzt geblieben
wären, und das Denkmal in einer auf diese Weise entstandenen Depression
oder Bodenvertiefung stände , so würde dadurch Horner's Argument kei-
neswegs entkräftet 9 dasselbe würde damit vielmehr bestätigt werden. Denn
die Tiefe dieser Depression würde uns ein Mass geben für die Mächtigkeit
der seit der Aufstellung der Bildsäule oder vielmehr seit dem Baue der XJm-
dämmung neu abgelagerten Schichten. Wenn indessen das Monument an
einer in Folge des Schutzes noch ält^er Dammbauten bereits tiefer gelege-
nen Stelle errichtet gewesen sein sollte ^ so würde die oben gegebene Be-
rechnung unrichtig ausgefallen sein; in diesem Falle würde die Grösse^ die
Mächtigkeit der Ablagerung offenbar grösser erscheinen^ als sie in Wirklich-
lichkeit ist, folglich würde das Alter unterschätzt werden müssen. Es liegen
indessen andere Gründe vor, welche mich an einer rückhaltlosen Annahme
der von Horner aus seinen Beobachtungen und Untersuchungen gezogenen
Schlussforderungen verhindern, wenngleich seine Versuche von grosser Wich-
tigkeit sind und die ägyptische Regiening grossen Dank verdient für die
liberale Weise, in welcher sie Horner und die Königlich Britische Socie-
tat bei diesen Forschungen unterstützt hat.« —
(Prehistoric Times, as illustrated by ancient remains and manners and
costoms of modern savages. London 1865, p. 320 ff.).
Prof. Mayer in Bonn behauptet nun, die Nilanschwemmung sei da
viel grösser, wo sie, wie an der M^amsesstatne zu Memphis, einen Anhalts-
punkt finde, und dürfte jene Zahl von Jahren wohl noch sehr reducirt
werden. Hierauf ist freilich zu erwiedem, dass jene Statue in einer nicht
beträchtlichen während der Nilschwelle mit Wasser bedeckten Bodenvertie-
fung, abseits vom Wege, zwischen Midrahtneh und Bedrien, liegt und dass
der Alluvialboden hier auf Stunden -Weite völlig eben ist, höchstens aber
Ton Kanälen und Dämmen durchfurcht erscheint. Hinsichtlich der von
Horner befolgten Methode wäre übrigens das Obenerwähnte zu ver-
gleichen. Mäyer's fernere Bemerkung, die Alterszahl, welche Horner
den bei Memphis ausgegrabenen Töpfen gebe, sei wegen der vielen Um-
wälzungen des Bodens durch die alljährlichen Kanalbauten ganz problema-
tisch, ist nur in sehr beschränktem Masse zulässig. Denn es werden diese
Kanalbauten durchaus nicht etwa unregelmässig und ohne System, die Kreuz
und Quer, gezogen, sondern man hielt stets die einmal mit unsäglicher
Mühe ausgegrabenen lieber in Stand, vernachlässigte aber auch viele, welche
mit der Zeit wieder gänzlich verschlammten. Abgesehen von den wenigen
grossen zwischen 200 — 600 Fuss breiten Hauptkanälen zog man die klei-
neren niemals tiefer als 1 Fuss, gewöhnlich aber nur 3 — 7 Fuss tief. Da-
her ist jene Umwälzung des Bodens, welche Mayer aus dem alljährlichen
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234 I. Abschnitt. IX. Kapitel.
Kanalbau erwachsen sieht, keineswegs so allgemein yerbreitet und so wech-
selvoll, sondern sie bleibt eine mehr räumlich begrenzte. Es ist daher der
umstimmende Einfluss auf die Lagerung der Bodenschichten keineswegs so
beträchtlich, als man vielleicht glauben könnte. Dasselbe ist mit jenen
Dämmen der Fall, welche zur Unterhaltung der Communication aufgeworfen
und unterhalten werden und auf denen man in den Novembertagen, wahrend
deren das überschwemmt gewesene Land meist noch sehr morastig ist, z. B.
trocknen Fusses von Glzeh zu den Pyramiden, nach Midrahlneh, Bedrien,
Saqärah, vom Nil aus nach Stüd u. s. w. gelangen kann^).
Ernster sind die Erinnerungen, welche O. Fr aas gegen Berechnung^i
des Schichtenalters nach den Homerischen Bohrungen, erhebt. Der ge-
wiegte Geologe bemerkt, dass man bei Girgeh und auch sonst vielfach am
Steilufer des Niles von der Barke aus den alten »gewachsenen« Boden des
Nillandes beobachte, — 10 bis 12 Schichten von verschiedener Mächtig-
keit, einige zöllig, andere mehrere Fuss stark, welche bei niederem Wasser-
stande eine 25-;-30' hohe Einböschung des Stromes bilden. »Dieses alte Ufer
macht nun gar nicht den Eindruck einer Alluvion, eines geschlossenen
Lehm- oder Lössgrundes, als vielmehr mit seinen regelmässigen Klüften und
Abhängen denjenigen einer alten geologischen Schichtenbildung. Erst unten
im Delta, und zwar an Orten, wo früher etwa der Strom lief, im Lauf der
Zeit aber den Lauf verändert und das alte Bett wieder zugeschwemmt hat,
erst da sind die kartenblattdicken Lagen im Schlamme und haben wir nicht
den alten ursprünglichen, sondern den neugebackenen Nilschlamm vor uns,
der mittelst Dänmien und Kanälen in beliebiger Stärke niedergeschlagen
wurde. Wer nun aus der Zahl dieser Schlammkartenblätter, ähnlich wie
man das Alter des Baumes an den Jahresringen erkennt, auf das Alter
ägyptischer Kultur Schlüsse ziehen will, begeht in Wahrheit einen unver-
zeihlichen Leichtsinn. Weil man — ist der fatale Schluss — 1854 beim
Brunnen von Heliopolis in 20 M. Tiefe noch Scherben von Topfen fend,
weil man femer im Jahr eine halbe Linie Schlammniederschlag beobach-
tet (?) , so thut das 6 Zoll aufs Jahrhundert und resultiren aus den 20 Me-
tern Schlanam 12000 Jahre, vor denen man in Aegypten schon Töpfe
brannte! Andere bringen nach ihren Beobachtungen blos 2^2 Zoll heraus
pro Jahrhundert (sehr begreiflich, denn diese hatten Nilschlamm von solchen
Feldern, auf denen der Bauer das Wasser nicht so lange stehen liess als
ein anderer!), thut 30 Jahrtausende! Es wäre wahrlich an der Zeit, dass
dieser hundertmal in den Lehrbüchern der Geologie wiedergekäuete Unsinn
ein- für allemal ausgemerzt und vor den Augen der Wissenschaft nie mehr
ein Argument citirt würde, mit dem man höchstens einen leichtgläubigen
Laien berücken mag.«
»Ich freue mich, dass Herr Ingenieur Eyth hierin vollständig meine
1) Ver^l. über Kanäle und Dämm^ in Aegypten Hartmann, NUländer, S.
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Völkerbewegung, Stammes- u. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiem. 235
Ansicht theilt. Er schreibt in dem schon erwähnten Werke ^) pag. 6 : Ueber
das Quantitative der Bodenerhöhung im Delta liegen keine sicheren Daten
Yoi und beruht alle und j^de chronologische Berechnung hinsichtlich der
im Nilschlamm begrabenen Monumente auf einem vollständigen Missver-
stehen der Verhältnisse. Vor allem lagert sich in Folge wechselnder Strö-
mungen die Thalsohle nicht ganz flach ab^ so dass in einem Jahre ein sanfter
Hügel entsteht — vielleicht durch zufällige Anpflanzung von Gesträuchen ,
die den Schlamm aufhalten — wo im nächsten Jahre bei höherem Wasser-
stand und kräftigerer Strömung Hügel sammt Gesträuch wieder verschwindet
und einer ausgewaschenen Mulde Platz macht. Besonders aber wird^ wo
Menschenhand eingreift^ und dies ist überall der Fall, wo der eigentliche
Kulturboden liegt, jede derartige Berechnung unmöglich, indem das An-
schwemmoa als ein wesentliches Moment in der Landwirthschaft benutzt
imd mit Leichtigkeit geleitet werden kann. Es kann der Fellah, der einen
Damm am das Unterende seines Feldes zieht, in einem einzigen Jahr ein
paar Jahrtausende mehr in die scharfsinnigste Berechnung eines europäischen
Gelehrten hineinschwemmen .ot Fr aas ist der Meinung, dass das Alter der
ägyptischen Kultureeit sich selber bestimmen müsse aus den Werken der Kul-
tur, aus den Inschriften, Zahlen und Bildwerken aus Stein u. s. w.^}.
Eine einseitige Untersuchung und Berechnung der Schlammnieder-
schläge auf den Feldern, auf denen ja Menschenhand sich in mannigfaltiger
Art thätig erweist, und wo die Bedingungen einer ungestörten Absetzung
des Schliches fehlen, würde allerdings nur unsichere Ei^ebnisse liefern
können. Ajiders verhält es sich dagegen an den Uferländem des Niles
selber. Eine stärkere Strömung, demnach auch veränderte Bedingungen für
den Niederschlag des Schlammes zeigen sich an jenen Uferbegrenzungen
durch steile Bergwände in Aegypten, u. A. am Gebel-el-Ter, el-Baqara,
Mff'l^Fodä^ am Hagar-SeUelehy am Selläl-el-Asüän, in Nubien am Bäb-el-
Qalabieh, femer an den grösseren Katarakten zu Abü-Sir^ Mergäneh, Wädt-
Half ah, Semneh, Qulleh, Ambüqöl, Tänqür, Allah- Müly ^AqqäSeh, Doli,
TtanböSy Föqöy Xebär, Oubbet-el-^Abld^ MeKän, SablKahy Solimäm, ^Ashür,
Woad-äeddmehy Saba^h'V-^Uqiehy Armani Säfsäf u. s. w. Aber abgesehen
Ton diesen findet man in ruhigeren Buchten längs des gesammten nubischen
Nüthales, an Stellen, in denen, wie ich persönlich erfahren, selbst zur Zeit
eines sehr hohen Wasserstandes, niemals eine wildere Strömung beobachtet
wird, eine so überaus normale, regelmässige Schichtung der AJlu-
vialbänke, welche zu 7—10 Meter Höhe sich emporthürmend^), auch Kul-
1) Das Agriculturmaschinen Wesen in Aegypten von Max £yth, Chefingenieur des
Ert)prinien Halim Pascha. Stuttgart 1867.
1) Aus dem Orient, S. 211 ff.
3) Im August und September 1860 auf einer Barke von Xardüm nach Cairo thalwärts
fahrend, habe ich diese Verhältnisse genau beobachten und auch durch zahbreiche Zeiqh-
Rangen manche Einzelheit in meiner Erinnerung genauer fixiren können.
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236 I- Abschnitt. IX. Kapitel.
turreste enthalten. Letzteres ist neuerlich z. B. bei Qasr-Ibrim und zu Qa-
Ic^at'Ädeh dargethan worden. Femer sind deren zu Girgeh gefunden worden^
an jenen hohen^ nicht gerade besonders heftigen Örtlichen Strömungen aus-
gesetzten Bänken^ welche die Aufmerksamkeit jedes intelligenten Nilreisen-
den fesseln. Die hier in beträchtlicher Tiefe gefundenen Beste gebrannter
Thongeschirre sprechen^ denke ich^ doch zu deutlich für das Alter jener
ägyptischen Kultur, deren Vorläuferin das jetzt nicht inehr anzuzweifelnde
Steinalter gewesen *) . Ich füge hier noch die Worte eines geistvollen Schrift-
stellers an: »La dvilisation 6gyptienne absolument autochthone, et oer-
tainement la premiöre et la plus ancienne de toutes les civilisations
du globe, est par consequent la seule dont l'originalit^ soit incontestable^).«
Letzteres freilich bestreite ich, da ich auch andere Civilisationen , die hin-
dustanische, chinesische und amerikanische, für originale halten muss.
Das sogenannte Mayreh der Araber, d. h. das westlich von Aegypten
sich ausdehnende Ländergebiet Nordafrikas, ward seit Alters von Berbern,
Imösay, Mäziy oder Amäziy in ihren eigenen Sprachen (S. 53), und den Tqmhu
oder T^h^nu der Ägypter (S. 53) bewohnt. Die Frage nach der Herkunft
auch dieser Völker hat unsere Gelehrten schon vielfach in 'Anspruch genom-
men. Movers, welcher durch seine tiefen Studien über die Ausbreitung
der Phönizier auch natürlicherweise auf eine Betrachtung der von den letz-
teren zum Theil beherrschten Nordafrikaner geführt wurde, beschädigt
sich selbst mit der Herkunft der Berbern. Er stellt in eingehender Weise
jene zwar auf Erinnerungen aus dem höheren Alterthume gegründeten, je-
doch äusserst verworrenen und widersprechenden Kombinationen zusammen,
die hauptsächlich nach arabischen Quellen die Herkunft der Berbern mit
Asien zu verknüpfen suchen. Diese Kombinationen lehnen sich bald an bibli-
sche, bald an griechische, bald an jüngere arabische Sagen an. So sind die
Berber^ nach ^Abd-el-Berr, El-Baqrly Abff-l-Fedä u. s. w. gemeinsamen
Ursprunges mit den Aegyptern. Andere, wie ^Asüli-el-Baqri, lassen jene
von den Kasluchen, Kastu^im der Bibel, also den Kolchiem (?) oder den
Kasiem, Bewohnern von Mäs-el-Qasrün (?) abstammen. Auch die Philister,
FUisütn der Hebräer, Pulost der Hieroglyphen, sind nach Rabbi ÄbraMm-
Ben-Letoy, Mcts^üdi u. A. als'^Stammeltem der Berbern in Anspruch genom-
men worden. Als solche gelten femer die Amalekiter nach JDäbärt, die
Canaaniter nach Ibn-Xaldün u. s. w. u. s. w. Movers bemerkt hierzu, dass
die Namen Philister, Amalekiter, Canaaniter bei den Arabern durcheinander
gingen. Mithin bezeugten alle auf die Wanderungen dieser Stämme bezüg-
1) Erst jetzt, während des Druckes dieser Zeilen, gehen neue Beobachtungen über
die ägyptische Steinzeit von Dr. W. Reil in Cairo ein, hinsichtlich deren ich auf Jahrgang
1873 der Zeitschrift für Ethnologie und Anhang verweisen muss. (Vergl. übrigens S. 141!)
2) Beauregard, Les divinit^s Egyptiennes, leur origine, leur culte et son expansion
dans le monde. Paris 1866, p. 590.
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Völkerbcwegting, Stammes- u. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzOgl. d. Nigriliem. 237
liehen Nachrichten, wenn sie anders nicht ungegründet seien, zwar eine
Kunde von alten Wanderungen semitischer Völker aus Canaan^ aber sie
fingen an unsicher zu werden, sobald sie einzelne Stämme aufführten.
Nun ist freilich meines Wissens keine jener angeblich im früheren Alter-
thum ^attgehabten Wanderungen von Asiaten nach NordaMka, die geschicht-
lich erwiesenen der Hyqsos, Juden und Phönizier abgerechnet, in anderer
Weise bekannt, als in den Phantasien unserer semitomanischen Wandertheo-
retiker. Movers hält weiterhin die Ansicht der berberischen und arabi-
schen Genealogen und Sagensammler, wonach der berberische Yolksstamm
von den genannten Völkern oder auch nur von einem derselben abstamme,
für falsch, fax durch sprachliche und geschichtliche Gründe
widerlegt. Nach beglaubigteren geschichtlichen Nachrichten waren Libyer
und Gaetuler, die Vorfahren der Berbern, ein Urvolk u. s. w. ').
Der Annahme, die Berbern, unsere Mäziy, Aniäziy oder Imöiayy seien
Syroaraber, Semiten, begegnet man, wie auch oben bereits angedeutet
worden, sehr häufig bei unseren Historikern und Ethnologen. Denn wo
Begriffe fehlten, da stellten die Semiten rechterzeit sich ein! Sind sie
denn nicht auch ins Kafferland gez(^en? Sind sie nicht auch Hottentotten,
ja Muyscas und Mandanindianer geworden ? Es darf mir natürlich nicht ein-
fallen, die Semitentheorie in Hinsicht auf die Berbern, einiger sogenannter
sprachverwandtschaftlicher Beziehungen zu Liebe, hier einer genaueren Prü-
fung zu würdigen. Denn es ist nichts und wieder nichts vorhanden, was
den berberischen Bewohner von Siwah^ ^Ugilak, Bisqarä, Tuqurd, Ferdä-
jeh, Fadäfnis, Päd u. s. w. mit dem Assyrer, Juden oder dem heutigen sy-
rischen Beduinen, dem ^Onezt, Slammari u. s. w. in Verbindung bringen
könnte, als höchstens einige Vocabeln. (Man vergl. übrigens einmal Taf.
VIT, Fig. 12, 13, mit Fig. 14, 15, 16, 17, 18, Taf.X, Fig. 1 mit F. 2— 7, 9—15.
Anders verhält es sich dagegen mit den Ansichten, welche neuere
Forscher über eine, wenn auch entfernte nationale Verwandtschaft zwischen
gewissen Nordafrikanem und den sogenannten Kaukasiem Europas, wie auch
den Iranern y ausgesprochen haben. Derartige sich auf die Beobachtung
wirklich thatsächlicher Erscheinungen stiitzende Nachrichten verdienen denn
doch unsere nähere Beachtung.
Ol i vi er lässt das berberische Littoral, die Barbarei unserer mittel-
alterlichen Schrifsteller, seine ersten Bewohner aus Asien, Italien und Spa-
nien erhalten; aus Spanien vielleicht fiiiher als aus Italien, ja «elbst aus
Asien. Indem nun unser Verfasser diejenigen Völkerstämme festzustellen
sacht ^ welche aus genannten drei grossen menschlichen Pflanzschulen her-
Torg^angen sein könnten, findet er drei sehr wahrscheinliche Factoren für
die Zusammensetzung der Berberrasse ^ im Osten die Jaonen oder »Aotiastiy
von ihren Nachbarn Libyer genannt, im Mittelpunkte und im Westen ohne
1) Phöniner, TL, S. 418—423.
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238 I- Abschnitt. DC. Kapitel.
Zweifel Ausonier und Iberier, endlich auch noch im Westen die EJelten,
Gadhels oder Gaetuler. Später würden sich, wollte man einem Hiempsal
und den punischen Ueberlieferungen trauen, auch iranische Elemente den
ersten Eingesessenen zugesellt haben. Durch das vergleichende Studium des
Charakters und des Naturells der Berbern, durch Vergleichung ihrer Spmche
mit derjenigen der Semiten, Aegypter und Aryäs^ hat sich in Olivier die
Ueberzeugung befestigt, dass man die Berbern der arischen Volk er fa-
milie zuweisen müsse^j.
Die Auffindung zahlreicher megalithischer, den Dolmen und
Menhir ähnlicher Reste in Nordafrika hat nun ganz neue Gesichtspunkte
über die afrikanische Ethnologie überhaupt eröfihet. Die Frage nach dem
muthmasslidien Ursprünge der DoAn^n- Erbauer aber hat Archäologen und
Ethnologen zur Zeit bereits vielfach beschäftigt. Die Annahme, es hätten
ja verschiedene Völker in verschiedenen Ländern auf eine und dieselbe Idee
verfallen können, Altäre oder Grabmäler nach einem übereinstinunenden
Plane zu erbauen, eine solche Annahme wurde bedenklich angesichts der
vielen durch Asien, Europa und Nordwestafrika auf fast denselben Tjrpen
der Dolmen^ Halb-Do/m^, Krondechy Menhir und Tumult sich wiederholen-
den Alterthümer. Im alten Numidien finden sie sich zu vielen Tausenden
an örtlich 2) beschränkteren Plätzen. Man findet in ihnen Steinbeile (8. 141),
Töpfergeschirr, ungebrannt, halbgebrannt und völlig gebrannt, fibulenardge
Geräthe, Binge und Spiralen von Bronze, sogar von vergoldetem Silber,
einzelne Eisengeräthe, römische Alterthümer, Menschenschädel und zahlreiche
Schalen von Landschnecken, welche letztere freilich das Innere der Denk-
mäler als Zufluchtsort erwählt haben werden^). Desor hatte auf die hier
schon vielfach erwähnten weissen Libyer, die TqmXu der Hieroglyphen, auf-
merksam gemacht, welche nach Brugsch bereits seit der XIX. Dynastie mit
Aegypten in Berührung gekommen waren und welche mit den Libu (S. 52),
Lubuy Libyern identisch sind. Die Tqmliu , T^K^mm , erscheinen auf der
buntgemalten Darstellung des Menephthe^- und >Sf^»-Grabes fleischfarben,
der Körper mit Tättowirungen bedeckt, das edel, fstst europäisch geformte
Antlitz mit einem Kinnbarte geschmückt, das lange Haar nach hinten ge-
kämmt und in viele kleine knotige Zöpfe geflochten. Ein rother dicker Zopf
hängt seitwärts herab, zwei Straussfedern im Haar sind ähnlich denen durch
Menscheumord geaddliter SömäU von den Stämmen der lärtsü^ ^Ysah u. s. w.
Nach Desor's Angaben gleichen die heutigen Atlasbewohner nichi
dem Bilde, welches uns die Denkmäler von den TqmKu überliefert haben.
Dagegen soll die weisse HautfEurbe um so mehr in den Vordergrund treten,
1) Bulletin de TAcad^mie d'Hippone. B6ne 1868, No. 5, p. 1—85.
2) Nach Commandant Payen kommen im Kreise von Börj-Bü-Arer%j allein 10000
solcher Denkmäler, meist Menhirs, yor. (Desor, Aus Sahara und Atlas, S. 56.)
3} Bourguignat in Histoire des monumeiiU m^galithiques de Roknia, p. 73.
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Völkerbewegung, Stammes- u. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiem. 239
je abgelegener ein Grebiet sei. So sollen z. B. die Bewohner der Oasen des
Si^ kaum von den Europäern su unterscheiden sein. Diese Leute sind
weiss und schwarzhaarige wie die Südeuropäer ; wären ihre Bemüs nicht ge-
wesen , so hätte Desor's Reisebegleiter, Prof. Martins , dieselben leicht
für eine Bande Schüler aus einem Dorfe der Provence oder des Languedoc
angesdien ^) . Die sehr gestreckte Form ihres Kopfes war den Reisenden auf-
fallend; es sind wahre Langköpfe , wie man sie meist nur auf den alten
Gräbern so entschieden ausgesprochen kennt. Das Gesicht ist nicht eckig,
sondern schmal, die Zähne stehen senkrecht und sind wie bei all diesen
Völkern vorzüglich schön und weiss. Der Körperbau ist schlank und sehnig
und einer grossen Ausdauer fähig. In manchen Bezirken des Adas, na-
mentlich in den gebirgigen Theilen, triffl; man öfters Menschen von ganz
europäischem Aussehen, mit weisser Haut und blauen Augen. Desor be-
merkt sehr richtig, zur Erklärung dieser Erscheinung hätten die Vandalen
dienen müssen, als deren vereinzelte Ueberreste jene Leute namentlich von
Arago angesehen worden seien. Nun kämen aber solche Menschen in Ge-
genden vor, in denen niemals Vandalen gewesen, namentlich in
den südwestlichen Theilen. Die weissen Menschen könnten dort die Ueber-
reste der ursprünglichen Berbern, die Nachkommen der weissen Tqm^ sein.
Jedenfalls scheine der Schluss berechtigt, dass die TamKu, wenn sie Bedeutung
genug gehabt, um in regelmässigem Verkehr mit den ägyptischen Königen zu
stehen, auch einen gewissen Grad von Kultur besessen hätten, als deren
Zeugen wohl jene so weit verbreiteten Grabmäler gelten dürften. Man
müsse fragen, wohin die ursprüngliche Heimath dieser Denkmäler und na-
mentlich der Dolmen zu verlegen sei, und da sie mit den europäischen
Dolmen, speziell denen in Süd-Frankreich, vollständig über-*
einstimmten, so entstehe die Frage nach ihrer Beziehung ganz von selbst.
Wenn nun die Dolmen, wie manche Archäologen es annähmen, von Europa
nach Nordafrika verpflanzt worden, so müsste dies in einer Epoche geschehen
sein, die weit über die Grenzen hinausreiche, in die man das Keltenthum
in der Regel verlegt. Desor möchte in der That die Frage aufwerfen: ob
es nicht ebenso zulässig sei, eine Einwanderung der weissen Rasse
auch in entgegengesetzter Richtung, d. h. von Nordafrika nach
Europa anzunehmen? Es scheine dafür besonders auch der Umstand zu
sprechen, dass dort jene Monumente viel zahlreicher und mannigfaltiger auf-
träten als auf unserem Kontinent, wo sie verhaltnissmässig nur vereinzelt
vorkämen; sollte nicht auch der Umstand in Rechnung gebracht werden,
dass jene Denkmäler sich vornehmlich längs der Küste des westlichen Euro-
pas fänden? Es werde ja überhaupt als ausgemacht angenomm^i, dass die
Kelt-Iberer und die Bewohner der Insel Sardinien aus Aftika stammten.
1) Auf dem Bazar Xän-Xalil zu Cairo empfing ick tiinliohe Eindrücke. Xaufleute
ios Ben- toxi, SfäqiSt Tunis ähnelten Lombarden etc.
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240 I- Abschnitt. IX. Kapitel.
Bis jetzt habe man die Sprache als einen Einwurf entgegengehalten.
In der That scheine die jetzige Sprache der nordafrikanischen Völker nidits
mit den sogenannten keltischen Idiomen gemein zu haben. Man vergesse
aber, dass dort, wie kaum auf einem andern Boden, die Eroberung alles
bis auf die Sprache vernichtet habe. Indessen gebe es doch einzelne Stämme
dem Saum der Wüste entlang, deren Idiom verhältnissmässig wenig arabische
Elemente aufgenommen habe. Dahin gehöre die erst jetzt in den Bereich
der Studien gezogene Töärty-Sprache. Dieselbe scheine durchaus nicht se-
mitischen Ursprunges zu sein *) und führe bedeutungsvoller Weise noch jetzt
den Namen der ^(gffn^u-Sprache. Die Sprachforscher müssten nun die Frage
beantworten: ob zwischen der 3nöäny- Sprache und unseren ältesten euro-
päischen Idiomen nicht eine Verwandtschaft bestehe 2)?
Letourneux schreibt nun an Desor, dass er die Medrasem genann-
ten und auch andere mit Inschriften versehene Grabmonumente Algeriens
für berberische oder numidische halte. Man werde dahin gelangen, die (im
Tamäseq oder TemäMyfj abgefassten Schriftzeichen zu entziffern. Dagegen
seien die an gewissen Oertlichkeiten so haufenweise vertretenen Dolmen,
nBcmnaa und r>Ch(>uchet8(a jedenfalls während einer langen Reihe von Gene-
rationen errichtet und dürften verschiedenen Altern angehören. Ihre grosse
Zahl und ihre Zerstreuung über fast alles algerische Gebiet erlauben nicht
die Annahme, dass sie das Werk von mehr oder weniger zahlreichen Gal-
liern seien , welche letztere entweder mit den römischen Legionen, oder in
partieller, ohne hinterlassene Spuren wieder verschwundener Einwanderung
herzugekommen seien. Die Kelten hätten nicht allein Dolmen, GalgaU
und MenJUr^s errichtet. Unser Verfasser verfallt nun hier auf einige, meines
Erachtens aber recht übelgewählte Bibelstellen. Duveyrier habe, so heisst
es weiter, zu Gezlret-el-Rüm und Gabbaren im Wadi-Alün den Dolmen und
Menhif^s analoge Grabmonumente gefunden, welche den Garamanten zuge-
schrieben werden müssten 3), so dass den Galliern und Kymris nicht allein
das Privilegium angehöre, Denkmäler aus rohen Steinen errichtet zu haben.
Nun fanden sich aber einige solche Denkmäler von besonderer Gestalt, iwm-
lich es ruheten einige auf einer Plattform von Steinen, eins hatte sogar
einen Unterbau mit kreisförmigen Treppenstufen. Neben ihnen fanden sich
andere Arten Denkmäler, wie fiBazinoM^) und r>Enceinte8 carries,^ Die
1) Sicherlich nicht I
2) DcBor a. a. O., S. 29 und 60.
3) Vergl. übrigens Duveyrier, Touareg du Nord p. 279, PL XV, Fig. 2, 3. Schon
Barth hatte ein im Thale ^ElkeU (JEl-Qabt) in TripoUtanien befindliches, etwa 3 Meter hohes
Denkmal beschrieben imd abgebildet, welches »eine unverkennbare Aehnlichkeit mit den
weltberühmten celtischen Ruinen bei Stonehenge und Aveburya hat. (Reisen u. s. w.
I, S. 64).
4) Rundbau von groben Steinen. Oben auf der Fläche drei in länglichem Rechteck
angebrachte Steine.
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Völkerbewegung, Stammes- u. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiem. 24 t
ChoueheU sind wirkliche Mauern yon anscheinend beträchtlicher Regel-
mässigkeit. F^raud hat an den Quellen des Bü-Morzüq einen Dolmen auf
einer Bazinay Payen hat in der Üodna eine Bazina auf einem Chouchet
gesehen. Der Medrasem, dies kolossale Grabmal numidischer Könige, er-
scheint nur als Wiederholung der bescheidenen Monumente der Hodna in
grossartigem Maassstabe u. s. w. Letourneux führt femer an, dass man
unter einem Dolmen zwischen Menschenknochen und wohlerhaltenen Topf-
geschirren eine Faustinamedaille, dass man in Bazinas und Enceintes Carries
noch andere römische Alterthümer aufgefunden (vergl. S. 240). Jener Dolmen
[von Bü'Mcrzüq) reicht daher bis etwa 140 Jahre nach Christus hinauf, die
Enceintes der Aüres aber gehen kaum über den Einbruch der Vandalen und
über das Aufhören des Römerthums im Lande hinaus. Die römischen
Schriftsteller Hessen keinen Zweifel darüber auf kommen , wer zu jener Zeit
die Bewohner des Landes, namentlich der Aüres, dieses Bollwerkes numi-
discher Unabhängigkeit, gewesen. Die Namen eines Micipsa [mes Ihsa),
Masgaha, Massinissa (mes-n^'^Alsa) gehörten alle der berberischen Sprache
an. Demnach schienen die Numidier bis in eine verhältnissmässig späte
Zeit hinein solche Grabdenkmäler errichtet und hierauf erst nach ihrer Be-
kehrung zum Islam verzichtet zu haben. Die Berbern hätten übrigens die
Aufrichtung von rohen Steinen, zur Heiligung des Andenkens an gewisse
Ereignisse, noch immer nicht aufgegeben. So seien vor etwa 80 Jahren,
als der Bund der ^Ald-Iraten das bis dahin üblich gewesene Erbrecht der
Frauen aufgehoben hätte, auf einem Berggipfel zur Erinnerung an dieses
Ereigniss Steine aufgerichtet worden u. s. w. Verfasser wirft nun die Frage
auf, ob die Berbern allein jene Denkmäler |iuf afrikanischem Boden errich-
tet und ob sie nicht die Anregung dazu von einem andern Volke erhalten haben
möchten. Derselbe meint, dass die mit Beantwortung dieser Frage im Zusammen-
hange stehende Frage nach dem Ursprünge der Berbern selbst nur durch Prüfung
der in den Denkmälern gefundenen Knochen ihre Lösung finden könne. Jedoch
dürfte diese letztere wesentlich gefordert werden, sobald eine Identificirung der
Berbern mit der weissen 7(jm^u-Rasse gelinge. Die Stadt nThämuffMdi {Co-
loma Ulpia Thamuffos) am Fusse der Aüres, femer eine Inschrift Thhmu
[Respublica Thamu) trügen noch jenen Namen. Die Wurzel Thama oder
Tama^ deren Endung einen berberischen Plural andeute, finde sich sehr
häufig in der Benennung von Oertlichkeiten in diesem Theile Afrikas, so
z. B. in Thamarita, Stadt beim Ptolemaeus, Episcopus Temazensis im kai-
serlichen, jB. Tamadensis im setifischen Mauretanien, femer Praefectus Itmi-
ds Tamallensis in Byzacium u. s. w. Letourneux hält die Ableitung des
Namens der »KetcmiaQ, deren Abkömmlinge sich noch in Oran finden, von
KeUTama (Volk der Tama, Tqmftu) für möglich. Es könnten ja diese letz-
teren statt durch Ägypten, als Vorläufer der östlichen Einwanderer, durch
Europa vor oder zur Zeit der keltischen Ueberfluthung nach Afrika über die
Engen von Gades gelangt sein. Die Aehnlichkeit der in Algerien gefunde-
HartBAsn. NifriUtr. 16
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242 I- Abschnitt. IX. Kapitel.
nen Monumente mit den Dolmen und Kromlechs mache eine solche Annahme
nicht 80 unwahrscheinlich. Verfasser kommt endlich zu dem Schlüsse,
dass die Berbern wirklich sogenannte keltische Denkmäler errichtet^ nament-
lich die T>Bazinani oder nC/umchaa (iSüSah?) genannten. Die auf Algeriens
Boden vorfindlichen verschiedenartigen Monumente gehörten yersduedenen
Zeitaltem an, z. Th. sogar einem ziemlich neuerlichen. Die Wichtigkeit dieser
Denkmäler für die Frage vom Ursprünge der Menschheit sei nicht anzu-
zweifeln u. s. w. 1).
General Faidherbe, welchem wir eine gehaltreiche anthr<^K>kigisohe
Arbeit über die megalithischen Gräber von Roknlah verdanken, bemerkt,
dass man in Nordafirika zwischen Nil und atlantischem Meere ausser gewisses
europäischen und Negersprachen hauptsächlich das seit dem YII. Jahrhun-
dert eingeführte und durch religiöse Propaganda verbreitete Arabisch, sowie
noch ein anderes Idiom spreche, welches letztere zwar nach den verschiede-
nen Oertlichkeiten und Mundarten Zenäüy Säwi, Qabeti, Tar^ oder
Tamäseyy SelüK, Amäsdy, Zenäqah oder Berber genannt, übrigens aber vide
arabische Einflüsse erlitten habe. Verfasser ergeht sich hiemach in Betrach-
tungen über die Herrschaft der Punier zwischen den Syrten und Kap Solei«,
der Griechen in Cyrene, der Kömer, Vandalen , Spanier, Genuesen, Türke».
Keines dieser verschiedenen Völker habe seine Sprache im Mayrei hinter-
lassen, man rede hier weder Phönizisch, noch Lateinisch, noch Deutseh, noch
Italienisch oder Türkisch mehr. Ein lebenskräftiges, absorbirungsfilhiges
eingebomes Element habe allein die Trümmer aller jener Beherrschungen
überlebt, und höchstens haben sich arabisches Bhit und arabische Sprache
seit zwölf Jahrhunderten erhaltep und auch auf nicht wenigen Punkten in
das eingebome Blut, in die eingebome Sprache gewissermassen infiltrirt.
Es habe für diese Gegend und für die vielen Herrschaften über das
Land einer sehr lebensfähigen Rasse bedurft, welche gänzlich in den voa
ihr behaupteten Boden eingewohnt gewesen. Diese Rasse habe sich auch
noch heut in Marocco in grossen, an Blut und Sprache reinen Massen er-
halten, in einem Lande, dessen Inneres fremden Eingriffen weniger ausge-
setzt gewesen sei. Faidherbe hält diese Rasse für eine solche, welche
vor allen fremden Einbrüchen hier existirt habe. Leider hätten die Dogma-
tiker unter den Ethnologen, die ja immer nur von einer japhetischen, ^a-
mitischen oder semitischen Rasse wissen und diese alle immer nur aus Asi^
ableiten wollen, die Wahrheit stark verdunkelt. Gut sei es auf das Zeug-
niss des Herodot zurückzugehen, jenes Philosophen, welcher weder ein an-
thropologisches noch ein ethnologisches System gekannt, der wed^ von Sem,
1) Archiv f. Anthropologie II. Bd., S. 307—320 mit zahlreichen instructiven HoIä-
schnittabbildungen. Wir erfahren bei dieser Gelegenheit, dass in der Provinz Oran eine
Steinaxt von Diorit gefunden worden sei. Die ein Steinalter Afrikas charakterisirenden
Funde aus Algerien und Aegypten mehren sich übrigens tagtäglich. (V«rgl. S. 141.)
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Völkerbewegung, Stammes- u. Kastenbildung unter d. Afrijcanem, vorzügl. d. Nigritiem. 243
^ßm va^i Japhßty noc|i voi^ Axym geiyusst. Dieser habe alle» dasjenige Volk
Libyer fenamity welches heut Zmv>ß und Qebatieh in Tunis und Tripolis,
Qßiel^ Säiff'ak und Benl-M*Zab in Algerien > Amäziy und Jierbem in Ma-
rocoQ hßisse^ alles Volk, was heut in Sßhara und Smlän unter den Namen
füMriq oder Imösuy^ Sorgü oder Zemqah laufe. Diese eigentlichen Libyer
schildere Herodot ^Is ip verschiedene Gruppen von yerscbißdener I^enam-
suQg mid 9elb9t yon verschiedenartigen Sitten zerfallend. Die £inep , he-
9QQd^Tf gegen Ostßn zwischen dem Triton-See und Aegypten in einem Lande
4er I^beuen ^nd Steppen lebend^ seien umberwandemde Hirten. Die An-
dern, im gebiigig^n Innern und Westen hausend, seien dagegen aesshaüto
Ackerbaueir^}, Der griechische Geschichtsschreiber unterscheide deutUch
drei ben^ßhbfMi^ Eassen, unlieb in Libyen (d. h, in Afrika überhaupt] die
Libyer und die nicht östlichen Aethiopen oder Neger, und dann die Aegyp^
t^jT. Er ^childcTß iwf» dieser Rassen als schwarz und eine als weiss (die
Libye^r n$Jnlich). Scylax erkläre alle libyer für schön und Eavftoi, welches
]^p^ß Wort blonde gelb bedeute. Habe nun Scylax damit blonde Haare
oder gelbliche, sonnenverbrannte Haut (Ikisßne) bezeichnen wollen ? Wohl die
Lpt^tere, denn nach Strabo's Worten glichen die Leute den arabischen No-
maden, und dii»& treffe zu rUcksicbtlich der Hautfarbe, der Hinischädelform
und der Haarbesohafienheit.
Unser Verfasser stellt d^nn femer die Frage auf, ob die TqmXu, d. h.
jene bhmdb^rigcn tättowirten und mit Fellen bedeckten auf den ägyp-
tischen GemlUden (S. 238) d^:gestellten Wilden etwa Libyer, oder ob sie
^eehiscbe Pelf^g^ oder audi andere mit den Aegyptem in Berührung ge-
tretene Gurppäer gewesen seien? Herodot betone es doch, dass die Griechen
in Cysene und die Punijßr in Libyen Fremdlinge, dass die Libyer und
Aetbiopier dfigegen hier Autochthonen gewesen seien! Es müsse dies, ohne
den Werth eines solchen Ausspruches übertreiben zu wollen, dooh Denjeni-
gen im» Gedä^^htniss aurückgemfen werdi&n, welche so keck und so a priori
die Libyer aua Asien oder anders woher kommen liessen.
Der wahre Kern der Libyer zeige sich in der atlantischen Region und
sei init den A^fyptem und durch Vermittlung einiger hungernder, zuwei-
len von die^n unteijoohler Stämme der (sogenannten) libyschen Wüste in
Berührung gt^pmmen. Libyer und Aegypter hätten keine Verwandtschaft
miteinander gdiabt. Während nun die Gebiete des hentigen Marooeo, Algier
wbA Tunis 10,000,000 Libyer ernährten, könnten deren in dem zwischen
im Syrten und Aegypten gelegenen Theile (in welchem die einzigen mit
de^NiUbale bekannten Libyer umhersdi weiften), vielleicht nur etwa 50,000
1] Der General bemerkt bei diener Gelegenheit, dass dieMelanogaetuler des Gl. Fto-
lemaeus (8. 74) entweder Libyer gewesen, die deshalb, weil sie das Bassin der SaKarä be-
wohnt, mehr Ton der Sonne verbrannt worden seien, oder dass sie sich mehr mit Schwar-
ten gekreust h&tten, wie noch heut in den Oasen von IVaryelä, Dawät u. b. w. gescliche.
IC»
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244 I- Abschnitt. . IX. Kapitel.
sein, und könne daher die grosse Masse der Libyer von Aegyptens Existenz
nichts gewusst haben. Alle alten Schriftsteller malten uns die Libyer als
äusserst wilde Menschen selbst noch zu einer Zeit, in welcher die ägjrptische
Civilisation bereits Jahrtausende lang geglänzt habe. Wie sollte man daher
wohl glauben, dass Libyer die Civilisatoren Aegyptens gewesen? Der
Name LißoTj komme, gewissen Autoren zufolge, her vom biblischen Lehabim,
Lubinty und das bezeichne einen grossen eingebornen Stamm^ die Lewäta.
Jedenfalls sei jenes Wort ein Stammesname gewesen, ähnlich wie Mctxyes
(Amäziy ?) , und nicht ein auf die ganze Rasse angewendeter und von dieser
selbst angenommener Name. Die isolirt stehende Rasse habe sich so wenig
einen Namen gegeben, wie dies ein allein auf der Welt dastehender Mensch
thun würde. Denn ein Name gewinne erst Werth in der Berührung ver-
schiedener Individualitäten miteinander.
Von den Griechen seien die Autochthonen Nordafrikas Libyer genannt
worden, ob-wohl freilich für diese Leute bald auch andere Benennungen auf-
gekommen wären. So z. B. das Wort Numider für Nomades, schweifende
Hirten. Ein anderer Name, derjenige der Mauren, komme von einem se-
mitischen, unzweifelhaft phönizischen Worte her und bedeute Westliche. Die
von den carthagischen Kolonien und vom Meere am weitesten entfernt woh-
nenden Leute wären nach einem ihrer Stammesnamen Graetuler genannt
worden. Ihr Zertheiltsein in kleine unabhängige Gruppen habe die Aus-
breitung der carthagischen Macht erleichtert. Während der Kämpfe zwischen
Rom und Carthago hätten sich jene Libyer angesichts der Eindringlinge zu
grossen Clanschaften zusammengeschlossen. ' Damals seien die Königreiche
der Massylier und Massoesylier entstanden, deren gemeinsame Grenze Amp-
aaga [Wed-el-kebir] gewesen. Der König der Massylier habe seine Haupt-
stadt in Zama (Zusammenfluss der Megerdah und des Melteqehf), derjenige
der Massoesylier habe die seine zu Siga, an der ^q^oA-Mündung , gehabt.
Massyli solle, wie man behaupte, von einem Stammesnamen MessaJe^]
kommen. Später tauchte das Königreich Mauretanien jenseits der trili'
Jah auf.
Während der Römerzeit wären die Namen der Bevölkerungen vor der
Benennung der administrativen Eintheilung verschwunden. Man habe da
vom tingitanischen und cäsarischen Mauretanien, von Numidien, der römi-
schen Provinz von Byzacitmi u. s. w. gesprochen. Diese Namengebung sei
aber wieder verloren gegangen in Folge der späteren politischen Umwälzun-
gen; die eingedrungenen Jfa«/tm»n hätten alsdann neue Bezeichnungen ein-
geführt. Die grossen Stämme oder Nationen oder Conföderationen der Ze-
näte im Osten, der Zenäqah im Westen, der Masmüda im maroccanischen
Atlas u. s. w. Denn mitten in abscheulichen Umwälzungen, in den end-
losen Kriegen dieser Periode, seien in den XII. und XIII. Jahrhunderten
J} xNioht M §äief
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Völkerbewegung, Stammes- u. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiem. 245
mächtige nationale Dynastien berberischer Moaümtn, diejenigen der Almora-
viden, [Zenäqah], Almohaden (Masmüda) , Benl-Merin (Zenäte) u. s. W. er-
standen. Nachdem diese Dynastien eine glänzende Zeit herbeigeführt, nach-
dem sie, trotz ihres mit Eifer befolgten Isläm, mit den christlichen Mächten
Europas gute Beziehungen eingeleitet und den Handel zwischen den
letzteren und ihren eigenen XJnterthanen begünstigt, sei im Osten Alles
anter das Türkenjoch, im Westen unter das Joch der Sirfö des TäfileÜ ge-
beugt worden und daher in eine wilde Barbarei zurückversunken ^) .
Zum Schlüsse seiner auch ein interessantes craniologisches Material dar-
bietenden Arbeit giebt Faidherbe noch eine Auseinandersetzung seiner
Ansichten über den eigentlichen Berberursprung, welche Ansichten hier im
Wesentlichen ebenfalls wiederzugeben, der Zweck meines vorliegenden Auf-
satzes rechtfertigen dürfte. »Hinsichtlich der früher keltische und gegenwär-
tig megalithische genannten Gräber, stehen sich die Ansichten berühmter
Forscher einander gegenüber. Alex. Bertrand möchte diese alten Gräber,
in welchen man nur ausnahmsweise einige Bronzesachen findet, aber in
denen (wenigstens innerhalb Europa's) Feuerstein werk zeuge häufig vorkom-
men, einer Rasse zuerkennen, welche älter als Kelten und Arier, aus Cen-
tralasien vertrieben, nacheinander Russland, Dänemark, die britischen In-
seln, GaUien, Portugal und endlich den libyschen Atlas bis zu den Umge-
bungen Constantine's bewohnt hätte, von überall verjagt, überall vernichtet
durch civilisationsfahigere Rassen. Henry Martin dagegen will die mega-
lithischen Denkmäler den Kelten überhaupt belassen. Die berberischen
möchte er den TqmRu, den blonden blauäugigen Libyern der ägyptischen
Denkmäler zuschreiben, welche Kelten, d. h. blonde Arier, sein würden.
Diese hätten, von Spanien nach Afrika hinübergedrungen, ihre Eroberungen
bis zu den Thoren von Memphis ausgedehnt. Dieselben hätten sich später
mit den xamitischen Bewohnern Libyens verschmolzen. Die Ankunft der
ersten Grälen, der irländischen Arier oder Iraner, verliert sich in die Nacht
der Zeiten. Die Urkelten, nach Martin's Ansicht derselben Rasse ange-
hörig, eroberten Spanien spätestens 1500 Jahre v. Chr. Aber man weiss
nicht, seit welchem vielleicht höchst entfernten Zeitpunkt dies Volk West-
Europa besetzt gehalten. Triftige Gründe führten zu der Annahme, dass
dasselbe seine asiatische Wiege noch vor Abraham's und selbst Zoroaster's
Zeiten verlassen habe.
Die Kelten brachten Gold und Bronze mit nach Westen. Martin be-
kennt sich zu der Annahme, dass den Kelten in Südwest-Europa ein Volk
voraufgegangen sei, nämlich die fterer-Ligurer-Basken, und dass auch im
Norden unseres Erdtheiles die Finnen, ein grosser Zweig der mongolischen
Basse, gehaust hätten. Er weist jede Verwandtschaft zwischen beiden
eben erwähnten Rassen zurück, und vereinigt die Iberer-Ligurer-Basken
1) Bulletin de l'acad^mie d'Hippone, 1868, No. 4, p. 7—18.
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2415 t- Abschnitt. IX. Kapitel.
weit lieber mit eittei: jtamitischen , aus (Süden, etwa dutch Libyen? g^kom-
txtnefk Rasse.
Fäidhtetbe selbst findet nun keinen Grund, aus welchem d^ ibe-
rischfen, liguridchcn, baskischen und libyschen Rasse ein x^mitischer Ur-
sprung vindicirt werden tuüsse. Diese weissen Rassen mit braunen oder
schwartet! Augen und Haaren würde unser Verfasser viel lieber als süd-
westliche Autöchthbtten Europas (deii Atlas zu Europa gerechnet) bettach*
ien, ohne ili V^tbitidüng tait der östlichen Welt zu stehen. Das seieü die
Votfahrfen der Berbetn* Die Berbersprache sei aber nichts anderes, uls die
Sprache der alten Libyer. Die blonden Leute, die sich in geschichtliche
Zeit unter den LibyieJm fanden, vielleicht die TqtnKu der Aegypter, welche
man Äoch unter den Bewohnern des Mif, der Aüres u. s. w. finde, möchte
Faidherbe fiir Reste blonder gallischer Eindringlinge (wie Martin] hid-
teh, die tnehr als 1000 Jahre vor Christo angelangt seien, fbmer für Resle
gallis<cher Soldtrüppen d<6)r Karthager, für gallische Kolonisten der römischen
^it, und endlich fü,)t Yändalen, die sich in die Anres Und in ben^t^hbail^
Landschaften zurückgezogen hätten. Diese verschiedenen Bruchtheile blonder
Eindringlinge hätten sich vollständig mit den libyschen Autochthonen verbundeti
und deren Sprache angenommen, ohne Spuren der ihrigen zu hinterlassen.
Der X. Band des dfo^, Organes der geographischen GkseUschaft
zu Genf, macht uns mit einer sehr fleissigen, leider nur abbreviirt tnit
D. K. unterzeichneten Studie: »Sur l'origine des Kabyles« bekannt, au«
welcher wir Folgendes entnehmen. Nach des Verfassers Annahmt BtaMffit
das Wort nEabyks, Kbattey [Qahalt) — von ^^Klnlm^ oonfM6ration ; *ÄWy-
lest bedeutet dahet »Eidgenossen, Confoderirte.« In der That wird diA» Wort
Qäblleh in Arabien und bei den Berbern des MayrS in jenem Sinne ge-
braucht; entsprechend also dem TemäSiyt-^Bmen Kel, Ketl. In Nörd-O/t*
afrika dagegen bezeichnet man mit Qäb^hh einen Nomadenstamtoi, wie z. B.
die BaqSra des Sex MoKammed-^Abd-el-' WaKed im ito^^e^-G^reto^, die
MerSüs im /S^rö-Oebiete, welche wieder Abrtieilungen det Ha«ip%filfaDi(ne
(iVöÄ, Volk, Nation) Atx Baqara^ der ilftw-ifö/* sind. Noch kleinere Ab-
theilungen nennt man hier Ferlq oder Fereq, Plur. von Fetqefi. In Alge-
rien büden mehrere jDwör, Zeltgruppen , eine Ferqeh mit je einem iS^ sä
der Spitze. Mehrere Fertq bilden hie^r eine Qa^dak, wi «dereA Sptt^ eiö
Qa^'irf steht. Mehrere QaHdät bilden dann eine XaUfah, So ist efe alte ata-
bische Sitte. Ans Qabml daher einen Volfcsnamen zu machen, ist eine
vom französischen Volksmtmde verschuldete Sund«. Wenn man nnn 4i*A
in Arabien nach K. Niebuh r mit QahaU fterg'bewohner im tjkigeiiasatae tt
den HedMn, den freien Nomaden, bezeichnet, wenn man auch nach Rt^lilf«
selbst in Fäs, WaSän u. s. w. mit Q'bail ebenfalls die Leute der 'ömlieg«to-
den Gebiiige benennt, so ist eine solche Bezeichnung Unter den «tfaM#di
sprechenden Völkern Afrikas dennoch nicht allgemein. Man hat Wer
vielmehr häufiger die Namen GebeH oder Gebdäm mar fieteiöhiiiiiBg eines
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Völkeibewegung, Stammes- u. Kastenbildting unter d. Afrikanern, vorztlgl. d. Nigritiem. 247
»Bergbewolinerst. Jener Genfer Forscher hätte kaum nöthig gehabt, die
Verschiedenheit des Kabylischen (Züäwa) vom Arabischen noch extra
zu betonen und durch Beispiele zu belegen.
Movers urtheih über Namen und Ursprung der Berbern in folgender
Weise: yiDie Reste der alten libyschen Hirtenvölker, welche den ganzen
Norden Afrikas bis tief in die Sahara bewohnen , werden Berber oder Ama-
zigh genannt. Alle diese Völker sind eines Stammes^ eines und desselben
Volkes, welches die Alten mit bald mehr, bald weniger umfassendem Namen
Libyer nennen, oder sie genauer als Libyer, Mauren, Numiden und Gae-
taler unterscheiden <) .«
Dem Dr. Prosper Despine verdanken wir folgende Darstellung der
die B erberei bewohnenden Völkerrassen: Die gegenwärtigen Bewoh-
ner Nordafrikas von Timesien bis nach Marocco hin sind grossentheils Ab-
könonlinge der ältest^i als Libyer und Gmetuler bd^annten Bewohner^ Die
Einen siBd ohne erheblid&e Vermischung mit fremden nach und nach hier
eingedrungenen Völkern geblieben, die Andern aber haben sich mehr und
minder mit solchen Völkern vermischt. Sitten und Gewohnheiten der nörd-
lichen Afrikaner haben seit den frühesten Einfällen in ihr Gebiet eine ähn-
liche niedere SieUung wie diejenige der oceanischen Wilden eingenommen.
Nach Procop lebten diese Afrikaner gleich wilden Thieren, frassen rohes
Fleisd) und Kräuter, hatten keine Wohnungen und schliefen da, wo sie ge-
nde ging^i und standen. Die erste von der Geschidite berichtete Invasion
ist dic^nige eines Häuptlings mit Namen Hercules, welcher an der Spitze
eines aus Medem, Persem imd Armeniern bestehenden Heeres marschirte.
In Folge der Berührui^ mit einer ihnen überlegenen asiatischen Basse und
wahrscheinlich auch stal:tgehabter Mischung mit letzterer, schritten jene
Eingeborenen etwas vor; denn nach besprochener Invasion sehen wir sie
sohledite Hütten bewohnen, obwohl sie immer noch auf der Erde schliefen.
Damals verfiigten die Wohlhabenden wenigstens über einige durch alle Jah-
resaeiten zur Kleidung dienende Schaffelle, sie kannten aber weder Brod
noA Wein, sie asscn Gerste und Getreide, ohne Mehl daraus zu bereiten 2).
So weit vorläufig unser Berichterstatter.
Dürfen wir nun auch fuglich Procop und die heracleische Invasion
bei Seite lassen, so leuichtet uns doch die Wahrscheinlidikeit ein, dass die
uralten Bewohner* Nordwestafrikas in der That auf einer mindestens so rohen
Stufb gestanden haben müssen, als unsere Altvordern, da sie in den frühe-
sten Anfängen ihrer urtbümlichen Steinzeit sich befanden. Die TqmXu der
Denkmäler freilich zeigen uns schon eine gewisse Kultur : wir sehen sie mit
langen Umwürfen angethan, ihr Haar ist zierlich geflochten, sie tragen
aDerlei Putz u. s. w. (S. 238).
1) Phöniakr n, 2, & 366.
2) Psychologie naturelle, I, p. 102.
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248 I- Abschnitt. IX. Kapitel.
In den megalithischen Denkmälern aber fallen uns sogar jene S. 238
erwähnten Erzeugnisse eines fireilich noch unentwickelten Kunstfleisses in
die Hände.
Despine führt nun noch Folgendes aus: Eine Verschiedenheit in
Geschmack und Charakteren, deren Ursache nicht bekannt ist, theilte diese
Bevölkerung (von eingebomen Nordafrikanem) . Die Einen, welche thäd-
ger, energischer waren, mehr Unabhängigkeitssinn entwickelten, zogen sich
in die Gebirge zurück, die Anderen blieben in den Ebenen und auf den
Hochflächen. Erstere sind die alten Numidier, die heutigen Berber oder
Kabylen ; letztere sind die alten Bewohner des tingitanischen und cäsarischen
Mauretanien; sie bilden zum Theil jene Bevölkenmg, die man arabische
nennt. Numidier oder Kabylen bilden daher nicht etwa eine Rasse, son-
dern viehnehr nur einige Tribus der grossen nordafrikanischen Familie^
die sämmtlich einen gemeinsamen Ursprung in jenen beiden von uns er-
wähnten primitiven Stämmen hatten. Diese Völker gaben sich keinesw^
selbst ihre schwache Civilisation, sie empfingen dieselbe von Karthagern
und Kömern, mit denen sie häufig in Berührung traten, sei es nun als Ver*
bündete, sei es als Unterthanen der Römer*).
An Obiges anknüpfend, erscheint auch uns eine civilisatorische Beein-
flussung der alten Berbern^ jener Numidier^ zunächst durch Karthager, spä-
ter durch Römer so wenig zweifelhaft, als eine durch Jahrhunderte stattge-
habte Vermischung Jener mit den phönizischen, griechischen und römischen
Kolonisatoren. Aus den durch Movers geführten so höchst sorgfaltigen
Untersuchungen geht hervor, dass Mischungen zwischen phönizischen Kolo-
nisten und Einwanderern im Mayreh in der That stattgefunden haben
müssen. Es scheinen diese Mischungen fireilich namentlich in den grösseren
Küstenstädten vor sich gegangen zu sein.
Die Karthager zur Blüthezeit ihres Reiches und viele ihrer unmit-
telbaren numidischen Nachbarn müssen uns als ein gemischtes Geschlecht
gelten, in dessen Reichen allerdings das quantitativ wohl von jeher vorwie-
gende Berberelement allmählich durchschlagend geworden. Indessen konnte
das firemde, syroarabische Element sich doch auch in gewissen vornehmeren,
ihre Abstammung von den Kolonisatoren reiner bewahrenden Familien länger
erhalten. Die Alterthümer scheinen diese Annahme zu stützen. So z. 6.
möchte HannibaTs scharf gezeichnetes Profil doch an dasjenige eines
syrischen Beduinen (vergl. z. B. unsere Tafel X , Fig. 1) erinnern 2). Juba,
Hiempsal's Sohn, hat die unverkennbaren Züge des Syroarabers, ja wenn
man will, diejenigen des Schacherjuden, wie er sein muss.
1) L. c. p. 103.
2) Manche freilich haben in dieser vorragenden Nase und in diesem ziemlich üppigen
Barte des Siegers Yon Cannae etc. den Abkömmling eines Phönico - Carthagers und einer
weissen, etwa circassischen, Sklavin erkennen wollen!
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Völkerbewegung, Stammes- u. Kastenbildung unter d, Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiem. 249
Der Körperbau jener berberischen Stämme des Mayreb zeigt im
Allgemeinen viele Uebereinstimmung. Die Männer sind durchschnittlich
165 — 166 C.-M. gr. , seltener darüber^ sind also durchschnittlich von einer
guten Mittelgrösse. Der Kopf ist stets dolichocephal. Der männliche Kopf hat
sehr häufig eine in der unteren Hälfte convexe, «mit deutlich vorragenden
Augenbraunbögen versehene, in der oberen Hälfte dagegen abgeflachte, nicht
selten sogar brüsk nach hinten zurückweichende Stirn, welche dann allmäh-
lich in die ebenfalls abgeflachte Scheitelgegend übergeht. (Taf. X, F. 2, 3, 1 1 ) .
Seltener ist die ganze Stirn hoch, gleichmässiger gewölbt, alsdann ist auch
die Scheitelgegend convex. (Taf. VH, Fig. 12, Taf. X, Fig. 6, 7, 10). In letz-
terem Falle sind die Schläfen meist stärker zusammengedrückt als in erste-
rem. (Vergl. Taf. VH, Fig. 12, Taf. X, Fig. 10.) Die häufiger kurze, nie
lange Nase wird durch eine tiefe Einbuchtung von der in ihren Augenhöh-
lentheilen so hervorragenden Stirn abgegrenzt. Jene ist entweder gerade
oder gebogen, an ihrer Spitze meist einen rechten Winkel mit der Horizon-
talebene bildend, zuweilen etwas aufgestutzt, selten spitz und vorn übei^e-
bogen>). In den Flügeln ist dieser Theil etwas breit. (Taf. VII, Fig. 12,
13, Taf. X, Fig. 2 — 7, 10). Der Mund ist gross, fleischig, die Zahnstellung ist
etwas schief, und zwar dies stärker als im Allgemeinen bei Europäern,
Juden, Arabern, selbst Vorderindiern, weniger aber, als es grossentheils bei
Nigritiem der Fall. Das Kinn ist vorragend und gerundet. Der Nacken
ist stark, der Rücken gerade. Der Brustkasten ist zwar nicht so breit und
80 gewölbt, als man dies wenigstens durchschnittlich bei deutschen, skan-
dinavischen und britischen Männern findet, zeigt aber doch vorwiegend eine
conische Gestalt. Der grosse Brustmuskel ist gut entwickelt. Die Schultern
sind nicht eckig abstehend, sondern zierlich gerundet, die Oberarme sind
ebenfidls gerundet, der Unterarm ist in seinem oberen Drittel breit, flach,
muskulös, in den zwei unteren aber flach und schmal, die Hand ist nicht
gross, die Finger sind in ihrer Oesammtlänge von einer sich ziemlich gleich-
bleibenden Dicke, die mittleren derselben variiren hinsichtlich ihrer Länge
nur wenig. Die Hüften sind breit, der Bauch ist massig gewölbt, die
Oberschenkel sind gerundet, die Knien nicht eckig hervorragend, die
Unterschenkel sind (mit Ausnahme der grossentheils reitenden Individuen)
gerade gestellt, schwachwadig, die Füsse sind nicht lang, aber etwas breit,
mit gewölbtem Rücken, hohler Sohle, die Zehen sind kurz , dünn und ge-
rade. Der ganze Körper macht einen gefälligen Eindruck, erweckt die
Idee guter Bildung und erinnert zwar an die nicht unbeträchtliche Behen-
digkeit und an die Ausdauer seines Trägers, verräth aber keine bedeutende
Muskelkraft.
Die berberischen Weiber haben nun im Allgemeinen einen in der
1) Vergl. die zahlreichen instructiven ümriasabbildungen bei L. Faidherbe im Bul-
letin etc.
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250 I- Abschnitt. IX. Kapitel.
Scheitelgegend sanft gewölbten oder häufiger noch abgeflachten Kopf und
eine gegen diese Region senkrecht abfallende Stirn. Die Nase ist nicht
gross, häufiger leicht gebogen, als geradezu gespitzt, seltener etwas abgestutzt,
in den Flügeln etwas breit; meist ist sie im Mayreb weniger hervorragend
als bei Aegypterinnen. Der Mund ist fleischig, etwas breit. Die Wangen
sind nid\t breit und in ihren Jochbögen nicht vorragend, das Kinn ist klein
und gründet. (Taf. X, Fig. 12—15.) Der Hals ist dünn, der Brustkasten zeigt
sich vom etwas flach, im Rückentheile stark gewölbt, diese ganze Region ist
kurz und geht fast unmerklich in einen gegen die Leistengegend, gegen das
geneigte Becken, ziemlich scharf abgesetzten, gewölbten Bauch über. Die
Brustdrüsen sind bei jugendlichen Individuen klein, prall und wagerecbt
vom Körper abstehend, oben etwas flach, unten convex mit ziemlich grossen,
gerade vorri^nden Warzen und massigem Hofe versehen. Bei älteren
Frauen werden diese Theile flach, hängend, nach aussen und unten ragend,
zeigen aber sehr selten jene massige Schlauchform älterer Nigritierfrauen.
Letzteres kommt übrig^is bei Aegypterinnen immer noch häufiger als bei
Berberinnen des Mafrtb vor. Die Schultern dieser Weiber sind zierlich
gerundet. Das Becken ist nicht sehr breit, das G«säss ist ziemlich hervor-
ragend. Die Oberarme sind an ihrer Insertion nicht dick, gerundet, die
Unteimrme Änd wie die Unterschenkel dünn und schmal. Die Oberschenkel
sind meist etwas von aussen nach innen comprimirt, die Kniee sind nicht
vorstehend, die Neigung zur Wadenbildung ist stärker als bei den Nigrite-
rinnem Hand und Fuss sind nicht gross, Finger und Zehen gerade, in
ihrer Länge wenig verschieden, und in ihrer ganzen Erstreckung von sidi
gleichbleibender Dicke. Von jener Einwärtsneigung der Oberschenkel, wie
«ie bei europäischen und tüikischen (rumelischen, anatolischen, nicht circas-
sischen) Fmuen so häufig, beobachtet man bei den Berberinnen im AUge-
meinen wenig. Sie sind in der Jugend anmuthige Gesdiöpfe, von leiditen,
schlanken Formen, elastischen Bew^^ngen und milden, intelligenten, nicht
selten liebreizenden Zügen. Aber sie verblühen schnell, ihre ursprünglich
feinen Züge werden frühzeitig breit, flach, gemein, und es verunstaltet ent-
weder mbergrosse Magerkeit oder noch weit häufiger eine widrige Fettld-
bigkett das ganze Aeussere 'Man vergleiche zu dieser Beschreibung Taf X,
Fig. 12—15, Taf. XV.)
Das Haar der Berbern ist im Allgemeinen und im VerhÜtniss zu dem-
jenigen der Nigritier reichlich, nicht sehr starr und dick, gekräuselt. Es
verhält «ich hinsichtlich seines Durchmessers und seines Querschnittes unge-
führ wie dasjenige der Südeuropäer, hält keinen Vergleich aus mit dem
seidenartigen Blondhaare der Anglo-Germanen , es ist aber feiner als das-
jenige der Nigritier, Mongolen, Makyen und Indianer. Die Hautfarbe ist
ungemein variabel, dieselbe wechselt von jenem mattbräunlichen Incamat
der Italiener und dem bräunlichen Olivenfarben vieler Südspanier in Weizen-
gelb; Röthlichgelb, Kaffeebraun, Röthlichbraun und Schwarzbraun.
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Völkerbewegung, Stammes- u. Kftstenbildung unter d. Afrikanern, vorztlgl. d. Nigritiern. 251
Dies Bild ^rd im Allgemeinen auf die äetS^^ Zimäte, Beni-'ifZäiy die
Kabylen dee Gergerah^ die Hööriy, die Leute rom lUfy die 55«^) -Leute
tt> 6» w> passen. Natürlich fehlt es auch nidit an Stammeseigenthüm-
lichkeiten. So sind die algerischen Bergkabylen im Allgemeinen gedrun-
gener und fleischiger als die Kabylen der Ebenen. Die Tuariq'^) oder ^^-
hä^h oder Imdkiy im engeren Sinne sind^ was ihren Adel anlangt ^ nach
dtn Urtbdlen von Mehreren ^ namentlich von Barth und Duveyrier,
gross^ zuweilen sehr gross 3), meist hager^ haben eine hohe^ nur im oberen
Vtertheü srurückgebogene 6tim> tiefliegende^ von starken Augenbrauenbögen
überwölbte Augen, eine ziemlich kurze, mit der Spitze häufig etw«s herab-
^bogene, an den Fli^eln breite Nase, breite Wangen, riemlich spitzes
Kinn, fteiBchige, nicht aufgewoifene Lippen, deren untere öfters dicker als
die ober« (Barth) sein soll. Der (^erkörper der Männer ist konisch,
Hände und Füsse sind nicht gross, letztere aber durch die Fussbekleidung
häufig an der grossen Kehe entstellt. Die Hautfarbe ist broneebraun^j.
Ihre Weiber sind gut gebaut. Haltung und Gang der Tüäriq sind
feierlieh, gravitätisch. Es fiel Letzteres nach Duveyrier's Angabe bei
den Algerien besuchenden Tüäriq allgemein auf.
Die SeiüK ähneln dem auf S. 249 gegebenen allgemeinen Berberbilde,
1) HiiMsektlich der Marokkaner des Rif und der fi^-Stäimse eriimeve ich mick hier
an die mir duivh A v. Barnim nach Autopsie gegebenen detaillirten Beschretbungen.
2) »The Berber term Tuaryck^ corresponds with the Arabic Kabyle, or Kabail.«
(Hodgson, Notes on Northern Africa, p. 23).
3) Barth z. B. schildert den tapfersten der von ihm gesehenen Tüäriq, den Xlör-
äuqu, als einen schönen , breitschulterigen Mann von 6' 4 — 5" Höhe und anscfheinend ge-
waltiger Muskdkmft. (Eeisen u. s. w. V, S. 110). Uebrigens bemerke ich hierbei, das«
unser au^ezeickaeter Reisender in Bezug auf das Aeussere der Afrikaner keineswegs zur
Uebertreibung geneigt war.
4) Vergl. Duveyrier a. o. a. O. S. 382. Durch Barth wurden mir zur Winterszeit
1864/65 diese Angaben in mündlichen und schriftlichen Notizen erweitert. Unser Sex-
Ahragän entsprach übrigens oben entworfenem Bilde. (S. 16S). Vergl. femer Duvey*
rter's nach einer Photographie von Cremi^re angefeitigte Abbildung. Gayon bB*
schreibt vier von ihm untersuchte Tüäriq als eher klein wie gross, ihren Kopf als kuge-
lig, die Stirn als massig breit und hoch, die Augenhöhlen als breit, die Wangen als
hervorragend, die Zähne als kurz, weniger schön gestellt, wie beim Araber, Hände und
Füsse als klein, die Haut als t>livenfarb und dadurch von deijenigen der Berbern abwei-
chend, Hiaar unt Bart als scdiwarz, zur Kiftuselung geneigt. Letzteres Oebüde soll übri-
gens nur "wenig stark sein. Die grosse Annäherung dieses Volkes an die Berbern betont
übrigens auch Guyon (Comptes rendus 1856, 1, p. 188). Es giebt nun auch ziemlich
hellfarbene Individuen unter den Tüäriq. Capit. Lyon, ein guter Beobachter, schildert
diese Leute : »generally white« und bemerkt hierzu noch ; »their arms twr bodies, (where
constantly covered) , are as white as those of many Europeans.« (L. c. p. 109). Andere
«ind durchschnittlich Äunke!. Letzteres scheint bei den KeÜ-Tin-Tikum grossenfheils der
M. (Vergl. Richardson, Mission to Central Afrika, Vol. I, p. 275). Die KeU-Tm-Tl-
hm aber sind Freie. Die Imyäd oder Leibeigenen der Tüäriq sind weit mehr Nigritier
»Ib Berbern (s. späteir).
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252 I. Abschnitt, IX. Kapitel.
sollen aber häufig sehr vorragende Profile mit spitzigen Nasen und dicken
Lippen haben. Ihre Gestalten sind meist kraftvoll. (A. v. Barnim.)
Unter den sogenannten Kabylen Algeriens findet man viele
Individuen mit etwas gebogenen, in den Flügeln ziemlich breiten Nasen,
deren Aehnlichkeit mit den Tüäriq eine unverkennbare ist. Die Kabylen
des Gergerah haben im Allgemeinen zwar die Nase der Imomy^ im enge-
ren Sinne aber vorstehendere Kiefern und dickere Lippen , als diese. Den
Tüäriq ähnliche Typen soll man ferner auch unter der Bevölkerung der
Waränsaris finden, unter Leuten, die freilich Manchen als »Arabes pur
sang« gelten.
Andere Kabylen zeigen einen nahezu germanischen Gesichtsschnitt
(Taf. X, Fig. 3, 11), wieder andere ähneln mehr Italienern, Spaniern oder
Portugiesen (Taf. X , Fig. 5 , 6 , 9) . Jüdische Gesichter trifft man hier
und da. (Taf. VII, Fig. 13, Taf. X, Fig. 8).
Ferner trifft man unter den Kabylen sowohl hinsichtlich ihrer Züge,
als auch ihrer Hautfarbe, Leute an, welche nicht so leicht von echten Nigri-
tiem.zu unterscheiden sind. (T. VII, F. 12, T. X, F. 7). Menschen von solcher
Beschaffenheit begegnet man namentlich unter jenen Bewohnern von War-
yelä, Tawät, In- Säle, wie sie von den Alten als Melanogaeiuler beschrie-
ben wurden, wie sie von Duveyrier »hommes de la race sub-Ethiopienne
ou Garamantique« benannt worden sind. (S. 73). Diese verdanken ihre
Entstehung aber jedenfalls einem lange gewährten innigen Contacte zwischen
berberischen und nigritischen Tribus und Individuen. Aus solchen Berüh-
rungen ist dann ein zu gewisser Konstanz des Typus ausgebildetes Volk
von Mischlingen, ein gewissermassen rasseloses Volk geworden, bei
dessen Angehörigen es häufig schwer zu sagen ist, wo in ihnen der Berber
aufhört, wo der Nigritier beginnt oder auch umgekehrt. (Vei^l. Taf. VII,
Fig. 12*), Taf. X, Fig. 7.) In gewissen beim ersten Eindruck als wirk-
liche unverfälschte Nigritier erscheinenden Eingeborenen von Fezzän, soge-
nannten Semsän, scheinen häufig Tedä- oder Kandri- und Berberblut etwas
gleichmässiger vertheilt zu sein. Bald herrscht aber auch das Tedä-B\nt
(T. XVII, F. 3cde), bald das Äa«5ri-Blut (T. XVII, ¥. 3abf) vor. Nicht
wenige solcher Leute befanden sich unter den in Deutschland kriegsgefange-
nen Ttirco« oder Tirailleurs indigenes^j. Andere hat Vernet's Meisterhand
hingestellt (S. 101). Solchen Mischlingen gehörten ferner manche zu gewis-
ser Berühmtheit gelangte algerische Sti/üx aus jenen Zeiten der Ducs d'Or-
Uans und d' Anmale, der Bugeaud, Cavaignac, Bedeau U.A., welche erste-
ren Leutchen in den officiellen Berichten freilich wohl als »reine Araber«
1) Der unter obiger Bezifferung dargestellte Turco soll sich selbst für einen Kabylen
ausgegeben haben. Derselbe nannte sich Qodür-Ben-Algätr und beschrieb Mosdayänim als
seine Garnison.
2) Vergl. Anmerk. I) dieser Seite und das Verzeichniss zu Taf. X.
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Völkerbewegung, Stammes- u. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiem. 253
ZU figuriren pflegten, u. A. die JRamzän, ^Abd-el-IißKmän'el-Xalifi , Qärah-
Mohammed u. s. w. Die Portraits dieser Männer durfte ich durch Vermitte-
lung von C. B. Haase^) bereits im Jahre 1850, wo ich als »Lyc^en« die
Weltstadt an der Seine betrat, nicht allein genau betrachten^ sondern sogar
copiren. Auch die im anthropologischen Theile des »Museum d'Histoire Na-
turelle« zu Paris befindlichen Abbildungen sind in dieser Hinsicht recht lehr-
reich. Vermuthlich gehören in diesen Bereich auch jene Bewohner der Oase
Neqüsay mit deren QaHd, Bahus-Ben-Bähia und mit deren Unterthanen
uns Colomieu bekannt macht. Ein Theil jener von demselben' vortrefl*-
lichen Reisenden etwas mystisch dargestellten schwarzen nAratinsa^y »d'un
noir bleu particulier qui n'est pas celui du Soudanien import6<(2), naag von
ähnlicher Halbrasse sein. In Fadämis z. B. sind die ^Airleh nach Duvey-
rier eine Mischung von fireigelassenen Schwarzen und von Kindern gemisch-
ten Blutes aus Ehen zwischen Bewohnern der Oase und schwarzen Frauen,
welche nSartdmi^ heist. Faidherbe nennt die »Ahratinsu (der Trärzah):
ioafiranchis« ^) .
Solche Mischlinge wie die erwähnten der südlichen SaRaräy treten
übrigens in noch anderen Gegenden, selbst des tieferen Inneren, massenhaft
auf, so z. B. in Fezzän, in ganz Marocco^), in Agadas, allwo nach Barth
sich namentlich in der schwarzen männlichen Bevölkerung mit dem Sonyay-
Typus der. breitoffenen Naslöcher, hohen Stirn, massig dicken Lippen und
einer hellschwarzen Farbe, eine hohe, schlankere Statur vereinigt, welche
letztere unser Reisender fast nie an einem reinen /Slt>/2/ay-Manne sah und
welche er, wie die weniger glänzende Haut, einer Vermischung mit den
Berbern zuschreiben möchte ^) . Ein grosser Theil der Leibeigenen der Tuä--
riq besteht aus Nigritiermischlingen. (S. 251 Anm. 4)^).
Zu den Berbern gehören ferner auch jene gemeinhin Mauren ge-
nannten Volksstämme, welche ihre Wohnsitze auf dem rechten Senegalufer
von Marocco aus nach Süden, von Nqälam bis zum Ozean, in einer Gegend
1) Dieser ausgezeichnete Orientalist äusserte schon damals seine tiefe Abneigung
gegen das angebliche, anbiedernde Araberthum vieler echt afrikanischer Eingeborner.
2) Le Tour du Monde, 1868, II, p. 192.
3) Chapitres de Geographie p. 14.
4) Hier spielen sie zum Theil bedeutende Rollen, indem z. B. die ganze Familie des
Suldän, indem alle ersten Familien der Sirfä sehr viel Nigritierblut in ihren Adern haben.
(Vergl. Rohlfs: Mein erster Aufenthalt in Marokko, S. 85).
5) Reisen u. s. w. 1, S. 607.
6) Auch Buvry hat die unter der kabylischen Bevölkerung Algeriens zahlreich ver-
tretenen Mischlinge mit Nigritiem berührt, deren feingebogene Nase, dünne Lippen und
vollkommenes Ebenmaass an die den Kabylen eng verwandten Nubier erinnern, wogegen
die stark gewölbte Brust (?) , die enggeschlitzten Augenlider, das gelbliche Braun der
Bindehaut des Augapfels und das kleine, rundliche Ohr von den Nigritiem herrührten.
Die Beschaffenheit des Haupt- und Barthaares dieser Menschen habe Etwas vom Kau-
irisier und Etwas vom Nigritier. (Algerien u. s. w. S. 101.)
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854 h Abschaitt. IX. l^pUel.
haben, dere^ Charakter im Norden deijeoige der Stoppen SiidnuWep» und
'Sofd-Kordü/nn^s , im Süden abey derjenige der Steppen Sennät^s ^u peiii
scheint. Sandige, kiesige und strecken weis steinige oder thonige Flächcip
dehnen sich im senegamhischen Sq/üI aus, durchfurcht von Binnsf^l^fi uivd
bedeckt mit hohem, aparrigem Grase , mit üppigen Krautpflanzen und viel-
ästigen Sträuchem. Zuweilen erheben ^ch hier mächtige B^umgruppen.
Im Süden ziehen sich längs der Regenstrombetten prachtvolle Urwälder hin-
Auf sandigem Boden mit thon^gepi Untergrunde dehnen sich die berühiviten
Gummiakazienwälder aus, gebildet von der Veireh-i der Nil- und wahr-
scheinlich auch der arabischen Akazie, welche mit ihrem chao^schen Gewi|T
von stehenden und gefallenen Stimmen und van verschränktem« dAmigem
Geäste den allerhizarrsten Eindruck hervorrufen sollen.
Die berberische Urbevölkerung dieser erwähnten Gegfnd^ nun,
welche mit Eifer den Islam annahm^ und die Sprache demselben zur ihrigen
machte, hat sich durch Aufnahme von SelüH-t Kabylen-, Araber- und Ni-
gritierelementen vermehrt. Ein kleinerer Theil derselben ist ansässig geww-
den und bewohnt Städte wie Waöän, Tisi^ Wßläta, Afüßn u. s, w., die
Mehrzahl aber lebt als Nomaden unter Zelten, treibt Vieh-, namentlich
Rindvieh-, Schaaf-, Ziegen- und Kameelzucht, wenig Ackerbau, und ßiniges
Handwerk. Manche unter den Städtern und Nomaden befassen ^ch mit
Handel, besonders mit Vertrieb des von ihnen eingesammelten Gum>«u. Sie
unternehmen weite und gefahrvolle Handelsreisen. Der Stamni der ^4^sünas
aber beschäftigt sich vorzugsweise mit Vagabondirßn und mit Rauben.
Ein ungenannter Begleiter des französischen Gouverneur^ Bouffiers
schildert die senegamhischen Mauren nach eigener Anschauung a)$ init
grossen Zügen, gelockten Haaren, einer schon frühsieitig furchigen Stirp,
durchdringenden Augen, mit Adlernase, tiefen Wangen, bräunlichem Teint,
welker Hautfarbe^), bober, gut gebildeter Statur, ausgeprägter Muskulatur
und mageren Schenkeln veraehen^). Missionär Hoilat schildert diese Leute
als von ovalem Gesicht, lebhaften Augen, schönen Zügen, schwarzen, locki-
gen Haaren, mit Adlernase, bräunlicher Farbe, von mittlerer Grösse, hagerer
Körperbesehaffenheit. Manche, die sidi der Sonne wenig aussetzen, erseht**
nen sehr weiss 3).
Diese Mauren gehorchen gleich wie die östlicheren Beduinen erblichen
Stffüx, welche zum Theii angeblich Syroaraber, sogar Sirfa sind, übrigens
nicht mehr Rechte haben, als dies sonst unter den nordafrikanischen HirteQ
üblich ist. Viele der Sti/üx sind Merabid^Uy aber es giebt unter ihnen auch
1) Die Haut eines Laptot oder eingebomen Matrosen, von Geburt Mauren, mactjtc
zu St. Nazaire auf einen meiner Bekannten den Eindruck des ungefärbten Leders.
2) L'Afrique, ou Histoire, Moeurs, Usages et Coutumes des Airicains. I^ Sila^*
Par R G. V. Paris 1814, 12, ü, p. 5.
3] Esqui&ses S^n^galaises p. 367.
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Völkerbewegung, Stammes- u. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiem. 255
dergleichen, welche zwar Ansehen als geistliche Männer gemessen, aher nicht
zugleich Stammeshäuptlinge sind. Als Hamifl erkennen sie, wie
die MosUmin von Tatmt und Adrär y die geistliche Oberhoheit des Suldän
von Marokko an.
Sie zerfallen in verschiedene Conföderationen, dies ähnlich den Tüäriq,
von welchen sie ursprünglich nur ein lof^rissener Zweig zu sein scheinen.
Die Conföderation der Trärzah wohnt am Nordufer des Senegal bts über
Dmfxmh hinaus und nördlich bis nach 2¥m, enthält Nomaden vom l^mme
äoMn, Vasallen und Jlleräbidtn vom Z^Hoqah-Stdmme, Aratinen odef Frei^
gelassene (S. 253), und schwarze Sklaven. Sie treiben hauptsächlich Onn^
mihandel. Die Conföderation der Bräknak erstreckt sich von gegenüber
Dimar bis jenseit Saide, Ihre Häuptlinge sind ebenfalls Hasanleh. Sie
treiben mit den Franzosen zu Podor dieselbe Art Handel, wie die Trdrzah
zu Duqänah, Die Conföderation der Dotmols bewohnt Taqänd und die
Nachbargegenden im Süden. Ihre Häuptlinge sind Ze»äq<ih. Sie treiben
den Gummihandel zu Bakel ^).
Mauren von erwähnter Herkunft und Beschaffenheit simd auch Jene,
welche bis in die Guinealänder eindringen und hier ihre Handelsspeculatio-
nen ausführen, schlaue Intriguanten^ welche bei den Nigritierkönigen häufig
die Bolle der Oa^alin spielen und deren man selbst viele zu Kumäsi
antraft).
Die oben schon flüchtig erwähnten Mischlinge zwischen ß^bem
und Nigritiem sind in Senegambien sehr zaiilreich. Ein Theil jener vieU
genannten Lapiots , SbähCs, selbst der Signares (Senharas) oder farbigen
Weiber, der sogenannten »Toucotäeursfk^) , gehören zu jener Klasse, deren
Bassenlosigkeit den systematisirenden Menschenkundigen nicht selten zur
Verzweiflung bringen mag.
(
1) VergL L. Faidherbe: Chapitree de Geographie, p. 14 ff.
2) Der jS6dA«- Lieutenant Tissot äusserte sich über die naoh Nigritien vordrin«
genden Mauren in folgender Weise: »Schaaren von maurisohen Marabouts durch-
sehen fortwährend das Land. Sie sind gleich den Miasionären anderer Nattonen
i)un Proaelyienmaohen förmlich ensogen worden — gleich jenen wissen tue das Nütiliche
mit dem Angenehmen zu vereinen , für leibliches und geistiges Wohl zuj^ch zu sorgen«
Mit dem Koran gewinnen sie dem Himmel Seelen, sich selbst ein Plätzchen im siebenten
Paradiese; mit schmutzigen, bekritzelten Pergamentstreifen locken sie dem gläubigen Zu-
hörer das Wenige ab, was der dumme Schwarze besitzt. Jedes Jahr in der Erntezeit
rücken dann die Beiter nach, um mit dem Yatagan in der Faust zu nehman, was die
schriftgelehrten Landsleute übrig gelassen. Der Senegal hat, so weit er hier in Betracht
kommt, nur 3 — 4 Furthen. Sobald diese Engpässe gangbar werden, ergiessen sich Hun-
derte von Bewaffneten übers Land, zerstören die imbewegliohe Habe und führen die Kin-
vohner in Sklaverei« u. s. w. (Die Araber des Sahel, 1, S. 129 ff.).
3) »Le mot touoouleur ou tocoulor est une corruption du mot tekrour [p, 73). Lee
SQoiens auteurs arabes divisaient les noirs de TAfrique en deux dasses: les musuhnans
qu'ils appelaient Tekrour, et les payens qu'ils appelaient Kafre.« Faidherbe, Chapitres
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256 I- Abschnitt. IX. Kapitel.
Ich habe in meinen früheren Schriften die physische Aehnlich-
keit der verschiedenen Berberstämme des Mayreh mit den Retu^By
den FeltäJnn und den Kopten besonders betonen zu dürfen geglaubt ^) . In
der That verrathen sehr viele jener Berbern, mögen dieselben nun den so-
genannten Kabylen, den SelüK, Tüäriq u. s. w. angehören, namentlich in
ihrer Gesichtsbildung, eine sprechende Aehnlichkeit mit der altägyptischen
und mit derjenigen neuerer, natürlich reinerer Nachkommen der Reiu
(S. 194). So sind es die stark vorragende, gerade oder leicht gebogene,
bald spitzere, bald stumpfere, an den Flügeln verbreiterte Nase, die meist
ausgeprägten, von den Nasenflügeln zu den Mundwinkeln ziehenden Furchen
bei vorragender Kiefergegend und et^vas fleischigen Lippen, welche bei Ber-
bern des Mayreb (Taf. Vn, Fig. 13, Taf. X, Fig. 2, 4, 5, 6, 9, 12, 13, 14),
bei Reiu (Taf. Vm, Fig. 2, 3, 9, 10, 11, 12, Taf. IX, Fig. l), sowie bei
FeUämn (Taf. VH, Fig. 12), 2, 3, 4, Taf. IX, Fig. 2, Taf. X, Fig. 16, 17,
18, 19, 20), sich wiederholen. Vernet's berühmtes Gemälde, die Einnahme
der Smülah [Zemälah S. 101) zeigt uns mehrerei Berberphysiognomien von
frappant ägyptischem Aussehen 3).
Unsere Taf. XV zeigt eine Gruppe in den Hamäm oder Thermen von
Bisqarä badender Weiber. Das Bild ist nach einer grossen, an Ort und
Stelle angefertigten französischen Photographie angefertigt worden, deren
gefällige Mittheilung ich meinem Freunde Dr. Widmann verdanke. Ein
Kenner von Land und von Leuten wollte mir darthun, jene Weiber gehör-
ten zum Nomadenstamme der Uled-NaHl, dessen Töchter sich ohne Scheu
de Geographie, p. 20, Anm. Mage erw&hnt der Toucouleurs als Bewohner von FiUa, ge-
mischt mit FuUän, W^ahf und verschiedenen anderen Rassen, in welchen letzteren die
Suaninkx vorzuherrschen scheinen. Intelligent, einer Civilisation geneigt, dabei unterneh-
mend und fanatische Moalimtn, lieferten sie dem Hagjt-^Chnar viele Krieger. (Voyage
p. 22.)
1) Z. B. Skizze der NUländer, S. 248.
2) Wenn man dieses Portrait (photographische Aufnahme) eines 1862 zu Cairo sta-
tionirt gewesenen ägyptischen Obersten mit dem von mir in der Zeitschrift für Ethnologie
1869, Taf. IX, Fig. 2 abgebildeten eines Juzbäsi oder Hauptmannes der ägyptischen In-
fanterie (nach eigenem Aquarelle) vergleicht, so fällt eine unverkennbare Aehnlichkeit des
Typus in die Augen. Derartige offene Gesichter sind unter den besseren Classen der Neu-
ägypter keineswegs selten.
3) Vergl. u. A. auch den von Duveyrier p. 382 abgebildeten Tarql. (S. S. 251.) Der-
selbe soll übrigens nach Rohlfs ein Meräbed vom Stamme der Ulid SicP-et-ää^g'-el-Fa'
^iA sein. (AMkan. Reisen, S. 136.) Es ist nun hinsichtlich dieser letzteren Angabe zu
bemerken, dass obengenannter Stamm schon seit Jahrhunderten unter den Tüäriq ange-
gesiedelt ist und gewissermassen als ein in die Bnösay aufgegangener betrachtet werden
darf. (Rohlfs das. S. 137). Wie dem aber auch sein möge, Barth sowohl wie Duvey-
rier versicherten mir, jener Abgebildete sei typischer Tarqi. Derselbe hat auch voll-
kommene nationale Aehnlichkeit mit dem von mir gezeichneten Aäggl Büxtd-Abragän-fi-
Tiderä (vergl. S. 165) , welcher zwar, anstatt des landesüblichen Oesichtsschleiers — Tite-
qelmüt — die Kefieh unter der Nase zusammengelegt trug, sie aber ohne Ziererei ausein-
anderschlug, als ich ihn, in der Eigenschaft des Arztes, darum ersuchte.
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Völkerbewegung, Stammes- u. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiem. 257
der zügelloseBten Prostitution ergäben und daher auch dem Photographen
ohne Anstand Modell gesessen haben könnten. Die Uted-Na^l aber gelten
meist als echte »Araber«. Unsere hier ^abgebildeten Frauenzimmer freilich
ähneln mit dem Schnitt ihrer Augen , mit ihren leicht gebogenen, in den
Flügeln etwas breiten Nasen, ihren ziemlich grossen, ziemlich fleischigen
Lippen, vielen Töchtern Mittel- und Oberägyptens vom reinsten Schlage
des Näs-eUFirwin auf ein Haar; ja mit ihren zwar hageren und etwas
stackigen, übrigens aber wie aus Erz oder Stein geformten Gliedern erin-
nern dieselben an gewisse Statuen aus dem Zeitalter der Ramses u. s. w.
Ich wüsste kaum eine genauere Wiederholung des ägyptischen (und berbe-
rischen) "Weibertypus an Haupt und Gliedern zu denken, als ihn unsere
»Baigneuses ä Biscaraa darbieten.
Später wird sich noch herausstellen, dass sich selbst in osteologi-
scher Hinsicht viele nahe Beziehungen zivischen den Berbern des Mayreb
und den Aegyptem vorfinden.
Es sind nun die allgemeinen national-verwandtschaftlichen
Verhältnisse aller Berberstämme unter einander und zu den Aegyptem nicht
allein^ welche unser Interesse erregen und uns zum Weiterforschen auf-
fordern. Vielmehr finden sich auch noch viele Beziehungen zwischen dem
Pharaonen Volke und den Innerafrikanern, die bisher zwar nur frag-
mentarisch, oft selbst nur andeutungsweise, zu unserer Kenntniss gelangt
sind, trotzdem aber bereits einen anregenden und aussichtsreichen Blick in
die Weite gestatten.
Einige Beispiele mögen hier das eben Gesagte noch erläutern. Nach
einer Stelle in Suldün Bello^s Enfüq eUM'mri f% iarix beläd-el-Tekrürl be-
hauptete MoKammed-el-Bagrl y die Bewohner von Gober seien Freigeborene
gewesen, weil sie von den Kopten inAegypten abgestammt wären, die
nach dem Innern von Färb oder den westlichen Ländern ausgewandert seien.
Diese Tradition habe El-Baqrl in den Erzählungen vorgefunden, welche die
Göberäüa besässen*). Es ist nun wohl nicht unmöglich, dass Göber eine
Zeit lang wirklich von Aegyptem besiedelt und dass die Abkömmlinge
dieser Aegypter sogar im Besitze von Ahtr gewesen sein könnten ^j. Barth
glaubt gefunden zu haben, dass die Sonyay in »vielleicht nachweisbarem Zu-
sammenhange« mit den alten Aegyptem gestanden hätten ^] . »Die inselreiche
Flusslandschaft Burrum am mittleren Niger war einst einer der Hauptsitze
der Sonyay. Eine merkwürdige Tradition haftet an dieser Stelle, welche
sagt, dass vor Alters ein Pharao von Aegypten her in diese Landschaft ge-
kommen und von hier wieder zurückgekehrt sei. Diese Geschichte würde,
80 urtheilt Barth, wenn wahr, wenigstens einen frühen Verkehr des Landes
1} Append. zu Denham und Clapperton Travels, übera. von G A. Salame.
2) Barth, Reisen u. s. w. I, 8. 504.
3) A. a. O. S. 504.
Bartnann, Ni^tier. ]7
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258 I- Abschnitt. IX. Kapitel.
mit Aegypten beurkunden und sollte nach seinem Ermessen selbst in ihrer
näheren Beziehung nicht mit Ungläubigkeit betrachtet werden. Denn wenn
diese Ueberlieferung durchaus keine Begründung hätte ^ sondern nur eine
allgemeine Idee ohne reelle Grundlage ausdrückte, so würde sie sich sicher-
lich an die Hauptstadt der Sonyäy -^RÜon knüpfen und nicht an einen
Platz, der keine grosse historische Bedeutung besitzt. Gerade hier nähert
sich der Niger am meisten in der Richtung von O. nach S. Aegypten.
Bewohner der Oase Wyllah waren es, welche, an der grossen Handelsstrasse
von Aegypten nach diesen Gegenden gelegen, diesen westlichen Theil des
Sudan dem Verkehre der Araber eröflFneten. Schon im 1 1. Jahrhundert n. Chr.
finden wir den Islam und die Formen königlicher Herrschaft von dort her
eingeführt. Die ganze Geschichte Sonyäxfs weist nach Aegypten. Man
versteht, wie Herodot beim Empfang der Nachricht, dass ein grosser
Fluss ostwärts ströme in einev so nördlichen Breite, beinahe unter dem
18. Grade, die Ansicht gewinnen konnte, dies möchte der obere Nil sein.
Vom 1 1 . Jahrhundert an sind ägyptische Kaufleute in der Stadt Biru oder
Waläta in Gesellschaft derer von Fadämis und Tafllelt; der Haupthandel
von »Gä-rhöa [Geyo, s. S. 165) war auf Aegypten gerichtet und das grosse
Handelsemporium — Süq — des Berberstammes der Tädtnekkeh auf jenem
grossen Handelswege, etwa 100 Meilen von Burrum gelegen, war augen-
scheinlich zu diesem Zwecke gegründet*).«
Die Denkmäler geben uns nun freilich keine irgend sichere Kunde
von (angeblichen) bis in das Herz Sudans ausgedehnten Pharaonenzügen.
Vielmehr haben wir im IV. Kapitel dieses Abschnittes kennen gelernt, dass
die meisten dieser Züge örtlich ziemlich begrenzte gewesen und dass nur
die häufig höchst dürftigen Triumphe der Sonnensöbne über die südHch
von Aegypten gelegenen Länder im memphitischen und thebaischen Hof-
style auf die schwülstigste Weise aufgeputzt worden seien. Die südlichen
und südwestlichen Gegenden scheinen dem Vordringen der Aegypter beträcht-
liche Schwierigkeiten entgegengesetzt zu haben, welche Schwierigkeiten nicht
jene grossartigen kriegerischen Erfolge gestatteten, wie sie von pharaonischer
Seite über Libyer und Asiaten unzweifelhaft davongetragen worden sind.
Trotzdem ist es aber sehr wohl möglich, dass ägyptischer Kultureinfluss
schon in alten Zeiten von den in Kus und in der libyschen Wüste gewon-
nenen Stationen aus sich bis in das Hei-z Afrika's hinein erstreckt und hier
auf die an sich bald mehr, bald weniger ausgebildeten Kulturverhältnisse
der Eingeborenen in ähnlicher Weise bestimmend und umstimmend gewirkt
habe, wie dies in anderen (selbst nichtafrikanischen) Ländern der alten
Welt stattgefunden hat. Auch waren die alten ägyptischen Institutionen
grossen theils eine Copie, eine Abänderung alter innerafrikanischer,
wie ich dies in einem besonderen Abschnitte genauer begründen werde.
J) Barth a. a. O. V, S. 194.
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Völkerbewegung, Stammes- u. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiern. 259
Man hat mir nun manchmal vorgehalten , dass es in vielen Fällen schwer
zu entscheiden sein möchte, ob die Pharaonen ihre im Nilthale erwor-
benen Kulturerfolge auf Innerafrika, wenn selbst nur auf Mittlers WegeU;
übertragen, oder ob dieselben ursprüngliche, in ihrer afrikanischen Nativi-
tät wurzelnde Kulturbestrebungen erst auf Aegyptens Boden noch weiter
ausgebildet hätten. Mir scheint es aber, als sei Beides der Fall gewesen,
als dürfe auch eine Rückwirkung der allmählich aus roheren Anfängen em-
porgeblüheten ägyptischen Civilisation nach Innerafrika keineswegs zu den
Unmöglichkeiten gerechnet werden. Als später Aegypten ein Haupttum-
melplatz der moslimitischen Bestrebungen^ als Ma^'-el-Qähtreh Sie gelehr-
teste Stadt des hläm geworden, da sind vom Nilthale aus neue Bewegun-
gen nach Innerafrika hineingetragen, religiöse sowohl wie handelspolitische,
und da haben sich denn jene näheren Beziehungen zwischen Nordost- und
Centralafrika ausgebildet, auf welche Barth anspielt und welche selbst viel-
leicht zeitweilige Colonisationsversuche durch Aegypter im Gefolge gehabt
haben mögen.
Auch die senegambischen Mauren sollen in ihrem Aeusseren
manches den Aegyptem Aehnliche darbieten. Barth äusserte sich nach von
ihm eingezogenen Nachrichten lebhaft zu Gunsten dieser Angaben. Er
hatte Senegambier von Berberblut gesehen, welche auch ihn durchaus an die
FeUäfiin Oberägyptens erinnerten. In dem S. 254 citirten Werkchen über
den Senegal finden sich farbige nach an Ort und Stelle aufgenommenen
Skizzen ganz geschickt angefertigte Kupferstiche, welche Senegal - Mauren
vorstellen, und trotz ihrer alman achartigen, vielfach utrirten Ausfuhrung
die Aehnlichkeit in Haltung und Tracht mit Söhnen und Töchtern des Nil-
thales durchaus nicht verkennen lassen^). Sehr charakteristisch erscheinen
mir in dieser Beziehung auch Taf. 12, 14, 15 und 16 des Boilat' sehen
Werkes (S. 254), namentlich Taf. 15 [t^ Mauresse ^ Braknas^ des Originales),
wogegen mich Taf. 11, 13 an gewisse Persönlichkeiten eingeborner Danäqla'^)
erinnern.
Ich will in diesem Abschnitte vorläufig nur in Kürze berühren, dass,
soweit im Mayreb das von Berbern bewohnte Gebiet reicht, eine und die-
selbe Sprache herrscht, welche Sprache freilich unter den einzelnen Völ-
kerschaften und Stämmen beträchtliche dialektische ^Verschiedenheiten aufzu-
weisen hat^). Denn aSV/ä«ä, Fadämsi, Kabyliseh, Säwl, Tamüseq hängen mit
1) Der daselbst abgebildete Gamhhe oder Sex-Meriibed dagegen erinnert rafeh an ge-
wisse nubische und sennärische Fuqahä oder islamitische Geistliche. •
2) Z. B. Taf. 11, »Prince Maure, Trarzas«, an Se/ ATimed - MoJtamjned von Zümuh,
Aufseher des Bir-el-Kufneh an der Darh-el-Bejüdah im April 1860. Beim Mangel an
vielseitigem Vergleichungsmaterial dürfen wir, meiner Ansicht nach, einzelne Winke, wie
die obigen, nicht ausser Acht lassen, zumal wenn dieselben mit noch anderen Befunden
in Einklang gebracht werden können. (S. 255.)
3) Vgl. Graf A. Sierakowski: Das Schaü'i, S. 4. Rohlfs a. o. a. O. S. 62.
17*
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260 I- Abschnitt. IX. Kapitel.
einander so innig zusammen wie die Dialekte einer Hauptsprache.
Das Berberische im weiteren Sinne zeigt aber auch Verwandtschaft mit dem
Idiome der libyschen Oasen, namentlich SlwaKs^)^ mit demjenigen der ca-
narischen Quanches. lieber die Beziehungen der Berbersprache zu den
übrigen afrikanischen Idiomen werde ich mich weiter unten im linguisti-
schen Abschnitte auslassen.
Movers sagt: »Alle Berberstämme reden eine und dieselbe, nur nach
Dialekten verschiedene Sprache, und haben mit ihrer alten Sprache, Tama-
zight genannt, auch die Sitten, die Verfassung, den volksthümlichen Cha-
rakter und ihre Stammessagen, letztere theils in Schriften, theils in münd-
licher Tradition und alten Liedern, noch sehr treu aufbewahrt. Um hier
den Beweis, dass die heutigen Berber die libyschen Nomaden der Vorzeit
waren und die Numiden und Mauren also nicht, wie in älterer und neuerer
Zeit wohl behauptet worden, von den Kanaanitem oder Phöniziern ab-
stammen, nur in einem Hauptmomente anzudeuten, so ist die;^ Berbersprache,
wie wir sie jetzt, freilich genauer erst in einem Dialekte, kennen, dieselbe,
welche die Alten »die libysche nennen. Bei allen Einflüssen, welche die
Sprache der Berber erfahren hat, in alter Zeit von der phönizischen, in jün-
gerer von der arabischen, behauptet sie jedoch ihre Selbstständigkeit sowohl
in den eigenthümlichen Bezeichnungen von Urbegriffen und Kulturgegen-
ständen, als nach ihren grammatischen Bildungen. Wo sie in ihren Urele-
menten verwandte Erscheinungen mit dem Semitischen und Aegyptischen
aufweiset — was namentlich in der Bezeichnung der Pronomina und in dem
Gebrauche der Suffixe der Fall ist — da kann sie auf gleiche Ursprüng-
lichkeit und auf den Rang einer Schwestersprache neben den genannten
Anspruch machen. Dass der Unterschied zwischen dem alten Libyschen
und dem heutigen Berberischen nur geschichtlich ist, beweist zweitens auch
die gleiche Verbreitung bei allen nichtarabischen Stämmen im nördlichen
Afrika. So ausserordentlich verschieden die Sprachen der einzelnen Ber-
berstämme auch erscheinen und wirklich so sehr verschieden sie sind,
dass Berber aus verschiedenem Stamme durch Dolmetscher mit einander
reden, so zeigt sich doch bei näherer Würdigung, dass die Verschiedenheit
nicht bedeutender ist als bei den einzelnen germanischen und slavischen
Dialekten.« (Movers, Phönizier II, 2, S. 364.) M. schrieb Obiges zu
einer Zeit (1850), wo von den Berberdialekten erst verhältnissmässig nur
Weniges bekannt war.
Auch andere bedeutende Sprachforscher, wie ßenan und Hano-
teau, erklären sich energisch gegen die u. A. auch von Benfey behaup-
tete 2) Verwandtschaft des Berberischen mit dem Syroarabischen. ßenau
1) Vergl. Hartmann, Nilländer, S. 248.
2) Ueber das Verhältnis^ der ägyptischen Sprache zum semitischen Sprachstamme.
Leipzig 1844.
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Völkerbewegung, Stammes- u. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiem. 261
bemerkt, dass, wenn auch Berberisch, Koptisch, die nicht semitischen
Sprachen Abyssiniens, der Gälä, Danäqtl, Sdmäli, die Sprache von Hqrar,
grammatikalische Analogien und Affinitäten mit den semitischen Sprachen
in der Conjugation der Verba, in der Theorie der Fürwörter, in den Zahl-
wörtern, ja sogar in der Syntax aufzuweisen hätten, so deuteten doch diese
Punkte zufalliger Berührung viel mehr auf einen analogen Entwickelungs-
gang intellectueller Kultur, als auf ursprüngliche Stammes - Identität hin.
Diese Sprachen liessen sich um so weniger den semitischen beizählen, als
sie in lexikalischer Beziehung von den letzteren vollständig abwichen.
Renan gesellt übrigens das Berberische und fast alle die eingebornen
Sprachen Nordafrikas zu der grossen Familie der ^amitischen Sprachen,
unter denen Koptisch die Hauptsprache sein soll *) . Die berberische Sprache
habe nun, fährt Renan fort, unter den xan^itischen viele semitische Ele-
mente in sich aufgenommen ^ da jene durch häufige Beziehungen der Ber-
bern zu Kathagern und Arabern semitischen Einflüssen am meisten aus-
gesetzt gewesen 2).
Bereits weiter oben haben wir es kennen gelernt, wie die Beziehungen
der phönizisch-carthagischen Ansiedler zu den eingebornen Berbern nicht
allein nur sprachlicher Natur geblieben seien. (S. 248.) Bekanntlich hatten
aber auch griechische Kolonisten in Cyrenaica u. s. w. engere Verbindungen
mit den von ihnen unterjochten Mäziy angeknüpft. Nun finden wir eben-
sowenig irgendwie durchschlagende, irgendwie typisch-dominirende Spuren
jener griechischen Kolonisirung in der heutigen Bevölkerung von Barqah
u. 8. w. wieder, sowenig sich deren aus römischer Zeit nachweisen lassen.
In dieser Hinsicht kann ich Fa id herbe u. A. nur gänzlich zustimmen, mag
von unkritischer Seite noch so viel über die Häufigkeit griechischer, römi-
scher und vandalischer Physiognomien unter den heutigen Berbern des Mayreb
geschwatzt werden. (Vergl. weiter unten S. 262 ff.)
Gewinnen wir nun auch vom physisch-anthropologischen Standpunkte
sowohl, wie selbst von demjenigen der Sprachforschung und Ethnographie
aus die Ueberzeugung , dass die Berber stamme des Mayreb unter sich
innig zusammenhängen, hoffen wir auch später noch strictere Beweise dafür
liefern zu können, dass die mayrebiner Berbern oder Imösay im weiteren
Sinne den Aegyptern und nubischen Beräbra näher stehen, als irgend einer
anderen Nationalität des Erdballs — so erkennen wir dennoch im Mayreb
schon seit Alters her Bevölkerungselemente, welche wir nicht so ohne
Weiteres den Imösay anzureihen wagen. Es sind dies jene in diesem
Werke schon so vielfach (S. 53) erwähnten blonden TqmKu der altägyp-
schen Dokumente, auch jene blonden noch heut im Rif, im Gergerah- und
J) Hist. des langues S^mitiques, III. Wit., pp. 80, 83, 201, 339.
2) L. c. p. 81.
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262 ^- Abschnitt. IX. Kapitel.
Aür eS'Gehirge^) und in Marocco (S. 239) zerstreut vorkommenden Menschen.
Wir haben bereits gesehen, dass nicht wenige Forscher die Existenz solcher
hellhaarigen Leute im Mayreb ohne Wahl einer vermeintlichen Nachkommen-
schaft derselben von Vandalen oder von gallischen Legionären der
Römer zuschreiben wollen. (S. 239.) Es liesse sich ja wohl nicht in Abrede
stellen, dass eine Vererbung der Blondhaarigkeit von germanischen und kel-
tischen Einwanderern, von Kolonisten und Soldaten, auf ihre Nachkommen
stattgehabt haben könnte. Es mag ja auch unter den heutigen Bewoh-
nern des Mayreb wirklich* einzelne directe Nachkommen jener nordischen
Fremdlinge geben, welche die blonde Haarfarbe ihrer Vorfahren einmid er-
erbt haben 2) . Aber ich glaube auch wieder durchaus nicht, dass eine solche
Vererbung der physischen Eigenthümlichkeit wie die hier erwähnte eine
grössere Ausdehnung gehabt, einen ganzen Bevölkerungstypus umgestimmt,
für den Bereich eines solchen modelnd gewirkt habe. (S. 239.) Denn dazu
ist der Aufenthalt jener Fremden ein zu zeitlich begrenzter, ihre Abge-
schlossenheit ist eine zu grosse gewesen. Sie haben ja doch auch sonst
keine irgend wie erheblichen Spuren ihrer ehemaligen Existenz in Sprache,
in Sitten und Gebräuchen, in Tracht, Industrien u. dgl. hinterlassen.
Wo aber bleiben nun vor Allem unsere den Vandalen und Galliern
weit voraufgegangenen blonden TqmHu der alten Documente? Würde es nicht
richtiger verfahren heissen, die erwähnte Blondhaarigkeit heutiger Mayrehm
auf eine Ererbung von diesen TamKu zu beziehen, welche durch lange
Zeitläufte in Nordwestafrika eine so hervorragende Stellung eingenommen,
1) Vergl. A. Sierakowski a. o. a. O. S. 12.
2) Vergl. E. A. Bory de St. Vincent im Magasin de Zoologie etc., IS. Annee,
p. 15. Despine bemerkt, dass die Einwanderung der Vandalen »a laisse des traces peu
importantes en Algerie, traces qu'on rencontre seulement chez quelques individus isol^s,
et qui s'effacent de plus en plus par la pr^dominence des 61§ment8 africain etarabe; mais
eil es sont plus importantes dans leMaroc. Denosjours onvoit,kFez prin-
cipalement, des familles enti^res a la barbe blonde, ä la peau blanche,
aux yeux bleus, aux traits germaniques, ä c6t6 d*une population plus ou
moins fonc6e en couleur« etc. (Psychologie naturelle, I, p. 103.) Kohlfs verweist
ebenfalls auf das Vorkommen Blonder in Marokko als Folge der Vererbung durch Ein-
wanderer. Bei dieser Gelegenheit möchte ich nun doch bemerken, dass mit angeblicher
Vererbung von blonden Haaren u. s. w. in Afrika von kritiklosen Reisenden manchmal
schwerer Unfug getrieben worden ist. So wollte man z. B. unter den Bewohnern von Ikrri
und von der Umgegend der Qalaiät-lbrim in Nubien Gesichtszüge und Haarbeschaffen-
heit jener bosniakischen Yäsäqt, Janitscharen , beobachtet haben, welche Selim I. in jene
Plätze gelegt hatte. Ich aber erinnere mich in Dcrri und um Ibnm herum die reinsten
^eröÄra-Gesichter, die echtesten ^rrö^ö-Haare gesehen zu haben, welche es geben könnt«.
Alle meinerseits angestellten emsigen Nachforschungen über eine etwa stattgehabte Ver-
erbung des bosniakischen Typus unter den Berabra der erwähnten Districte hatten durch-
aus negativen Erfolg. Das nubische Bevölkerungselement wird hier ja auch die weni-
gen beigemischten Tropfen Blutes von Männern des Vrhas und der Drina frühzeitig genug
absorbirt haben.
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Völkerbewegung, Stammes- u. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiem. 263
welche selbst in sprachlicher Hinsicht so mannigfaltige Spuren ihres einst-
maligen Vorkommens hinterlassen haben?
Aber wer waren, woher kamen denn unsere Tqm^u^. Stellen sie
sich doch, wie die heutigen blonden Mayrebin, den sonst durchschnitt-
lich schwarzhaarigen Afrikanern so fremd gegenüber! Sollen wir ihre
Herkunft nicht etwa ausserhalb Afrikas, vielleicht in der ebenfalls schon
viel erwähnten arischen Kulturwiege der Menschheit, suchen?
Ehe wir nun aber derartige hippogryphe Flüge gen Eden unterneh-
men, wollen wir uns lieber erst noch ein wenig mit jenen Blonden unter
den Mayrebtn der Jetztzeit beschäftigen. Schon Dr. Guyon, welcher den
Mar^chal de Camp de Bedeau auf seinem Zuge nach dem Aüres-Ge-
birge begleitete, bemerkt, dass die meisten Bewohner mit blauen Augen und
blondem oder rothem Haare im Aüres keine Stämme für sich bildeten, son-
dern sich unter gewissen Stämmen sehr häufig fänden, während sie unter
anderen sehr selten seien. Im kleinen Thal Mennah südlich vom Wed-
Stdi-Negiy besonders aber unter dem Stamme M^Säüjah {Mouchayas des
Originals}, in dessen Sprache angeblich deutsche Wörter vorkämen, zeig-
ten sie sich ungemein häufig. Diese Weissen seien von mittlerer Statur und
gingen zuweilen, jedoch nur ausnahmsweise, Ehen mit Kabylen und Ara-
bern ein. Sie gälten für sehr laue Anhänger des Qur^än und würden in
dieser Beziehung von den Arabern noch weniger geschätzt als die Kabylen.
Sie behaupteten, seit alter Zeit im Lande ansässig zu sein und sich zu
einer Zeit, wo andere ihrer Landsleute aus den benachbarten Provinzen
vertrieben worden seien, darin behauptet zu haben. Die Weissen des Aüres-
Gebirges seien zu Constantine sehr häufig und betrieben daselbst, gleich den
Mozabiten zu Algier, die übrigens im südlichen Theile der gleichnamigen
Provinz zu Hause seien, die Gewerbe der Bäcker, Schlächter und Bader.
Bory de St. Vincent, welcher diese Mittheilung Guyon 's in der Aka-
demie der Wissenschaften vortrug, legte Zeichnungen von solchen Weissen
vor, darunter diejenige eines jungen iSex von reiner Abstammung, welchen
man für einen Schweden hätte halten können ^) .
Faidherbe hält bezüglich der Blonden vor Allem eine nähere Sta-
tistik derselben für ein unabweisliches Bedürfniss. In wie grosser Anzahl
finden sich ihrer und an welchen Orten? Wie zeigen sie sich über die
Stämme vertheilt und in welcher Anzahl findet man sie? In den fünfzehn
Qahäil der Säüjah beobachtete unser Gewährsmann nur einen Kastanien-
braunen. Unter 400 eingeborenen Schützen oder Turcos der Garnison in
Böhäy fast sämmtlich Berbern, waren nur fünf Blonde und zwanzig Kasta-
nienbraune, es kam also ein Blonder auf Achtzig, ein Brauner auf Zwan-
zig. Aehnliche Resultate erlangte Oberstlieutenant Flogny^).
1) Comptes rendus 29. Dec. 1844.
2) Bullet. 1. c. p. 69.
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264 I. Abschnitt. IX. Kapitel.
Pruner giebt nun an, dass die von ihm untersuchten Kabylenhaare
zwar von einem ins Röthliche ziehenden Braun gewesen, dass einige Indi-
viduen deren von cendrirtem Tone gehabt, dass jedoch diese Haare nie-
mals jenes charakteristische Blond dargeboten, wie dasselbe unter alten Gal-
liern vorgekommen, unter Germanen aber noch jetzt gewöhnlich sei. Ich
selbst habe unter den 1867 zu Paris stationirten Garde-Turcos *) und unter
den 1870/71 in Deutschland kriegsgefangenen sowohl Garde- wie auch Li-
nien-Turcos einige Leute mit hellem bräunlich-gelben oder röthlich-braunem
Ilaare gesehen, dessen Farbe allerdings mit dem sogenannten Goldblond,
Flachsblond oder Fahlblond unserer Landsleute und anderer den Germanen
verwandter Stämme nichts gemein hatte 2).
Pruner bemerkt weiter: »Suppose meme qu'il existe en Kabylie ou
ailleurs des individus ou de petits groupes xanthoides, est-on autorise ä
batir tout un Systeme d'ethnogenese sur ce caractere unique (et personne
n'en a cite d'autres) ? Est-il enfin permis de laisser s*absorber toute la
grande masse melanotique, avec son cräne et son type physique bien accu-
ses, par une fraction minime qui n'en difiere que par la couleur des che-
veux ? En somme, le Berber est en Afrique comparativement au Negre et au
Hottentot, ce qu*est au nord le Finnois par rapport au tribus circumpolaires ;
il est le plus proche parent de PEgyptien ä tous egards, et il constitue enfin
une forme intermediaire entre le Semitf et l'Africain du Midi^).«
Jedenfalls lässt es sich an der Hand einer vorurtheilsfreien Forschung
darthun, dass die Blondhaarigkeit, wie sie bei den TqmRu der Alten be-
schrieben wurde und vdQ sie sich noch jetzt unter den Mayrehln sporadisch
zeigt , eine jener ganz gewöhnlichen Abweichungen sei , welche unter allen
sonst dunkelhaarigen Völkern der Erde auftreten, und dies zwar theils In-
dividuen-, theils gruppen-, familienweise, ohne dass hier etwa an einen
Rückschlag in helle Vorfahren mit Sicherheit gedacht werden könnte.
Ich werde auf diesen Punkt im nächsten Abschnitte ausfuhrlicher
zurückkommen. Die angeblich blonde Haarfärbung der alten Tamhuy cGe
wirklich röthlichfahle heutiger Mayrebin darf uns noch keineswegs dazu ver-
leiten, diese Leute ausserhalb Afrikas zu suchen.
Wie ist es denn aber mit unseren oben besprochenen megalithi-
schen Denkmälern? Wie dürfen wir uns das gleichmässige Vor-
kommen derselben in Afrika, Europa und selbst Asien erklären?
1) Vergl. Zeitschr. für Ethnologie 1870, S. 50 ff.
2) Herr Stadtrichter Lehfeldt hierselbst versicherte mir neuerlich, unter den Tur-
cos der Metzer Garnison beim Falle der Veste eine gute Zahl braunrothhaariger Turco«
beobachtet zu haben. Ganz übereinstimmende Nachrichten erhielt ich von befreundeten
Offizieren und Aerzten des deutschen Heeres. Blonde giebt es nach Lagneau auch hier
und da bei den Tüäriq (Mat^riaux pour l'histoire primitive et naturelle de l'homme.
V. Ann6e, p. 243).
3) Les Carthaginois en France, p. 51 Anm.
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Völkerbewegung, Stammes- u. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiem. 265
Sind wir denn etwa dazu berechtigt^ diese als eine speeifisch berberische,
afrikanische Erfindung zu betrachten oder werden wir nicht wohl durch
gewisse Vorkommnisse darauf hingeführt, die Dolmen^ Menhir u. s. w. Nord-
afrikas als Erzeugnisse fremder, europäischer Einwanderer anzusehen?
Jlan hat u. A. bemerkt, dass das Auftreten der megalithischen Monu-
mente von West-, ja von Innerasien her durch Europa bis nach Tunis,
Algerien und Marocco *) auf einen regelmässigen, räumlich nicht unterbroche-
nen Völkermarsch der Z>o/mew- Erbauer hinweise. Bei der überall herr-
schenden Vorliebe für asiatische Menschheits- und Kulturwiegen ist man
gleich darauf verfallen, den Ausgangspunkt aller Wanderungen eines ver-
meintlichen Dolmen^ und -SfwAtr- Volkes in Hindtcslän, Westasien, in Per-
sien oder dort sonstwo zu suchen , und glaubt man, den Endpunkt jener
Bewegung zu Rokmah u. s. w. gefunden zu haben. Freilich scheinen uns
derartige Speculationen nur auf hypothetischen Voraussetzungen zu beruhen.
Nur Wenige bedenken, dass die dolmen- und menhirartige Aufrichtung von
Steinen als Grabmal, zur Verherrlichung einer Kriegsthat, zur Erinnerung
an iigend ein sonstiges geschichtliches Ereigniss, zu religiösem Zweck u. s. w.
unter gänzlich unzusammenhängenden Nationalitäten vorkommen könne,
dass wir ähnliche rohe Wahrzeichen selbst in den einsamen Prairie-Grä-
bem der Sioux- und Pänt- Indianer, gar an /iJr^p-Grabsteinen vorfinden,
dass wir ihrer an den Resten der /«ca-Zeit, z. B. am Ollantay-Tambo , an
den M^alithen der Timan-Iusel^) wiedererkennen. Natürlicherweise zeigen
sich an den nicht afrikanischen, nicht europäischen Hauten der erwähnten
Kategorien mancherlei Abweichungen, es ist keineswegs immer jener reine
Grundplan unserer Hühnengräber, unserer Dolmen , Menhir, welchen wir
in den mit Menschen- und Bison-SchMeln verzierten Grabmälern der Prai-
rie-Indianer, in jenen Steintafeln der innerasiatischen Nomaden, in jenen
isohrten Steinanhäufungen der alten Unterthanen eines Lloqque-Yupanqut,
Yahtiar-Huaccac und Viracocha beobachten. Aber trotzdem offenbart sich
doch in allen solchen Aufrichtungen die sehr natürliche Bestrebung der den
verschiedensten Nationalitäten und verschiedensten Zeiten angehörenden
Menschen, gerade ein schwervergängliches Material, d. s. eben Steine, zur
Aufrichtung der Denkmäler zu verwenden.
Es ist mir stets leitender Grundsatz für meine Forschungen auf dem
Gebiete der vergleichenden Ethnologie gewesen, bei analogen Erscheinun-
gen unter räumlich gar nicht oder nicht beträchtlich von einander getrenn-
ten Völkern nach deren etwaigen vei*wandtschaftlichen Beziehungen zu
1} Nach Stirling finden sich deren bei Tanger (Anthrop. Rev. 1S70, clxx) , nach
Rohlfs ö. von WaJän (Marocco S. 54).
2) Frey ein et: Voyage etc. Atlas histor. T. 75. Dagegen sind die von demselben
Weltumsegler abgebildeten (Ttama-saya der Marianen nichts als massive dachtragende
Pfeiler; dieselben gehören also nicht hierher. (L. c. T. 81, Fig. a, b, c.J
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266 I- Abschnitt. IX. Kapitel.
suchen. Fanden sich dagegen analoge Erscheinungen bei räumlich weit
von einander getrennten Völkern, so gebot sich mir in jener Beziehung von
selbst die grosseste Vorsicht, besonders natürlich dann, wenn es an verbin-
denden Zwischengliedern fehlte. Es ist nun das Vorkommen der Mega-
lithen von ähnlicher Form in einer Reihe von Oertlichkeiten, welche sich
fast ohne Unterbrechung von Skandinavien und Deutschland durch Frank-
reich, Britannien und die pyrenäische Halbinsel nach Afrika hinein er-
strecken, jedenfalls ein sehr merkwürdiges. Deutet dies nicht auf wirklich
verwandtschaftliche Verhältnisse eines Volkes von X>o/i»ö»-Erbauem , eines
»Peuple ä Dolmens a, für die gedachten Gegenden? Wird man nicht ver-
sucht, mit Desor, Vogt und Anderen auf möglicherweise stattgehabte
Völkerzüge afrikanischer Z^o/m^n-Erbauer nach jenen europäischen Gegen-
den und vielleicht sogar ostwärts bis nach Asien hinein zu rathen ? Könn-
ten nicht zu einer Zeit, in welcher Europa noch mit Nordafrika Zusammen-
hang gehabt, Berbern vom Norden ihres heutigen Kontinentes aus nach
Europa hinübergewandert sein und hier eine zeitweilige Herrschaft, eine
Herrschaft von vielleicht selbst beträchtlicher Dauer ausgeübt haben?
Für jene Beziehungen, wie sie bereits zu sehr friihen Zeiten
zwischen Europäern und Nordafrikanem stattgehabt haben müssen, spricht,
wie auch schon weiter oben (S. 155) flüchtig erwähnt worden. Mancherlei.
Dafür spricht z. B. die Verpflanzung einiger Kulturgewächse, des Flach-
ses*), der ägyptischen sechszeiligen Gerste [Hordeum kexastichon)^ des
ägyptischen oder Mumienweizens [Triticum turgidum var,]^ des Weizens
der Alten [Tr. vulgare antiquorum) von Nordafrika nach Europa 2). Es
sprechen dafür die Zähmung des dem /S^wwär-Schweine [Sus sennariensis)
verwandten, kleinen Schweines durch die Pfahlbauer (sogen. Torfschwein
S, palustris) (S. 137), die Benutzung eines feinwolligen, höchst wahrschein-
lich dem afrikanischen Norden entstammten Schafes in Spanien und in an-
deren Ländern Südeuropas (S. 134), einer Schakalvarietät (Canis Sacalius]
in der Stein-, eines kleinen Wolfes [C, lupaster] in der Bronzezeit unse-
res Festlandes 3). (S. 155.)
In gewissen, zum Bronze- und Eisenalter gehörenden Pfahlbauten
wurde häufig ein halbmondförmiges aus Stein oder aus grobem Urnenthon
verfertigtes Gebilde aufgefunden, welches in Mitte seiner Convexität mit
1) Vergl. O. Heer: Ueber den Flachs und die Flachskultur im Alterthum. Eine
kulturhistorische Skizze. Zürich 1872, S. 26.
2) Vergl. O. Heer: Die Pflanzen der Pfahlbauten. Separatabdruck aus dem Neujahrs-
heft der naturforschenden Gesellschaft auf das Jahr 1866. Zürich 1866. Hart mann in
Zeitschr. f. Ethnologie 1871, S. 93 ff.
3) Vergl. S. 138 und L. H. Jeitteles: Die vorgeschichtlichen Alterthüraer der Stadt
Olmütz und ihrer Umgebung. Mittheilungen der anthropol. Gesellsch. zu Wien, U. Theil,
1872.
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Völkerbewegung, Stammes- u. Kastenbildimg unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiem. 267
einem Stiele versehen und mit rohen Zeichnungen verziert ist*). Dies Ge-
mth ejfuhr die sonderbarsten Deutungen. Einige erklärten dasselbe für ein
unverkennbares Symbol des Monddienstes der Alten, Andere hielten es für die
Thürsimsverzierung der Pfahlbauhäuser. K. Vogt, unabhängig von Die-
sem auch Schwein furth und ich, suchten dasselbe mit dem Uoh der alten
' o
Aegjrpter, dem zur Schonung der Haarfrisur erfundenen, aus Msumor oder
aus anderen Gesteinen u,nd aus H0I9 verfertigten ä^opfiintersatze für die
Nachtzeit zu identificiren, mit jenem Geräthe, welches noch heut in keiner
Hütte .des Beled-eUBerahra fehlt. (S.. 154.) Ich denke, letztere Deutungsweise
dürfte die entsprechendste sein. (Vergl. Geräthedarstellung.)
Aber auch noch manche andere Uebereinstimmung in Form und
Benutzung ähnlicher oder identischer Geräthe, z. B. der primitiven Vorrich-
tung zum Komquetschen*), gewisser Topfformen, Beüe, Messer, Schwerter,
Schmucksachen aus Metall u. s. w. sehen wir stattfinden.
Eine eigenthümliche Erscheinung unter den Imösay bildet das Alpha-
bet derselben, das Teftnay, eine schon sehr alte Erfindung. Steininschrif-
ten, welche zum Th. in das graue Alterthum hineinzureichen scheinen,
zum Th. zur Zeit der Karthager und später angefertigt wiirden, zeigen uns
die bald einfachst linearen, bald gekreuzten, kreisförmigen, verschiedenen
Drei- und Vierecks-, selbst complicirtere Schnörkelfiguren darstellenden
Buchstaben, die sich mit geringen Aenderungen noch heut erhalten haben
und deren eifrigste Auslegerinnen zur Zeit nach Duveyrier die Tüäriq-
Frauen sind').
Nun finden sich ältere Inschriften, deren Charactere manches Aehn-
liche darbieten, wie diejenigen im Teflnayy in gewissen Grotten Südspa-
niens, z. B. im Monte Horqueray bei FuencaUmle, Sierra de Quintana etc.^).
Endlich gleichen nicht wenige dieser eckigen, hakigen Buchstaben den nor-
dischen ßunen, auch jenen rohen Zeichen, wie sie sich auf Urnen, Ge-
sichtsrunen u. 8. w. unserer alten Grabfelder, Burgwälle u. s. w. eingekritzelt
finden 5). Ich lasse hier eine kurze Zusammenstellung solcher identischer
oder ähnlicher Schriftzeichen folgen:
1) Vergl. u. A. Desor: Les Faiafittes ou constructions lacustres du lac de Neuch4tel.
Paris 1865, p. 65, 66, Fig. 67.
2) Vergl. Hartmann: Zeitschr. f. Ethnol. 1871, S. 96. (Geräthedarstellung.)
3) A. o. a. O., p. 388 ff., pl. XXI, XXII, Alphabet Tefinagh, Inscriptions Teflmgh,
4) Gongord: Antiguedades prehistoricas de Andalucfa. fig. 70 — 76, 150—175.
5) Vergl. Hartmann in Zeitschr. f. Ethnologie 1870, S, 257.
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268
I.
Abschnitt. IX. Kapitel.
Runen.
Urnenzeichen.
Alt-ZV/inay.
Neu-
Tef.
Spa
n. Inschrift.
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A
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f
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S
s
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i (isolirt und
4
r
in Combinationen) r*
(in Combinationen;
X
X
X
O
O
A
A
A
Man würde die Zahl solcher Beispiele noch mit Leichtigkeit vermeh-
ren, auch aus den verschiedenen Combinationen der Zeichen noch genug
identische oder ähnliche Theile herausfinden können.
Ich bin überzeugt, dass man an den Urnenzeichen, den berberischen
und spanischen Inschriften es nicht, wenigstens nicht durchgängig,
nur mit gedankenlosen Kritzeleien müssiger Hirtenbuben u. n. A. zu thun
habe, ungefähr ähnlich den Sudeleien jenes deutschen Ansiedlerknaben im
berüchtigten »Li vre des Sau vages« des Abbe Domenech. Es liegt doch
zu viel System in der häufigen Anwendung der besprochenen Zeichen*), und
wissen wir ja auch mit völliger Evidenz, dass die Runen und das ifeu-Tefi-
nay eine wirkliche Buchstabenschrift darstellen. Selbst in einer
althimy arischen Inschrift zw Nakab-el-Hagar , einer chaldäischen zu El-Har
und in einer indischen am Läf des Flroz-Säh zu Delhi treflFen wir gewisse
einzelne an die obigen erinnernde Zeichen 2],
1) Dieselben konnten unmöglich nur Ornamentfiguren darstellen, denn letztere «eigen
bei allen Völkern mehr jene überall bemerkbare, in concentrischen und parallelen Linien
sich bewegende Anordnung.
2) Dagegen vermisse ich durchaus die Aehnlichkeit zwischen erwähnten Zeichen und
der Bilderschrift gewisser skandinavischer Hällristningar oder skulpirter Felsen, welche
letzteren wieder mehr derjenigen der nordamerikanischen Indianer entsprechen. In Süd-
amerika finden sich Felsenskuplturen durch einen Raum von acht Längengraden vom Bu^-
nuri, Esscquiho und Gebirge Pacaraima bis an die Ufer des Orenoco und. die des y't^a
vertheilt. Man erkennt an ihnen Thiere , Himmelskörper , Werkzeuge zur Bereitung des
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Völkerbewegung, Stammes- u. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiem. 269
Die 2^ichen T und TT TT, welche an ßunen, an Skulpturzeichen des
Cerro del Sud (a. o. a. O.) und an Teflnay erinnern möchten, finden sich
unter ganz leidlichen Darstellungen von Kängurus, Hunden, Delphinen,
Eniu^Sf Enten, Schildkröten, Fischen, Krabben u. s. w. nach Capt. Wick-
ham an Steinen auf i>«pttcÄ-In8el^ an der N.-W. -Küste von Neu-HoUand *) .
Es mögen aber auch an noch anderen selbst von einander weit entfernten
[^lnkten der Erde ganz ähnliche Inschriften existiren. In Bezug auf diese
an räumlich weit aus einander liegenden, unvermittelten Punkten vorkom-
menden Zeichen unserer Kategorie mache ich nun den folgenden Aus-
spruch A. V. Humboldt*s gerne zu dem meinigen: »dass Völker sehr ver-
schiedenartiger Abstammung in gleicher Roheit, in gleichem Hange zum
Vereinfachen und Verallgemeinem der Umrisse, zur rhythmischen Wieder-
holung und Reihung der Bilder durch innere geistige Anlagen getrieben,
ähnliche Zeichen und Symbole hervorbringen können 2).«
In den vorhergehenden Seiten ist mehrfach eines wahrscheinlichen,
ursprünglichen, nationalen Zusammenhanges der West- und Südeuropäer
mit den Berbern gedacht worden. Unter welchen natürlichen Verhältnissen
hätte aber wohl ein solches Verhältniss sich entwickeln können? Europa
und Afrika haben früher jedenfalls im Zusammenhange gestanden und hat
die grosse Wassei^enze sich erst »nach Ausprägung der jetzigen
Naturwelt zwischen Europa und Afrika gelegt oder es ist dieselbe
wenigstens nicht in der jetzigen Weise aufgetreten ^j.« »Auch das Mittel-
meer hat erst zur diluvialen Zeit seine jetzige Gestalt erhalten.« (Ders.)
»Im Osten reichte Griechenland zur miocenen Zeit nach Kleinasien hinüber,
dann aber fand da eine grossartige Senkung statt, die Verbindung zwischen
Asien und Europa brach dort ein und die zahlreichen giiechischen Inseln
sind die Bruchstücke dieses einstigen Festlandes, ein Phänomen, das wahr-
scheinlich in die menschliche Zeit hineinreicht und die Fluth-
^gen der alten, jene Gegenden bewohnenden Völker veranlasste*),«
Jfo/if/toea-Mehles u. s. w. , aber »keine symmetrische Ordnung oder regelmäs-
sige räumlich abgeschlossene Charaktere.« (Humboldt, Ansichten der Natur,
III. Aufl. Bd. I, S. 241 ff.) Wenige an Runen und Teflnay erinnernde Zeichen beobach-
tete jedoch Appun (Unt. d. Tropen, I. p. 82, lITaf.).
1) Journal Roy. Geogr. Soc. of London, 12. Bd., p. 79 ff., Taf.
2) Ansicht, d. Nat. I, S. 239.
3) O. Heer: Urwrelt der Schweia. S. 359.
4) Ebendas. Diese Betrachtungen ,führen uns zu den alten Sagen tibör Samothrace
und Lyctonien hin. Die Insel Samothrace , Aethiopea , Dardania , Leucania oder Leucosia
wurde von dem Reste eines Urvolks bewohnt, aus dessen eigenthümlicher Sprache sich
später noch Worte bei den Opferceremonien erhalten haben sollen (Diodor). Die Insel
lag dem thracischen Hehnia und den Dardanellen nahe, und ist hiemach erklärlich, wie
sich gerade hier die Ueberlieferung von einem grossen Meerdurchbruche erhalten konnte.
Man verrichtete an bestimmten Orenzaltären der angeblich stattgehabten Fluth heilige Oe-
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270 I- Abschnitt. IX. Kapitel.
Die Flora der Berberei und diejenige Süd-, selbst Mitteleuropas bieten
sehr vieles Uebereinstimmende dar. Ich erinnere nur an einige charakte-
ristische Typen, wie Zwergpalme [Chamaerops humilis) , spanisch Rohr
[Arundo donax), Seeföhre (Pinus maritima), Zergelfohre (P. cembi^a),
Aleppoföhre (P. halepensts), Korkeiche, Rotheiche (Quercus Mirbeckif,,
Esche, Ulme, Stecheiche, Weisspappel, Lorbeer, essbare Kastanie, Feige,
Oelbaum, Mehlbeerbaum [Viburnum Opulus) u. s.w. Ich könnte ferner
noch eine grosse Menge von Stauden, Kräutern, selbst von kryptogamischen
Gewächsen nennen. »Die Flora der Küstenregion Algeriens ist nur eine
Verlängerung derjenigen des südlichen Frankreichs, und jede Provinz nimmt
Theil an der Vegetation des nächsten europaischen Gestades. Die Flora der
Provinz Oran erinnert an diejenige Spaniens, die Vegetation der Provim
Algier ist diejenige, welche die meiste Aehnlichkeit mit der Vegetation der
Provence und des Languedoc darbietet, und die Nähe Siciliens macht sich
in der Constantine*s bemerkbar*).«
Aber auch die Thierwelt vieler nordafrikanischer und europäischer
Formen zeigt eine auffallende Uebereinstimmung. Der Magotafie (Pithe^
cus inuus), der Schakal (Canis aureus), der Fuchs (O. vulpes)'^) , die
Wildkatze (Felis caius), die Genettkatze (Viverra Oenetta), der Fisch-
otter [Lutra vulgaris) , das Wildschwein [Sus scrofa ferus), der
Damhirsch [Cervus dama) und wahrscheinlich auch der Edelhirsch [C.
elaphus)^)y verschiedene Fledermäuse [Vespertilio murinus , noetula,
pipistrellus, aurituSy ferrum equinum etc.), Spitzmäuse [Sorex
araneuSf fodiens)y Nager, und zwar, abgesehen von den bekannten
kosmopolitischen Arten der Mäuse und Ratten, eine Art [Mus sylvaticus),
das Stachelschwein [Hystrix cristata), das Kaninchen (Lepus cuni-
brauche und verknüpfte den Glauben an den periodischen Untergang des Menschenge-
schlechtes mit geschichtlichen Erinnerungen an einzelne Fluthen. Nach des Lampsacer's
Strato Angaben soll der Pontus Euxmus vormals bei Byzanz keine Mündungen gehabt,
sondern dieselben erst in Folge von Schwellung durch (Jm Wasser der einströmenden
Flüsse erhalten haben. Das schwarze Meer soll dann in die Propontis und den Hellespont
entströmt sein. Auch das Mittelmeer, durch Abflüsse sumpfiger Uferstrecken geschwellt,
soll das Land an den Säulen des Hercules durchbrochen haben. A. v. Humboldt, wel-
chem wir eine ebenso eingehende, wie lichtvolle Untersuchung über unseren degenstand
verdanken, hielt die Mythe von der zertrümmerten Atlantis für einen wahrschein-
lichen fernen und westlichen Reflex der Mythe vom Untergange Lyctoniens. (Kritische
Untersuchungen über die historische Entwicklung der geographischen Kenntnisse von der
neuen Welt. Deutsch von J. L. Ideler. Berlin 1835, I, S. 158.) Vergl. Moreau de Jon-
nes L*0c6an des Anciens etc. Ich glaube aber doch, dass man Ursache hat, die Sa^n-
kreise hinsichtlich Lyctoniens und der Atlantis von einander zu trennen, und dass beiden
verschiedene Naturereignisse zu Grunde gelegen haben. (S. später.)
1) Von Spitzbergen zur Sahara, II, S. 25G.
2) Var. aÜantica für Nordafrika.
3) Var. barbara desgl.
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Völketbewegung, Stammes- u. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzügL d. Nigritiem. 271
culus) sind z. B. beiden Kontinenten^ wenngleich mit gewissen klima-
tischen Abweichungen^ eigenthümlich. Der Höhlenlöwe der europäischen
Diluyialcavemen war höchst wahrscheinlich mit der afrikanischen Felis
leo identisch und ist aus unseren Landen allmählich verdrängt worden, wie
ja auch dies Thier noch gegenwärtig in Afrika und Asien aus der einen
und anderen Localität verdrängt wird. Dasselbe war der Fall mit der dilu-
vialen Höhlenhyäne (Hyaena spelaea), welche, wie kaum noch zu be-
zweifeln, der gefleckten Hyäne (H. crocuta) Inner- und Südafrikas, mit
der H. prisca, welche der gestreiften H. {H. striata) Westasiens und
Nordafiikas, endlich mit der H. intermedia, welche letztere der H.
fusca Inner- und Südafrikas synonym ist^).
Zur diluvialen Zeit kämpfte in Europa der Mensch auch mit solchen
Thieren, jedoch unter viel ungünstigeren Bedingungen, als der heutige Afri-
kaner seinen Löwen und Hyänen begegnet. Denn Ersterer führte nur elende
Steinwaffen, Letzterer geht den Beraubem seiner Heerden dagegen mit eiser-
nen Handwaffen, mit Feuerröhren und vergifteten Pfeilen auf den Leib.
Es würde mich nun zu weit führen, wollte ich hier auch diejenigen
Staudvögel, Reptilien, Gliederthiere, Weichthiere und anderen
Wirbellosen (selbst nur nach deren Haupttypen) aufzählen, welche
beide Festländer mit einander gemein haben. Es kann hier von einer ein-
fachen Importirung von dem einen Kontinent in den anderen keine Bede
sein, und dürfen wir mit Heer u. s. w. wenigstens so viel annehmen,
dass einst oben erwähnte Länder durch mehrere Brücken mit ein-
ander verbunden gewesen sein müssen 2).
Da nun erwiesenermassen der alteuropäische Mensch mit gewissen
diluvialen Thieren, nämlich mit Höhlenhyänen, Höhlenlöwen, Riesen-
hirschen , Nashörnern (mit knöcherner Nasenscheidewand) , nut Mammon-
ten u. s. w. zusammengelebt hat, da ferner gewisse Beziehungen einer ur-
europäischen und urafrikanischen Kultur zu einander unbestreitbar erscheinen
(S. 266 ff.), so wäre eine stattgehabte Besiedlung wenigstens Süd- und Mit-
teleuropas durch Berbern, oder umgekehrt der Berberei durch Mittel-, Süd-
europäer, oder die gemeinsame Bewohnerschaft Südeuropas und Nordafrikas
durch eine den heutigen Berbern stammverwandte, mit ihnen vielleicht
identische Nation nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen. In der
That lässt sich eine physische Uebereinstimmung zwischen den romanischen
Völkern Südeuropas und den Berbern selbst im weitesten Sinne nicht in
Abrede stellen. Gewisse schon zu einiger Berühmtheit gelangte , alteuropäi-
sche Schädel, z. B. von Cro-Magnon, Engisheim, Furfooz , Bruniquef^),
1) Vergl. Hartman n in Zeitscbr. d. Gesellsch. f. Erdk. Bd. XU. S. 59 ff.
2) Heer a. o. a. O. S. 279.
3) Vergl. Hamy: Precis de pal^ontologie humaine. Quatrefages &Hainy:
Crania ethnica, Cr&nes des races humaines Livr. I. Lyell: Alter des MenschengeBchlechtcs.
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272 I- Abschnitt. IX. Kapitel.
MarzaboUo^), aus der Schweiz 2), aus Würtemberg ^) , Baden ^), Rheinhessen^],
Grossbritannien ö) , Skandinavien 7) , Guipuzcoa^), Andalusien^) u. s. w. äh-
neln beim oberflächlichen Anblick Schädeln älterer und neuerer
Mayreb-Beibem^^) , wie auch alter und neuer Aegypter*^), und zwar sowohl
in der Höhe des gewölbten Himschädels^ als auch in der Ausbildung der
bald mehr oder minder stark gewulsteten Augenbrauenbögen^ der vorragen-
den^ nicht selten durch tiefe Einsattelung in der Nasenstimbeinnaht gegen
die Stirn abgesetzten Nasenbeine, in der starken Ausbildung des Hinter-
hauptes, in der Gesammtbildung des Unterkiefers, namentlich im Verhalten
des alveolaren Theiles derselben zur Senkrechten. An Frognathismus über-
ragen übrigens mehrere der bekannten alteuropäischen Schädel, z. B. von
Bougon {Deux S^vres) , Fwrfooz [^ Cran,) y Meudon, Marzahotto u. s.w..
alt- und neuberberische nicht unbeträchtlich.
Durchwandert man nun eine europäische Anatomie oder ein anato-
misches Museum, so wird man daselbst, namentlich im mittäglichen
Europa, immer eine gute Anzahl verwandter, namentlich männlicher
Schädel vorfinden, welche gewisse Eigenthümlichkeiten mit nordafrikanischen
Schädeln gemein haben. Natürlicherweise wird man an den Berberschädeln
im Ganzen wie im Einzelnen stets auch wieder nicht unbeträchtliche, ihnen
allein zugehörende Rassenmerkmale ausgeprägt sehen. So wird man
die Aegypterschädel, sei es von Mumien oder FeUäJnn, im Durchschnitt
langgestreckter und im Hiraschädel niedriger finden, als die Mehrzahl der
Europäcrschädel u. A. m. Genauere Untersuchungen, Messungen u. s. w.
werden noch andere Unterschiede zum Vorschein bringen und darthun, dass
wir es hier nur mit Aehnlichkeiten von jener immerhin bemerkenswer-
then Art, aber doch keineswegs mit typischer Uebereinstimmung zu
thun haben.
Jene oben berührte Aehnlichkeit im Schädelbau der Europäer und
Berbern ist auch schon anderen Beobachtern au%efallen. Bourguignat
1) Cr&nes d^rr^s de la n6cropole Etrusque de Marzahotto, r^compos^s par Mad. et
M. GoKzadini. Photographien, auch im Besitze der Berliner anthropolog. Gesellschaft
2) His & Ruetimeyer, Crania Helvetiae.
3) Holder im Archiv für Anthropologie, II, S. 54 ff.
4) Ecker, Crania Germaniae meridionalis.
5) Ders. Archiv f. Anthr. III, S. 127 ff.
6} Thurnam in Memoirs Anthropolog. Society of London, I, p. 459 ff. Davis &
Thurnam, Crania Britannica.
7) Nilsson: Das Steinalter oder die Ureinwohner des skandinavischen Norden. D.A.
8) Davis Thesaurus craniorum, p. 81.
9) Gongord y Martinez: Antiguedades etc.
10) Faidherbe im Bulletin de l'Acad^mie d'Hippone. Bourguignat: Monuments
m^galithiques de Roknia.
11) Morton, Observations on Egyptian Ethnography. P runer in M^moires de la
Soci6t6 d'Anthropologie de Paris, I, p. 399 ff. Hartmann in Zeitschr. f. Ethnol. 1S70,
Taf. III, IV, 1871, Taf. 10, Fig. 1».
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Völkerbewegung, Stammes- u. KastenbiMung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiem. 273
und Pruner wollen unter den Schädeln der Boknlah-Denkm^eT diejenigen
Yon Aryas aufgeiiinden haben^ welche Herrscher im Lande geworden seien
und den Kabylen geboten hätten. Pruner findet, dass der Typus dieser
Jryäs dem Typus Altitaliens sich nähere, und vermuthet, dass jene über Sicilien
nach Tunesien hinüber gezogen sein möchten. Die Auffindung von Neger-
und Aegypter-, auch von Mischlings- Schädeln (cranes de gens m^tisses) unter
den M^alithen deute auf früher stattgehabte Beziehungen der alten Berbern
zu Aegypten und Nigritien hin*).
Die Gesichtszüge nicht weniger von mir beobachteter Pilgrime oder
Kaufleute aus Mayreb und nicht weniger Turcos erinnerten mich an Gon-
dolieri zu Venedig, an Facchini zu Verona und Messina, an Bummler zu
Livomo, Lttzzaroni zu Neapel öder an Hafenarbeiter zu Genua. Ich komme
hier auf den früher von Desor gethanen Ausspruch (S. 239) und auf das
S. 249 — 252 von mir Bemerkte zurück.
Dass aber die Berbern schon im frühen Alterthume in Europa eine
Rolle gespielt, vermögen wir aus dem oben Gesagten recht wohl zu schliessen.
(Vergl. S. 266.) Die späteren Eroberungszüge der durch syroarabische Re-
ligionsfanatiker verstärkten und begeisterten Imösay nach Europa sind be-
kannt genug, die Schlachten von Xeres de la Frontera und von Tottrs sind
für uns ebensogut geschichtliche Ereignisse, wie diejenigen von Königgrätz
und von SSdan. Dass wiederholtes Eindringen von Nordafrikanem nach
Europa, möge dies nun in directen Märschen über den Isthmus von Gibral-
tar und über andere alte Verbindungswege zu Lande, oder möge es ohne
Vermittlung solcher schon früher, später aber sicher, zu Schiffe statt-
gehabt haben — jedenfalls hat dieser wiederholte Aufenthalt Spuren in der
europäischen Bevölkerung zurückgelassen. Derartige Spuren sind in Por-
tugal, Spanien, einem Theile von Italien unverkennbar. Malta's Inselgruppe
wird von einer urberberischen, arabisirten und italianisirten Mischbevölkerung
bewohnt, an deren ländlichen Repräsentanten jeder aufmerksame Beobach-
ter afrikanische Gesichtstypen herausfinden muss. Als ich am 2. December
1860 das Kapuzinerkloster bei Valetta besuchte, glaubte ich an den daselbst
in der sogenannten Carneria, dem Beinraume, in Nischen hängenden Mu-
mien solcher hier verstorbener Klosterbrüder, welche mein greiser Führer
für echte Malteser und Süditaliener erkläite, im ganzen Bau der eingedörr-
ten Köpfe und der von Weichtheilen entblössten Schädel sowohl Kaby-
lisches wie auch Aegyptisches zu erkennen.
Aber wo kommen doch die, neueren Nachrichten zufolge bis nach
Centralasien (S.265) 2) hinein verbreiteten Dolmen un& Menhir her ? Sind diese
durch Berbern nach Europa und nach Asien, oder sind sie durch Asiaten
über Europa nach der Berberei, oder endlich, sind dieselben durch Euro-
1) Bourguignat 1. s. c. p. 57.
*i) Finden sich auch in Amerika und Auntiralien.
Hartman n, Nigritiör. 1^
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274 I- Abschnitt. IX. Kapitd.
päer sowohl nach Asien als auch nach Afrika verpflanzt worden? Keine
einzige vorhandene Nachricht spricht vornehmlich zu Gunsten der einen
oder der anderen Annahme. Die meisten Forscher scheinen sich bis jetzt
freilich dahin entscheiden zu wollen^ als hätte ein hypothetisches Einwan-
derervolk, ein Peuple ä dolmens, natürlich Aryäs, von Asien her die Sitte,
solche Denkmäler aufzurichten, auf ihren Zügen nach Europa und nach
Afrika gebracht. Nun erscheint allerdings auch mir wahrscheinlich^ dass
die Dolmen u. s. w. von Europa her nach Afrika, zu den dortigen (be-
schränkteren) Localitäten ihres Yerkommens, gebracht wurden, und dass
sie auf ähnlichen Wegen auch von Europa aus nach Asien gelangt seien.
Mit Einführung jener Monumente nach Afrika mag die Entstehung der
Sage von dem Einfalle blonder Leute nach Libyen zusammenhängen. Ein
westlicher und südlicher Zweig der grossen indoeuropäischen Völkerfamilie;
welchen wir mit Fug Atlantiker nennen könnten, mag der Vermittler
jener mannigfaltigen Beziehtingen mit Norda&ika gewesen sein, welche von
uns schon oben erörtert worden sind. Unzweifelhaft hat Bourguignat's
und Pruner's oben berührte Annahme, dass nämlich F];emde ^) , Europäer,
Bewohner Altitaliens, nach Afrika herübergekommen und sich hier zu Her-
ren berberischer Autochthonen aufgeworfen, Manches für sich. Vielleicht
lässt sich die Bildiioig der AKoqär bei den Tüäriq aus jener Zeit herleiten.
Dass aber die physische Beschaffeuheit jener Fremden und diejenige
älterer wie neuerer Europäer überhaupt mit der älterer und neuerer
Berbern so manches Uebereinstimmende zeigen, würde ja seine Er-
klärung in jenen frühzeitigen und späteren Berührungen finden, welche An-
gehörige beider Rassen miteinander gehabt und Welche selbst zu einer theil-
weisen Amalgamirung geführt haben werden, dies namentlich zu jener
Zeit, in welcher Europa und Afrika noch im territorialen Zusammenhange
gestanden haben. Daher auch die nicht beträchtliche Verschiedenheit der
Schädel von Rokmah und der eigentlich berberischen.
Man hat auch hier und da den Versuch unternommen, die Herkunft
der Berberrasse mit der Sage von der zertrümmerten Atlantis
(S. 270) in Zusammenhang zu bringen. Dieser Gegenstand ist aber gerade
hier für uns merkwürdig genug , um unser Interesse für einige der folgen-
den Seiten in Anspruch nehmen zu sollen.
Jener Sage zufolge erhielt nämlich Solon (nach Platon's Timaeui)
/von ägyptischen Priestern die Mittheilung, dass eine der deucalionischen
Fluth voraufgegangene Bepublik Athen den Verheerungen einer furchtbaren
Weltmacht Ziele gesetzt^ welche Europa und Asien überzogen habe. Diese
Macht sei mitten aus dem atlantischen Ozeane gekommen. Damals habe
man nämlich dies Meer durchkreuzen gekonnt. Es habe ja eine Insel
vor den Säulen des Hercules gelegen, grösser als Libyen und ganz Asien.
I) Büurguignat nannte tie ohne Weiteres Arier (S. 245).
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Völkerbewegung, Stammes- u. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiem. 275
Von ihren Ufern aus seien die Schiffer nach anderen Inseln und Ton lete-
tereai nach jenem Festlande ge&hren^ welches ein wirkliches Meer umschloB-^
sen habe. Denn für die diesseits der besagten Meerenge belegene See scheint
diese wahrlich nur ein kleiner Hafen mit sehr engem Eingange gewesen zu
sein^ aber für die andere war sie doch ein wirkliches Meer, und das letzteres
umgebende Land verdient die Bezeichnung eines wahren Continentes. Diese
ganze Insel Atlantis sowie andere Inseln und Theile des Festlandes be-
herrschte ein grosses und gewaltiges Königsgeschlecht. Dasselbe gebot dies-
seits der Meerenge über Libyen bis nach Aegypten und über Europa bis
nach Tyniienien hin. Diese Macht wollte Griechenland und Aegypten
unterjochen. Aber ihr entgegen warf «ich Athen an Spitze der verbündetmi
Griechen. Verlassen von diesen ihren Bundesgenossen fochten die Athener
allein den Kampf gegen die Atlantider aus, triumphirten über dieselben und
befreiten die unterworfenen Völker von ihnen. Später gab es heftige £rd-
beb^i und Uebeischwemmungen und an einem Tage und in einer Nacht
voUer Schrecknisse verschlang die Erde alle versammelten wehrfähigen
Männer von Athen, während die Atlantis ins Meer versank. Noch jetzt
kann man jene Meere nicht durchschiffen wegen des sehr tiefen von der
versunkenen Insel gebildeten Schlammes i). Wir können hier unmöglich
alle gegen und für die Existenz der Atlantis vorgebrachten Angaben älterer
und neuerer Schriftsteller registriren ^j . Man hat häufig Amerika mit dem
angeblich verschwundenen Kontinente in Verbindung zu bringen gesucht.
Andere haben in Madeira, in den Kanarien, den a^orischen und capverdischen
Inseln, noch Andere in Irland, in den genannten afrikanischen Inseln
und in Amerika zugleich, Ueberbleibsel jener Atlantis gesucht. Vermögen wir
nun etwas anzuführen, welches der Atlantis-Stige einen reellen Hintergrund
geben könnte?
Mit dem ihn auszeichnenden Scharfsinne hat O. Heer aus geologischen
Befunden die Wahrscheinlichkeit zu errechnen gesucht, dass zur Zeit, als .
die marine; helvetische Molasse der Schweiz sich ablagerte, die britischen
Inseln nur einen kleinen Theil eines grossen Kontinentes ausmachten, der
über die Atlantis bis nach Amerika hinüberreichte 3) . Weiter entwickelt
ders^be Forscher, dass wahrscheinlich zur miocänen Zeit ein grosses Fest-
land, die Atlantis y von den Westküsten Europas nach den Ostküsten von
Amerika sich erstreckte, im Norden bis Island, im Süden in einzelnen Aus-
läufern bis in die Gegend der atlantischen Inseln reichte. Zwischen diesen
und dem afrikanischen Festlande müsste aber ein Meeresarm bis zur Bay
von Biscaya sich erstreckt haben. Während Europa jetzt eine Halbinsel
Asiens sei, wäre es damals von diesem Welttheile getrennt eine Halbinsel
1) Th. Henri Martin, Etüde« sur le Tini^e de Piaton. Paria 1841, p. 76—79.
2) Vergl. 1. 8. c. p. 269 ff., p. 291 ff.
3] Urwelt der Schweiz, S. 2Su.
18*
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276 I. Abschnitt. IX. Kapitel.
des atlantischen Kontinentes und Ämerika's gewesen. Heer glaubt aus den
bis jetzt ermittelten Thatsachen den Schluss ziehen zu dürfen, dass das Ver-
sinken des grossen miocänen Festlandes, das er als AÜantis bezeich-
net hat, im Südwesten und zwar wohl gleichzeitig mit der Hebung der
schweizer Alpen begonnen und sich bis zum Abschlüsse der diluvialen Zeit
fortgesetzt habe. Dadurch sei der Zusammenhang zwischen Europa und
Amerika aufgehoben. Ob nun das erwähnte, aus den naturhistorischen
Verhältnissen erschlossene Festland mit der sagenhaften Atlanäs der Grie-
chen zusammengestellt werden dürfe, hänge von der Frage ab, ob zur dilu-
vialen Zeit der Mensch schon auf Erden gelebt habe. Dies sei aber we-
nigstens für den unmittelbar auf die zweite Gletscherzeit folgenden Abschnitt
sehr wahrscheinlich der Fall gewesen. Es könnte daher die Möglichkeit
nicht geläugnet werden, dass der Mensch auf der AÜantu, so gut wie in
Frankreich uind England, sich angesiedelt habe und dadurch erhalte jene
merkwürdige Erzählung Platon's von der atlantischen Insel (S. 274) ein
neues Interesse, welcher dichterisch ausgeschmückten Erzählung wahrschein-
lich ein grossartiges Naturereigniss zu Grunde läge, das an den Schluss der
diluvialen Zeit fallen dürfte.
Auch andere Naturforscher sind für die -4tfa«/w- Hypothese insofern
eingetreten, als sie während der Miocänperiode eine Landverbindung zwischen
Europa und Amerika annahmen ^) . Wieder andere haben sich gegen jene
Hypothese erklärt 2).
Manche haben die canarischen und die a^orischen Inseln für Reste der
1) Unger, Die versunkene Insel Atlantis. Wien 1862. Lyell fand in den auf den
atlantischen Inseln auftretenden amerikanischen Pflanzen unzweifelhafte Reste einer Flora,
welche von einem ehemaligen nahe gelegenen Miocän -Kontinente herstammen, das sich
ehedem an den Osten Nordamerikas anschloss. (Principles of Geology. 10. edit. 1868, vol.
II. p. 422.) G. A. V. Klöden, Afrikanische Insehi. Berlin 1871 (Jahresbericht der Friedr.
Werderschen Realschule. S. 1)). Quatrefages bemerkte 1857: »La croyance k l'Atlui-
tide ou ä quelque chose d'analogue gagne depuis quelque temps du terrain chez les hom-
mes de science. Dans les conversations , il est vrai, plut6t que dans les livres, des bota-
nistes, des zoologistes, des anthropologistes Aminen ts semblent se donner rendez-TOUs sur
ce terrain.« (Rapport sur le progr^s de l'anthropologie. Paris MDCCCLXVII, p. 204).
2) Prof. Oliyer z. B. spricht sich dahin aus : »The consideraüon of these facts leads me
the opinion that botanical evidence does not favour the hypothesis of an Atlantis. (The
Atlantis Hypothesis in its Botanical Aspect. (Natur.-hist. reriew 1862, p. 152). Vergl. femer
Andr. Murray, The geographical distribution of Mammals. London 1865, p. 31 S.) Nach
Göppert's Ideen dürfte in den einen früheren Zusammenhang yerrathenden Gegenden
Nordwestamerikas und Nordasiens zur Zeit der Mioc&nperiode ein milderes Klima, etwa
eine mittlere Temperatur von mindestens 8— 9^, geherrscht haben , um eine Vegetation lu
fördern, wie sie gegenwärtig im mittleren und südlicheren Nordamerika und Europa ange-
troffen wird. (Bulletin Acad. Imp. St. P6tersbourg III, 1861 , p. 460). Uebrigens haben
sich auch einzelne Stimmen für die Wahrscheinlichkeit einer Verbreitung identischer
Pflanzen von Europa nach Amerika über Asien, nicht aber von Europa über eine hypothe-
tiHche Atlantik nach Amerika hin, erhoben.
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Völkerbewegung, Stammes- u. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiern. 277
zertrümmerten Jtlanüs gehalten i). Eine solche Ansicht war u. A. auch von
Forbes ausgesprochen worden und zwar im Hinblick auf die grossen
Eigenthümlichkeiten, welche jene Eilande in ihrer Flora darbieten. Lyell
bemerkt nun aber, dass die allgemeine Absteilung der Klippen aller atlan-
tischen Inseln, verbunden mit der starken Vertiefung der See über 100 Faden
hinaus , die Annahme begünstige, es sei jedes Eiland durch einen feurigen
Ausbruch in grosser Meerestiefe für sich gebildet worden ^) .
Darwin glaubt, dass die Agares-Inseln z. Th. zur Eiszeit von Europa
her durch Eisberge mit Organismen versehen worden seiend).
Einem gänzlich anderen Ideenkreise gehört jene Erklärung an, welche
rAli-Bey von den Ueberresten der Atlantis zu geben versucht hatte. Der
Strand der Magreb-Küsie am atlantischen Ozean sei ein Produkt der Mee-
reswogen. Das Atlasplateau, an dessen Fusse sich die eine starke Depression
zeigende Sahara bis zu den Syrten als ehemaliger Meeresgrund erstrecke.
1) Z. B. Bory de St. Vincent, nach dessen Ansichten die Atlantis in Folge von
Tulkanischen Eruptionen und des Durchbruches des Mittebneeres bei Gibraltar verschlun-
gen worden sei. Es seien nur der Atlas der Alten, d. i. der /Vc de Teyde^ und einige
kleinere Hochflächen, nämlich die canarischen, capverdischen und a9orischen Inseln über
dem Wasser geblieben. (Essai sur les fles Fortun 6es Chap. 2, 7.)
2) Principles of geology 11. edit, II, p. 412. Auch A. Grisebaoh entscheidet sich
dafür, dass die sämmtlichen (atlantischen) Inseln, aus Laven und vulcanischen Gesteinen
aufgebaut , (von denen einige tertiäre Kalkgebilde mitgehoben worden) , seit ihrer ersten
Entstehung in derselben Anordnung, wie gegenwärtig, bestanden zu haben schienen ; denn
der Vorstellung, dass sie die Ueberreste eines versunkenen Festlandes seien, dem man den
Namen Atlantis gegeben, widerspreche die gleichmässig grosse Tiefe des Meeres, welches
sie trenne und aus dem sie gleich den noch jetzt zu Zeiten emportreibenden Inselvulcanen
zusammenhangslos zu steilen Gipfeln anstiegen. Auch würden sie von keinem umher-
schweifenden Landthiere bewohnt, welches von einer ehemaligen kontinentalen Ausdeh-
nung oder Verbindung zurückgeblieben sein möchte, und stimmten hierin mit allen übrigen
ozeanischen Inseln überein, die stets für sich bestanden und deren geringer Umfang den
Bedingungen der animalischen Ernährung Schranken setzte. (Die Vegetation der Erde
nach ihrer klimatischen Anordnung. Leipzig 1872, II, S. 500.) Derselbe Forscher be-
merkt auf S. 507 seines klassischen Werkes: »Als man die Uebertragung der atlantischen
Pflanzen von einem Archipel zum anderen über das Meer ohne genügende Gründe be-
zweifelte und gerade hieraus auf ihren einstigen kontinentalen Zusammenhang durch die
Atlantis schloss, wurde unberücksichtigt gelassen, dass sie durch ihre Organisation nicht
einem kontinentalen, sondern eben einem Inselklima angepasst sind.«
3) »In the Azores, irom the large number of plants common to Europe, in comparison
with the species in the other Islands of the Atlantic, which stand nearer to the Mainland,
and (as remarked by Mr. H. C. Watson) from their somewhat northem character in com-
parison with the latitude, I suspected that these islands had been partly stocked by ice-
bome seeds, during the Glacial epoch. At my request Sir Ch. Lyell wrote to Mr. Här-
tung to inquire whether he had observed erratic boulders on these islands, and he ans-
wered that he had found large fragments of granite and other rocks, which do not occur
in the archipelago. Hence we may safely infer that icebergs formerly landed their rock}r^
burthens on the shores of these mid-ocean islands, and it is at least possible that they may have
brought thither some few seeds of northern plants.« (The Origin of species. VI. edit. p. 328.)
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278 ' I- Abschnitt. IX. Kapitel.
sei die Atlantis der Alten. An ihrer Ostseite ' seien die Syrien in der
Tiefe versunken. Die Klippen von ^Kerhena^^ in der kleinen Syrte seien woU
die erhalten gebliebenen Reste der vernichteten Ostseite der ^tfan^-Insel.
C. Ritter neigte sich unverkennbar zu dieser Erklärung der ^tiinn/rs-Reste
hin 9 indem er den Atlas nicht als eine einzelne Bergkette^ sondern als ein
isolirtes Bergland , als eine atlantische Gebirgsinsel , als das Plateau von
Kleinafrika ins Auge fasste *) . An der Südostecke dieses Hochlandes ziehen
sich der Mon$ ater hin, der schwarze Harüg und der ßergspom von Furjän,
Wir begegnen nun der merkwürdigen rhatsache, dass die alten Quan-
ches oder Guanches, die Urbe wohner der canarischen Inseln, sehr viel
Ver^vandtschaftliches mit den Berbern Nordafrikas, ja selbst mit den Aegyp-
tern gezeigt haben. Dieses Verwandtschaftliche beruht nicht nur auf ge-
wisser (schon von mehreren Seiten hervorgehobener) Uebereinstimmung in
der Knochenbildung (vergl. z. B. Cuvier, Lawrence, Sabin Berthe-
lot), sondern auch auf sprachlichen Analogien, ja selbst auf der Art und
Weise, in welcher die alten Canarier ihre Todten bestatteten, die sie nicht
•blos getrocknet (wie die Peruaner), sondern auch wirklich einbalsamirt zu
haben scheinen. Erkennen wir nun in den Quanches etwa nach jenen In-
seln hin verschlagene Selüh, marokkanische Berbern, mit denen ihre Sprache
nach den von Ritter auf Grund eines trefflichen Quellenstudiums und nach
den Yon S. Berthelot zusammengestellten Proben in der That eine merk-
würdige Uebereinstimmung zeigt? Nach alten Berichten hatten zwar die
Quanches keine Idee von Schifffahrt, hatten nie daran gedacht, Barken oder
Piroguen zu erbauen und betrieben den Fischfang nur längs ihrer Küsten ^) .
Wären sie nur verschlagene Seefahrer gewesen, so hätte sich unter ihnen
wohl eine Tradition von Schiffbau und Schiffiahrt erhalten. Dagegen finden
wir noch andere Beziehungen zwischen jenen insularen Quanches und den
Festlandsbewohnerp. Die /VöföÄ'-Namen Ay-Duakal und Dyrin für den Atlas
wurden in dem Guanchennamei^ für den Pic de Teydey nämlich Ay-Dyrma,
wiedergefunden. Teyde ist corrumpirt aus dem alten Guanchenwort Telde,
mit letzterem Namen wurde die älteste Burg auf Canaria benannt, Telde
heisst auch eine östlich von ^Aqadir gelegene Feste. Suetonius Paulli-
nus fand unter den Berbern zu Sum^ gegenüber Canaria y einen Canarier
genannten Stamm. In der Zeit Leo's des Afrikaners bewohnten die »Go-
merafi< den Nordwesten des kleinen Atlas, später bewohnte ein ebenso benann-
ter Stamm die Malaga gegenüberliegende Küste, heut aber ist Gomera eine
der canarischen Inseln. nHoara [Havar , Huar« des Idrls) hiess einer ihrer
Stämme, jetzt nach Jackson i>Beni-Hoanm, zwischen >Aqadlr und Tarü-
dant wohnhaft. Beni -Haare aber hiessen auch die Eingebomen von
Palma ^], Wir werden später auf diese ganze Frage zurückkommen.
1) Erdkunde von Africa, HI. Abtheilung.
2) S. Berthe] ot in M^moires de la Soci^te Ethnologique T. I, p. 183.
3) Ritter, Erdkunde von Africa, S.906. Auch S.Berthelot, l. c. II, p.97ff. De«
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Völkerbewegung, Stammes- u. KastenbilduBg unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiem. 279
Es ist häufiger die Behauptung aufgestellt worden^ die Nigritier
hätten in früheren Zeiten einen grossen Theil Nordafrikas innegehabt und
seien efst allmahlig durch die von Nord nach Süd andrängenden Berbern
in die Oasen der Sahara und in den Sudan zurückgeworfen worden. Ak-
med-Bübä giebt an, alle fruchtbaren Oasen der §akarä seien im Besitze der
Schwarzen gewesen, bevor die Berbern vom Atlas her in die Wüste ein-
gedxtingen wären^ und sden nur kleine Reste der ersteren in diesen Gegen-
den zurückgeblieben^). Dergleichen kann nun zeitweise sehr wohl statt-
gefunden haben. Manche Tradition deutet in der That darauf hin, dass
Nigritierschaaren sich für gewisse Epochen dieser oder jener Oasen der
grossen Wüste bemächtigt gehabt, um sie später wieder an /mö^a^-Stämme
zu verlieren. Solche Yölkerbewegungen haben aber hier, in diesen öden,
zwischen den fruchtbaren Küstengebieten der Berberei und den Tropenland-
schaften des Sudan mitten inne gelegenen Regionen von jeher stattgehabt,
so lange, als überhaupt nur der Kri^sruf aus irgend einer Amyt- oder Ni-
gritierkehle hervorgekreischt worden ist. Es sind dies jene von Nord nach
Süd, von Süd nach Nord hin- und herwogenden Bewegungen, wie wir deren
noch bis in die neuere Zeit hinein verfolgen können. Da ist keine durch
grosse Epochen reichende Stabilität des Berber- oder des Nigritierele-
mentes in der §akarä anzuerkennen, auch nicht an deren Rändern, sondern
nur ein stets wechselndes Dominiren bald der einen, bald der anderen Na-
tionalität. Der im Küstengebiete hausende Berber musste* von jeher eifrig
darauf Bedacht nehmen, sich die Wüstenstrassen für den Handel nach Ni-
gritierland offen zu halten, und ebenso musste der erste beste Nigritierhäupt-
ling darauf calculiren, sobald er überhaupt Macht und Einsicht dazu ge-
wonnen, die zeitweilig sich ihm eröffnenden Aussichten auf gewinnbringen-
den Verkehr auch gehörig auszubeuten. Dah^ denn Einfälle bald von
Berber-, bald von Nigritierseite aus mitten in die Wüatengebiete hinein.
Wir sehen arme, räuberische Berberstämme die Sahara von Alters her durch-
streifen und sich in ihrem Siiden hier und da festsetzen, um sich ihre leib-
liche und politische Existenz zu sichern. Sie gründen u. A. das Reich Qö-
nädah, sie gründen das Reich Meroe, sie bevölkern eine grosse Anzahl
Oasen. Die nigritisohen Mcmdü^ erobern Qänädah. Die nigritischen Fu^
erobern Meroe oder vielmehr dessto Nachreiph ^Aloah (S. 12) und vertrei-
ben oder unterjochen hier die angesessenen Berbern stromab bis gegen
Wadi-Ualfah hin. Gegentheils drängen sidi Tüäriq in die am Mittellaufe
des Niger gelegenen Gebiete ein und bieten hier nigritischen Machthabem
Trotz, wie z. B. zu Barth's Zeit verschiedene Tribus, wie üTli, Iffuadaren,
Täd-Mekeh, jenem Sexo Ahmedü- Ben- Ahmedü, dem einflussreichen Pullo-
I^txteren sehr eingehende Untersuchungen sind jüngeren Datums als die Kitt er sehen und
ganz sflbststündiger Natur.
1/ Zeitschr. d. deutschen mörgenländischen Gesellschaft, XI, S. 530.
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280 I- Abschnitt. IX. Kapitel.
Herrscher zu Hamd*-'Allähi. So sehen wir hier ein ewiges Hin- und Her-
wogen der Macht. Angesichts solcher Thatsachen vermag ich der Annahme
nicht beizupflichten, als hätten Nigritier von jeher durchweg die SaKarä-
gebiete innegehabt und seien die Berbern erst später als ihre Erben in die
von jenen ursprünglich occupirten Gebiete hineingelangt. Ich glaube vielmehr
sicher, dass der Nordrand Nordwestafrikas, das Mayreb der Araber, sowie die
eigentliche Sahara ein altes Stammgebiet der Berbern oder Imohay im wei-
teren Sinne, namentlich aber der Tuäriq^ also der Imösay im, engeren Sinne,
gewesen seien, dass aber das ursprüngliche Gebiet der Nigritier erst am
Südrande der grossen Wüste begonnen habe. Hier in den Tropenländem
bis über den Aequator zum südlichen Wendekreise hinaus ist das eigent-
liche Nigritierland. Dasselbe findet erst seine alte südliche Grenze
da, wo die San, die Khoi-Khoi-n , nicht die Kaffern, «einsam schweifen«
durch die Karrü. Die Nigritier, ihren tropischen Heimathländem entrissen,
gehen schon in Aegypten, mehr noch im Mayreb, gar nicht selten an Heim-
weh, an Skrophulose und an Tuberkulose zu Grunde, es ist doch, als vege-
tirten sie hier auf fremdem Boden nur so. Es gelingt ihnen nicht leicht,
hier ihre Kinder durchzubringen, von denen ein gar nicht geringer Procent-
satz an allerhand, hauptsächlich vom veränderten Klima bedingten Krank-
heiten dahinstirbt. Es bedarf erst einer langen Acdimatisation, einer gründ-
lichen durch einen Zusammenfluss günstiger Umstände erleichterten Einge-
wöhnung, um nach Aegypten oder Mayreb importirte -Nigritier hierselbst
für Generationen eingebürgert zu machen. Aber selbst diese hier eingebürger-
ten Nigritier erleiden mit der Zeit in ihrer Nachkommenschaft gewisse phy-
sische Veränderungen, es bildet sich auch hier eine Art Creolnegerthum aus, .
wenn wir wollen ein Berbemegerthum. Die Züge solcher in die Atlas- und 1
^aÄara-Gegenden importirten Nigritier verlieren mit aufeinanderfolgenden
Geschlechtern an der ursprünglichen Stumpfheit, ihr Profil wird vielmehr
schärfer, ihre Hautfarbe wird heller, ihr Haar wird schlichter, ihr Bartwuchs
üppiger, weniger gekräuselt *) . Man bemerkt dies sogar an solchen Schwar-
zen, welche hier Familienheirathen eingehen, gewissermassen Inzucht treiben.
Es handelt sich nun nicht allein um die Wirkung der Kreuzung mit Ber-
bern, Arabern u. s. w., sondern um jene langsame, aber nicht zu bezwei-
felnde Umwandlung des urthümlichen tropisch-afrikanischen Schwarzen, wie
man eine solche auch in den verschiedensten Gegenden des Orientes und
Amerikas beobachtet. Es wirken hier z. Th. noch nicht erklärte Umstände
mit, z. Th. Klima und Lebensweise, wie sie den Anglo- Amerikaner indianer-
ähnlicher machen, wie sie einen umändernden Einfluss auf die französischen
1) Burckhardt sagt von den schwarzen Sklaven der Araber: »AUmälig geht etwas
vom Aussehen des Negers verloren, besonders am Haar; aber immer behalten sie in den
Zügen deutliche Spuren ihres Ursprunges.« (Bemerkungen über die Beduinen und Wa-
haby, D. A. S. 147.)
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Völkerbewegung, Stammes- u. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiern. 281
Canadier und die holländischen Boef^s ausüben. Aus diesen und noch man-
chen anderen Gründen lässt sich schliessen^ dass die Gegenden nördlich vom
Wendekreise des Krebses nicht zu den Stammländem der nigritdschen Rasse
gerechnet werden dürfen, dass diese hier vielmehr nur zeitweise Fuss gefasst
haben können und dass, wo sich ihre Spuren deutlicher unter der Bevölke-
rung zeigen, dies doch mehr als ein Ergebniss stattgehabter Mischung be-
trachtet werden müsse (S. 279).
Von geschichtlich und auch kulturgeschichtlich hoher Be-
deutung, weniger freilich von nachhaltiger Wirkung in physischer Hin-
sicht, ist die nachweisbare Einwanderung arabischer Stämme
nach Afrika. Es ist dies keineswegs jene manchen unserer Katheder-
gelehrten vorschwebende, im Nebel unbekannter Zeiten verschwimmende,
hypothetische Einwanderung semitischer, dyssemitischer, hami-
tosemitischer oder ähnlicher Phantomvölker, sondern echter Syro-
araber. Diese Einwanderung fand um die Zeit statt, als der Glaubensruf :
"Es ist kein Gott ausser Gott und Mohammed ist der Gesandte (Gottes)«
von Heffäz her die Welt in ihren Grundfesten erbeben machte.
Gehen wir nun zunächst auf Einwanderungen solcher Stämme zurück,
welche als echte Syroaraber von der S. 195 ganz im Allgemeinen skizzirten
körperlichen Beschaffenheit, aus den zwischen ^Iräq-^Arabi oder Mesopota-
mien und dem Mittelmeere, zwischen dem Libanon und den Bergen von
'Oman gelegenen Territorien hervorgebrochen sind. Es sind dies Acker-
bauer, Stadtbewohner, Bergbewohner, mehr aber noch Nomaden, soge-
nannte Beduinen, gewesen. Zum Theil gut beritten auf ihren trefflichen
Wüstenstuten, in der Kameelzucht bewandert, mögen sie ihre Bundeslade auf
reichgeschirrtem Jetül^) ^ die zelotischeu, nackten Fuqorä oder heiligen
Sujü%, Fanatiker, auf anderen Reitthieren, den Qur^n im Ijederfutteral, das
krumme Schwert und den federgeschmückten Speer in der Faust, den run-
den, bebuckelten und beblechten Schild auf der Schulter, ihre Häuptlinge
und hervorragenden Krieger mit Eisenhauben, Kettenpanzern und Eisenhand-
sohuhen gewappnet, zu manchen Tausenden mit Weib und Kind, mit Schaaf
und Ziege, mit Esel und Rind über den Isthmus gezogen sein. Von hei-
ligem Eifer fiir die neue Religion durchglüht, beutegierig und voller Erwar-
tung auf die Eintauschung fruchtbarer Ländereien gegen die von Natur meist
dürftigere Heimath, sind sie dann bei Memphis und Alexandrien erschienen
und haben von hier aus als Vollstrecker des GiJiäd den Krieg gegen die
Andersgläubigen begonnen. Manche der nach Afrika herübergedrungenen
Araberstämme mögen schon ihre strammen ni gritischen Haussklaven mit-
gebracht haben, welche als Vorkämpfer, Feddäwwieh, die Aufgabe gehabt hat-
l) Syrisches Reitkameel, Hey in oder Melt^eri der Afrikaner.
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282 I- Abscbnitt. IX. Kapitel.
ten, die Entscheidung auf blutiger Wahlstatt hauptsächlich herbeizuführen^].
Wenn es dann zur Schlacht kam mit den Heerschaaren der Yersdunäher
MoKammed'Sy so sammelte sich ein Kern auserlesener Krieger um die Bun-
deslade ^ und von dem schrillenden Rufe der Weiber, der Pfaffen ange-
feuert, stürzten sich die Sendboten des Istäm auf die Ungläubigen, fast stets
durch wilde Tapferkeit, durch eifervolle Hingebung sie besiegend. Es voll-
zog sich zunächst die arabische Eroberung Aegyptens und der Länder der
Berberei. Ein guter Theil der Einwanderer, welchen Schwert , Krankheiten
und Strapazen verschont, Hess sich in den eroberten Gebieten nieder, schuf
hier feste Niederlassungen, vermischte sich allmählich auch mit dei^ Töch-
tern des Landes oder zertheilte sich in kleinere, als Hirten in Wüste und
Steppe umherziehende Gruppen, oftmals den alten Stammesüberlieferungeo
getreu. Die vom Byzantinerthum stark beeinflusste Kultur der Eroberer
breitete sich über die unterworfenen Gebiete aus, nahm hier manche an-
passbare, eingebome Elemente in sich auf, es entstand jen^ wunderbar
edle und schöne, gemeinhin sarazenischer oder maurischer genannte
Kunststyl, welcher seine Schöpfungen im Profan- und im religiösen Baue
von den Ufern des Oxus und Indus über Nordafrika bis in die Küstenländer
des atlantischen Meeres verbreitete.
Mit jenen syroarabischen Eindringlingen kam die neue Religion, der
I$lam ins Land, der anfanglich mit Feuer und Schwert verbreitet wurde,
namentlich in Aegypten, dessen damalige Eingebome, die Kopten, in star-
ren christlichen Glaubenssatzungen wie verknöchert waren, die daher auch
der Lehre des Propheten einen überaus zähen, wenn gleich mehr nur pas-
siven Widerstand entgegensetzten. Der sonst eifrig mofiammedanische Ma-
qrizi entwirft uns ein ergreifendes Bild von dem Dulden und Tragen der
ägyptischen Christen unter der sowohl Individuum wie auch Gesellschaft
ausnahmslos beherrschenden, im Islam gleichsam verkörperten Staatsweisheit
der moslimischen Eroberer^). Schnelle und grosse Fortschritte machte die
Lehre des Propheten im Mayrehy wo man dieselbe meist begierig auflfiftsste.
Ich habe schon früher, 8. 162, jene für den simplen Nigritierverstand
verlockenden Satzungen des Islam kennen gelehrt, welche dem Vordringen
1) Dieser Gebrauch mag schon ein sehr alter sein. »^ftroÄam,« welcher »/>>fr w
Hülfe zieht, »wappnete seine Knechte, dreihundert und achtaehn, in seinem Hause
geboren« (1. Bch. Mos., 14, 15). Burckhardt erz&hlt von den zahlreichen Sklaven der
Araber, welche sich nur mit schwarzen Mädchen verheirathen dürfen, nach einigen Jahren
frei werden und auch in den Krieg ziehen. (Beduinen und Wahahy, D. A., S. 149.
Dr. Wetzstein, dieser ausgezeichnete Kenner des Araberthums, versicherte mir, dass der
körperlich schwächere Sohn der syrisch-arabischen Wüste das Kämpfen lieber seinen Ft-
däwwieh oder schwarzen Haussklaven überlasse, welche oftmals die aufopferndste Tapferkeit
an den Tag legton. Manche solcher schwarzen Kämpen haben die Wüste mit dem Rufe
ihrer Thaten erfüllt, in neuerer Zeit u. A. Dadan, der nigritrsche. Anführer des Sofiq-
eines berühmten iSex der ^ammar. (Layard II. Reise, D. A. S. 62.)
2) Geschichte der Kopten, deutsch von F, Wüsten fei d.
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Völkerbewegung, Stammes- u. Kastenbildang unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiem. 283
dieser Religion^ weit mehr als der christlichen jedweden Bekenntnisses, in
Innerafrika die Wege bahnen. Es i^ die grosse Ädaptationsfdhigkeit so
Riancfaer lockeren Vorschrift des grossen Kenners seiner Nation, eines Man-
nes, der zugleich die Zustände seiner Zeit mit staatsmännischer Klugheit zu
würdigen verstand, des Verkündigers von Mekkah. MoKammed^s Lehre ge-
rade findet in einer halbwUden und wilden Heidenbevöikerung mehr Boden,
als die häufig so stocksteife Lehre unserer Dogmatiker. Daher der un-
geheuere Triumph des schon seit Jahrhunderten unter Berbern uud Nigri-
tiem tief ins Herz Afrikas immer weiter und weiter sich hineinfressenden
hüm. (Vergl. auch Despine, Psycholc^. natur. I, p. 105.)
Bekanntlich lässt in allen Welttheilen der grosse Haufe durch Wortfüh-
rer sich leicht überzeugen, hinreissen, fanatisiren, und haben Priester
aller Religionen es von jeher verstanden, auf die Massen zu wirken, sie
bald wild entflammend, bald nur massig aufwiegelnd, bald milde gewinnend.
So auch die Priester des Idäm in Afrika.
Sowohl Berber- wie Nigritierstämme entwickeln eine sehr verschifeden-
artige £mpf3lnglichkeit für den Mofiammedanismus. Viele üben ihn ganz
gelinde, ohne Fanatismus, aus, entsprechend ihrem Temperament^ auch wohl
der sanften Art, in welcher er ihnen etwa von herumstrolchenden Missio-
nären so gelegentlich beigebracht worden ist. (S. 163.) Manche Häuptlinge
nahmen den Islam aus Politik an, um nämKch unter seinem Deckmantel
Macht und Einfluss zu erringen, und wussten, .wie z. B. der berüchtigte
öä^ sOnyoTy ihre Untergebenen für Qur^n, OiKäd u. s. w. zu fanatisiren.
Manche afrikanische Völker neigen übrigens ihrer gesammten Eigenart nach
zum hläm und wissen sich für denselben zu begeistern, so z. B. ein Theil
der Fulän, welche ja in der Glaubenswuth ihres Gleichen suchen. Aber
selbst im Herzen solcher Fanatiker können politische Interessen dazu bei-
tragen, den Brand religiöser Inbrunst zu hellen Flammen emporlodern zu
lassen.
Als der Islam nach Afrika hineindrang, existirten hier wenige Schrift-
sprachen, wie Oe^Zy AmKariüa, TigrüUiy Koptisch, Tefinay, Die Litteratur
dieser Schriftsprachen war nicht reich und nidit national -anregend; die
abyssinische und koptische Litteratur z. B. bewegten sich meist in halbmy-
thischen Geschichtsversuchen oder in breitgetretenen Auseinandersetzungen
und Commentaren der Askese, in albernen Legenden. Das Tefinay exi-
stirte mehr nur in vereinzelten rohen, kleinlich -lokale Ereignisse verherr-
lichenden Felsenskulpturen. Diesen Erzeugnissen fehlte jene Wärme, welche
sie ins Volksbewusstsein hineinzutragen vermochte, auch fehlte hier der leben-
dige Odem, welcher die Geister dazu entflammte, in jenen Zeichen frank
und frei seine Lust und sein Leid auszudriicken. Die Schriftsprache wurde
mehr und mehr Eigenthum der Priester, sie flüchtete sich in Klöster, in
Einsiedeleien. Das Volk, hoch wie niedrig, verlernte fast, dass es bei ihm
eingebome Schriftzeichen gab.
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284 I. Abschnitt. IX. Kapitel.
Mit dem Qur^n aber kamen die anmuthigen schnörkelreichen, vulgären
Buchstaben der Araber, auch die dem stilvolleren Kufisch entlehnten^ ins
Land. Es entwickelte sich unter dem Einflüsse syroarabischer gedan-
ken-, selbst poesiereicher Geistesarbeit eine afrikanisch-arabische Lit-
teratur, und zwar vielfach blüthenvoUer als selbst die ursprüngliche des Hei-
mathlandesy eine Litteratur^ welche, unter der eifrig betriebenen Studienan-
regung und unter dem Mäcenat manches hochgebildeten strebsamen XaXifak
Gemeingut Vieler werden konnte und es auch thatsächlich wurde. Man
lernte sich keineswegs nur begnügen, die Qttr:?a« - Sprüche auf Arabisch
von den Gebettafeln abzulesen, sondern man schrieb auch die Qtmdah und
Anderes auf Pergament, Stein und Holz, Kriegsruhm und Liebe, Freude am
Dasein und den Ernst verschiedener Lebenslagen besingend. Man wandte
sich auch den eigentlichen Wissenschaften wieder zu, die namentlich im
Nilthale so lange geschlummert hatten. Brieflicher Verkehr in arabischer
Schrift wurde eingeleitet. Bei ihrer Biegsamkeit und ihrem Reichthum
wurde diese Sprache diejenige der Handelsleute, der Schiffer und der Solda-
ten. Zu einer Zeit, in welcher die abendländische Bildung schon tief
darniederlag, blühete dagegen die arabische herrlich empor. Philosophie
und Geschichte, Poesie und Rechenkunst, Mathematik, Jurisprudenz, Theo-
l(^e und Medizin entwickelten sich zu ungeahnter Höhe in CkUro wie in
Fez, in der Alhama wie im Alcazar, Das erregte den Eifer vieler Gläubi-
gen selbst im Innern Afrikas und legte Keime einer gewissen Bildung selbst
in die Brust manches tief im Sudan hausenden Berbers und Nigritiers. Man
gewann das Arabische lieb, bediente sich seiner gern und überall, man
lernte über seiner Pflege die einheimischen Idiome vergessen. Wer nur den
geringsten Begriff von dem Reichthume, der Biegsamkeit des Arabischen,
sowie von der Fähigkeit desselben hat, fremde Wörter (wenn auch nicht
selten unter augenfälliger Abänderung) in sich aufzunehmen, ferner von
seiner Fähigkeit, aus seinem Wörterschatze in fremder Sprache ausgedruckte
Begriffe zu umschreiben, wer da iigend weiss, mit welcher zündenden Kraft
das Arabische die characteristische Aussenseite eines Gegenstandes mit ern-
steren, mit Spitz- und Ekelnamen zu kennzeichnen weiss, wird das Zutref-
fende meiner obigen Darstellung anerkennen.
Unter solchen Umständen mussten arabische Sprache und Schrift einen
gewaltig umbildenden Einfluss auf die Bevölkerungsverhältnisse der von den
Sendboten Mohammed* 8 heimgesuchten Gebiete ausüben. Solche Völker nun,
welche von Hause aus eine gewisse politische Machtstellung eingenommen
hatten, welche zugleich eine eigene Sprache und theils nur mündlich über-
liefernde Litteratur besassen, wie z. B, die Perser und der Kern der Türk-
völker, wussten sich des Arabischen zur Bereicherung und Veredlung der
eigenen Idiome zu bedienen. Sie schufen mit Hülfe der Buchstaben
des Qur^n eine der arabischen ähnliche, AUäh und den Menschen ge-
nehme, neuere Schrift, In Afrika widerstanden freilich diejenige des Kop-
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Völkerbewegung, Stammes- u. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiem. 285
tischen und des Gekz oder Altäthiopischen sowie des TigriM und AmKärifia
80 beharrlich dem Arabischen^ wie die christliche Religion in den Klöster^,
WÜBtenklüften und Alpenthälem der Prophetenlehre. Im Herzen der Sa-
lüarä erhielt sich das Tefinay. Das Koptische ^ allmählich zu isolirt wer-
dend, ging später unter. Aber überall, wo Berber und Nigritier einer Lit-
teratur haar waren, da nistete sich das Arabische schnell und gründlich ein.
Die Bequemlichkeit, zugleich eine kosmopolitische, auch für Handel und
sonstigen Verkehr geeignete Sprache wie Schrift gefunden zu haben, veran-
lasste Individuen und Gemeinschaften, welche sich eigener Idiome zu be-
dienen gewöhnt waren, dazu, nun das Arabische mit Vorliebe zu gebrau^chen
und sich in die alltägliche Anwendung desselben gänzlich hineinzuleben.
Daher sehen wir denn die Sprache des Propheten zur Zeit in Gegenden auch
Afrikas als Volkssprache vorherrschend oder ganz allein im Gebrauch, in
denen firüher andere, einheimische Mundarten üblich gewesen sind und in
denen jetzt selbst kaum Spuren der letzteren übrig geblieben scheinen.
Mit den Anhängern des Propheten kam aber ausser der neuen, so leicht
sich einschmeichelnden Religion, auch der so bequem sich anpassenden Sprache
und Schrift noch manches Andere ins Land der Berbern und Nigritier, was
umstimmend auf das Autochthonenthum derselben wirken musste. Haupt-
sächlich waren dies die mit den QtiriSän^Satzungen in Zusammenhang stehen-
den Ritual- und Moralgesetze, es war dies die vom Islam ausgehende
Anr^^ng zur Poesie und exacteren Forschung, zury Aufstellung politischer
und gesellschaftlicher Probleme, sowie zu deren Lösung.
Kühn im Wollen, sicher im Auftreten, klug, sehr klug verfuhren
jene syro arabischen Glaubensverkünder, nachdem sie ihren Fuss in
die Gebiete iAfrikleKs gesetzt hatten. Sie waren nicht blos gleich Tar-
taren und Mongolen auf rohe Vernichtung bedacht gewesen, sondern sie
hatten sich bestrebt gezeigt, das im Sturme der Ereignisse Zerstörte
wieder aufzubauen und Neues zu erbauen. Mit ihnen, den Aposteln,
den Trägem der Kultur, hatten, wie wir oben sahen, geistige Arbeit,
Handel und Industrie ihren Einzug in die Gebiete der Berbern wie der
Nigritier gehalten. Anfanglich unbeugsam und kriegerisch hart, hatten
sie nach Erringung ihrer Erfolge bald das Schwert in der Scheide ge-
borgen, um von nun ab ihre blutigen Eroberungen durch Werke des
Friedens zu sichern. »Er (der Araber) stiess nicht plötzlich die Verfassun-
gen der besiegten Länder um, damit er auf ihre Trümmer seinen Koran
I(^e, noch auch liess er sie bestehen , um ein Reich zu bilden, das aus
eben so vielen Reichen besteht, als es Religionen und Einrichtungen in
sich fasst, vielmehr bewirkte er die Veränderung von innen nach aussen;
der Krieger gab nach und nach seine Rechte auf die erkämpften Besitzun-
gen an die Lehrer seines Gesetzes ; das Schwert, das gegen die Ungläubigen
gefochten hatte, bauete Moscheen und Schulen, und der Kriegsruf: Gott ist
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286 I- Abschnitt. IX. Kapitel.
groBS^ Terwandelte sich bald in ruhige und erkULrende Belehrungen der pro-
phetischen Verkündigung^).«
Welcher natürlichen Beschaffenheit konnten nun wohl jene Bevölke-
rungselemente Syriens^ Palästinas und der sogenannten ai^abischen Halbin-
sel gewesen sein^ welche in oben erwähnter^ geschichtlicher Zeit dem
afrikanischen Festlande neue Zufuhr an menschlichen Individuen gebiadit
haben? Wir erkennen in eben genannten Gegenden zunächst einheimiadie
Stämme^ die, mögen sie nun Christen oder Mohammedaner sein, mögen sie
sidi Drusen, Maroniten, Stadtbewohner oder Beduinen nennen, sämmdich
jenem bereits früher in allgemeinen Zügen geschilderten (S. 19a) HaupttTpus
angehören. Diejenigen Syroaraber eben, welche, die Aegypten benachbarUi
Länder bewohnend, dem besprochene^, auch die Chaldäer und Assyrer wat-
fassenden Haupttypus angehören, sind von einigen Schriftstellern als Ismai-
liten (nach IsmaHl) oder speciell als Aramäer den Bewohnern Südarabiau
gegenübergestellt worden. Dieser sogenannte ismailitische Typus erstieekt
sich auch über das eigentliche Hegaz. Je nachdem aber diese Ismailiten
ansässig, in festen Niederlassungen zu Gemeinschaften vereinigt, Handel,
Gewerbe und Künste treiben, oder den Studien obliegen, je nachdem sie in
Qabaü zersplittert, ein unstätes Nomadenleben fuhren, haben sich anter
ihnen gewisse Stammes- und Familieneigenthümlichkeiten ausgebildet, wie
wohl Solches auch anderwärts unter ähnlichen Verhältnissoi stattzufinden
pflegt. Jene syroarab|pchen Städtebewohner, welche man auch heut nocb
vielfach in Aegypten, Nubien und selbst in 0%%Südan beobachtet (hier ge-
meinhin Säum^ Syrer oder äegäzi, Bewohner Arabiens genannt) ^, haben
die charakteristische Physiognomie ihrer ^Nationalität, sehen häufig wohlge-
nährt und aufgedunsen aus, haben Enbonpoint und verrathien jenes behä-
bigere Wesen, welches den Städter stets vor dem Nomaden der Wildniss
auszeichnet. (S. Taf. XVIII, Fig. 4—6.) Der Ackerbau» Arabiens bewahrt
zwar vielfach ein gewisses vierschrötigeres Aussehen, zeigt aber auch häofig
genug schon das trockne Wesen des Wüstensohnes, des Beduinen^). Für
letzteren, weloher nach Palgrave der numerisch geringere Erbfeind der Aa-
gesessenen ist^), der aber den Haupttypus des freien, unabhängigen, mekr
abgeschlossen für sich lebenden Syroarabers gewissermassen in seinem Ur-
wesen darstellt, gilt etwa folgende Charakteristik seiner physischen Erscbci*
nung. Die männlichen Individuen dieser Leute sind mittlerer Grösse,
1) Conde, Geschichte Spaniens, I, S. 14.
2) Viele derselben sind Händler mit Qufieh (Kopftuch) » äeiämek (Schärpe) u. d^-
Putggegenständen .
'6) Trefflich ist dieser letztere Typus in Wereschagin's Reise nach T&rkiään in
einem vorzüglichen Holzschnitte (Le Tour du Monde 1873, I, p. 212) zum Ausdruck ge-
bracht.
4) Reise in Arabien, D. A., I, S. 24, 147.
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Völkeibcwegung, Stammes- u. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiem. 287
häufiger Ton kleinerer Statur, haben siemlich dünnen HalB^ zierlich gerun-
dete Schultern, einen meist gut geformten^ manchmal freilich nur schmäch-
tigen Brustkasten^ ziemlich breite Hüften, hagere Arme, wadenschwache
Beine, nicht sehr grosse Hände und Füsse^}. Knie und Knöchel sind zier-
lich^ nidit knochig vortretend. Die Finger differiren wenig in der Länge,
sind nach vom wenig yerjüngt, die Zehen sind gerade und regelmässig ge-
stellt Die Fusssohle ist ausgehöhlt. Ihr Kopf ist länglich, im Hint^haupt-
tkeile häuig hoch, gewölbt. Die Stirn ist ziemlich hoch, aber etwas nach
hinten zurückweichend. Die Augenbrau^iibögen treten ziemlich stark her-
Tor, die Nasenwurzel ist gegen die Stirn allermeist durch einen tiefen ^Eixk-
sdinitt abgegrenzt, die Nase ist meistens schmal, vorspringend, gebogen,
lehener gerade, spitzig. Der Mund ist gross, mit dünnen Lippen, das Kinn
ist zugespitzt, das ganze Antlitz nach unten hin überhaupt stark veqüngt.
Die Augen liegen etwas tief und haben einen durchgehends lebhaften^ feu-
rigen Ausdruck. Das Haupthaar wäd^t üppig, lang, schlicht, ist nur wenig
sur ELräuselung geneigt, tiefschwarz, der Bart ist nur massig. Die Haut-
farbe ist bräunlich gdb, in Heller und Dunkler ändernd, zuweilen intensiv
bronzebraun. Leicht, gewandt, ausdauernd und kühn, vortreffliche Beiter,
eignen sich diese Nomaden ganz besonders zur kräftigen Ausfuhrung des
Ueber die äussere Beschaffenheit der syroaxabischen Beduinenwei-
ber habe ich läder keine eigene Anschauung und finde ich auch in der
litteratur über dieselben wenig genug. Von Augenzeugen wurde mir über
ihre im Allgeoneinen unter Mittelgrösse befindliche, in der Jugend ungemein
schlanke und wohlgebildete Figur gesprochen, die namentlich an jenen schö-
nen und muthigen Mädchen, den sogenannten Hadieh, welche im Kampf
auf reidigeschirrtem JeKU (S. 281) vorreiten und die Ihrigen ziur Tapferkeit
anfeuern^), auf das Yortheilhafteste hervortreten soll. Die specifische Schön-
heit des von der Ni^r bevorzugten syroarabiscfaen Beduinenweibes hat
übrigens ftach dem Urtheile Sachkundiger Niemand erhabener darzustellen
1) Z. B. biei vier von mir gemessenen Individuen 24 — 26 Cent, in der Sohle lang.
J) Vergl. Priehard, Naturgeschichte, D. A. II, S. 272 ff. R. Bnrton, Personal
lunative of a pügrimage to £1- Medinah and Meceah. London 1856, p. 39, 40. Vergl.
ferner unsere Taf. VII, Fig. 15, 16, 17, und Taf. X, Fig. 1, 17, 18. Sodann die nach den
photographischen Aufnahmen des Dr. Langerhans von Luz so vortrefflich gezeichneten
Holzschnitte im Archiv f. Anthropologie , Bd. VI, S. 45 - 49. Den von Langerhans a. a. O.
abgebildeten äaiä-el^Nimr, Sey^ der Benl'*Adwän, habe ich nach einer Origtnalphotogra-
phie des Reisenden auf Taf. VU, Fig. 18, darstellen lassen. .
3) Dieselbe Sitte wurde von den Arabern nach Afrika verpflanzt. So figurirte u. A.
eine angeblich sehr schöne und noch sehr jimge ttadieh in der Schlacht bei Oordi^ welche
am 4. Nov. 1820 von Ismahl-Bäsä den SeqUh Nubiens geliefert wurde. Das Mädchen fiel
anter der Kugel eines Arnauten und ergab die Plünderung der Leiche desselben eine
Menge echter Schmucksachen von feinster sennärischer Arbeit. Dies nach Erzfthlung eines
Mitk&mpfers, des alten Solxmän-Ayä zu El-iOrdeh,
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288 I- Abschnitt. IX. Kapitel.
gewusst, alsHoraceVernet in seinem berühmten Gemälde »Thamar et
Juda^ja. Obiges mag genügen um die Eigenart des syroarabischen Städters
und Beduinen namentlich g^enüber dem Typus der Aegypter (S. 194} noch
näher darzulegen, als dies bereits früher geschehen konnte.
Denn nach Aegypten richteten sich zunächst die Wanderzüge der
Syroaraber gen ^Afrikieh. Vor Allen haben Beduinen den beweglichsten
und streitbarsten Theil der Eindringlinge gebildet > wiewohl .auch Schaaren
von Städtern und Bauern, namentlich aber das gewöhnliche Gefolge solcher
Schwärme, die Krämer, nicht fehlen konnten. Nun sind aber imter jeneu
Zügen der »IsmaUiten« über den Isthmus nicht etwa solche grosse Völker-
wanderungen zu verstehen, welche im Stande gewesen sein könnten, die
damalige Urbevölkerung des Nilthaies zu vernichten und sich an deren Stelle
zu setzen. Die Wirkung des arabischen Einfalles scheint in dieser Hinsicht
vielmehr nur eine untergeordnetere gewesen zu sein (S. ISi), wie das wohl
auch anderenorts unter ähnlichen Bedingungen sich gezeigt hat. Wissen wir
doch aus MaqrvsCs Geschichte der Kopten, welchen zähen ^ langedauem-
den Widerstand diese Nachkommen der pharaonischen Autochthonen dem
moslimischen Einfall entgegengestellt haben. Die Zahl der Kopten war in
den ersten Jahren des arabischen Einfiftlles noch bedeutend genug, um ein
hervorragendes Element in der Gesammtheit der Aegypter bilden zu können.
So wenig aber die ägyptische Nationalität durch das Eindringen der Perser
vernichtet werden konnte, eben so wenig ist dies durch Römer, Griechen
und Araber möglich gewese^. Ich habe bereits weiter oben ausführlicher
entwickelt, wie ungereimt, wie völlig unwissenschaftlich, wie unethnologisch
es verfahren heisse, die gegenwärtigen Aegypter als Araber zu bezeichnen.
Kopten wie FeUäKln bleiben ihrer Hauptmasse nach wenig veränderte B/sUi,
(S. 181, 195.) Leute mit syroarabischem Typus finden sich übrigens nicht
etwa einzig und allein unter den ägyptischen MosUmlny sondern hin und
wieder selbst unter den Kopten, wie denn die letzteren keineswegs so vor-
zugsweise, so absolut rein von Vermischung mit Arabern oder anderen Asia-
ten geblieben sind, wie manche unserer Schriftsteller anzunehmen geneigt
erscheinen. Man vergleiche u. A. das auf Taf. VH, Fig. 5, dargestellte
Faceportrait eines saidischen Kopten, welcher genug vom polnischen Juden
und wenig vom A^^ter an sich hat. Dergleichen Erscheinungen könnten
nun zwar zufallig sein, indessen finden sich an syroarabische erinnernde
Gesichtszüge auch nicht ganz selten in Koptengemeinden, welche wie die-
jenigen um Benl-Hasany Theben, Study Qeneh u. s. w. , nachweislich häu-
figer mit Moslimin verkehrten.
Die gründliche Verschiedenheit des echten Syroarabers, namentlich des
1) Dies schöne Gemälde ist durch Kupferstiche und Photographien, letztere z. B. tod
G. Schauer in Berlin, so weit verbreitet, dass ich den Leser wohl ohne Bedenken darauf
verweisen darf.
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Völkerbewegung, Stammes- u. Kastenbildimg unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiem. 289
des specifisehen Xordarabers vom Aegypter ergiebt sieh aber so recht
aus einer osteologischen Vei-gleichung von Resten der beiden Völkerschaften.
80 viel mir bekannt ist, existiren nicht viele arabische Schädel in den eu-
ropäischen Sammlungen ^) , indessen gestatten uns die von S. Morton
und von Langerhans abgebildeten Exemplare, sowie die unten ver-
zeichneten Speeimina denno(;h die Anstellung von Vergleichen. Ich selbst
vermag keine Aehnlichkeit , geschweige denn Uebereinstimmung zwischen
den ersteren und den JRe/w-, den Kopten- oder Fellä^nSchiideln von reiner
Rasse aufzufinden. Meigs bemerkt, dass die in seiner Sammlung befind-
lichen, von Morton für diejenigen von n^Arabu gehaltenen Schädel aus
Aegypten 2) , welche ersterer amerikanische Verfasser selbst als »Arabs of the
Isthmus« bezeichnet (1. c. p. 44) , so unbedeutende Differenzen von den mit
ihnen in Vergleich gezogenen FeUuMn-SchMeln darböten, dass eine Tren-
nung der beiden Reihen von Speeimina nicht gerechtfertigt erscheine. Er-
stere seien wahrscheinlich Abkömmlinge von FelläRin und von Arabern, in
denen jedoch FelläMn-lMnt vorherrsche. Ich habe nun bereits weiter oben
auseinandergesetzt, dass Syroaraber des Isthmus mit Aegyptern gemischt sein
könnten (S. 181). Uebrigens hat es mir in Aegypten durchaus den Ein-
druck gemacht, als sei das hier eingebome Element selbst in denjenigen
Feüähln doch immer das prädominirende , welche nicht den reinen Retti-
typus darstellen, sondern vielmehr den Verdacht auf stattgehabte Kreuzung
erwecken. Das syroarabische Element hat hier an Uebergewicht verloren,
es hat das eingebome ägyptische zwar wohl modificiren, aber keineswegs
gründlich umbilden können. Es ist der Araber hier mehr und mehr vom
Aegypter absorbirt worden. Dasjenige, was am heutigen i'^tfi/äÄ' von Sitte
r Ueber einige in die Pariser Sammlungen gelangte Schädel aus Arabien und Syrien
berichtete Broca (Mem. de la Soci^t^ d'Anthropologie III, p. XV, XVI). Hyrtl führt
unter Nr. 21(1 den Schädel eines »Arabers aus Syrien« in seinem Werkchen : Vergangenheit
und Gegenwart des Museums für menschliche Anatomie an der Wiener Universität, Wien
1869, S. 72, an. Im anatomischen Museum der Universität München sah ich 1869 unter
Nr. 61 den Schädel eines »Arabers«. 0. u. W. Vrolik's Sammlung enthielt nur drei
Stück. fMus6e Vrolik par J. L. Dusseau, p. 26.) Aitken Meigs führt im Catalogue
of human crania in the collection of the Academy of Natural Science of Philadelphia p. 34
unter Nr. 780, 7S1 , 784 und 1296 arabische, p. 43 aber unter 499, 774 und 766 bis 770
«hybride Isthmus-Araber« auf. Bernard Davis hat in seinem so lehrreichen Thesaurus
craniorum, welcher auch hinreichendes Material zu Bekämpfung der Hindu-^heorie der
Aegypter (S. ISS) darbietet, auf p. 128 — 130 unter Nr. 22, 3S1 »Araberschädel« verzeichnet.
Im Museum der Freiburger Universität befinden sich mehrere durch Dr. Langerhans in
Palästina auf Oefechtsstätten u. s. w. aufgelesene Schädel, unter denen sechs wirklichen Be-
duinen, Bem-iAdwm und Beui-Säxirt angehören. Das in craniologischer Hinsicht sonst
80 reichhaltige anatomische Museum zu Berlin enthält z. Z. leider nur den Schädel eines
Uazrfmü von der Insel Se^ Salul bei Masfmh unter Nr. 24S42. (Nach Rüppell befindet
»ich hier ein Heiligengrab, zu welchem es oft nächtliche Wallfahrten giebt, auch werden
hier die Blatterkranken isolirt. Reisen in Abyssinien, I, S. 213.) u. s. w.
2} Crania Aegyptiaca, p. l4o.
Hartmann, Kigritier. 19
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290 1- Abschnitt. IX. Kapitel.
und Gesetz gar so augenfällig arabisirt erscheint, ist weit mehr auf Rech-
nung der Jahrhunderte langen Einwirkung eines strengen , tief in das Volks-
leben eingedrungenen Mofeainmedanismus , als auf physische Einwirkun-
gen zu setzen. *
Maqrlzt zählt uns in langen Reihen diejenigen syroarabischen
Stämme auf, welche der Geschichte zufolge zur Xafi/aÄ-Zeit in Aegypten
eingewandert sein und hierselbst eine neue Heimath gefunden haben soUen.
Er bemerkt im Eingang seiner Abhandlung, dass diejenigen Araber, welche
an der Eroberung Aegyptens Theil genommen hätten, längst schon durch
die Zeit fortgerafft seien und dass der Zustand der meisten ihrer Nachkom-
men unbekannt wäre. Mit Letzterem beweist also Maqrlzt y dass es schon
zu seiner Zeit (841 der Hegirah^ 1437 n. Chr.) schwer gewesen sein muss,
noch reine massenhaft vertretene Araber unter der Bevölkerung des
Nilthaies herauszufinden. Denn anders würde jener gediegene Forscher sich
ja doch über ihren dermaligen Zustand leicht haben unterrichten können.
Er sagt aber, dass von den Arabern in Aegyptenland wenigstens noch
Ueberreste vorhanden seien und dass zu diesen die Gaialabäi gehörten.
Diese wohnten in Syrien von der ägyptischen Grenze bis El- Xarrübah
[^Aqqah]^ stammten von Dej ab und seien der Stamm der Darmä und Z/u-
req^ welche sich mit den Franken verbanden, als diese die Länder des b-
lüm sich unterworfen hätten. Die Darmä in Yemen seien ein Zweig der
Beni-Dej\ Zureq sei Bruder der Darmä y der Mutter des >Amr Ben-* Auf
Ben-Qa*alabah Ben- Salämän^ welcher letztere die Benl-^Amr Ben- ^ Auf
gezeugt habe.
Garm von den Beul- De/ seien Nachkommen eines von einer ebenso
benamseten Frau erzogenen Qa>alabahy deren Name der vorherrschende ge-
worden. Einige Garm wären unter jenen Qa^lahät- DeJ, welche sich, wie
erwähnt, mit den Franken verbunden gehabt. Einige Garm-Dej hätten sich
in Syrien niedergelassen. Von ihnen seien zu unterscheiden die Garm-
Qozü>ahy sie wohnten in Syrien in der Gegend von Fazah und M-Därüm,
einer Burg hinter Cazah auf dem Wege nach Aegypten, von der Meeres-
küste bis nach Hebron. Als nun Suldän Sälah-el-Dm Yüsuf Ben- Efjub
die Stadt Fazah erobert, wären die Qa^aiahät und eine Abtheilung der Oarm
nach Aegypten gekommen , andere von den letzteren aber in ihren Wohn-
sitzen geblieben. Von den Garm wären zu MaqrlzVs Zeit nech die Gadimah
bekannt gewesen, wiewohl Einige deren Geschlecht von den Quresy Andere von
Ma%züm herleiteten, noch Andere eine ganz verschiedene Genealogie angä-
ben. Von diesen Gadimah stammten verschiedene Horden ab, ebenso auch
von den Garm, Die Garm-Dej hätten sich in Aegypten niedergelassen.
Maqr'izi berichtet weiter: Die Simhis wohnten in Palästina und zu
Darum bei Fazah, Im Jahre 442, als sie sich gemehrt hatten und wider-
spenstig waren, versetzte sie ein Wezir nach der Provinz El-Bahirek in
Niederägypten, wo er ihnen die Ländereien und Wohnsitze der Bem-Qorrah
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Völkerbewegung, Stammes- u. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiem. 291
anwies, eines Stammes von Zuheh Ben-Gudäm, Hier blieben sie. bis der
erste Fürst aus der Türkmen-Dyn^stie, MoHzz Uzz-el-Dtn Eibek-el-Turkmüm
im Jahre 651 wegen eines Aufstandes sie mit Krieg überzog und nach der
Provinz Farhieh trieb, wo sie den vereinigten Bem-Simbis und Lewätah eine
Niederlage beibrachten, deren Männer tödteten^ ihre Frauen gefangen nah-
men und ihre Habe an sich rissen. Die Sinibis kamen dadurch gänzlich
herunter und zerstreuten sich in El-Farlneh,
Die Gudäm, deren Genealogie sehr verschie<lenartig angegeben wird,
die aber aus Yemen gekommen zu sein scheinen, zerfielen in eine Menge
grösserer und kleinerer Stämme und Familien, von denen die Bem-Qorrah
schon oben genannt wurden. Einer ihrer ^Omrah ails den Beni-Zuwed, ein
»ehr edler Häuptling, hatte in seinem Gastzimmer zur Zeit <ler Theuerung
taglich 12000 Personen 1;, die bei ihm assen, und er pflegte die Brodbrocken
unter die Zugthiere zu vcrtheilen.
Als nun die Fuzz oder Türken unter Asad-el-Din ^irquh nach Aegyp-
ten kamen, waren hier von den Arabern die Dalhah, Ga^afir , Biill, Gehe-
nah ^ Lahme. Gudüm^ Sebän^ ^Udar , ^Udrüh, T)ej\ Simlns, Hantfah und
Maxzüm, von denen mehrere Tauaende unter den Streitern des fatmidischen
Reiches sich befanden. Die Gudüm gehörten zu den ältesten Arabern Aeg}T)-
tens, da sie schon mit »Amr Ben-el-^Asi dahin gelangt waren, und besassen
viele Landstriche, wie Har-Bef^ Tell-Basdah^ Nnb, Räm u. a. Die lünde-
reien der Qahlabät waren alle in den Urkunden <ler Gudüm mit verzeich-
net, erst Suldan Sülah-el- Dm theilte den Qa^alabäf grössere Besitzungen
im Gebiete der Guöüm zu. (Auf gleiche Weise verfiel FäqTts mit seinen
Umgebungen den Helbef-Zuwed,) Mehrere von ilnien wurden unter Ver-
leihung der Fahne und Trompete zum ^Amxr ernannt. Einer ihrer ^Omrah
brachte es unter EUMoHzz-Eibeh sogar zum Seyf-el-^Arab von ganz Aeg}p-
tenland.
Die Benl'Sa^ad wohnten von TeU-TambTil bis Nüh-T}arlf, einige auch
bei Cairo und bis an die Grenze der Provinz Serqleh u. s. w. Zu Alexan-
drien gab es eine sehr bedeutende Anzahl von Guöüm und Lahme, die durch
Tapferkeit und Kühnheit hervorragten und von denen bekannte Treffen,
merkwürdige Geschichten und berühmte Schlachten erzählt wurden.
In den Districten von El-Sa^td (Oberägypten) gab es eine Menge Stämme
der Araber, so in der Gegend von Asüan und weiter hinunter die Bent-
HUaly in der Gegend von Axmlm und weiter hinunter die BüU ^ in der
Gegend von Manfalüt und *S7/7^ die Gehenah, in der Gegend von El-^Oh-
mufien die Qures, in dem grössteu Theile des Gebietes von El-Bähnesah die
Lewäfahy von denen einzelne Abtheilungen in den Provinzen El-Glzek, Me-
mfieh und Bah'treh wohnten, im Gebiete von El-Fajjüm ferner auch die
Bem-Kelab.
1; Wohl orientalische Uebertreibung.
19*
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292 I- Abschnitt. IX. Kapitel.
Die Bent'Hiläl sind ein Zweig der Benl-^Amir, welche die Bewohner
des Districtes von El-Sa^id bis ^Atdüh sind und zu welchen zu Axmtm die
Ben'i-Qmrah und zu Saqteh-Qolta die Bem-iAmr gehören. Die Bent-Hital
zerfallen in eine Menge Stämme.
Ball ist ein grosser Stamm mit vielen Zweigen. Diese Leute wohn-
ten in Syrien, da rief ein Mann die BenJ-Qozä^ah zusammen, und als dies
^Omar Ben-el-HadUh erfuhr, schrieb er an den ^Amlr von Syrien, er solle
den dritten Theil der Qoza^ah nach Aegypten schicken. Bei näherer Be-
trachtung ergab sich, dass die Bäti den dritten Theil der QozU*ah ausmach-
ten, und sie wurden daher nach Aegypten gesendet. Die BüU zerstreuten
sich in Aegypten, kaihen aber in der Folge mit den Gehenah dahin über-
ein, dass sie das Land von der Brücke von Sühüy südlich bis in die Nähe
von Qamülahy und im Osten von dem Bergabhange bei Qäü-el-Xaräb bis
nach ^Aidäb besitzen sollten. Von den Familien der Ball waren in Aegyp-
tenland folgende: Beni- Haut ^ B,-IIirm, B,-Sawüdah, B.'Xarlfah^ B.-
BälSy B,-Näb, B,'Südy welche ^Otnrah waren, und die B,-*Ugel Ben-el-
Reh, d. i. EU^Agalah , unter welchen ebenfalls das Emirat war. Zu den
Benl-tSüd wurden Manche gerechnet, wie El-Qämieh (also nach einem mit
einem Bogen, Qäüs, bewaffneten Manne genannt) zu TüXy die Hodel das.,
die Bem-Hammäd und B,-Fazälah zu Manfalüty die B.-Xijär zu Farsüd.
Maqrlzl erwähnt dann die hinsichtlich der Abstammung der B.S'äd herr-
schende Unsicherheit.
Die Gellenah sind ein Stamm aus Yemen und die zahlreichsten unter
den Arabern des Sa^id, Nach Kämpfen mit den Qureh und vielleicht auch
mit den Ball setzten sie sich bei Axmlm fest.
Für die Genealogie der Qures hat Maqrlzi verschiedene Nachrichten;
nach El-Zuber soll ihr Name die Vereinigung des Geschlechtes be<leuteii
und ist es weder Name eines Vaters, noch einer Mutter, noch eines Er-
ziehers oder einer Erzieherin. Zu den Qurei gehörten die Ga^aßrah , von
denen wieder die Zejanlbah abstammten, so genaimt nach Zenab, der Mut-
ter ihres Stammhauptes. Von den Zejanibah kommen wieder verschiedene
andere Familien her, z. B. die Benl-Ga'alabät el-Datcüdi el-Hegäzi u. s. w.
Sie wohnten in verschiedenen Districten, vom Norden von Manfalüt bis nach
Samalüt südlich und östlich.
In Sa^id-Misr lebten auch Nachkommen von El-Kanz. Sie kamen
aus ihren Niederlassungen in El- Yemämah unter dem Xatifah Müdatoekil
Allähähl um 240 in grosser Zahl nach Aegypten. Sie zerstreuten sich in
verschiedenen Gegenden und ein Theil von ihnen Hess sich im oberen Sa^id
nieder, wo sie die Grasplätze der südlichen Gegenden und deren Thäler be-
wohnten. Die Eingebornen von Elr-Begah machten so unaufhörlich in ein-
zelnen Abtheilungen Angriffe auf die südlichen Dörfer, bis sie dieselben
zerstört hatten. Da erhielten Jene den Schutz der Babbikh und vertrieben
die Bejah, Sie verheiratheten sich dann unter letzteren und nahmen Be-
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Völkerbewegiing, Stammes- u. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorzügl. d. Nigritiern. 293
sitz von den Goldminen zu El->Olläqi S. 4 7 ff.;, wodurch sich ihr Vermögen
vergrösserte und ihre Verhältnisse sich sehr verbesserten. So entstand ihre
Niederlassung im Gebiete von El- Be ff ah, und sie gründeten eine Stadt, welche
den Namen El-Nafmämis erhielt, und legten 4aselbst Brunnen an.
LAldäh gehörte den Bent-Junus Ben-RahbVeh, welche es bei ihrer An-
kunft aus Yemämah in Besitz nahmen; hernach entstand zwischen ihnen
uud den Benl-Bisr, Nachkommen des Kauz - Führers IsHäq Ben-Bisr , ein
Krieg, worin jene geschlagen wurden, weshalb sie von LAidäh nach El-
Hegäz gingen. In der Folge brachen unter den Benl-Btsr selbst Streitig-
keiten aus, in denen Ish^äq getödtet wurde ; sie Hessen sich von Belbes einen
Vetter desselben kommen, welcher sein Geschlecht auf Masrliq Ben-Ma^adi-
Qarib Ben-el-äarld Ben-Maslämeh zurückführte. Auf diesen führt nun auch
Kanz-el-Datcleh sein Geschlecht zurück, welcher Befehlshaber von Asüan
wurde, sich hier niederliess und den Platz Saqieh-SaMän gründete. Er
Wieb Oberhaupt der Rabbi kh bis zu seinem Tode, worauf die Regentschaft
auf seinen Sohn überging, welcher als Aivaff-cl-Mülä^a, tollkühner Anfüh-
rer, geehrt, den gegen Suldän El-IIäkm sich empörenden Abü-Rakwah be-
siegte und dafür vom Suldän den Beinamen Kanz-el-Daicleh , d. i. Schatz
des Reiches, erhielt. Dieser Name und das Emirat blieben der Familie,
bis der letzte als Bundesgenosse des Sölah-ol- Din-Yiistif Ben-Ejjub von
Melik El->Adel Abü-Baqr Ben-Ej/üb im J. 570 umgebracht wurde.
Die Qinäneh sind aus Hegäz herübergekommen. Sie mussten , die
dortige Wüste verlassend, durch das Gebiet der Qure*s ziehen, was ihnen
nur durch Vermittlung der Beni- Bra/iim Ben- Mohammed gestattet wurde.
Mit den Qinäneh zog ein aus verschiedenen Stämmen zusammengesetzter
Haufe, der sich unter ihren Schutz begeben hatte.
In El-Sa^id wohnte auch eine Abtheihing der Ansär , welche, ein
grosser Stamm von El-Azd, den Namen El-Ansär, die Helfer, erhielten,
weil sie nämlich dem Gesandten Gottes geholfen hatten. Ueber ihre Ge-
nealogie giebt es zwei verschiedene Lesarten. Die Beiii- Mohammed und
B.-Ukr'tmeh von ihnen wohnen nördlich von ManfalüL
In SaHdy EUFajjnm, El-Bahireh und in Barqah bis nach El-Mayreb
wohnten die 'Auf Ben- Sulem Ben-Mansür Ben-Ukrlmeh Ben-Xasäfek Ben
Qes Ben- ^ Allan, Zu ihnen gehörten eine unzählige Menge von Völ-
kerschaften.
In Aegypten hausten auch die Fazärah-Qes. Fazärah hiess mit Bei-
namen >Amry weil nämlich sein Bruder ihn auf den Rücken schlug, Fazärah^
so dass ein Buckel — Fozrah — entstand, wovon er Fazärah genannt wurde.
Sie zerfielen in eine Menge Familien. Einige wohnten in El-SaHd, andere
in der Gegend von (-airo, in Qel/übteh u. s. w.
Die Lewätah in Aegj^pten behaupten von den Nachkommen des Le-
wätah Ben-Berber abzustammen. Nach Anderen soll Berber ein Sohn des
Qei-» Allan oder des Ma^add Ben-^Adwän gewesen sein. Nach noch An4e-=
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294 I. Abschnitt. IX. Kapitel.
ren war Berber Berir-Mahdd Sohn des Makidd Ben- 'Adtoän und einer Is-
raelitin. Der hofihungs volle Sohn, welcher anfanglich bei seiner Mutter ge-
blieben war, ging, herangew achsen, zu seinem Vater nach Hegäz und lernte
daselbst Arabisch. Nach des Vaters Tode trennte er sich von seinen Brü-
dem, zog nach Mayreb , verheirathete sich hier und hinterliess Nachkom-
men. Maqrlzl bezweifelt nun die Richtigkeit dieser Angabe und erzählt
uns von einer Nachricht, Berber sei Sohn des Qedär Ben-hmaHl gewesen,
der ihn, den Sohn, wegen eines Vergehens mit den Worten vertrieben : vEl-
Berr-y El-Berr ^ geh, o Berr, Du bist nicht J^r, d. i. fromm.« Er sei
nach Palästina gezogen, habe hier eine Amalekiterin geheirathet und mit
dieser viele Kinder gezeugt. Als nun aber Goliath von der Hand des Pro-
pheten Datoüd gefallen, seien sie nach Mayreb gegangen. Auch diese ge-
nealogische Deutung hält unser Gewährsmann nicht für richtig. Nach An-
deren sei Berber einer der Söhne des Qibt Ben-Quft gewesen. ^Afrikus
Ben-Qes oder Ilimyür der Jüngere, Sohn des jüngeren Sabakth, habe Afrika
erobert, welches dann nach ihm benannt sei. Der König habe Girglr ge-
heissen und damals hätten die Berbern diesen Namen bekommen, weil er
zu ihnen gesagt habe: »wie viel ist doch Euer Berberel, d. h. Murren«. Am
wahrscheinlichsten sei jedoch, dass sie zu den Nachkommen des QanakLti
Ben-Xäm Ben-Nah gehörten, dann zu den Nachkommen des Berr, welcher
Berr Ben-Bcigcin Ben-Qana^an genannt worden sei. Nun folgt ein genauer
Stammbaum. Eine der Nachkommen Berr's sei Gattin des Vaters von IlatD-
wdreh geworden und auf diese Weise sei das Geschlecht des Vaters von
Hawwdrek unter des Letztern Stamm gekommen. Wir erfahren nun Aller-
hand über die Abstammung der Zenäte^ Simgän^ Meknüsehy Züäwah, Sen-
hägeh u. s. w. , lauter echter uns schon von früher her bekannter Berber-
nationen, welche hier in wahrem Kunterbunt durch einander geworfen
werden. Nachkommen der Beni-Ballär, der Beni-Magdülj Saqärah! , B.-
Abü-Kedir, B.-el-Geläs und eine Linie der B,-Dahlän wohnten im Districte
El-Glzehy am Fusse der Pyramiden? Zu den Benl-Jarbah gehört die
Hälfte der Benl-^Amir y Hamasenah und Jabe^nahy Stämme, welche fast
nicht die Spur arabisch sind.
Höchst sonderbar ist nun ferner eine andere Erzs^ung Maqvls^U
(welche freilich auch nur Vernommenes wiedergiebt) von der Abstammung
der schon genannten Hawipäreh (s. oben). Es sei nämlich ein ägyptischer
Soldat Namens El- Müdänah Ben-el-Miswär etc. aus Aegypten fortge-
gangen, um ein Kameel zu suchen, welches er verloren hatte;
er habe den Weg nach Mayreb eingeschlagen und sei des Thieres Spur ge-
folgt. Als er nach Afrika gekommen, habe er einen Sklaven gefragt, wo
sie seien, und habe auf die Antwort desselben, sie seien in Afrika, zu ihm
gesagt: y>tafiawwärnä ^ d. h. wir haben einen dummen Streich begangem»).
1) B-TuKawwar, d. h. Thorheit.
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Völkerbewegung, Stammes- ^. Kastenbildung unter d. Afrikanern, vorztigl. d. Nigritiern. 295
Er habe sich nun bei einer Völkerschaft der ZenlUe S. 251) niedergelassen
und ß">Argeh geheirathet^ aus welcher Heirath die Hawwäreh abstamm-
ten. Diese behaupteten nun, Nachkommen der alten Berbern zu sein,
auch dass von ihnen yiieAev Menäzeh uni. Leicätah abstammten. Diese aber
seien aus ihrem Gebiete weg und nach Barqah gezogen. Auch behaupte-
ten die H. von einem Volke der Bewohner Yemetis abzustammen, aber ihr
Geschlechtsregister nicht zu kennen. Diese Angaben schienen nun nicht
haltbar und das früher, S. 294, wiedergegebene Geschlechtsregister sei wahr-
scheinlich das richtige. Sie führten ihren Stammbaum fort auf gleiche
Weise wie die Araber. Ihr Gebiet erstreckte sich ursprünglich von der
Grenze des Districtes von Sort bis Tripolis; es seien dann mehrere Abthei-
lungen derselben nach Aegyptenland gekonmien und hätten sich in der Pro-
vinz Bahlreh niedergelassen, wo sie von Seiten des Städän Besitzungen er-
halten hätten. Die Hawwäreh y welche in der Provinz El-Sahd seien, habe
El-^äMr Berqüi/ nach dem Treffen mit Bedr BenSaläm dort sich ansiedeln
lassen, vermuthlich im Jahre 782. Einem von ihnen sei das verwüstete
Gebiet von Girgeh übertragen worden, welches er bis zu seiner Tödtung
durch ^All Ben-Qarib bebaut habe. Auf ihn sei ^Omar Ben-^Abd-el-^Azlz
gefolgt, dessen Sohn Mohammed Abul-Senün (oder -Sun) mehr Ländereien
kultivirt, Zuckermühlen und Pressen angelegt habe. Die von Maqrlzi an
diesen Stellen angegebenen Stammesableitungen der SenHägeh (Tüärtq) er-
scheinen Referenten leider zu absurd, um von ihm weiter beachtet werden zu
sollen.
In El-SaHdy so fahrt unser Gewährsmann weiter fort, hätten auch
die Lahme gehaust, die wieder in mehrere Stämme zerfallen wären. Ein
Theil derselben scheint bei Helwän unfern Cairo gelebt zu haben.
Es werden ferner von M, Abtheilungen der Lewätah, Mezäieh, Zanä-
reh und liawwäreh als Bewohner der Menüfieh, Mezäteh als solche von
Bahlreh und Farbiehy Fazärah als solche von Qe^übieh genannt u. s. w.
Die Beni-^Udar unfern Damiette beständen aus Leuten ohne Bildung, welche
kein Schutzrecht genössen.
Die Haräm gehörten zu den Gudäm (S. 291) und zerfielen in grössere
und kleinere Familien, welche unter den Arabern Aegyptens wenig bekannt
wären. Die BenlStdem (S. 293) seien Qes^ ihre Niederlassung falle, wie
diejenige mehrerer anderer Stämme von Qjesy in das Jahr 107. Vorher seien
von letzteren nur Fahm und ^Adwän gewesen, die Söhne von Mmr Ben-
des »AUän. Fahm, der sonst El-Harld hiess, tödtete den ^Adwän, weil
dieser, sein Bruder, ihm Fahm-^dä, d. h. feindselig, gewesen. ^Obed- Allah
Ben-el-Hegäb war Anführer der Beni-Salül und Verwalter der Einkünfte Aegyp-
tens war. Heiäm Ben-iAbd-eUMelik bat diesen, einige Familien von Qes
dorthin führen zu dürfen. HeSäm gestattete ihm dreitausend derselben zu
versammeln, in eine Liste einzutragen und nach Aegypten hinüber zu sie-
deln, doch unter der Bedingung, dass sie sich nicht bei El-Fösdäd [Altr
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296 I. Abschnitt. IX. Kapitel.
Cairo) niederliessen. Ibn-el-He^äb brachte nun die Qes herüber und wies
ihnen die östliche Niederung als Wohnsitz an. Nach einer anderen Dar-
stellung aber habe *Obed-Alläh^ als ihm die Verwaltung Aegyptens über-
tragen wurde, den >Amtr um Erlaubniss gebeten, hier Qes ansiedeln zu
dürfen, indem es ja im Lande Districte gegeben, in denen Niemand sei und
wo eine Niederlassung der Araber neben den Eingebornen diesen nicht
Schaden und den Einkünften derselben keinen Abbruch gethan haben würde,
nämlich zu Selbes. ^Obed - Allah habe nun Familien der Qes in der Wüste
gesammelt und ihnen befohlen, das l^and zu bebauen, habe ihnen auch
von Dem, was aus dem Zehnten zu mildthätigen Zwecken eingegangen, et-
was zukommen lassen, so dass sie sich Kameele kaufen gekonnt, auf denen
sie Lebensmittel nach El-Qohüm gebracht, womit ein Mann in einem Monate
zehn Dinare und mehr verdient habe. Sie hätten dann auf Befehl yObed-
AüäKs Füllen gekauft, die schon nach einem Monate geritten worden seien ;
das Futter für diese Hausthiere hätten sie reichlich auf ihren vortrefflichen
Weiden gefunden. Als ihre Stammverwandten dies erfahren, hätten sich zu
ihnen 500 Familienglieder aus der Wüste begeben, welche es ebenso ge-
macht, und nach einem Jahre seien noch gegen 500 gekommen. Zu Sel-
bes hätten 1500 Personen von Qes gewohnt, die sich zur Zeit des Jtfmra»
Sen- Mohammed gegen den damaligen Xalifah El-Huwerah Senr-Suhel aufge-
lehnt. Als Merwän gestorben, wären daselbst 3000 Personen geblieben. Sie
hätten sich vermehrt und aus der Wüste wären noch andere zu ihnen ge-
stossen, so dass eine unter MoKammed-Ben-Sahd veranstaltete Zählung ihrer
5200 ergeben habe. In diesem Stamme der Sulem gebe es mehrere Zweige von
Familien, und die Wohnsitze derselben wären zu Sarqah an der Grenze
von Aegyi)ten. Sie lebten vormals im Hochlande von Neged in der Nähe
von Xebär. Darauf seien Alle bis auf den Letzten nach Aegypten und
Afrika gezogen, woselbst sie zu einer grossen Zahl herangewachsen seien.
Zu ihnen hätten dort die tapferen Benl-eUSartd und die Senl-Zogb gehört,
anfänglich zwischen Mekkah und Medinah wohnhaft, ferner Setü-Jabhäh
Sen-MeUk, welche sich zwischen Sarqah und Qäbs niedergelassen hätten.
Der Hauptstamm der Jabbab wäre zu unseres Verfassers Zeit zwischen Tri-
polis und Qäbs ansässig gewesen. Zu den Sulem -gehörten, so heisst
es ferner, auch die Benl-^Aüf Sen-SoJidah zwischen Qäbs und Siled-el-^Un-
näb. Die Brüder des letztgenannten Stammes, die Sent-Hajjxb ^ Sen-BoK-
dah, wohnten zwischen El-Sidrah bei Sarqah bis an die Grenze von Alexan-
drien, genössen grosses Ansehen in dem mit zerstörten Städten bedeckten,
von ihren Sujü% beherrschten Lande, und es gehorchten ihnen auch eine An-
zahl Berbern.
Zwischen Alexandrien und *Aqabat-el-Kobrah wohnten verschiedene
Familien. Maqrlzl zählt sodann die in Gegend der Strasse von Cairo nach
Mekkah hausenden Araberstänmie auf. In Sarqah seien auch